Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 18 AL 578/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 12. August 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 (W 3521/08) werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. &8195;
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) die Dauer der Bewilligung des Existenzgründungszuschusses für das 3. Förderjahr i.H.v. 240 EUR monatlich strittig.
Die 1966 geborene Klägerin meldete sich am 15. September 2005 arbeitslos. Mit Antrag vom 15. September 2005 beantragte sie die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin ab 26. Juni 2006. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 15. Juni 2006 einen Existenzgründungszuschuss für das 1. Förderjahr für den Zeitraum 26. Juni 2006 bis 25. Juni 2007 i.H.v. 600 EUR monatlich. Auf den Folgeantrag der Klägerin für das 2. Förderjahr bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2007 einen Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 26. Juni 2007 bis 25. Juni 2008 i.H.v. 360 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, "dass ich wegen der Einschulung meines Sohnes am 28.08.2007 ab dem 27.08.2007 für ein Jahr Erziehungszeiten nehmen werde und für diesen Zeitraum die selbständige Tätigkeit in der Ich-AG unterbrechen werde. Ich bitte Sie daher zunächst den Förderbetrag letztmalig am 26. 08.2007 auf mein Ihnen bekanntes Konto zu überweisen." Die Beklagte stellte die Zahlung des Existenzgründungszuschusses entsprechend ein; einen Aufhebungsbescheid erließ sie nicht.
Mit Schreiben vom 10. März 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Erziehungszeit zum 25. März 2008 beenden werde und damit auch die Unterbrechung der Ich-AG. Ab dem 26. März 2008 werde sie wieder als Rechtsanwältin tätig sein. Sie bat daher um Wiederaufnahme der Zahlung des Existenzgründungszuschusses ab dem 26. April 2008 i.H.v. 360 EUR monatlich für zehn Monate. Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 bewilligte die Beklagte einen Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 26. März 2008 bis 25. Juni 2008 i.H.v. 360 EUR monatlich. Auf den Antrag der Klägerin für das 3. Förderjahr bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2008 den Existenzgründungszuschuss für das 3. Förderjahr für den Zeitraum 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009 i.H.v. 240 EUR monatlich. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, sie begehre die Zahlung von 360 EUR monatlich für die Zeit ab 26. März 2008 bis 25. Januar 2009 und von 240 EUR monatlich für die Zeit vom 26. Januar 2009 bis 25. Januar 2010. Die genommenen Erziehungszeiten könnten nicht von der Laufzeit des Zuschusses in Abzug gebracht werden. Die Behörde hätte auch einen Einstellungsbescheid erlassen müssen, soweit sie jetzt einen Wiederaufnahmebescheid erteile. Im Übrigen würden die Bescheide auch Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz verletzen.
Mit Bescheid vom 12. August 2008 hob die Beklagte die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses für die Zukunft ab 15. August 2008 auf. Die Klägerin habe ihre selbständige Tätigkeit zum 27. August 2007 beendet; ein Neubeginn sei daher nicht zu fördern gewesen, da keine 24 Monate vergangen seien. Die Rücknahme erfolge nur für die Zukunft. Es hätten sich keine besonderen Gesichtspunkte ergeben, die eine Weiterzahlung der zu Unrecht bewilligten Leistungen rechtfertigen könnten. Weiterhin führte die Beklagte aus: "Bei der Rücknahme der Bewilligungsentscheidung habe ich Ermessen ausgeübt. Hierbei musste ich zwischen Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift, dem öffentlichen Interesse und den Umständen des Einzelfalles abwägen. In Ihrem Falle überwiegen das Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Anwendung durch die öffentliche Hand sowie der Gedanke der Rechts- und Gesetzmäßigkeit jedes Verwaltungshandelns, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen."
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin ebenfalls Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 (W 3509/08) wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des 2. Förderjahres als unbegründet zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 (W 3521/08) wies sie auch den Widerspruch hinsichtlich des 3. Förderjahres und der Aufhebung der Bewilligung ab 15. August 2008 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe durch die Inanspruchnahme der Erziehungszeit ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben. Das Verschulden der Beklagten sei insoweit berücksichtigt worden, dass die Bewilligungsentscheidung lediglich für die Zukunft aufgehoben worden sei.
Gegen diese Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 12. September 2008 Klage erhoben. Sie trägt vor, durch die Zahlungseinstellung der Beklagten auf ihr Schreiben vom 13. Juli 2007 habe sie darauf vertraut, dass die Beklagte ein Ruhen bzw. eine vorübergehende Unterbrechung wegen Erziehungszeiten akzeptiere. Schließlich habe die Beklagte ihr gegenüber keinerlei Bescheidung vorgenommen. Sie habe die selbständige Tätigkeit auch nicht beendet, sondern nur unterbrochen bzw. ruhen lassen. Ihre Zulassung als Rechtsanwältin habe sie während der genommenen Erziehungszeit nicht zurückgegeben.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2011 hat die Klägerin ihren Antrag darauf beschränkt, die Aufhebung des Bescheides vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14. August 2008 hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung und damit für das 3. Förderjahr eine Förderung i.H.v. 240 EUR monatlich für den gesamten – ursprünglich bewilligten – Zeitraum vom 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009 zu erreichen.
Die Klägerin beantragt, 1. den Bescheid vom 12. August 2008 aufzuheben und die vorher ergangenen Bescheide vom 21. Mai 2008 und 26. Mai 2008 im Hinblick auf die Zahlung des Förderzuschusses aufrecht zu erhalten und die Widerspruchsbescheide vom 14. August 2008 entsprechend abzuändern, 2. den entsprechenden Nachzahlungsbetrag gemäß den sozialrechtlichen Vorschriften ab Zustellung der Klage zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin begehrt nunmehr noch die Gewährung des Existenzgründungszuschusses für das 3. Förderjahr i.H.v. 240 EUR monatlich für den Zeitraum 15. August 2008 bis 25. Juni 2009.
Der Bescheid vom 12. August 2008 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses ab 15. August 2008 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) liegen nicht vor. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 oder ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Bescheid vom 26. Mai 2008 hinsichtlich der Bewilligung für das 3. Förderjahr ist schon nicht rechtswidrig. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Aufhebungsbescheid vom 12. August 2008 diesen Bescheid noch nicht einmal benannt hat.
Gemäß § 421 l SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird für bis zu drei Jahren erbracht. Die Förderungshöchstdauer läuft 36 Monate nach dem ersten Tag der Bewilligung kalendermäßig ab und kann nicht durch Aufschubzeiten verlängert werden (Becker, in Mutschler, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 421 l Rdn. 54; Brandts, in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421 l Rdn. 31). Richtigerweise läuft damit das 3. Förderjahr – wie von der Beklagten im Bescheid vom 26. Mai 2008 auch korrekt umgesetzt – vom 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009.
Die Beklagte stellt darauf ab, dass eine Bewilligung für das 3. Förderjahr schon nicht hätte erfolgen dürfen, da die Förderung nach § 421 l Abs. 4 Nr. 2 SGB III ausgeschlossen ist. Nach dieser Regelung ist eine Förderung ausgeschlossen, wenn nach Beendigung der Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit noch nicht 24 Monate vergangen sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die sogenannte Wartefrist setzt erst nach Abschluss der gesamten Förderung ein. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die Frist nicht für Förderfälle gilt, die dem Grunde nach bewilligt worden sind, und für die nach Ablauf des ersten oder zweiten Bewilligungsabschnittes die Förderung für ein weiteres Jahr verlängert wird. § 421 l SGB III bestimmt daher ausdrücklich, dass die Frist nicht für Bewilligungen für das zweite oder dritte Jahr gilt. Hier liegt schon keine Beendigung der Förderung zum 27. August 2007 (Beginn der Elternzeit) vor. Die Beklagte hat die zu diesem Zeitpunkt bereits bewilligte Förderung für das 2. Jahr nicht beendet. Sie hat lediglich die Zahlung kommentarlos eingestellt. Ein Aufhebungsbescheid wurde nicht erlassen. Weiterhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2008 die Förderung für das 2. Förderjahr für den Zeitraum 26. März 2008 bis 25. Juni 2008 erneut bestätigt und auch mit Bescheid vom 26. Mai 2008 die Förderung für das 3. Förderjahr für den Zeitraum 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009 bewilligt. Von einer Beendigung der Förderung der selbständigen Tätigkeit wegen des Beginns der Elternzeit zum 27. August 2007 kann also nicht die Rede sein.
Unabhängig davon liegt auch keine Beendigung der selbständigen Tätigkeit der Klägerin durch die Elternzeit ab 27. August 2007 bis 25. März 2008 vor. Die Klägerin hat die Tätigkeit als Rechtsanwältin lediglich unterbrochen, um Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Seit der Neubekanntmachung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BerzGG) vom 1. Dezember 2000 hat sich die Terminologie geändert und ist an die Stelle des Erziehungsurlaubs die Elternzeit getreten. Diese stellt keine Beendigung einer Tätigkeit dar, sondern einen klassischen Fall der Unterbrechung. Die Klägerin hat die Zulassung als Rechtsanwältin behalten. Eine Elternzeit beendet auch nicht ein Anstellungsverhältnis. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) besteht der Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Er kann jedoch mit einem Anteil von bis zu zwölf Monaten mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen werden. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis lediglich. Es wäre daher sinnwidrig, eine Beendigung einer selbständigen Tätigkeit bei Inanspruchnahme von Elternzeit anzunehmen.
Im Übrigen ist es auch anerkannt, dass während einer selbständigen Tätigkeit Aufschubzeiten möglich sind, die die Förderung mit Existenzgründungszuschuss nicht ausschließen (vgl. Becker, in Mutschler, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 421 l Rdn. 54; Brandts, in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421 l Rdn. 31). Die in § 421l Abs. 4 Nr. 2 SGB III geregelte Wartefrist meint dagegen Fälle, in denen die Existenzgründung endgültig aufgegeben wird, insbesondere weil diese gescheitert ist. Hiervon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein. Die Klägerin beabsichtigte von vornherein die Fortführung der Tätigkeit als Rechtsanwältin nach dem Ende der Elternzeit. Sie hat ihre Zulassung während dieser Zeit nicht zurückgegeben, so dass die Tätigkeit nahtlos fortgesetzt werden konnte. Da der ursprüngliche Bescheid nicht rechtswidrig geworden ist, kommt eine Aufhebung nicht in Betracht.
Nur der Vollständigkeit weist das Gericht darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid vom 12. August 2008 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 auch bei Unterstellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 26. Mai 2008 aufzuheben gewesen wäre, weil keine hinreichende Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 SGB X erfolgt ist. § 45 SGB X erfordert in Fällen der Aufhebung für die Zukunft eine Ermessenentscheidung zusätzlich zu den Vertrauensschutzabwägungen nach § 45 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB X (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdn. 89), soweit geeignete Tatsachen ersichtlich sind. Hier hätte sich die Beklagte damit auseinandersetzen müssen, dass sie auf die vorübergehende Abmeldung der Klägerin nicht reagiert hat und noch nicht einmal einen Aufhebungsbescheid erlassen hat und folglich die Klägerin möglicherweise zu Recht auf eine Weiterbewilligung vertrauen durfte. Die formelhafte Ausführung der Beklagten im Bescheid vom 12. August 2008 geht auf diese Gesichtspunkte nicht ein.
Da die Bundesagentur für Arbeit nach dem Wortlaut des § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch von Amts wegen eine Verzinsung vorzunehmen hat, hat das Gericht von einer ausdrücklichen Tenorierung abgesehen. Die Beklagte wird über den Zinsantrag von Amts wegen zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin ihren ursprünglichen Antrag, für das zweite Förderjahr eine Förderung auch für die Zeit vom 26. März 2008 bis 25. Januar 2009 und für das dritte Förderjahr auch für die Zeit vom 26. Juni 2009 bis 25. Januar 2010 zu erhalten, nicht mehr weiterverfolgt hat.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) die Dauer der Bewilligung des Existenzgründungszuschusses für das 3. Förderjahr i.H.v. 240 EUR monatlich strittig.
Die 1966 geborene Klägerin meldete sich am 15. September 2005 arbeitslos. Mit Antrag vom 15. September 2005 beantragte sie die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin ab 26. Juni 2006. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 15. Juni 2006 einen Existenzgründungszuschuss für das 1. Förderjahr für den Zeitraum 26. Juni 2006 bis 25. Juni 2007 i.H.v. 600 EUR monatlich. Auf den Folgeantrag der Klägerin für das 2. Förderjahr bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2007 einen Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 26. Juni 2007 bis 25. Juni 2008 i.H.v. 360 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, "dass ich wegen der Einschulung meines Sohnes am 28.08.2007 ab dem 27.08.2007 für ein Jahr Erziehungszeiten nehmen werde und für diesen Zeitraum die selbständige Tätigkeit in der Ich-AG unterbrechen werde. Ich bitte Sie daher zunächst den Förderbetrag letztmalig am 26. 08.2007 auf mein Ihnen bekanntes Konto zu überweisen." Die Beklagte stellte die Zahlung des Existenzgründungszuschusses entsprechend ein; einen Aufhebungsbescheid erließ sie nicht.
Mit Schreiben vom 10. März 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Erziehungszeit zum 25. März 2008 beenden werde und damit auch die Unterbrechung der Ich-AG. Ab dem 26. März 2008 werde sie wieder als Rechtsanwältin tätig sein. Sie bat daher um Wiederaufnahme der Zahlung des Existenzgründungszuschusses ab dem 26. April 2008 i.H.v. 360 EUR monatlich für zehn Monate. Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 bewilligte die Beklagte einen Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 26. März 2008 bis 25. Juni 2008 i.H.v. 360 EUR monatlich. Auf den Antrag der Klägerin für das 3. Förderjahr bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2008 den Existenzgründungszuschuss für das 3. Förderjahr für den Zeitraum 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009 i.H.v. 240 EUR monatlich. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, sie begehre die Zahlung von 360 EUR monatlich für die Zeit ab 26. März 2008 bis 25. Januar 2009 und von 240 EUR monatlich für die Zeit vom 26. Januar 2009 bis 25. Januar 2010. Die genommenen Erziehungszeiten könnten nicht von der Laufzeit des Zuschusses in Abzug gebracht werden. Die Behörde hätte auch einen Einstellungsbescheid erlassen müssen, soweit sie jetzt einen Wiederaufnahmebescheid erteile. Im Übrigen würden die Bescheide auch Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz verletzen.
Mit Bescheid vom 12. August 2008 hob die Beklagte die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses für die Zukunft ab 15. August 2008 auf. Die Klägerin habe ihre selbständige Tätigkeit zum 27. August 2007 beendet; ein Neubeginn sei daher nicht zu fördern gewesen, da keine 24 Monate vergangen seien. Die Rücknahme erfolge nur für die Zukunft. Es hätten sich keine besonderen Gesichtspunkte ergeben, die eine Weiterzahlung der zu Unrecht bewilligten Leistungen rechtfertigen könnten. Weiterhin führte die Beklagte aus: "Bei der Rücknahme der Bewilligungsentscheidung habe ich Ermessen ausgeübt. Hierbei musste ich zwischen Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift, dem öffentlichen Interesse und den Umständen des Einzelfalles abwägen. In Ihrem Falle überwiegen das Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Anwendung durch die öffentliche Hand sowie der Gedanke der Rechts- und Gesetzmäßigkeit jedes Verwaltungshandelns, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen."
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin ebenfalls Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 (W 3509/08) wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des 2. Förderjahres als unbegründet zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 (W 3521/08) wies sie auch den Widerspruch hinsichtlich des 3. Förderjahres und der Aufhebung der Bewilligung ab 15. August 2008 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe durch die Inanspruchnahme der Erziehungszeit ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben. Das Verschulden der Beklagten sei insoweit berücksichtigt worden, dass die Bewilligungsentscheidung lediglich für die Zukunft aufgehoben worden sei.
Gegen diese Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 12. September 2008 Klage erhoben. Sie trägt vor, durch die Zahlungseinstellung der Beklagten auf ihr Schreiben vom 13. Juli 2007 habe sie darauf vertraut, dass die Beklagte ein Ruhen bzw. eine vorübergehende Unterbrechung wegen Erziehungszeiten akzeptiere. Schließlich habe die Beklagte ihr gegenüber keinerlei Bescheidung vorgenommen. Sie habe die selbständige Tätigkeit auch nicht beendet, sondern nur unterbrochen bzw. ruhen lassen. Ihre Zulassung als Rechtsanwältin habe sie während der genommenen Erziehungszeit nicht zurückgegeben.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2011 hat die Klägerin ihren Antrag darauf beschränkt, die Aufhebung des Bescheides vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14. August 2008 hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung und damit für das 3. Förderjahr eine Förderung i.H.v. 240 EUR monatlich für den gesamten – ursprünglich bewilligten – Zeitraum vom 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009 zu erreichen.
Die Klägerin beantragt, 1. den Bescheid vom 12. August 2008 aufzuheben und die vorher ergangenen Bescheide vom 21. Mai 2008 und 26. Mai 2008 im Hinblick auf die Zahlung des Förderzuschusses aufrecht zu erhalten und die Widerspruchsbescheide vom 14. August 2008 entsprechend abzuändern, 2. den entsprechenden Nachzahlungsbetrag gemäß den sozialrechtlichen Vorschriften ab Zustellung der Klage zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin begehrt nunmehr noch die Gewährung des Existenzgründungszuschusses für das 3. Förderjahr i.H.v. 240 EUR monatlich für den Zeitraum 15. August 2008 bis 25. Juni 2009.
Der Bescheid vom 12. August 2008 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses ab 15. August 2008 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) liegen nicht vor. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 oder ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Bescheid vom 26. Mai 2008 hinsichtlich der Bewilligung für das 3. Förderjahr ist schon nicht rechtswidrig. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Aufhebungsbescheid vom 12. August 2008 diesen Bescheid noch nicht einmal benannt hat.
Gemäß § 421 l SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird für bis zu drei Jahren erbracht. Die Förderungshöchstdauer läuft 36 Monate nach dem ersten Tag der Bewilligung kalendermäßig ab und kann nicht durch Aufschubzeiten verlängert werden (Becker, in Mutschler, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 421 l Rdn. 54; Brandts, in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421 l Rdn. 31). Richtigerweise läuft damit das 3. Förderjahr – wie von der Beklagten im Bescheid vom 26. Mai 2008 auch korrekt umgesetzt – vom 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009.
Die Beklagte stellt darauf ab, dass eine Bewilligung für das 3. Förderjahr schon nicht hätte erfolgen dürfen, da die Förderung nach § 421 l Abs. 4 Nr. 2 SGB III ausgeschlossen ist. Nach dieser Regelung ist eine Förderung ausgeschlossen, wenn nach Beendigung der Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit noch nicht 24 Monate vergangen sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die sogenannte Wartefrist setzt erst nach Abschluss der gesamten Förderung ein. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die Frist nicht für Förderfälle gilt, die dem Grunde nach bewilligt worden sind, und für die nach Ablauf des ersten oder zweiten Bewilligungsabschnittes die Förderung für ein weiteres Jahr verlängert wird. § 421 l SGB III bestimmt daher ausdrücklich, dass die Frist nicht für Bewilligungen für das zweite oder dritte Jahr gilt. Hier liegt schon keine Beendigung der Förderung zum 27. August 2007 (Beginn der Elternzeit) vor. Die Beklagte hat die zu diesem Zeitpunkt bereits bewilligte Förderung für das 2. Jahr nicht beendet. Sie hat lediglich die Zahlung kommentarlos eingestellt. Ein Aufhebungsbescheid wurde nicht erlassen. Weiterhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2008 die Förderung für das 2. Förderjahr für den Zeitraum 26. März 2008 bis 25. Juni 2008 erneut bestätigt und auch mit Bescheid vom 26. Mai 2008 die Förderung für das 3. Förderjahr für den Zeitraum 26. Juni 2008 bis 25. Juni 2009 bewilligt. Von einer Beendigung der Förderung der selbständigen Tätigkeit wegen des Beginns der Elternzeit zum 27. August 2007 kann also nicht die Rede sein.
Unabhängig davon liegt auch keine Beendigung der selbständigen Tätigkeit der Klägerin durch die Elternzeit ab 27. August 2007 bis 25. März 2008 vor. Die Klägerin hat die Tätigkeit als Rechtsanwältin lediglich unterbrochen, um Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Seit der Neubekanntmachung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BerzGG) vom 1. Dezember 2000 hat sich die Terminologie geändert und ist an die Stelle des Erziehungsurlaubs die Elternzeit getreten. Diese stellt keine Beendigung einer Tätigkeit dar, sondern einen klassischen Fall der Unterbrechung. Die Klägerin hat die Zulassung als Rechtsanwältin behalten. Eine Elternzeit beendet auch nicht ein Anstellungsverhältnis. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) besteht der Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Er kann jedoch mit einem Anteil von bis zu zwölf Monaten mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen werden. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis lediglich. Es wäre daher sinnwidrig, eine Beendigung einer selbständigen Tätigkeit bei Inanspruchnahme von Elternzeit anzunehmen.
Im Übrigen ist es auch anerkannt, dass während einer selbständigen Tätigkeit Aufschubzeiten möglich sind, die die Förderung mit Existenzgründungszuschuss nicht ausschließen (vgl. Becker, in Mutschler, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 421 l Rdn. 54; Brandts, in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421 l Rdn. 31). Die in § 421l Abs. 4 Nr. 2 SGB III geregelte Wartefrist meint dagegen Fälle, in denen die Existenzgründung endgültig aufgegeben wird, insbesondere weil diese gescheitert ist. Hiervon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein. Die Klägerin beabsichtigte von vornherein die Fortführung der Tätigkeit als Rechtsanwältin nach dem Ende der Elternzeit. Sie hat ihre Zulassung während dieser Zeit nicht zurückgegeben, so dass die Tätigkeit nahtlos fortgesetzt werden konnte. Da der ursprüngliche Bescheid nicht rechtswidrig geworden ist, kommt eine Aufhebung nicht in Betracht.
Nur der Vollständigkeit weist das Gericht darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid vom 12. August 2008 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 auch bei Unterstellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 26. Mai 2008 aufzuheben gewesen wäre, weil keine hinreichende Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 SGB X erfolgt ist. § 45 SGB X erfordert in Fällen der Aufhebung für die Zukunft eine Ermessenentscheidung zusätzlich zu den Vertrauensschutzabwägungen nach § 45 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB X (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdn. 89), soweit geeignete Tatsachen ersichtlich sind. Hier hätte sich die Beklagte damit auseinandersetzen müssen, dass sie auf die vorübergehende Abmeldung der Klägerin nicht reagiert hat und noch nicht einmal einen Aufhebungsbescheid erlassen hat und folglich die Klägerin möglicherweise zu Recht auf eine Weiterbewilligung vertrauen durfte. Die formelhafte Ausführung der Beklagten im Bescheid vom 12. August 2008 geht auf diese Gesichtspunkte nicht ein.
Da die Bundesagentur für Arbeit nach dem Wortlaut des § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch von Amts wegen eine Verzinsung vorzunehmen hat, hat das Gericht von einer ausdrücklichen Tenorierung abgesehen. Die Beklagte wird über den Zinsantrag von Amts wegen zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin ihren ursprünglichen Antrag, für das zweite Förderjahr eine Förderung auch für die Zeit vom 26. März 2008 bis 25. Januar 2009 und für das dritte Förderjahr auch für die Zeit vom 26. Juni 2009 bis 25. Januar 2010 zu erhalten, nicht mehr weiterverfolgt hat.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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