Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 18 AL 172/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. &8195;
Tatbestand:
Der 1963 geborene Kläger begehrt die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses. Er war zuletzt vom 1. September 2007 bis 31. August 2008 als Marketing Manager bei der O. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvereinbarung vom 28. Februar 2008 zum 31. August 2008 beendet. Der Kläger meldete sich am 14. August 2008 mit Wirkung zum 1. September 2008 bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11. September 2008 Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. September 2008 für die Dauer von 180 Kalendertagen. Mit Antrag vom 29. Oktober 2008 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Er gab hierbei an, am 15. Dezember 2008 eine selbständige Tätigkeit als Unternehmensberater in H. aufzunehmen. Das Antragsformular wurde am 9. Januar 2009 vom Kläger unterschrieben. Die Gewerbeanmeldung erfolgte ebenfalls zum 15. Dezember 2008. Mit am 17. Dezember 2008 unterschriebener Veränderungsmitteilung teilte der Kläger der Beklagten die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ab 15. Dezember 2008 mit. Mit Bescheid vom 16. Januar 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Im Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sei nicht mehr die erforderliche Restanspruchsdauer von 90 Leistungstagen gegeben, sondern nur noch von 76 Tagen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Erste konkrete Schritte zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit habe er bereits vor dem 1. Dezember 2008 begonnen und könne dieses nachweisen. Die verspätete Mitteilung über die bereits zuvor aufgenommene selbständige Tätigkeit liege im Wesentlichen in der krankheitsbedingten Absage des Mitarbeiters der Beklagten B. hinsichtlich des geplanten Besprechungstermins im November 2008. Die Veränderungsmitteilung vom 15. Dezember 2008 habe lediglich zur Festhaltung des an diesem Tag mit Herrn B. Besprochenen gedient.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 15. Dezember 2008 habe der Kläger nur noch über einen Restanspruch von 76 Tagen Alg verfügt.
Bereits mit Bescheid vom 13. Januar 2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 15. Dezember 2008 auf, da durch die selbständige Tätigkeit die Arbeitslosigkeit ausgeschlossen sei. Hiergegen legte der Kläger am 5. Februar 2009 Widerspruch ein. Er sei nach wie vor ohne Arbeitsstelle und bemühe sich um eine Anstellung. Dieser Suchvorgang laufe parallel zu dem Vorhaben selbständig zu werden. Die eigene Abmeldung aus dem Leistungsbezug habe er nur unterschrieben, in der Annahme und dem Glauben, dass die Voraussetzungen für die 90 Tage-Regelung im vollen Umfang gegeben waren. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 als unbegründet zurück. Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Am 8. April 2009 hat der Kläger gegen die Ablehnung des Gründungszuschusses Klage erhoben. Es sei offenkundig, dass er Opfer einer Falschberatung durch die Beklagte geworden sei oder man ihn gezielt dazu bewegt habe, einen Antrag auf Gründungszuschuss zu stellen, um ihn aus dem Bezug von Alg zu entlassen. Der zuständige Berater der Beklagten habe alle Fakten gekannt. Er habe auch gewusst, dass die selbständige Tätigkeit bereits im November 2008 aufgenommen worden sei. Herr B. habe ihm versichert, dass die 90-Tage-Regelung eingehalten werde. Als Fristbeginn gelte der 24. November 2008, da an diesem Tag ein Besprechungstermin mit dem Kläger stattfinden sollte. Dieser habe jedoch wegen Krankheit abgesagt werden müssen. Da der Besprechungstermin dann erst am 17. Dezember 2008 stattgefunden habe, habe Herr B. erklärt, dass er den maßgeblichen Fristbeginn einfach rückdatieren werde. Die selbständige Tätigkeit habe er, der Kläger, bereits Ende Oktober 2008 aufgenommen. Die Beratertätigkeit sei mit verschiedenen Vorbereitungshandlungen verbunden gewesen, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hätten. Insoweit habe es Ende Oktober 2008 mit verschiedenen Firmen Beratungsgespräche gegeben, die mit erheblichem Zeitaufwand verbunden gewesen seien. Zu diesem Zweck sei er sogar nach H1 geflogen. Darüber hinaus habe er potentielle Kundenlisten erstellt.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16. Januar 2009 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2009 die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Es liege kein Nachweis darüber vor, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit vor dem 15. Dezember 2008 aufgenommen habe. Eine Falschberatung durch die Beklagte sei nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Ent¬scheidungsfindung vorgelegen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III. Gemäß § 57 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Nach Abs. 2 wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer:
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a. einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b. eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Es fehlt bereits an der Voraussetzung eines Restanspruches von 90 Tagen auf Alg bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Der Kläger hatte ab 1. September 2008 einen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Tagen. Nach § 134 SGB III wird das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Dies soll verwaltungsaufwändige monatlich wiederkehrende Bearbeitungsvorgänge vermeiden. Geht man von einem Verbrauch des Arbeitslosengeldanspruchs von je 30 Tagen für die vollen Monate September, Oktober, November 2008 sowie von 14 Tagen für Dezember 2008 aus, so ergibt sich ein Verbrauch von 104 Tagen, so dass ein Restanspruch von 76 Tagen zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 15. Dezember 2008 verbleibt.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit frühestens zum 15. Dezember 2008 aufgenommen hat. Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt vor, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Wann eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vorliegt, beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SGb 2011, 281 ff.). Eine selbständige Tätigkeit kann unter bestimmten Umständen auch durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, soweit diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, a.a.O.). Nach Auffassung der Kammer muss dabei aber eine nach außen erkennbare endgültige Existenzgründung vorgenommen werden (BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4.4300 § 57 Nr. 1). Voraussetzung ist damit, dass der Existenzgründer im Geschäftsverkehr nach außen auftritt, was – u.a. – in der Gewerbeanmeldung oder der Anzeige einer beruflichen Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt zu sehen sein kann (vgl. Link: in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 Rdn. 39; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. September 2005 – L 19 AL 83/05; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. November 2008 – L 8 AL 589/08). Reine Vorbereitungshandlungen ohne diese Außenwirkung genügen nicht.
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend nicht von einer Aufnahme der selbständigen Tätigkeit vor dem 15. Dezember 2008 auszugehen. Nach den eigenen Angaben des Klägers im Antrag auf Existenzgründungszuschuss vom 9. Januar 2009 ist der 15. Dezember 2008 der Tag des Beginns der Tätigkeit. Auch durch die Aufrechterhaltung seines Antrags auf Alg hat der Kläger konkludent erklärt, weiterhin beschäftigungslos i.S.d. § 119 SGB III zu sein, d.h. keiner Tätigkeit von wöchentlich 15 Stunden oder mehr nachzugehen (§ 119 Abs. 3 SGB III). Dementsprechend hat der Kläger erst am 17. Dezember 2008 in der Veränderungsmitteilung erklärt, er nehme ab 15. Dezember 2008 die selbständige Tätigkeit auf. Auch die Gewerbeanmeldung und die Anzeige beim Finanzamt erfolgten mit der Angabe der Aufnahme der Tätigkeit am 15. Dezember 2008. In der Anforderung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung hat der Kläger sogar erklärt, er beabsichtige erst am 1. März 2009 diese Selbständigkeit aufzunehmen. Auch in seinem Widerspruch – eingegangen bei der Beklagten am 5. Februar 2009 – zum Aufhebungsbescheid vom 13. Januar 2009 hat er erklärt, die Suche nach einer Arbeitsstelle laufe "parallel zu dem Vorhaben selbstständig zu werden." Selbst noch im Februar 2009 hat er lediglich von einem Vorhaben der Selbständigkeit gesprochen.
Die vom Kläger behaupteten Vorbereitungshandlungen, die er schon im Oktober und November 2008 vorgenommen hat, genügen für die Aufnahme einer Tätigkeit i.S.d. § 57 SGB III nicht. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Außenwirkung. Die Erstellung potentieller Kundenlisten und die Beratungsgespräche mit der Firma S. stellen keine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit dar. Auch die Vorabgespräche mit den Firmen P., A. und L. genügen nicht. Eine nach außen erkennbare endgültige Existenzgründung kann darin nicht gesehen werden. Der Kläger selbst hat hierzu im Termin am 25. Januar 2011 ausgeführt, dass dies für ihn eine reine Vorbereitungsphase gewesen sei. Er habe dies als Phase der Bewerbung angesehen, ob es mit einer Selbständigkeit klappen würde. Es fehlt an jeglichem formellen Außenakt. Weder liegt eine Gewerbeanmeldung ab Ende Oktober/Anfang November 2008 vor, noch eine Anmeldung zu diesem Zeitpunkt beim Finanzamt noch eine sonstige formale Außenwirkung im dargestellten Sinne im Geschäftsverkehr. Im Übrigen steht einer Aufnahme vor dem 15. Dezember 2008 auch entgegen, dass sich der Kläger noch im Alg-Leistungsbezug befand. Das gesetzgeberische Konzept geht zwingend davon aus, dass die selbständige Tätigkeit erst nach Beendigung des Bezugs von Entgeltersatzleistungen aufgenommen werden kann (Link, a.a.O., Rdn. 40).
Eine schriftliche Zusicherung i.S.v. § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch hinsichtlich der Gewährung eines Gründungszuschusses existiert nicht.
Der Kläger kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als hätte er alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf den Gründungszuschuss erfüllt. Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14,15 SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – 7 Rar 50/98 = SozR 3-4100 § 249e Nr. 4; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/98 = SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung i.S. einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung - dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Vorliegend würde ein entsprechender Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Verhalten der Beklagten hinauslaufen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2010 – L 18 AL 160/09; SG Hamburg, Urteil vom 16. November 2009 – S 25 AL 694/08; SG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2010 – S 18 AL 68/09). Eine Amtshandlung vermag nicht die tatsächlich unterbliebene Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bis zum 1. Dezember 2008 zu ersetzen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Beklagte eine ihr aufgrund Gesetzes oder eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht verletzt und ihm dadurch Schaden zugefügt hat. Es kann auch dahinstehen, ob die erforderliche Kausalität zwischen einem etwaigen Beratungsfehler und der verspäteten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger festgestellt werden kann.
Ob ein Amtshaftungsanspruch besteht, ist nicht zu prüfen. Insoweit besteht keine Zuständigkeit der Sozialgerichte. Für die Geltendmachung eines solchen Anspruches sind vielmehr allein die Zivilgerichte zuständig (Art. 34 Grundgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der 1963 geborene Kläger begehrt die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses. Er war zuletzt vom 1. September 2007 bis 31. August 2008 als Marketing Manager bei der O. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvereinbarung vom 28. Februar 2008 zum 31. August 2008 beendet. Der Kläger meldete sich am 14. August 2008 mit Wirkung zum 1. September 2008 bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11. September 2008 Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. September 2008 für die Dauer von 180 Kalendertagen. Mit Antrag vom 29. Oktober 2008 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Er gab hierbei an, am 15. Dezember 2008 eine selbständige Tätigkeit als Unternehmensberater in H. aufzunehmen. Das Antragsformular wurde am 9. Januar 2009 vom Kläger unterschrieben. Die Gewerbeanmeldung erfolgte ebenfalls zum 15. Dezember 2008. Mit am 17. Dezember 2008 unterschriebener Veränderungsmitteilung teilte der Kläger der Beklagten die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ab 15. Dezember 2008 mit. Mit Bescheid vom 16. Januar 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Im Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sei nicht mehr die erforderliche Restanspruchsdauer von 90 Leistungstagen gegeben, sondern nur noch von 76 Tagen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Erste konkrete Schritte zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit habe er bereits vor dem 1. Dezember 2008 begonnen und könne dieses nachweisen. Die verspätete Mitteilung über die bereits zuvor aufgenommene selbständige Tätigkeit liege im Wesentlichen in der krankheitsbedingten Absage des Mitarbeiters der Beklagten B. hinsichtlich des geplanten Besprechungstermins im November 2008. Die Veränderungsmitteilung vom 15. Dezember 2008 habe lediglich zur Festhaltung des an diesem Tag mit Herrn B. Besprochenen gedient.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 15. Dezember 2008 habe der Kläger nur noch über einen Restanspruch von 76 Tagen Alg verfügt.
Bereits mit Bescheid vom 13. Januar 2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 15. Dezember 2008 auf, da durch die selbständige Tätigkeit die Arbeitslosigkeit ausgeschlossen sei. Hiergegen legte der Kläger am 5. Februar 2009 Widerspruch ein. Er sei nach wie vor ohne Arbeitsstelle und bemühe sich um eine Anstellung. Dieser Suchvorgang laufe parallel zu dem Vorhaben selbständig zu werden. Die eigene Abmeldung aus dem Leistungsbezug habe er nur unterschrieben, in der Annahme und dem Glauben, dass die Voraussetzungen für die 90 Tage-Regelung im vollen Umfang gegeben waren. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 als unbegründet zurück. Die Entscheidung ist bestandskräftig.
Am 8. April 2009 hat der Kläger gegen die Ablehnung des Gründungszuschusses Klage erhoben. Es sei offenkundig, dass er Opfer einer Falschberatung durch die Beklagte geworden sei oder man ihn gezielt dazu bewegt habe, einen Antrag auf Gründungszuschuss zu stellen, um ihn aus dem Bezug von Alg zu entlassen. Der zuständige Berater der Beklagten habe alle Fakten gekannt. Er habe auch gewusst, dass die selbständige Tätigkeit bereits im November 2008 aufgenommen worden sei. Herr B. habe ihm versichert, dass die 90-Tage-Regelung eingehalten werde. Als Fristbeginn gelte der 24. November 2008, da an diesem Tag ein Besprechungstermin mit dem Kläger stattfinden sollte. Dieser habe jedoch wegen Krankheit abgesagt werden müssen. Da der Besprechungstermin dann erst am 17. Dezember 2008 stattgefunden habe, habe Herr B. erklärt, dass er den maßgeblichen Fristbeginn einfach rückdatieren werde. Die selbständige Tätigkeit habe er, der Kläger, bereits Ende Oktober 2008 aufgenommen. Die Beratertätigkeit sei mit verschiedenen Vorbereitungshandlungen verbunden gewesen, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hätten. Insoweit habe es Ende Oktober 2008 mit verschiedenen Firmen Beratungsgespräche gegeben, die mit erheblichem Zeitaufwand verbunden gewesen seien. Zu diesem Zweck sei er sogar nach H1 geflogen. Darüber hinaus habe er potentielle Kundenlisten erstellt.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16. Januar 2009 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2009 die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Es liege kein Nachweis darüber vor, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit vor dem 15. Dezember 2008 aufgenommen habe. Eine Falschberatung durch die Beklagte sei nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Ent¬scheidungsfindung vorgelegen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III. Gemäß § 57 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Nach Abs. 2 wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer:
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a. einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b. eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Es fehlt bereits an der Voraussetzung eines Restanspruches von 90 Tagen auf Alg bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Der Kläger hatte ab 1. September 2008 einen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Tagen. Nach § 134 SGB III wird das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Dies soll verwaltungsaufwändige monatlich wiederkehrende Bearbeitungsvorgänge vermeiden. Geht man von einem Verbrauch des Arbeitslosengeldanspruchs von je 30 Tagen für die vollen Monate September, Oktober, November 2008 sowie von 14 Tagen für Dezember 2008 aus, so ergibt sich ein Verbrauch von 104 Tagen, so dass ein Restanspruch von 76 Tagen zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 15. Dezember 2008 verbleibt.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit frühestens zum 15. Dezember 2008 aufgenommen hat. Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt vor, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Wann eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vorliegt, beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SGb 2011, 281 ff.). Eine selbständige Tätigkeit kann unter bestimmten Umständen auch durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, soweit diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, a.a.O.). Nach Auffassung der Kammer muss dabei aber eine nach außen erkennbare endgültige Existenzgründung vorgenommen werden (BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4.4300 § 57 Nr. 1). Voraussetzung ist damit, dass der Existenzgründer im Geschäftsverkehr nach außen auftritt, was – u.a. – in der Gewerbeanmeldung oder der Anzeige einer beruflichen Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt zu sehen sein kann (vgl. Link: in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 Rdn. 39; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. September 2005 – L 19 AL 83/05; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. November 2008 – L 8 AL 589/08). Reine Vorbereitungshandlungen ohne diese Außenwirkung genügen nicht.
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend nicht von einer Aufnahme der selbständigen Tätigkeit vor dem 15. Dezember 2008 auszugehen. Nach den eigenen Angaben des Klägers im Antrag auf Existenzgründungszuschuss vom 9. Januar 2009 ist der 15. Dezember 2008 der Tag des Beginns der Tätigkeit. Auch durch die Aufrechterhaltung seines Antrags auf Alg hat der Kläger konkludent erklärt, weiterhin beschäftigungslos i.S.d. § 119 SGB III zu sein, d.h. keiner Tätigkeit von wöchentlich 15 Stunden oder mehr nachzugehen (§ 119 Abs. 3 SGB III). Dementsprechend hat der Kläger erst am 17. Dezember 2008 in der Veränderungsmitteilung erklärt, er nehme ab 15. Dezember 2008 die selbständige Tätigkeit auf. Auch die Gewerbeanmeldung und die Anzeige beim Finanzamt erfolgten mit der Angabe der Aufnahme der Tätigkeit am 15. Dezember 2008. In der Anforderung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung hat der Kläger sogar erklärt, er beabsichtige erst am 1. März 2009 diese Selbständigkeit aufzunehmen. Auch in seinem Widerspruch – eingegangen bei der Beklagten am 5. Februar 2009 – zum Aufhebungsbescheid vom 13. Januar 2009 hat er erklärt, die Suche nach einer Arbeitsstelle laufe "parallel zu dem Vorhaben selbstständig zu werden." Selbst noch im Februar 2009 hat er lediglich von einem Vorhaben der Selbständigkeit gesprochen.
Die vom Kläger behaupteten Vorbereitungshandlungen, die er schon im Oktober und November 2008 vorgenommen hat, genügen für die Aufnahme einer Tätigkeit i.S.d. § 57 SGB III nicht. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Außenwirkung. Die Erstellung potentieller Kundenlisten und die Beratungsgespräche mit der Firma S. stellen keine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit dar. Auch die Vorabgespräche mit den Firmen P., A. und L. genügen nicht. Eine nach außen erkennbare endgültige Existenzgründung kann darin nicht gesehen werden. Der Kläger selbst hat hierzu im Termin am 25. Januar 2011 ausgeführt, dass dies für ihn eine reine Vorbereitungsphase gewesen sei. Er habe dies als Phase der Bewerbung angesehen, ob es mit einer Selbständigkeit klappen würde. Es fehlt an jeglichem formellen Außenakt. Weder liegt eine Gewerbeanmeldung ab Ende Oktober/Anfang November 2008 vor, noch eine Anmeldung zu diesem Zeitpunkt beim Finanzamt noch eine sonstige formale Außenwirkung im dargestellten Sinne im Geschäftsverkehr. Im Übrigen steht einer Aufnahme vor dem 15. Dezember 2008 auch entgegen, dass sich der Kläger noch im Alg-Leistungsbezug befand. Das gesetzgeberische Konzept geht zwingend davon aus, dass die selbständige Tätigkeit erst nach Beendigung des Bezugs von Entgeltersatzleistungen aufgenommen werden kann (Link, a.a.O., Rdn. 40).
Eine schriftliche Zusicherung i.S.v. § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch hinsichtlich der Gewährung eines Gründungszuschusses existiert nicht.
Der Kläger kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als hätte er alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf den Gründungszuschuss erfüllt. Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14,15 SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – 7 Rar 50/98 = SozR 3-4100 § 249e Nr. 4; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/98 = SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung i.S. einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung - dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Vorliegend würde ein entsprechender Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Verhalten der Beklagten hinauslaufen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2010 – L 18 AL 160/09; SG Hamburg, Urteil vom 16. November 2009 – S 25 AL 694/08; SG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2010 – S 18 AL 68/09). Eine Amtshandlung vermag nicht die tatsächlich unterbliebene Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bis zum 1. Dezember 2008 zu ersetzen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Beklagte eine ihr aufgrund Gesetzes oder eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht verletzt und ihm dadurch Schaden zugefügt hat. Es kann auch dahinstehen, ob die erforderliche Kausalität zwischen einem etwaigen Beratungsfehler und der verspäteten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger festgestellt werden kann.
Ob ein Amtshaftungsanspruch besteht, ist nicht zu prüfen. Insoweit besteht keine Zuständigkeit der Sozialgerichte. Für die Geltendmachung eines solchen Anspruches sind vielmehr allein die Zivilgerichte zuständig (Art. 34 Grundgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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