S 46 R 90105/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
46
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 R 90105/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Verpflegungsgeld, Bekleidungsgeld und Zuschüsse als Arbeitsentgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) streitig.

Der am ... 1947 geborene Kläger war in der Zeit vom 1966 bis zum 1990 bei der D. V. der DDR beschäftigt.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 2. Juni 2005 die Entgelte nach § 8 AAÜG fest und berücksichtigte dabei die Dienstbezüge des Klägers für den Dienstgrad, die Dienststellung sowie das Dienstalter und außerdem das Wohngeld.

Mit Schreiben vom ... beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom ... und machte dabei die Berücksichtigung weiterer Zulagen / Zuschläge, die gleichfalls im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der D. V. stehen. Zur Begründung bezog sich der Kläger auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R).

Mit Bescheid vom ... lehnte die Beklagte die Überprüfung und Abänderung sowie die Berücksichtigung weiterer Zahlungen als Arbeitsentgelt ab. Die Rechtsprechung des BSG und des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt seien Einzelfallentscheidungen, denen nicht generell gefolgt werden könnte. Es seien Musterverfahren zur Klärung des Entgeltbegriffes angestrebt.

Der Widerspruch des Klägers vom ... wurde mit Widerspruchsbescheid vom ... zurückgewiesen.

Der Kläger hat am ... Klage vor dem (ehemaligen) Sozialgericht S. erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Begriff "Arbeitsentgelt" in § 14 SGB IV, alle Einnahmen umfasse, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt werden. Schließlich sei mit der Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R) nicht auf das im Zeitpunkt des Zuflusses geltende DDR-Recht abzustellen, sondern auf die Rechtslage am 1. August 1991.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom ... dahingehend abzuändern, dass als zusätzliche Arbeitsentgelte Zulagen, Zuschläge und persönliche Vergütungen wie Verpflegungs- und Bekleidungsgels sowie Zuschüsse als Arbeitsentgelte im Sinne des § 8 AAÜG berücksichtigt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt auch im Gerichtsverfahren die Ansicht, die sie schon im Verwaltungsverfahren vertreten hat. Aus ihrer Sicht begründen die strittigen Zahlungen keine überführbaren Ansprüche. Aus der BSG-Rechtsprechung werde deutlich, dass Arbeitsentgelt nur Zahlungsarten umfasse, die als Gegenwert/Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt werden. Die Anweisung, dass Verpflegungsgeld nicht zusammen mit der Besoldung gezahlt und nicht rentenbeitragspflichtig war zeige, dass es nicht Teil der Besoldung war. Die Leistung war widerruflich und nicht ruhegehaltfähig. Gleiches gelte für den Reinigungszuschuss. Es handle sich dem Charakter nach um eine Aufwandsentschädigung. Beim Schichtzuschlag sei die Zahlung nicht nachgewiesen. Die Beklagte meint, dass nach dem System des AAÜG (auch) systembedingt überhöhte Verdienste ausgeschlossen werden sollen. Der Gesetzgeber wollte für die ehemals Sonderversorgten keinesfalls aus Zusatzleistungen/Prämien rentenrechtliche Vorteile herleiten, die schon im DDR-Versorgungsrecht nicht vorgesehen waren und die bei allen anderen Beschäftigten (nach § 256a SGB VI) ausgeschlossen sind. Die Beklagte bezieht sich weiter auf Rechtsprechung des BSG zum Sonderprämienfonds der DDR-Zollverwaltung sowie zum Sperrzonenzuschlag. Fraglich sei damit bereits, ob die Zulagen als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zu qualifizieren sind. So sei es nach Meinung der Beklagten beim Verpflegungsgeld nicht um eine allgemeine Anhebung des Nettolohnes sondern um die soziale Verantwortung des Arbeitgebers gegangen, die auch in § 228 Arbeitsgesetzbuch der DDR geregelt sei. Die Beklagte sieht in der Verweisung des § 6 Abs. 1 AAÜG auf § 256a Abs. 2 SGB VI den Hinweis auf die grundsätzliche Versicherbarkeit der Verdienste. Dies sei beim Reinigungszuschuss und Verpflegungsgeld nicht der Fall gewesen. Im Übrigen verweise § 14 SGB IV auf die Arbeitsentgeltverordnung wonach Arbeitsentgelt nicht zu berücksichtigen ist, wenn es lohnsteuerfrei gezahlt wird. Nach Meinung der Beklagten kommt es dabei nicht auf die Rechtslage am 1. August 1991 sondern auf den Zuflusszeitpunkt an. Die Schichtprämie sei nach DDR-Recht steuerfrei gewesen. Die Bezugnahme auf ein späteres Steuerrecht stelle eine Ungleichbehandlung der Sonder- und Zusatzversorgten gegenüber den übrigen Versicherten im Beitrittsgebiet dar, da erstere in den Genuss "fiktiver" beitragspflichtiger Arbeitsentgelte kämen. Die strittigen Zulagen weisen keinen unmittelbaren Bezug zum Bruttolohn auf und wurden aus sozialen Erwägungen zusätzlich zum Bruttolohn gezahlt.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom Bescheid der Beklagten vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bescheid vom ... abändert und weitere Arbeitsentgelte feststellt.

Die Kammer ist der Ansicht, dass weitere Besoldungsbestandteile wie Verpflegungs-, Bekleidungsgeld sowie Zuschüsse nicht zu dem zu berücksichtigenden Entgelt gehört. Das SG D. hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2011, Aktenzeichen: S 35 RS 2129/09 folgendes ausgeführt:

" Einzige in Betracht kommende Rechtsgrundlage, den bestandskräftigen Feststellungsbescheid überprüfen und abändern zu lassen, ist § 44 Abs. 1 Satz 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Die Voraussetzungen für eine Abänderung der bestandskräftig gewordenen Entgeltbescheide sind hier nicht erfüllt, denn die Beklagte hat die Arbeitsentgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) korrekt festgestellt.

Das AAÜG regelt, ob und ggf. wie Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets (zum 31. Dezember 1991) überführt werden (§§ 1 bis 4 AAÜG). Ab 1. Januar 1992 werden diese durch die entsprechenden Anwartschaften aus dem SGB VI ersetzt (st. Rspr. des BSG seit BSGE 72, 50, 56). Demzufolge bestimmt sich auch der (Geld-)Wert dieser Berechtigungen grundsätzlich nach dem Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), wobei für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Ermittlung der sog. Entgeltpunkte abweichend von §§ 256a, 256b, 70 SGB VI der Verdienst nach dem AAÜG zugrunde gelegt wird (vgl. § 259b Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Hierzu hat nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, sowie die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 23.06.1998 zu Az. B 4 RA 61/97 R in SozR 3-8570 § 5 AAÜG Rdnr. 4, vom 04.05.1999 zu Az. B 4 RA 6/99 R in SozR 3-8570 § 8 AAÜG Rdnr. 3, vom 02.08.2000 zu B 4 RA 41/99 R sowie vom 29.01.2004 zu Az. B 4 RA 19/03 R in SozR 4-8570 § 8 AAÜG Rdnr. 1) bestimmt sich die inhaltliche Bedeutung des Entgeltbegriffs im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG an der bundesdeutschen Definition für Arbeitsentgelt in § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV), ohne insoweit an das DDR-Recht, namentlich die am 03.10.1990 außer Kraft getretene Verordnung der DDR über die Berechnung des Durch-schnittsverdienstes und über die Lohnzahlung vom 21.12.1961 (GBl II S 551) anzuknüpfen.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Gemäß § 1 Arbeitsentgelt-verordnung (ArEV) – erlassen aufgrund Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 SGB IV – sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus - dem im vorliegenden Fall nicht ein-schlägigen - § 3 nichts Abweichendes ergibt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt die Berücksichtigung des Schichtzuschlags unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht. Die Frage, ob die Zahlung des Schichtzuschlags hinreichend nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden ist, kann dabei offen bleiben, da dieser ohnehin nicht als Arbeitsentgelt zu würdigen ist. Nach Ziffer 4.21 der Besoldungsordnung der Zoll-verwaltung der DDR (in Kraft gesetzt durch den Befehl Nummer 1/65) war an die Mitarbeiter aller Dienststellen und Abteilungen, die ihren Dienst im Schichtsystem verrichten, ein Schichtzuschlag zu zahlen. Die Schichtzuschläge wurden nach der Besoldungsordnung gezahlt für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, nicht für Samstagsarbeit, unterlagen nicht der Berechnung für den Versorgungsfonds und waren lohnsteuerfrei. Für den Zeitraum ab 01.07.1973 regelte die Besoldungsordnung (in Kraft gesetzt durch Befehl Nummer 1/73) ebenfalls die Zahlung eines Schichtzuschlags unter Ziffer 4.21. Für den Zeitraum ab 01.01.1986 regelte die Ordnung 1/86 unter Ziffer 2.8.5 den Anspruch der Mitarbeiter auf den Schichtzuschlag.

Der Schichtzuschlag ist unstrittig Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV. Er ist jedoch bei der Ermittlung des Entgelts nach § 6 AAÜG nicht zu berücksichtigen, da er steuerfrei bezahlt wurde.

Dabei kann hier offenbleiben, ob mit dem 4. Senat des BSG (Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 4/06 R) auf die Rechtslage vom 01.08.1991 abzustellen ist, oder ob auf den Zeitpunkt des Zuschusses abzustellen ist. Sowohl unter Berücksichtigung der Rechtslage am 01.08.1991 als auch nach den steuerrechtlichen Regeln zum Zeitpunkt des Zuflusses erfolgte die Zahlung des Schichtzuschlages steuerfrei. Schichtprämien wurden nach den §§ 169, 171 Arbeitsgesetzbuch der DDR für Sonntags- und Nachtarbeit gezahlt und waren nach § 5 der Verordnung über die Gewährung von Schichtprämien (vom 12.09.1974, GBl. I Nr. 51, S. 477) steuerfrei. Gleiches galt für den hier streitigen Schichtzuschlag (vgl. Ziff. 4.21 der Besoldungsordnung der Zollverwaltung der DDR gem. Befehl Nummer 1/65; Ziff. 7.00 der Besoldungsordnung gem. Befehl Nummer 1/73; Ziff. 5.1 der Besoldungsordnung vom 01.01.1986 Nr. 1/86).

Im bundesdeutschen Recht regelte § 3b des Einkommenssteuergesetzes (EStG) die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit und differenzierte dabei nach der Höhe der gezahlten Zuschläge im Vergleich zum Grundlohn. Nach § 3b EStG (Stand01.08.1991) sind steuerfrei Zuschläge für die tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit die neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie 27 1. für Nachtarbeit 25 v.H., 28 2. vorbehaltlich der Nummern 3 und 4 (die hier nicht einschlägig sind) für Sonntagsarbeit 50 v. H. des Grundlohns nicht übersteigen.

Der Kläger hat einen Durchschnittswert von ... Mark jährlich und damit durchschnittlich ... Mark monatlich als Schichtzuschlag geltend gemacht. 25 % des Grundlohns werden mit den Schichtzuschlägen zu keinem Zeitpunkt überschritten. Damit wären die Schichtzuschläge nach der Besoldungsordnung der Zollverwaltung der DDR wie auch unter Anwendung des am 01.08.1991 geltenden bundesdeutschen Steuerrechts nicht zu versteuern gewesen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Berücksichtigung des Verpflegungsgeldes (bzw. des Sachbezugs hierüber) wie für den Reinigungszuschuss. Dabei ist für die Kammer bereits fraglich, ob es sich bei diesen Zulagen um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV oder um bloßen Aufwendungsersatz handelt. Die Frage, ob es sich bei dem Verpflegungszuschuss und dem Reinigungszuschuss um Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV gehandelt hat, kann jedoch offen bleiben, denn selbst, wenn ein großzügiger Maßstab bei der Bestimmung von Arbeitsentgelt angenommen wird, so waren beide Zulagen zum Zeitpunkt des Zuflusses lohnsteuerfrei und wirkten sich nicht auf die Altersversorgung aus.

Entgegen der Auffassung des 4. Senats des BSG in der Entscheidung vom 23.08.2007 (B 4 RS 4/06 R) kann es dabei nicht auf die steuerrechtlichen Regelungen der am 01.08.1991 geltenden bundesdeutschen Gesetze ankommen. Die Kammer schließt sich dabei den Entscheidungen des SG P. (Urteil v. 07.12.2010 S 36 R 121/09), des SG C. (vom 03.05.2011, S 15 RS 1378/09) und insbesondere der Entscheidung des SG L. (Urt. v. 15.12.2010, S 24 RS 1540/09 jeweils zitiert nach JURIS) an (im Ergebnis ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2003, L 10 RA 2532/01 in JURIS).

Dabei hat die 24. Kammer des SG L. in den Urteilsgründen (a.a.O.) zutreffend ausgeführt:

cc) Ungeachtet dessen, dass eine tatbestandliche Rückanknüpfung an das am 1. August 1991 geltende EStG unpassend und kaum vollziehbar erscheint, ist nicht ersichtlich, weshalb im Rahmen der Bildung fiktiver Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG die zusatz- und sonderversorgten Versicherten derart gegenüber den übrigen Versicherten im Beitrittsgebiet bevorzugt werden sollen, dass auch die im Zuflusszeitpunkt steuer- und beitragsfreien Entgeltbestandteile dem Arbeitsentgelt zugerechnet werden müssen.

Schließlich gilt nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland der in § 1 ArEV zum Ausdruck kommende Grundsatzes, dass die im Zuflusszeitpunkt steuerfreien Entgeltbestandteile, die neben den Löhnen und Gehältern gezahlt wurden, auch nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen sind (ein Aspekt des allgemeinen "Grundsatzes der Parallelität von Steuer- und Beitragspflicht", vgl. z. B. BR-Drs. 579/89, S. 6; weitere Ausprägungen finden sich in dem am 1. August 1991 geltenden Bundesrecht in den gleichlautenden § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG und § 3 Abs. 1 Satz 1 SachBezV, dem Verweis auf die SachBezV in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG sowie umgekehrt dem Verweis auf das EStG in § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 Sach-BezV). Derselbe Grundsatz war – zumindest in den letzten Jahren – auch in der DDR verwirklicht (vgl. nur § 16 Abs. 1 SVO; zwar waren im Bereich der Sonderversorgungsträger auch die Dienstbezüge unterer Dienstgrade teils steuerfrei, vgl. Buchstabe E Ziffer I Nr. 1 Abs. 1 Ordnung Nr. 27/89 – hierbei handelte es sich jedoch nicht um Einnahmen, die im Sinne von § 1 ArEV "neben den Löhnen und Gehältern" gewährt wurden, sondern um das Gehalt selbst). Von diesem Grundsatz rückt die vorgenannte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab, indem sie im Rahmen der Bildung fiktiver Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG nicht auf das Steuerrecht im Zuflusszeitpunkt, sondern fiktiv auf ein späteres und anderes Steuerrecht abstellt. Völlig zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass infolge dieser Rechtsauslegung die zusatz- und sonderversorgten Versicherten in den Genuss weiterer fiktiv "beitragspflichtiger" Arbeitsentgelte neben den Löhnen und Gehältern bzw. Dienstbezügen kommen, die in der Rentenberechnung berücksichtigt werden, obwohl für die übrigen (Sozialpflicht-) Versicherten im Beitrittsgebiet diese – im Umfang erheblichen – Entgeltbestandteile aufgrund der Steuerfreiheit und des vorstehenden Grundsatzes bzw. § 16 Abs. 1 SVO unter keinen Umständen zur Beitragsbemessung hätten herangezogen werden können.

Es müsste durchaus die Frage aufgeworfen werden, ob diese rentenrechtliche Bevorzugung der zusatz- und sonderversorgten Versicherten gegenüber den übrigen Versicherten im Beitrittsgebiet noch mit dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu vereinbaren wären (vgl. dazu Sozialgericht D., Urteil vom 18. Januar 2010, S 24 R 1218/08, Juris-Rn. 26). Ungeachtet der hier streitigen Entgeltbestandteile des Klägers müsste in diesem Zusammenhang wohl auch berücksichtigt werden, dass "Prämien, Auszeichnungen und Belohnungen", die im Rahmen des "sozialistischen Wettbewerbs" ausgelobt waren und nunmehr von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie erfasst werden, nicht nur zur Förderung der Arbeitsproduktivität, sondern auch zur Sicherstellung "gesellschaftlichen Wohlverhaltens" bestanden (vgl. Buchstabe B Ziffer II Nr. 3.1.3 des Schlussberichts der Enquete-Kommission "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit", BT-Drs. 13/11000; siehe nochmals z. B. § 117 Abs. 1 und 4 ArbGB-1977: Streichung der Jahresendprämie bei staatsbürgerlicher Unzuverlässigkeit).

Dass ausgerechnet diese Entgeltbestandteile Arbeitsentgelte im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sein sollen, während sie bei "normalen" Versicherten aufgrund § 256a Abs. 2 SGB VI keine rentenrechtlich relevanten Verdienste begründen können, ist eine Ungleichbehandlung, die mit den vom Gesetzgeber bei Erlass des AAÜG ursprünglich verfolgten Zielen womöglich schwer zu rechtfertigen wäre. Die Kammer kann jedoch die Frage eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot dahingestellt lassen. Denn auch ohne eine eventuell erforderliche verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erscheint eine andere Auslegung vorzugswürdig (nachfolgend dd). Die im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. August 2007 genannten Argumente, die für seine Auffassung sprechen sollen, überzeugen nicht (nachfolgend ee).

dd) Arbeitsentgelte im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind nach Auffassung der Kammer entsprechend der Definition des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle Geld- und geldwerten Sachleistungen, die dem Versicherten im ursächlichen Zusammenhang mit einer abhängigen Beschäftigung, z. B. aufgrund von Regelungen des jeweiligen Betriebskollektiv- oder Arbeitsvertrags oder aufgrund von Regelungen in einem Befehl, einer Anweisung oder einer Ordnung eines Organs im Bereich der Sonderversorgungsträger, in der Zeit der Zugehörigkeit zu dem betreffenden Versorgungssystem zuflossen, sofern es sich nicht um zusätzlich zu den Löhnen und Gehältern bzw. Dienstbezügen gewährte Geld- oder geldwerte Sachleistungen handelte, auf die – entsprechend den im Zuflusszeitpunkt geltenden Bestimmungen des Rechts der DDR – keine (Lohn-) Steuer gezahlt wurde.

Insoweit ist nochmals hervorzuheben, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG keine Definition und erst recht keine förmliche Verweisung auf § 14 SGB IV und weitere beitragsrechtliche Bestimmungen des am 1. August 1991 geltenden Bundesrechts enthält. Wenn der Gesetzgeber eine solche strikte Bindung im Sinne einer statischen Verweisung auf bestimmte bundesrechtliche Bestimmungen – insbesondere ArEV und EStG – beabsichtigt hätte, hätte er nach den auch damals schon geltenden Vorgaben der Rechtsförmlichkeit eine entsprechende Verweisungsklausel in § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG einfügen müssen (z. B ... "Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gemäß den beitragsrechtlichen Bestimmungen des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch [ ...] in der bei Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung"). Da eine solche Verweisung nicht formuliert wurde, ist die bisherige Auslegung des Bundessozialgerichts nicht zwingend. Der Begriff des Arbeitsentgelts kann deshalb – wie bereits vorstehend unter a) erwähnt – abweichend ausgelegt werden.

Wenngleich durch die Begriffswahl in § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG – wie oben unter d) erläutert – die Anlehnung an § 14 SGB IV durchaus zwingend erscheint, muss damit nicht die strikte Anwendung der beitragsrechtlichen Bestimmungen des Bundesrechts in der am 1. August 1991 geltenden Fassung gemeint sein. Die fehlende förmliche Verweisung legt vielmehr den Schluss nahe, dass nur die Grundsätze entsprechend anzuwenden sind, die den am 1. August 1991 geltenden beitragsrechtlichen Bestimmungen des Bundesrechts zugrunde lagen. Denn nur die entsprechende Anwendung der beitragsrechtlichen Grundsätze des Bundesrechts berücksichtigt zum einen, dass das EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung die in der DDR seit 1950 verwirklichten Sachverhalte nicht regelt bzw. auch nicht regeln will und damit eine unmittelbare Rückanknüpfung an die Steuerbefreiungen dieses Gesetzes unpassend und unpraktikabel erscheint (vgl. oben aa und bb). Zum anderen wird eine problematische Besserstellung der zusatz- und sonderversorgten Versicherten gegenüber den anderen Versicherten im Beitrittsgebiet vermieden (vgl. oben cc).

Als insoweit anzuwendenden Grundsatz sieht die Kammer erstens die Definition des Arbeitsentgeltbegriffs entsprechend § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (in der am 1. August 1991 geltenden Fassung) an, die sowohl gesetzliche Sozialleistungen (wie das Krankengeld, vgl. BSG, Urteil vom 2. August 2000, B 4 RA 41/99 R) wie auch Leistungen, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen (wie den Sperrzonenzuschlag, vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2004, B 4 RA 19/03 R), ausschließt.

Zweitens ist nach Auffassung der Kammer der in § 1 ArEV in der am 1. August 1991 geltenden Fassung verwirklichte Grundsatz zu berücksichtigen, nach dem steuerfreie Geld- und geldwerte Sachleistungen, die "zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden" nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zugehören (die Vorschrift wird auch für steuerfreie Sachleistungen angewendet, z. B. Überlassung von Berufskleidung, Sammelbeförderung zum Arbeitsplatz usw., siehe Werner, in: juris-PK-SGB IV, § 14 Rn. 124). Lohnsteuerfreie Entgeltbestandteile, die neben Löhnen und Gehältern bzw. Dienstbezügen gewährt wurden, sind daher nicht Arbeitsentgelt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG.

ee) Die Begründung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 23. August 2007 enthält nach Auffassung der Kammer keine überzeugenden Argumente gegen die unter dd) erläuterte Rechtsauslegung:

Soweit zunächst in diesem Urteil auf eine ständige Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hingewiesen wird (Juris-Rn. 25), ist anzumerken, dass diese sich vor allem mit der Frage befasste, ob der Entgeltbegriff des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sich überhaupt nach bundesrechtlichen Maßgaben oder nach Maßgabe des DDR-Rechts bestimmt (z. B. nicht nach der Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdiensts und über die Lohnzahlung vom 21. Dezember 1961, GBl. II S. 551; Ber. GBl. II 1962 S. 11, vgl. dazu BSG, Urteil vom 29. Januar 2004, B 4 RA 19/03 R, Juris-Rn. 17; auch nicht nach der Beitragspflicht im Versorgungssystem, BSG, Urteil vom 2. August 2000, B 4 RA 41/99 R, Juris-Rn. 18; ohne vertiefende Begründung noch BSG, Urteil vom 4. Mai 1999, B 4 RA 6/99, Juris-Rn. 17). Diese Frage hatte das Bundessozialgericht dahingehend beantwortet, dass grundsätzlich Bundesrecht – vor allem der § 14 SGB IV – maßgeblich sei. Dem stimmt die Kammer durchaus zu. Ob darüber hinaus auch § 1 ArEV und EStG anzuwenden sind und auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, hatte das Bundessozialgericht bis zum 23. August 2007 noch offen gelassen, obwohl verschiedene Auslegungsmöglichkeiten bestanden.

Deshalb kann auch nicht argumentiert werden, dass der Gesetzgeber die am 23. August 2007 gefundene Lösung billige (vgl. Sozialgericht D., Urteil vom 30. November 2009, S 24 R 628/08). Die letzte Befassung des Gesetzgebers mit dem Entgeltbegriff des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erfolgte schließlich im Rahmen der Beratungen zum 2. AAÜG-Änderungsgesetz, also Jahre vor dem 23. August 2007. Indem der Ausschuss für Arbeit und Soziales in diesem Zusammenhang die "Verwirklichung" der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts "ohne Abstriche" befürwortete (BT-Drs. 14/6063, S. 24), daher die von der Bundesregierung favorisierte Bezugnahme auf vorsorgungsrechtliche Bestimmungen des DDR-Rechts (BT-Drs. 14/5640, S. 7) ablehnte und der Deutsche Bundestag schließlich die entsprechende Beschlussvorlage annahm, verlieh der Gesetzgeber allenfalls seinem Willen Ausdruck, dass die Auslegung des Entgeltbegriffs in § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG weiterhin nach Bundesrecht (also vor allem nach Maßgabe des § 14 SGB IV) erfolgen soll und – wie es ausdrücklich heißt – die bisherige "bewährte Praxis" fortgeführt werden soll. Speziell die Anerkennung der in der DDR steuerfreien Entgeltbestandteile entsprach aber damals keinesfalls der "bewährten Praxis" der Versorgungsträger – im Gegenteil. Insbesondere die Sonderversorgungsträger weigern sich nach wie vor, besondere steuerfreie Entgeltbestandteile neben den Dienstbezügen – mit Ausnahme des Wohnungsgelds (was inkonsequent bzw. nicht nachvollziehbar ist) – als Arbeitsentgelte anzuerkennen (siehe für einen Fall der Zollverwaltung nochmals Sozialgericht B-Stadt, Urteil vom 5. August 2010, S 30 R 4853/09).

Auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung ging – soweit ersichtlich – davon aus, dass z. B. die in der DDR steuerfreien zusätzlichen Belohnungen im Bergbau oder leistungsorientierte Schichtzuschläge (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 1997, L 2 R 24/96) ebenso wie Jahresendprämien oder etwa Energietreueprämien (Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Mai 2007, L 4 RA 55/03) nicht Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind (das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern stellte allerdings auf das Steuerrecht der DDR am 30. Juni 1990 ab).

Ferner wird mit der hier vertretenen Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht das Steuerrecht der DDR zu Bundesrecht erhoben. Vielmehr geht es darum, wie ein Sachverhalt in der DDR unter Berücksichtigung eines beitragsrechtlichen Grundsatzes des am 1. August 1991 geltenden Bundesrechts zu bewerten ist. Die in diesem Zusammenhang gestellte Frage, ob auf eine Einnahme aus dem Beschäftigungsverhältnis in der DDR (Lohn-) Steuer gezahlt wurde bzw. zu zahlen war, betrifft eine Tatsache, die im Rahmen des Verfahrens nach AAÜG ohne Weiteres ermittelt werden kann. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht bei der Anwendung des AAÜG selbst, vor allem im Zusammenhang mit der Feststellung des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes, im erheblichen Umfang auf Rechtsvorschriften der DDR als "faktisches Indiz" zur Auslegung der maßgeblichen Rechtsbegriffe zurückgreift (z. B. die Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962, GBl. II S. 278, im Hinblick auf die Frage, was ein "Ingenieur" im Sinne von § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951, GBl. S. 487, war; siehe etwa BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, B 4 RS 17/07, Juris-Rn. 29). Es ist nicht einzusehen, weshalb dies im Rahmen der Feststellung von Arbeitsentgelten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht möglich sein sollte, zumal die fraglichen steuerrechtlichen Vorschriften der DDR nicht "elementar rechtsstaatswidrig" waren (zu diesem Vorbehalt z. B. BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 42/01 R).

Das weitere Argument des Bundessozialgerichts, wonach die Maßgeblichkeit der am 1. August 1991 gegebenen Rechtslage aus dem Fehlen einer "abweichenden Anordnung" im AAÜG folge (a. a. O., Juris-Rn. 38), hindert die Kammer ebenfalls nicht daran, die dargestellte Auslegung zu vertreten. Denn aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ergibt sich mangels einer förmlichen Verweisung (siehe oben dd) gerade nicht, ob die am 1. August 1991 geltenden beitragsrechtlichen Vorschriften des Bundesrechts strikt und unmittelbar angewendet werden sollen oder – angepasst an die besondere Regelungsproblematik des AAÜG – nur entsprechend der darin verwirklichten Grundsätze.

Schließlich führt das Bundessozialgericht an, dass durch die "Maßgeblichkeit der am 1. August 1991 geltenden Rechtslage" sichergestellt sei, "dass die fiktiven Vorleistungen der ehemals Versorgungsberechtigten [ ...] grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben wie die der sonstigen Versicherten im alten Bundesgebiet bestimmt werden" (BSG, Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 4/06 R, Juris-Rn. 38). Dieses Argument überzeugt, soweit mit den Maßstäben zumindest die am 1. August 1991 geltenden beitragsrechtlichen Grundsätze gemeint sind (siehe auch oben b und c sowie dd zu den Beispielen Krankengeld und Sperrzonenzuschlag).

Die Anknüpfung an die Steuerbefreiungen des am 1. August 1991 geltenden EStG führt demgegenüber im Hinblick auf besondere Entgeltbestandteile, die neben den Gehältern und Löhnen bzw. Dienstbezügen gezahlt wurden, zwar gelegentlich zu einer mehr oder weniger zufälligen "Gleichbehandlung" (wenn man z. B. der Auffassung ist, dass die im alten Bundesgebiet beitragspflichtige Weihnachtsgratifikation der Jahresendprämie entsprach; dies wäre angesichts der vorstehend dargestellten Funktion von Prämien in der DDR nicht einmal unzweifelhaft), vielfach aber – wie aufgezeigt – zu Unstimmigkeiten sowie zu erheblichen Begünstigungen der zusatz- und sonderversorgten Versicherten sowohl gegenüber den Versicherten im alten Bundesgebiet als auch gegenüber den anderen Versicherten im Beitrittsgebiet (siehe oben cc), die gerade unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen können.

Den umfangreichen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Dass es bei der Auslegung des Arbeitsentgeltbegriffs und die Frage der Steuerpflicht nur auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankommen kann, zeigt nicht zuletzt die vom Kläger geltend gemachte Anerkennung kostenloser Verpflegung in Form von Sachbezug für den Zeitraum vom 13.09.1962 bis 30.04.1963 als rentenwirksame Leistung. Als kostenlose Verpflegung käme bestenfalls eine Berücksichtigung unter Anwendung der Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung in Betracht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die bundesdeutsche Sachbezugsverordnung 1984 (vom 18.12.1984, BGBl. I S. 1642) in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nicht in Kraft getreten ist (Anlage 1 Kap. 8 Sachgebiet S Abschnitt I Nr. 3 Einigungsvertrag vom 31.08.1990 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes vom 23.09.1990, BGBl. II S. 885, 1042). Im Beitrittsgebiet regelte vielmehr die Verordnung über den Wert der Sachbezüge für das Kalenderjahr 1991 in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiets (BGBl. I 1990, S. 2914 SachBezV-BG-1991) die steuerrechtliche Behandlung der Sachbezüge.

Als Arbeitsentgelt wäre demnach bei Vollverpflegung gemäß § 2 Abs. 3 SachBezV-BG-1991 i. V. m. § 1 Abs. 2, §§ 4, 5 SachBezV in der am 1. August 1991 geltenden Fassung ein pauschaler Betrag von monatlich 294,30 DM zugrunde zu legen (545,- DM - [0,12 + 0,21 + 0,21]). Dieser Betrag wäre auch gemäß § 19, § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung zu versteuern gewesen. Nach der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 23.08.2007 (B 4 RS 4/06 R) bestimmt sich die Frage, ob Einnahmen lohnsteuerfrei waren "nach dem am 01.08.1991 geltenden bundesdeutschen Steuerrecht". Nachdem beide Sachbezugsverordnungen (Sachbezugsverordnung 1984, vom 18.12.1984, BGBl. I S. 1642 und SachBezV-BG-1991, BGBl. I 1990, S. 2914) bundesdeutsches Recht darstellen, stellt sich die Frage, welche Sachbezugsverordnung im vorliegenden Fall anzuwenden sein soll: Die am 01.08.1991 ausschließlich in den alten Bundesländern anzuwendende Sachbezugsverordnung 1984, (BGBl. I S. 1642) oder die ausschließlich im Beitrittsgebiet geltende SachBezV-BG-1991 (BGBl. I 1990, S. 2914)? Nachdem der Kläger am 01.08.1991 im Beitrittsgebiet wohnte, kann in seinem Fall nur die Sach-BezV-BG-1991 anwendbar sein. Für die Kammer steht fest, dass die in den alten Bundesländern anzuwendende Sachbezugsverordnung 1984, (BGBl. I S. 1642) die steuerrechtliche Behandlung des Sachbezugs regelte, den Arbeitnehmer im Jahr 1991 erhielten und die ausschließlich im Beitrittsgebiet geltende SachBezV-BG-1991 (BGBl. I 1990, S. 2914) die steuerrechtliche Behandlung des laufenden Sachbezugs, den Arbeitnehmer dort ab 01.01.1991 erhielten. Somit regelte die SachBezV-BG-1991den laufenden Sachbezug des Jahres 1991, also die Versteuerung der Sachbezüge für Arbeitnehmer, die im Jahr 1991 im Beitrittsgebiet kostenlose Verpflegung von ihrem Arbeitgeber erhielten. Damit kann es für den Sachbezug, der hier für einen Zeitraum vor dem 01.01.1991 eingeklagt wird, nicht auf eine Rechtslage am 01.08.1991 ankommen. Vielmehr käme die Berücksichtigung des Sachbezugs als Arbeitsentgelt nur in Betracht, wenn zum Zeitpunkt des Zuflusses der Sachbezug nach DDR-Recht zu versteuern war. Dies ist nicht der Fall.

Die Bezugnahme auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des AAÜG (am 01.08.1991), wie sie vom 4. Senat des BSG (vom 23.08.2007, B 4 RS 4/06 R) vorgenommen wurde, widerspricht steuerrechtlichen Grundsätzen. Streitig ist hier, ob die zusätzlichen Zahlungen der Lohnsteuerpflicht unterlagen (§ 1 ArEV s.o.). Nach § 38 Abgabenordnung (AO) entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 1 AO für alle Steuern. Bei den hier streitigen Zulagen ist der Lebenssachverhalt mit dem Zufluss der Einnahme, also der Entgegennahme der Zahlung, unabänderbar abgeschlossen und ist der in § 38 AO angesprochene "Tatbestand" damit erfüllt und nicht mehr rückgängig zu machen. Die Lohnsteuer entsteht somit in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG). Diese Entstehung des Steueranspruchs ist unabänderlich, soweit das Gesetz nicht selbst Ausnahmen zulässt (vgl. Koenig in Pahlke/Koenig AO, § 38 Rdn. 27). Tatsächliche Geschehensabläufe und eingetretene Rechtswirkungen können nicht wieder beseitigt werden. Ebensowenig können Vorgänge für die Besteuerung rückwirkend fingiert werden (Koenig a.a.O. unter Verweis auf BFH I, 192/64, BStBl. II 1968, 4).

Diese – am 01.08.1991 ebenfalls geltenden – steuerrechtlichen Grundsätze missachtet der 4. Senat des BSG (im Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 4/06 R), da er nicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses, sondern auf einen willkürlich festgelegten späteren Zeitpunkt abstellt.

Der Grundsatz, dass das Gesetz in der zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung geltenden Fassung maßgeblich ist (vgl. Brockmeyer in Klein AO, § 38 Rdnr. 1), wurde für die Veranlagungssteuern durch das BVerfG bereits mehrfach bestätigt. Dabei hat sich das BVerfG auf den Standpunkt gestellt, dass aufgrund der Jahresbezogenheit der Einkünfte- und Einkommensermittlung die durch das Verhalten des Steuerpflichtigen ausgelöste Rechtsfolge erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Steuerschuld entsteht, hier also im Jahr des Zuflusses (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 253, BStBl II 1986, 628, unter C.II.2.b; vom 15. Januar 1992 2 BvR 1824/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1992, 729; vom 8. Februar 1993 2 BvR 1765/92, HFR 1993, 329). Ein Sachverhalt kann grundsätzlich nicht mit steuerrechtlicher Wirkung rückwirkend gestaltet werden. Die (echte oder unechte Rückwirkung) ist nur unter engen Voraussetzungen möglich und muss vor allem gesetzlich angeordnet sein (vgl. BVerfG vom 03.07.2001, 1 BvR 382/01 in HFR 01, 905). Somit kann steuerrechtlich nur diejenige Rechtslage maßgebend sein, die im Zeitpunkt der Handlung des Steuerpflichtigen bzw. der Verwirklichung der Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestandes bestanden hat.

Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur (z.B. Schaumburg, Der Betrieb -DB- 2000, 1884, 1886 f.; Pleyer, NJW 2001, 1985 f; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung § 4 Rz. 80; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 4 Rz. 177 f.). Danach kann es für die hier zu entscheidende Frage der Lohnsteuerpflicht nach § 1 ArEV nur auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Zuflusses und nicht auf die – bundesdeutsche - Rechtslage am 01.08.1991 ankommen.

Die Berücksichtigung eines steuerfreien Verpflegungs- und Reinigungszuschusses als rentenwirksames Arbeitsentgelt widerspräche im Übrigen dem Grundprinzip der Spiegelbildlichkeit, wonach sich in der Altersversorgung der Lebensstandard widerspiegeln soll, der im Berufsleben geherrscht hat. Die gesetzliche Rentenversicherung ist geprägt durch das leistungsrechtliche Prinzip der Lebensstandardsicherung, d.h. die Rente soll - bis zur Grenze des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens - Spiegelbild der individuellen Lebensarbeitsleistung sein (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1993, 4 RA 40/92 in SozR 3-8570 § 10 Nr. 1; Urteil vom 30.03.1994, 4 RA 62/93 in AuA 1994, 256). Es ist nicht einzusehen, warum der Verpflegungs- und Reinigungszuschuss, der sich – ähnlich wie bei einem durchlaufenden Posten – nicht auf den Lebensstandard ausgewirkt haben kann, nunmehr auf die Höhe der Rente auswirken soll.

Schließlich folgt die Kammer der Auffassung der Beklagten, wonach die Berücksichtigung der hier streitigen Zulagen dem Willen des Gesetzgebers widerspräche, bei Überführung der Sonderversorgungssysteme vorhandene Privilegien abzubauen. Der Einigungsvertrag regelt in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H gesetzliche Rentenversicherung, Abschnitt III. Ziffer 9. Buchstabe b) Ziffer 1 die Grundsätze der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen. Danach sind Ansprüche und Anwartschaften nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Art. 3 des Vertrages genannten Gebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei

- ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und

- überhöhte Leistungen abzubauen sind

- sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf.

Diesem Überführungsauftrag würde widersprochen, wenn die Zusatz- und Sonderversorgten aufgrund der Überführung fiktiver Anwartschaften bessergestellt werden. Mit der vom Bundessozialgericht (im Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 4/06 R) vorgenommenen Auslegung des Entgeltsbegriffs in § 6 AAÜG würden die Sonderversorgten bessergestellt als bei Eintritt des Versorgungsfalles bei (fiktivem) Fortbestehen der DDR. Bei den nicht sonderversorgten Werktätigen wären die streitigen Entgeltbestandteile nach dem Recht der DDR nicht versorgungswirksam gewesen, d.h., sie hätten auf die Höhe der Altersversorgung keinerlei Einfluss gehabt (so z.B. LSG B.-B., Urteil vom 24.03.2011, L 22 R 573/10 in JURIS). Durch die Berücksichtigung als Entgelt im Rahmen des § 6 AAÜG würden sie sich hingegen wie ein tatsächlich erzielter Arbeitsverdienst im vollen Umfang auf die Höhe der Rente auswirken. Dies stellt aus Sicht der Kammer eine willkürliche und sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der Sonderversorgten dar, die dem Grundsatz des Einigungsvertrages widerspricht."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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