Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 2939/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 123/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2010 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat den Klägerinnen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerinnen wenden sich gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten.
Die 1963 geborene Klägerin zu 1), eine gelernte Arzthelferin, ist die allein sorgeberechtigte Mutter der im Juni 1999 bzw. Dezember 2000 geborenen Klägerinnen zu 2) und 3), die seit dem Jahr 2006 bei Pflegeeltern untergebracht sind. Sie stellte am 5. August 2002 beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundes-sozialhilfegesetz (BSHG) für sich und die beiden Kinder und gab an, sich von ihrem Lebenspartner zu trennen und von B nach B zu ziehen, wo sie früher überwiegend gelebt habe und ihr im Dezember 1994 erstgeborener Sohn (und dessen Vater) wohnhaft sei. Die Klägerin verneinte in dem von ihr undatiert unterzeichneten Antragsformular das Vorhandensein von Vermögen, unter anderem von Grundbesitz, und verpflichtete sich, Änderungen in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unverzüglich dem Sozialhilfeträger mitzuteilen. Ein von ihr unter dem 19. September 2002 unterzeichnetes Antragsformular betrifft die Gewährung eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende. Der Beklagte bewilligte den Klägerinnen sodann mit Bescheid vom 19. September 2002 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG zunächst als Vorschuss für die Monate September und Oktober 2002 (Miete ab 1. September 2002, Regelsätze ab 19. September 2002), verbunden mit dem Hinweis auf § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach – so wörtlich – die Verpflichtung bestehe, alle Tatsachen anzugeben und Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, "die für die Sozialhilfeleistung erheblich sind". Die Klägerin bestätigte den Erhalt dieses Bescheides am 29. Oktober 2002. Ein endgültiger Bescheid über die Leistungsgewährung ist nicht aktenkundig. Die Leistungsgewährung für den Monat November 2002 erfolgte durch Scheckzahlung, in der Folgezeit wurden die Leistungen im automatisierten Verfahren überwiesen. Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 setzte der Beklagte die Hilfe für die Klägerinnen für Juli 2003 wegen höherer Regelsätze und für bzw. ab August 2003 wegen Anrechnung von Unterhaltsvorschüssen für die Kinder neu fest. Die laufenden Zahlungen erfolgten auch danach im automatisierten Überweisungsverfahren.
Im Zusammenhang mit einem vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG teilte ihm die Stadt B mit Schreiben vom 18. Februar 2004 mit, dass die Klägerin zu 1) nach dem Tod ihrer Mutter Miteigentümerin zu 1/5 eines näher bezeichneten Hausgrundstückes mit Nebenanlagen in B sei, das nach ihren Angaben mindestens 350.000,- DM wert sei und verkauft werden solle. Von ihr am 21. August 2002 beantragte Beihilfen für den Umzug nach B und die Mietkaution seien deshalb u.a. wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit versagt worden. Ausweislich des beigefügten Grundbuchauszuges vom 28. August 2002 hatte die Klägerin anteiliges Grundeigentum bereits 1983 von ihrem Vater geerbt.
Auf Nachfrage des Beklagten legte die Klägerin zu 1) in der Folgezeit Kopien eines notari-ellen Kaufvertrages vom 22. November 2002 vor, durch den das Anwesen von ihr und vier Geschwistern für 188.000,- Euro verkauft worden war, wobei die Fälligkeit des Kaufpreises von mehreren zeitlich unbestimmten Ereignissen abhing, ferner die Kopie eines undatierten Schreibens an ihren Bruder K H, in dem sie ihn bat, ihren Erbanteil von 29.045,- Euro an ihre Schwester K S zum Ausgleich ihr gewährter Darlehen von 54.000,- DM gemäß Vertrag von 1994 sowie von 5.000,- Euro im September 2002 für den Umzug nach B und die Wohnungsrenovierung auszuzahlen, und schließlich in Kopie einen unter dem 30. November 1994 geschlossenen privatschriftlichen Darlehensvertrag betreffend ihr von der Schwester gewährte Darlehen i. H. v. insgesamt 54.000,- DM in der Zeit vom 2. Januar 1980 bis 1994. Als "Rückzahlungsvereinbarung" ist formuliert: "Zum Ausgleich des Darlehens trete ich hiermit meinen zu erwartenden Erbanteil an meine Schwester K S ab". Ferner reichte die Klägerin eine Aufstellung über die Aufteilung des Nachlasses nach ihrer im Jahre 2001 verstorbenen Mutter ein, aus der sich der von ihr errechnete Kaufpreisanteil von 29.045,- Euro (Erbanteil unter Berücksichtigung eines teilweise vorher ausgezahlten weiteren Bruders in Höhe von 35.180,- Euro abzüglich "Schulden Mutti" in Höhe von 6.135,- Euro) ergibt.
Mit Schreiben vom 7. April 2004 gab der Beklagte der Klägerin zu 1) Gelegenheit, sich zu der in Aussicht genommenen Aufhebung und Rückforderung gewährter Leistungen für die Zeit vom 1. September 2002 bis zum 31. März 2004 i. H. v. insgesamt 15.123,56 Euro zu äußern, weil sie bei Antragstellung vorhandenes Grundvermögen verschwiegen habe. Sodann teilte er ihr mit Bescheid vom 13. April 2004 seine Absicht mit, zu gegebener Zeit ihre Heranziehung zum Kostenersatz zu prüfen, weil sie die Voraussetzung für die Sozial-hilfeleistung ab 1. April 2004 durch grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe, indem sie ihr Vermögen zur Schuldentilgung verwendet habe, anstatt davon den Lebensunterhalt zu decken. Hiervon nahm der Beklagte später im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin Abstand (vgl. Abhilfebescheid vom 23. August 2004). Im weiteren Verlauf trug die Klägerin zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Juni 2004 vor, dass sie durch den im Antrag tatsächlich nicht angegebenen Erwerbsvorgang wirtschaftlich nichts erlangt habe, weil sie den ihr zustehenden Anteil am Nachlass schon lange vorab zur Tilgung von Darlehen an ihre Schwester abgetreten habe. Diese habe sie während ihres früheren Aufenthaltes in B von 1980 bis 1985 mit regelmäßigen und von 1986 bis 1994 mit unregelmäßigen Zahlungen i. H. v. insgesamt 54.000,- DM unterstützt. Für die Rückkehr nach Berlin im September 2002 habe sie ihr eine Umzugs- und Einrichtungshilfe i. H. v. weiteren 5.000,- Euro darlehensweise zur Verfügung gestellt. Ihr könne deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, etwas Relevantes verschwiegen zu haben, denn der Normalbürger unterscheide nicht zwischen rechtlichem Eigentum und wirtschaftlich zu bewertendem tatsächlichem Vermögen, das an ihrer Bedürftigkeit nichts geändert haben würde.
Mit Rücknahme- und Leistungsbescheiden vom 27. August 2004 hob der Beklagte unter Hinweis auf §§ 45, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber der Klägerin zu 1) und den von ihr gesetzlich vertretenen Klägerinnen zu 2) und 3) jeweils die Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 1. September 2002 bis zum 31. März 2004 auf und forderte in einer Anlage aufgelistete Leistungen von der Klägerin zu 1) i. H. v. 8.986,62 Euro (inklusive Wohngeld), von der Klägerin zu 2) i. H. v. 3.003,31 Euro und von der Klägerin zu 3) i. H. v. 3.133,67 Euro zurück. Sie hätten diese Leistungen zu Unrecht erhalten, weil die Klägerin zu 1) Vermögen verschwiegen habe. Die Leistung wären sonst nicht oder nur als Darlehen gewährt worden. Auf Vertrauensschutz könnten sie sich nicht berufen, weil die für die Bewilligung der Leistungen maßgeblichen Angaben wissentlich unrichtig oder unvollständig gemacht worden seien. Härtegründe, die zu einem Absehen von der Rückforderung führen würden, oder Gründe, die das Verhalten entschuldigen könnten, seien nicht gegeben. Die minderjährigen Töchter müssten sich das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreterin zurechnen lassen. Mit weiterem Bescheid vom 27. August 2004 forderte der Beklagte zudem von der Klägerin zu 1) gemäß § 92a BSHG Ersatz der für ihre Töchter zu Unrecht gewährten Leistungen i. H. v. insgesamt 6.136,98 Euro, weil sie diese durch ihr vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe. Die gegen alle Bescheide eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchs-bescheiden vom 3. November 2006 zurück. Die Klägerin zu 1) habe im Antrag vom 5. August 2002 ihr Grundvermögen verschwiegen. Bei Kenntnis davon wäre die Sozialhilfe allenfalls als Darlehen gewährt worden. Es sei deshalb zu einer Überzahlung von Sozialhilfe i. H. v. 8.586,62 Euro gekommen, die nach §§ 45,50 SGB X zu erstatten sei. Infolge des ihr ausgekehrten anteiligen Verkaufserlöses i. H. v. 37.600,- Euro seien insoweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht gegeben gewesen. Auf Vertrauen könne sie sich nicht berufen, weil sie bereits in ihrem am 19. September 2002 unterzeichneten Formularantrag mit ihrer Unterschrift versichert habe, dem Sozialhilfeträger unverzüglich jede Änderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen. Erst durch Mitteilung der Stadt Bamberg im Februar 2004 sei ihr Grundvermögen bekannt geworden. Ihre Einwendungen dagegen hätten keine entscheidungsändernde Bedeutung. Beachtlich sei nur, dass ihr nach § 76 BSHG anrechenbare finanzielle Mittel zugeflossen seien. Bezüglich der Klägerinnen zu 2) und 3) führte der Beklagte jeweils aus, die Leistungen seien zu Unrecht gewährt worden, weil sie angesichts des Grundvermögens der ihnen unterhaltsverpflichteten Klägerin zu 1) bei rechtzeitiger Kenntnis von dieser Tatsache nur darlehensweise gewährt worden wären. Deren vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschweigen wesentlicher Umstände müssten sich die Klägerinnen zu 2) und 3) im Rahmen des § 45 Abs. 2 SGB X zurechnen lassen. Jene hafte als gesetzliche Vertreterin gesamtschuldnerisch auf Kostenersatz nach § 92 a BSHG.
Die dagegen von den drei Klägerinnen gesondert erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 5. Juli 2007 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem für das Verfahren der Klägerin zu 1) vergebenen Aktenzeichen verbunden. Zur Begründung haben die Klägerinnen im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Ablehnungsbescheid der Stadt Bamberg vom 29. August 2002 ist vorgelegt worden.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin zu 1) bei Antragstellung bewusst keine Angaben zum Grundvermögen gemacht habe. Dieses gezielte Verhalten zeige, dass sie sich darüber bewusst gewesen sei, dass sich ein Antrag auf Gewährung öffentlicher Mittel zur Beseitigung einer Notlage und Grundvermögen nicht vereinbaren ließen. Falls für sie Unklarheiten bestanden hätten, wäre sie auf Befragen vom Sozialhilfeträger entsprechend aufgeklärt und belehrt worden.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 31. Mai 2010 die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben. Sie seien rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Bescheide, mit denen der Beklagte die Leistungsbewilligungen für die Zeit von September 2002 bis März 2004 aufgehoben habe, seien ermessensfehlerhaft. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der wegen Grundvermögens der Klägerin zu 1) von Anfang an rechtswidrigen Leistungsbewilligungen sei § 45 Abs. 1 SGB X. Danach stehe die Aufhebung im Ermessen des Beklagten, dessen Ausübung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Ermessenfehlerhaft sei unter anderem die Ermessensunterschreitung. Diese liege hier vor. In den – vom Sozialgericht wörtlich zitierten – Aufhebungsbescheiden wie auch in den Widerspruchsbescheiden seien keine (ausreichenden) Ermessenserwägungen enthalten, sondern zunächst nur Feststellungen zur Tatbestandsvoraussetzung "kein Vertrauensschutz" getroffen worden. Sofern man die Ausführungen zu fehlenden Härte- oder Entschuldigungsgründen als Ermessenserwägungen zum "Ob" der Aufhebung verstehe, fehlten aber weitergehende Erwägungen dazu, in welchem Umfang und ab wann die Leistungsbewilligungen aufgehoben würden, eine Ermessensreduzierung auf Null liege diesbezüglich nicht vor. Dagegen spreche bereits das eigene Handeln des Beklagten, der von der Rückforderung von Leistungen für die Zeit ab 1. April 2004 ausdrücklich abgesehen habe (Hinweis auf den Abhilfebescheid vom 23. August 2004). Eine solche Ermessensreduzierung komme allenfalls in Ansehung eines Betruges im Sinne des § 263 Strafgesetzbuch in Betracht, der hier aber nicht vorliege. Es fehle an der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern. Die Klägerin zu 1) habe ihren Erbteil lange vor dem Bezug von Sozialleistungen zur Begleichung von Schulden an ihre Schwester abgetreten. Diese Vereinbarung sei zwar mangels eines notariellen Vertrages nicht formwirksam gewesen, aber von der Klägerin für wirksam gehalten und ausgeführt worden. Sie habe sich für berechtigt gehalten, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Es seien vom Gericht näher bezeichnete Ermessenserwägungen bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin zu 1) und der Zurechnung ihrer Falschangaben für ihre Kinder anzustellen gewesen. Mit Wegfall der Aufhebungsbescheide seien auch keine Erstattungsansprüche des Beklagten gegen die Klägerinnen gegeben.
Gegen das ihm laut Empfangsbekenntnis am 23. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. Juli 2010 Berufung eingelegt. Er hat zunächst das übliche Verfahren bei der Verteilung der Fachpost erläutert und in der Sache vorgetragen, dass § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Fällen wie dem vorliegenden entsprechend anzuwenden sei. Nach dieser Vorschrift sei ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auch für die Vergangenheit ohne Ermessensausübung zurückzunehmen. Bei der Klägerin habe Bösgläubigkeit vorgelegen. Aus einem von der Stadt Bamberg übersandten Vermerk ergebe sich, dass sie dort am 21. August 2002 die Übernahme der Umzugskosten nach Berlin und der Mietkaution i. H. v. insgesamt ca. 4.000,- Euro beantragt habe, was die dortige Behörde wegen des von ihr angegebenen Grundvermögens abgelehnt habe. Der Beklagte habe von diesem Sachverhalt nur im Zusammenhang mit seinem Erstattungsanspruch gegen die Stadt Bamberg Kenntnis erlangt. Der unwirksame Darlehensvertrag mit den Geschwistern werde von ihm nicht anerkannt, im Übrigen seien auch bei dessen Berücksichtigung noch mehrere Tausend Euro verblieben, die die Klägerin ebenfalls nicht angegeben habe. Sie habe dem Beklagten angesichts dessen bewusst die Erbschaft verschwiegen, da ihr die daraus folgende Ablehnung von Sozialhilfeleistungen bekannt gewesen sei, und dabei die Absicht gehabt, sich rechtswidrig zu bereichern, sodass im Übrigen auch der Einschätzung des Sozialgerichts nicht gefolgt werden könne, dass hier keine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Schließlich sei gemäß § 35 Abs. 2 SGB X die Begründung einer Ermessensentscheidung auch entbehrlich, wenn dem Adressaten die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bekannt oder auch ohne Begründung ohne weiteres erkennbar sei. Das sei hier wegen der vorausgegangenen Entscheidung der Stadt Bamberg der Fall.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Die die Klägerinnen betreffenden Sozialhilfeakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden. Bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 63 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 174 Abs. 1 und 4 Zivilprozessordnung (ZPO) an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden ist das Schriftstück an dem Tage zugestellt, an welchem der hierfür nach der behördeninternen Aufgabenverteilung zuständige Bedienstete den Empfang mit Datum und seiner Unterschrift bestätigt (vgl. BAG, Urteil vom 2. Dezember 1994 - 4 AZB 17/94 -, NJW 1995, 1916 m.w.N.). Der bloße Eingang eines gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils in einer Posteingangsstelle beim Empfänger bedeutet noch keine Zustellung (vgl. Urteil des BSG vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 63/08 R -, zitiert nach juris).
Sie ist aber in der Sache nicht begründet.
Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht die Bescheide des Beklagten vom 27. August 2004 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 3. November 2006 aufgehoben. Als Rechtsgrundlage für die darin vom Beklagten getroffenen Verwaltungsentscheidungen kommt, wie von ihm und dem Sozialgericht zutreffend angenommen worden ist, nur § 45 SGB X in Betracht. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, soweit er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zurück-genommen werden. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Satz 3). Die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt, die im streitigen Aufhebungszeitraum vom 1. September 2002 bis zum 31. März 2004 Monat für Monat entweder auf Grund von konkreten Bewilligungsbescheiden oder durch Realakte (Scheckausgabe bzw. Überweisungen auf das Konto der Klägerin zu 1]) erfolgte, war objektiv rechtswidrig begünstigend im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X. Maßgebend für die Beurteilung der den Klägerinnen seinerzeit zustehenden Sozialhilfe sind noch die mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen Vorschriften des BSHG. Nach §§ 11, 12 BSHG war Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen konnte. Unstreitig verfügten die Klägerinnen im streitigen Zeitraum nicht über ausreichendes eigenes Einkommen, denn außer den Kindergeldzahlungen an die Klägerin zu 1) standen ihnen weder Erwerbseinkommen noch Unterhaltszahlungen zur Verfügung. Die Klägerin zu 1) war jedoch laut Grundbuch seit dem Tod ihres Vaters im Jahre 1983 in ungeteilter Erbengemeinschaft mit der Mutter und fünf Geschwistern Miteigentümerin eines Hausgrundstückes mit Nebenanlagen in Bamberg. Nach dem Tod auch der Mutter im Jahr 2001 ergab sich unter Berücksichtigung einer teilweisen vorherigen Auszahlung eines Bruders für die Klägerin ein Anteil von knapp einem Fünftel (was bezogen auf den im November 2002 vereinbarten Kaufpreis von 188.000,- Euro nach insoweit zutreffender Berechnung der Klägerin 35.180,- Euro ergab). Gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 19. September 2001 (BGBl. I, 2376) durfte die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person bewohnt wurde. Da die Klägerin das in Rede stehende Haus unstreitig nicht bewohnt hat, liegt kein Schonvermögen vor. Das Grundvermögen war auch grundsätzlich verwertbar. Die Klägerin zu 1) war an einer Ver-wertung nicht etwa wegen der unter dem Datum 30. November 1994 zu Gunsten ihrer Schwes-ter erklärten Abtretung ihres Erb- bzw. Miteigentumsanteils gehindert, denn diese war lediglich privatschriftlich und nicht notariell erklärt worden und damit nicht wirksam. Zwar ist die Ver-wertung eines Miteigentumsanteils in der Regel nicht kurzfristig realisierbar, im vorliegenden Fall war der Verkauf des unbelasteten Grundstücks mit dem nach dem Tod der Mutter im Jahre 2001 leerstehenden Einfamilienhaus von der Erbengemeinschaft aber jedenfalls bei Beginn der in Rede stehenden Hilfegewährung schon beabsichtigt, wie den Angaben der Klägerin gegen-über der Stadt Bamberg am 21. August 2002 zu entnehmen war. Der Einsatz dieses Vermögens für den Lebensunterhalt der Klägerinnen stellte auch keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG dar.
Die ab September 2002 beanspruchte Hilfegewährung für die Klägerinnen hätte danach nur als Darlehen bis zur Zahlung des Kaufpreises zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach dem 22. November 2002 erfolgen dürfen, wenn der Beklagte Kenntnis von den tatsächlichen Umständen gehabt hätte, denn der anteilige Erlös von über 35.000 Euro hätte ihren notwendigen Lebensunterhalt im streitigen Zeitraum bis März 2003 (und darüber hinaus) abgedeckt. Die Klägerin zu 1) kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie den ihr zustehenden Kaufpreisanteil zur Tilgung von Schulden bei ihrer Schwester einsetzen musste, denn ob Vermögen vorhanden ist, wird grundsätzlich nicht durch eine Saldierung von Aktiva und Passiva ermittelt (vgl. Brühl in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RNr. 19 zu § 88 m.w.N.). Schulden sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Falle der Verwertung des Vermögensgegenstandes aus rechtlichen oder zwingenden wirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung einer Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG aus dem Erlös getilgt werden müssen (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG 16.Aufl. 2002, RNr. 24 zu § 88 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen sämtlich nicht vor: Wegen der Unwirksamkeit der "Erbanteilsabtretung" stand der Klägerin zu 1) ihr Anteil am Verkaufserlös zu. Die Tilgung privater Schulden ist nicht im Ergebnis aus Mitteln der Sozialhilfe zu tätigen. Eine Härte ist nicht darin zu sehen, dass die Klägerin zu 1) die Tilgung ihrer Schulden gegenüber der Schwester hätte zurückstellen müssen, anstatt nach Hingabe ihres Anteils am Verkaufserlös wegen Mittellosigkeit Sozialhilfe zu beanspruchen.
War die Gewährung der Sozialhilfe im streitigen Zeitraum danach rechtswidrig, könnte aller-dings fraglich sein, ob auch die allein in Betracht kommenden Rücknahmetatbestände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X erfüllt sind. Der letztgenannte liegt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht vor. Es ist weder nach Aktenlage noch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung erwiesen, dass der Klägerin zu 1) die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung bewusst war oder sie diese jedenfalls wegen grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Es besteht kein konkreter Grund zu der Annahme, dass die tatsächlichen Angaben in dem Darlehensvertrag nebst Rückzahlungsvereinbarung vom 30. November 1994 und die Erläuterungen der Klägerin zu den Hintergründen unzutreffend sind. Bei dieser Sachlage konnte die Klägerin zu 1) unter Zugrundelegung des maßgeblichen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs (BSG SozR Nr. 3 zu § 13 BKGG; SozR 5870 § 13 Nr. 20) durchaus Grund zu Annahme haben, dass sie über ihren Erbanteil bzw. den dementsprechenden Anteil am Verkaufserlös nicht verfügen konnte, weil sie ihn ihrer Schwester zur Darlehenstilgung versprochen hatte. Dass die Vereinbarung nicht notariell und damit unwirksam getroffen worden war, musste sie als juristischer Laie nicht wissen. Auch aus dem ablehnenden Bescheid der Stadt Bamberg vom 29. August 2002 musste sie nicht den Schluss ziehen, dass ihr Miteigentumsanteil an dem Grundstück der Gewährung von Sozialhilfe schlechthin entgegenstehen würde, denn dies war nicht der Hauptgrund für die Ablehnung einer Beihilfe für den – vom dortigen Sozialamt sozialhilferechtlich nicht als erforderlich angesehenen – Umzug nach Berlin, die auch nur im Umfang von ca. 4.000,- Euro begehrt worden war. Dem Vermerk über die dortige Vorsprache ist vielmehr zu entnehmen, dass auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Darlehensvertrages über 54.000,- DM von ausreichenden eigenen Mitteln zur Finanzierung des gewünschten Umzuges ausgegangen wurde (nach Angaben der Klägerin Eigentumsanteil 1/5, geschätzter Verkehrswert des Grundbesitzes mindestens 350.000 DM). Allerdings hat die Klägerin zu 1), wie sie auch einräumt, bei der Antragstellung in Berlin unrichtige bzw. unvollständige Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen gemacht, wobei das Ankreuzen der diesbezüglichen Antworten im Antragsformular offensichtlich nicht von ihr, sondern dem Sachbearbeiter vorgenommen worden ist, die Fragen also erörtert worden sein müssen. Nach ihrem Klagevorbringen hat sie damit aber "nichts Relevantes" verschwiegen, weil sie ja angenommen habe, über den Erbanteil bzw. den zu erwartenden Anteil am Verkaufserlös nicht verfügen zu können. Die Beurteilung von Tatsachen als "relevant", d.h. als entscheidungserheblich für die Leistungsgewährung, obliegt jedoch grundsätzlich dem jeweiligen Leistungsträger und nicht dem Antragsteller, dem hierfür regelmäßig auch die erforderlichen Fachkenntnisse fehlen. Dementsprechend hat die Klägerin zu 1) bei ihrer Vorsprache im Sozialamt der Stadt Bamberg am 21. August 2002 auch ihre Vermögensverhältnisse dargelegt und der Behörde die Beurteilung überlassen, ob und inwieweit ihr Miteigentumsanteil und ihre Schuldverpflichtung gegenüber der Schwester leistungsrechtlich von Bedeutung sind. Warum sie dies bei der vorherigen Antragstellung in Berlin am 5. August 2002 nicht ebenso getan hat, hat sich nicht vollends klären lassen. Für bewusst wahrheitswidrige Angaben, wie der Beklagte annimmt, fehlt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten, denn wie oben dargelegt, musste die Klägerin zu 1) selbst nach dem ablehnenden Bescheid der Stadt Bamberg nicht davon ausgehen, dass ihr keinerlei Sozialhilfe zustehen würde, nachdem sie den Umzug selbst bzw. mit einem Darlehen der Schwester finanziert hatte.
Letztlich kann aber offen bleiben, ob der Klägerin zu 1) grob fahrlässiges Verhalten i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zur Last zu legen ist. Denn, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, können die Bescheide des Beklagten jedenfalls deshalb keinen Bestand haben, weil sie ermessensfehlerhaft ergangen sind. Der Beklagte hat verkannt, dass ihm im vorliegenden Fall bei Anwendung des § 45 SGB X ein Ermessensspielraum dahin zugestanden hat, ob, in welchem Umfang und ab wann eine Rücknahme der den Klägerinnen gewährten Leistungen vorgenommen werden soll. Die Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden zu dem der Klägerin zu 1) vorgeworfenem Verhalten betreffen im wesentlichen die Feststellung zur Tatbestandsvoraussetzung fehlenden schutzwürdigen Vertrauens und allenfalls eine Ermessensausübung dahin, ob überhaupt eine Rücknahme der Leistungsbewilligungen vorgenommen wird. Die vom Beklagten offenbar vertretene Auffassung, dass er bei fehlendem Vertrauensschutz grundsätzlich die Erstattung gewährter Leistungen verlangen könne, ist unzutreffend. Damit liegt zunächst nur die tatbestandliche Seite des § 45 Abs. 1 SGB X vor. Für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null bezüglich einer Rücknahme der gesamten im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen besteht unter den hier gegebenen Umständen keine Veranlassung, insbesondere kann dem Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin zu 1) durch die Nichtangabe der Erbschaft sich und ihren Kindern einen rechtswidrigen Vermögensvorteil habe verschaffen wollen. Vielmehr hat sie sich – aus der Laiensphäre durchaus nachvollziehbar – verpflichtet gesehen, aus dem Erlös des gemeinsam geerbten Hausgrundstückes die von ihrer Schwester erhaltenen Darlehen zu tilgen, wie sie mit ihr lange Jahre vor der Beantragung von Sozialhilfe vereinbart hatte. Der Beklagte hätte daher unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles, d.h. auch mit Blick auf die wirtschaftliche, soziale und familiäre Situation der Klägerinnen insbesondere auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nach § 45 SGB X, Ermessen ausüben müssen.
Der Beklagte kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass gemäß § 35 Abs. 2 SGB X) eine Begründung für die Ermessensentscheidung nicht erforderlich gewesen sei. Zum einen ist schon nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift unter den aufgeführten Voraussetzungen – lediglich – die Begründung für einen Verwaltungsakt, u.a. für eine Ermessensentscheidung, entbehrlich, nicht jedoch die Ausübung gesetzlich eingeräumten Ermessens selbst. Zum anderen liegen die vom Beklagten angesprochenen Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X offensichtlich nicht vor, denn die Klägerin zu 1) hatte nicht aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Stadt Bamberg "Kenntnis über die Auffassung der Behörde" – hier des Beklagten – oder hätte sie auch ohne Begründung ohne weiteres erkennen können.
Die fehlende Ermessensausübung ist auch nicht nach § 41 SGB X geheilt worden, indem die Gründe für die Entscheidung durch den Beklagten dargestellt wurden. Nachholbar nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist nur die Begründung eines Verwaltungsakts, nicht aber die unterlassene Betätigung von Ermessen. Die fehlende Ermessensausübung führt bei belastenden Verwaltungsakten zur Rechtswidrigkeit und zur Aufhebung der betroffenen Bescheide unabhängig davon, ob die getroffene Entscheidung bei einer unterstellten ordnungsgemäßen Ermessensausübung rechtmäßig wäre.
Schließlich ist entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung bei der Rücknahme eines rechtswidrig begünstigen Leistungsbescheides nach dem SGB XII gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Ermessensbetätigung der Behörde nicht durch entsprechende Anwendung des § 330 Abs. 2 SGB III ausgeschlossen, wonach im Falle der Bösgläubigkeit eine gebundene Rücknahmeentscheidung für die Vergangenheit vorzunehmen ist. Es handelt sich bei den Regelungen des § 330 SGB III um "Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten", die abweichend von den dort genannten Vorschriften der §§ 44ff SGB X nur dann zur Anwendung kommen, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Dies ist insbesondere bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Fall, wo in § 40 die grundsätzliche Geltung des SGB X und die – davon abweichende – entsprechende Anwendung einzelner Normen des SGB III, u.a. des § 330 Abs. 1,2,und 3 Satz 1 und 4 geregelt sind. Dagegen sieht das SGB XII eine Anwendbarkeit des § 330 SGB III nicht vor. Dass der Gesetzgeber hiervon bewusst abgesehen hat, ergibt sich auch deutlich aus jüngeren Gesetzesänderungen: Das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 24. März 2011 (GVBl. S. 453) sieht wiederum nur in Artikel 2 betreffend die Änderung des SGB II gemäß § 40 Abs. 2 und 3 die – modifizierte – Anwendbarkeit des § 330 SGB III vor, nicht jedoch im SGB XII, obwohl auch darin diverse Änderungen vorgenommen worden sind, u.a. betreffend § 44 SGB X. Von einer bezüglich der Anwendbarkeit des § 330 SGB III bestehenden "Gesetzeslücke" im SGB XII, die ausnahmsweise durch richterliche Analogie geschlossen werden könnte, ist deshalb nicht auszugehen (vgl. rechtskräftiger Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Januar 2012 – L 15 SO 231/10 –).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerinnen wenden sich gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten.
Die 1963 geborene Klägerin zu 1), eine gelernte Arzthelferin, ist die allein sorgeberechtigte Mutter der im Juni 1999 bzw. Dezember 2000 geborenen Klägerinnen zu 2) und 3), die seit dem Jahr 2006 bei Pflegeeltern untergebracht sind. Sie stellte am 5. August 2002 beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundes-sozialhilfegesetz (BSHG) für sich und die beiden Kinder und gab an, sich von ihrem Lebenspartner zu trennen und von B nach B zu ziehen, wo sie früher überwiegend gelebt habe und ihr im Dezember 1994 erstgeborener Sohn (und dessen Vater) wohnhaft sei. Die Klägerin verneinte in dem von ihr undatiert unterzeichneten Antragsformular das Vorhandensein von Vermögen, unter anderem von Grundbesitz, und verpflichtete sich, Änderungen in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unverzüglich dem Sozialhilfeträger mitzuteilen. Ein von ihr unter dem 19. September 2002 unterzeichnetes Antragsformular betrifft die Gewährung eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende. Der Beklagte bewilligte den Klägerinnen sodann mit Bescheid vom 19. September 2002 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG zunächst als Vorschuss für die Monate September und Oktober 2002 (Miete ab 1. September 2002, Regelsätze ab 19. September 2002), verbunden mit dem Hinweis auf § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach – so wörtlich – die Verpflichtung bestehe, alle Tatsachen anzugeben und Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, "die für die Sozialhilfeleistung erheblich sind". Die Klägerin bestätigte den Erhalt dieses Bescheides am 29. Oktober 2002. Ein endgültiger Bescheid über die Leistungsgewährung ist nicht aktenkundig. Die Leistungsgewährung für den Monat November 2002 erfolgte durch Scheckzahlung, in der Folgezeit wurden die Leistungen im automatisierten Verfahren überwiesen. Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 setzte der Beklagte die Hilfe für die Klägerinnen für Juli 2003 wegen höherer Regelsätze und für bzw. ab August 2003 wegen Anrechnung von Unterhaltsvorschüssen für die Kinder neu fest. Die laufenden Zahlungen erfolgten auch danach im automatisierten Überweisungsverfahren.
Im Zusammenhang mit einem vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG teilte ihm die Stadt B mit Schreiben vom 18. Februar 2004 mit, dass die Klägerin zu 1) nach dem Tod ihrer Mutter Miteigentümerin zu 1/5 eines näher bezeichneten Hausgrundstückes mit Nebenanlagen in B sei, das nach ihren Angaben mindestens 350.000,- DM wert sei und verkauft werden solle. Von ihr am 21. August 2002 beantragte Beihilfen für den Umzug nach B und die Mietkaution seien deshalb u.a. wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit versagt worden. Ausweislich des beigefügten Grundbuchauszuges vom 28. August 2002 hatte die Klägerin anteiliges Grundeigentum bereits 1983 von ihrem Vater geerbt.
Auf Nachfrage des Beklagten legte die Klägerin zu 1) in der Folgezeit Kopien eines notari-ellen Kaufvertrages vom 22. November 2002 vor, durch den das Anwesen von ihr und vier Geschwistern für 188.000,- Euro verkauft worden war, wobei die Fälligkeit des Kaufpreises von mehreren zeitlich unbestimmten Ereignissen abhing, ferner die Kopie eines undatierten Schreibens an ihren Bruder K H, in dem sie ihn bat, ihren Erbanteil von 29.045,- Euro an ihre Schwester K S zum Ausgleich ihr gewährter Darlehen von 54.000,- DM gemäß Vertrag von 1994 sowie von 5.000,- Euro im September 2002 für den Umzug nach B und die Wohnungsrenovierung auszuzahlen, und schließlich in Kopie einen unter dem 30. November 1994 geschlossenen privatschriftlichen Darlehensvertrag betreffend ihr von der Schwester gewährte Darlehen i. H. v. insgesamt 54.000,- DM in der Zeit vom 2. Januar 1980 bis 1994. Als "Rückzahlungsvereinbarung" ist formuliert: "Zum Ausgleich des Darlehens trete ich hiermit meinen zu erwartenden Erbanteil an meine Schwester K S ab". Ferner reichte die Klägerin eine Aufstellung über die Aufteilung des Nachlasses nach ihrer im Jahre 2001 verstorbenen Mutter ein, aus der sich der von ihr errechnete Kaufpreisanteil von 29.045,- Euro (Erbanteil unter Berücksichtigung eines teilweise vorher ausgezahlten weiteren Bruders in Höhe von 35.180,- Euro abzüglich "Schulden Mutti" in Höhe von 6.135,- Euro) ergibt.
Mit Schreiben vom 7. April 2004 gab der Beklagte der Klägerin zu 1) Gelegenheit, sich zu der in Aussicht genommenen Aufhebung und Rückforderung gewährter Leistungen für die Zeit vom 1. September 2002 bis zum 31. März 2004 i. H. v. insgesamt 15.123,56 Euro zu äußern, weil sie bei Antragstellung vorhandenes Grundvermögen verschwiegen habe. Sodann teilte er ihr mit Bescheid vom 13. April 2004 seine Absicht mit, zu gegebener Zeit ihre Heranziehung zum Kostenersatz zu prüfen, weil sie die Voraussetzung für die Sozial-hilfeleistung ab 1. April 2004 durch grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe, indem sie ihr Vermögen zur Schuldentilgung verwendet habe, anstatt davon den Lebensunterhalt zu decken. Hiervon nahm der Beklagte später im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin Abstand (vgl. Abhilfebescheid vom 23. August 2004). Im weiteren Verlauf trug die Klägerin zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Juni 2004 vor, dass sie durch den im Antrag tatsächlich nicht angegebenen Erwerbsvorgang wirtschaftlich nichts erlangt habe, weil sie den ihr zustehenden Anteil am Nachlass schon lange vorab zur Tilgung von Darlehen an ihre Schwester abgetreten habe. Diese habe sie während ihres früheren Aufenthaltes in B von 1980 bis 1985 mit regelmäßigen und von 1986 bis 1994 mit unregelmäßigen Zahlungen i. H. v. insgesamt 54.000,- DM unterstützt. Für die Rückkehr nach Berlin im September 2002 habe sie ihr eine Umzugs- und Einrichtungshilfe i. H. v. weiteren 5.000,- Euro darlehensweise zur Verfügung gestellt. Ihr könne deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, etwas Relevantes verschwiegen zu haben, denn der Normalbürger unterscheide nicht zwischen rechtlichem Eigentum und wirtschaftlich zu bewertendem tatsächlichem Vermögen, das an ihrer Bedürftigkeit nichts geändert haben würde.
Mit Rücknahme- und Leistungsbescheiden vom 27. August 2004 hob der Beklagte unter Hinweis auf §§ 45, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber der Klägerin zu 1) und den von ihr gesetzlich vertretenen Klägerinnen zu 2) und 3) jeweils die Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 1. September 2002 bis zum 31. März 2004 auf und forderte in einer Anlage aufgelistete Leistungen von der Klägerin zu 1) i. H. v. 8.986,62 Euro (inklusive Wohngeld), von der Klägerin zu 2) i. H. v. 3.003,31 Euro und von der Klägerin zu 3) i. H. v. 3.133,67 Euro zurück. Sie hätten diese Leistungen zu Unrecht erhalten, weil die Klägerin zu 1) Vermögen verschwiegen habe. Die Leistung wären sonst nicht oder nur als Darlehen gewährt worden. Auf Vertrauensschutz könnten sie sich nicht berufen, weil die für die Bewilligung der Leistungen maßgeblichen Angaben wissentlich unrichtig oder unvollständig gemacht worden seien. Härtegründe, die zu einem Absehen von der Rückforderung führen würden, oder Gründe, die das Verhalten entschuldigen könnten, seien nicht gegeben. Die minderjährigen Töchter müssten sich das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreterin zurechnen lassen. Mit weiterem Bescheid vom 27. August 2004 forderte der Beklagte zudem von der Klägerin zu 1) gemäß § 92a BSHG Ersatz der für ihre Töchter zu Unrecht gewährten Leistungen i. H. v. insgesamt 6.136,98 Euro, weil sie diese durch ihr vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe. Die gegen alle Bescheide eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchs-bescheiden vom 3. November 2006 zurück. Die Klägerin zu 1) habe im Antrag vom 5. August 2002 ihr Grundvermögen verschwiegen. Bei Kenntnis davon wäre die Sozialhilfe allenfalls als Darlehen gewährt worden. Es sei deshalb zu einer Überzahlung von Sozialhilfe i. H. v. 8.586,62 Euro gekommen, die nach §§ 45,50 SGB X zu erstatten sei. Infolge des ihr ausgekehrten anteiligen Verkaufserlöses i. H. v. 37.600,- Euro seien insoweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht gegeben gewesen. Auf Vertrauen könne sie sich nicht berufen, weil sie bereits in ihrem am 19. September 2002 unterzeichneten Formularantrag mit ihrer Unterschrift versichert habe, dem Sozialhilfeträger unverzüglich jede Änderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen. Erst durch Mitteilung der Stadt Bamberg im Februar 2004 sei ihr Grundvermögen bekannt geworden. Ihre Einwendungen dagegen hätten keine entscheidungsändernde Bedeutung. Beachtlich sei nur, dass ihr nach § 76 BSHG anrechenbare finanzielle Mittel zugeflossen seien. Bezüglich der Klägerinnen zu 2) und 3) führte der Beklagte jeweils aus, die Leistungen seien zu Unrecht gewährt worden, weil sie angesichts des Grundvermögens der ihnen unterhaltsverpflichteten Klägerin zu 1) bei rechtzeitiger Kenntnis von dieser Tatsache nur darlehensweise gewährt worden wären. Deren vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschweigen wesentlicher Umstände müssten sich die Klägerinnen zu 2) und 3) im Rahmen des § 45 Abs. 2 SGB X zurechnen lassen. Jene hafte als gesetzliche Vertreterin gesamtschuldnerisch auf Kostenersatz nach § 92 a BSHG.
Die dagegen von den drei Klägerinnen gesondert erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 5. Juli 2007 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem für das Verfahren der Klägerin zu 1) vergebenen Aktenzeichen verbunden. Zur Begründung haben die Klägerinnen im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Ablehnungsbescheid der Stadt Bamberg vom 29. August 2002 ist vorgelegt worden.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin zu 1) bei Antragstellung bewusst keine Angaben zum Grundvermögen gemacht habe. Dieses gezielte Verhalten zeige, dass sie sich darüber bewusst gewesen sei, dass sich ein Antrag auf Gewährung öffentlicher Mittel zur Beseitigung einer Notlage und Grundvermögen nicht vereinbaren ließen. Falls für sie Unklarheiten bestanden hätten, wäre sie auf Befragen vom Sozialhilfeträger entsprechend aufgeklärt und belehrt worden.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 31. Mai 2010 die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben. Sie seien rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Bescheide, mit denen der Beklagte die Leistungsbewilligungen für die Zeit von September 2002 bis März 2004 aufgehoben habe, seien ermessensfehlerhaft. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der wegen Grundvermögens der Klägerin zu 1) von Anfang an rechtswidrigen Leistungsbewilligungen sei § 45 Abs. 1 SGB X. Danach stehe die Aufhebung im Ermessen des Beklagten, dessen Ausübung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Ermessenfehlerhaft sei unter anderem die Ermessensunterschreitung. Diese liege hier vor. In den – vom Sozialgericht wörtlich zitierten – Aufhebungsbescheiden wie auch in den Widerspruchsbescheiden seien keine (ausreichenden) Ermessenserwägungen enthalten, sondern zunächst nur Feststellungen zur Tatbestandsvoraussetzung "kein Vertrauensschutz" getroffen worden. Sofern man die Ausführungen zu fehlenden Härte- oder Entschuldigungsgründen als Ermessenserwägungen zum "Ob" der Aufhebung verstehe, fehlten aber weitergehende Erwägungen dazu, in welchem Umfang und ab wann die Leistungsbewilligungen aufgehoben würden, eine Ermessensreduzierung auf Null liege diesbezüglich nicht vor. Dagegen spreche bereits das eigene Handeln des Beklagten, der von der Rückforderung von Leistungen für die Zeit ab 1. April 2004 ausdrücklich abgesehen habe (Hinweis auf den Abhilfebescheid vom 23. August 2004). Eine solche Ermessensreduzierung komme allenfalls in Ansehung eines Betruges im Sinne des § 263 Strafgesetzbuch in Betracht, der hier aber nicht vorliege. Es fehle an der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern. Die Klägerin zu 1) habe ihren Erbteil lange vor dem Bezug von Sozialleistungen zur Begleichung von Schulden an ihre Schwester abgetreten. Diese Vereinbarung sei zwar mangels eines notariellen Vertrages nicht formwirksam gewesen, aber von der Klägerin für wirksam gehalten und ausgeführt worden. Sie habe sich für berechtigt gehalten, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Es seien vom Gericht näher bezeichnete Ermessenserwägungen bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin zu 1) und der Zurechnung ihrer Falschangaben für ihre Kinder anzustellen gewesen. Mit Wegfall der Aufhebungsbescheide seien auch keine Erstattungsansprüche des Beklagten gegen die Klägerinnen gegeben.
Gegen das ihm laut Empfangsbekenntnis am 23. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. Juli 2010 Berufung eingelegt. Er hat zunächst das übliche Verfahren bei der Verteilung der Fachpost erläutert und in der Sache vorgetragen, dass § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Fällen wie dem vorliegenden entsprechend anzuwenden sei. Nach dieser Vorschrift sei ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auch für die Vergangenheit ohne Ermessensausübung zurückzunehmen. Bei der Klägerin habe Bösgläubigkeit vorgelegen. Aus einem von der Stadt Bamberg übersandten Vermerk ergebe sich, dass sie dort am 21. August 2002 die Übernahme der Umzugskosten nach Berlin und der Mietkaution i. H. v. insgesamt ca. 4.000,- Euro beantragt habe, was die dortige Behörde wegen des von ihr angegebenen Grundvermögens abgelehnt habe. Der Beklagte habe von diesem Sachverhalt nur im Zusammenhang mit seinem Erstattungsanspruch gegen die Stadt Bamberg Kenntnis erlangt. Der unwirksame Darlehensvertrag mit den Geschwistern werde von ihm nicht anerkannt, im Übrigen seien auch bei dessen Berücksichtigung noch mehrere Tausend Euro verblieben, die die Klägerin ebenfalls nicht angegeben habe. Sie habe dem Beklagten angesichts dessen bewusst die Erbschaft verschwiegen, da ihr die daraus folgende Ablehnung von Sozialhilfeleistungen bekannt gewesen sei, und dabei die Absicht gehabt, sich rechtswidrig zu bereichern, sodass im Übrigen auch der Einschätzung des Sozialgerichts nicht gefolgt werden könne, dass hier keine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Schließlich sei gemäß § 35 Abs. 2 SGB X die Begründung einer Ermessensentscheidung auch entbehrlich, wenn dem Adressaten die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bekannt oder auch ohne Begründung ohne weiteres erkennbar sei. Das sei hier wegen der vorausgegangenen Entscheidung der Stadt Bamberg der Fall.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Die die Klägerinnen betreffenden Sozialhilfeakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden. Bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 63 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 174 Abs. 1 und 4 Zivilprozessordnung (ZPO) an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden ist das Schriftstück an dem Tage zugestellt, an welchem der hierfür nach der behördeninternen Aufgabenverteilung zuständige Bedienstete den Empfang mit Datum und seiner Unterschrift bestätigt (vgl. BAG, Urteil vom 2. Dezember 1994 - 4 AZB 17/94 -, NJW 1995, 1916 m.w.N.). Der bloße Eingang eines gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils in einer Posteingangsstelle beim Empfänger bedeutet noch keine Zustellung (vgl. Urteil des BSG vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 63/08 R -, zitiert nach juris).
Sie ist aber in der Sache nicht begründet.
Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht die Bescheide des Beklagten vom 27. August 2004 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 3. November 2006 aufgehoben. Als Rechtsgrundlage für die darin vom Beklagten getroffenen Verwaltungsentscheidungen kommt, wie von ihm und dem Sozialgericht zutreffend angenommen worden ist, nur § 45 SGB X in Betracht. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, soweit er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zurück-genommen werden. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Satz 3). Die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt, die im streitigen Aufhebungszeitraum vom 1. September 2002 bis zum 31. März 2004 Monat für Monat entweder auf Grund von konkreten Bewilligungsbescheiden oder durch Realakte (Scheckausgabe bzw. Überweisungen auf das Konto der Klägerin zu 1]) erfolgte, war objektiv rechtswidrig begünstigend im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X. Maßgebend für die Beurteilung der den Klägerinnen seinerzeit zustehenden Sozialhilfe sind noch die mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen Vorschriften des BSHG. Nach §§ 11, 12 BSHG war Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen konnte. Unstreitig verfügten die Klägerinnen im streitigen Zeitraum nicht über ausreichendes eigenes Einkommen, denn außer den Kindergeldzahlungen an die Klägerin zu 1) standen ihnen weder Erwerbseinkommen noch Unterhaltszahlungen zur Verfügung. Die Klägerin zu 1) war jedoch laut Grundbuch seit dem Tod ihres Vaters im Jahre 1983 in ungeteilter Erbengemeinschaft mit der Mutter und fünf Geschwistern Miteigentümerin eines Hausgrundstückes mit Nebenanlagen in Bamberg. Nach dem Tod auch der Mutter im Jahr 2001 ergab sich unter Berücksichtigung einer teilweisen vorherigen Auszahlung eines Bruders für die Klägerin ein Anteil von knapp einem Fünftel (was bezogen auf den im November 2002 vereinbarten Kaufpreis von 188.000,- Euro nach insoweit zutreffender Berechnung der Klägerin 35.180,- Euro ergab). Gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 19. September 2001 (BGBl. I, 2376) durfte die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person bewohnt wurde. Da die Klägerin das in Rede stehende Haus unstreitig nicht bewohnt hat, liegt kein Schonvermögen vor. Das Grundvermögen war auch grundsätzlich verwertbar. Die Klägerin zu 1) war an einer Ver-wertung nicht etwa wegen der unter dem Datum 30. November 1994 zu Gunsten ihrer Schwes-ter erklärten Abtretung ihres Erb- bzw. Miteigentumsanteils gehindert, denn diese war lediglich privatschriftlich und nicht notariell erklärt worden und damit nicht wirksam. Zwar ist die Ver-wertung eines Miteigentumsanteils in der Regel nicht kurzfristig realisierbar, im vorliegenden Fall war der Verkauf des unbelasteten Grundstücks mit dem nach dem Tod der Mutter im Jahre 2001 leerstehenden Einfamilienhaus von der Erbengemeinschaft aber jedenfalls bei Beginn der in Rede stehenden Hilfegewährung schon beabsichtigt, wie den Angaben der Klägerin gegen-über der Stadt Bamberg am 21. August 2002 zu entnehmen war. Der Einsatz dieses Vermögens für den Lebensunterhalt der Klägerinnen stellte auch keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG dar.
Die ab September 2002 beanspruchte Hilfegewährung für die Klägerinnen hätte danach nur als Darlehen bis zur Zahlung des Kaufpreises zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach dem 22. November 2002 erfolgen dürfen, wenn der Beklagte Kenntnis von den tatsächlichen Umständen gehabt hätte, denn der anteilige Erlös von über 35.000 Euro hätte ihren notwendigen Lebensunterhalt im streitigen Zeitraum bis März 2003 (und darüber hinaus) abgedeckt. Die Klägerin zu 1) kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie den ihr zustehenden Kaufpreisanteil zur Tilgung von Schulden bei ihrer Schwester einsetzen musste, denn ob Vermögen vorhanden ist, wird grundsätzlich nicht durch eine Saldierung von Aktiva und Passiva ermittelt (vgl. Brühl in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RNr. 19 zu § 88 m.w.N.). Schulden sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Falle der Verwertung des Vermögensgegenstandes aus rechtlichen oder zwingenden wirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung einer Härte i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG aus dem Erlös getilgt werden müssen (vgl. Schellhorn/Schellhorn, BSHG 16.Aufl. 2002, RNr. 24 zu § 88 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen sämtlich nicht vor: Wegen der Unwirksamkeit der "Erbanteilsabtretung" stand der Klägerin zu 1) ihr Anteil am Verkaufserlös zu. Die Tilgung privater Schulden ist nicht im Ergebnis aus Mitteln der Sozialhilfe zu tätigen. Eine Härte ist nicht darin zu sehen, dass die Klägerin zu 1) die Tilgung ihrer Schulden gegenüber der Schwester hätte zurückstellen müssen, anstatt nach Hingabe ihres Anteils am Verkaufserlös wegen Mittellosigkeit Sozialhilfe zu beanspruchen.
War die Gewährung der Sozialhilfe im streitigen Zeitraum danach rechtswidrig, könnte aller-dings fraglich sein, ob auch die allein in Betracht kommenden Rücknahmetatbestände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X erfüllt sind. Der letztgenannte liegt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht vor. Es ist weder nach Aktenlage noch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung erwiesen, dass der Klägerin zu 1) die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung bewusst war oder sie diese jedenfalls wegen grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Es besteht kein konkreter Grund zu der Annahme, dass die tatsächlichen Angaben in dem Darlehensvertrag nebst Rückzahlungsvereinbarung vom 30. November 1994 und die Erläuterungen der Klägerin zu den Hintergründen unzutreffend sind. Bei dieser Sachlage konnte die Klägerin zu 1) unter Zugrundelegung des maßgeblichen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs (BSG SozR Nr. 3 zu § 13 BKGG; SozR 5870 § 13 Nr. 20) durchaus Grund zu Annahme haben, dass sie über ihren Erbanteil bzw. den dementsprechenden Anteil am Verkaufserlös nicht verfügen konnte, weil sie ihn ihrer Schwester zur Darlehenstilgung versprochen hatte. Dass die Vereinbarung nicht notariell und damit unwirksam getroffen worden war, musste sie als juristischer Laie nicht wissen. Auch aus dem ablehnenden Bescheid der Stadt Bamberg vom 29. August 2002 musste sie nicht den Schluss ziehen, dass ihr Miteigentumsanteil an dem Grundstück der Gewährung von Sozialhilfe schlechthin entgegenstehen würde, denn dies war nicht der Hauptgrund für die Ablehnung einer Beihilfe für den – vom dortigen Sozialamt sozialhilferechtlich nicht als erforderlich angesehenen – Umzug nach Berlin, die auch nur im Umfang von ca. 4.000,- Euro begehrt worden war. Dem Vermerk über die dortige Vorsprache ist vielmehr zu entnehmen, dass auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Darlehensvertrages über 54.000,- DM von ausreichenden eigenen Mitteln zur Finanzierung des gewünschten Umzuges ausgegangen wurde (nach Angaben der Klägerin Eigentumsanteil 1/5, geschätzter Verkehrswert des Grundbesitzes mindestens 350.000 DM). Allerdings hat die Klägerin zu 1), wie sie auch einräumt, bei der Antragstellung in Berlin unrichtige bzw. unvollständige Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen gemacht, wobei das Ankreuzen der diesbezüglichen Antworten im Antragsformular offensichtlich nicht von ihr, sondern dem Sachbearbeiter vorgenommen worden ist, die Fragen also erörtert worden sein müssen. Nach ihrem Klagevorbringen hat sie damit aber "nichts Relevantes" verschwiegen, weil sie ja angenommen habe, über den Erbanteil bzw. den zu erwartenden Anteil am Verkaufserlös nicht verfügen zu können. Die Beurteilung von Tatsachen als "relevant", d.h. als entscheidungserheblich für die Leistungsgewährung, obliegt jedoch grundsätzlich dem jeweiligen Leistungsträger und nicht dem Antragsteller, dem hierfür regelmäßig auch die erforderlichen Fachkenntnisse fehlen. Dementsprechend hat die Klägerin zu 1) bei ihrer Vorsprache im Sozialamt der Stadt Bamberg am 21. August 2002 auch ihre Vermögensverhältnisse dargelegt und der Behörde die Beurteilung überlassen, ob und inwieweit ihr Miteigentumsanteil und ihre Schuldverpflichtung gegenüber der Schwester leistungsrechtlich von Bedeutung sind. Warum sie dies bei der vorherigen Antragstellung in Berlin am 5. August 2002 nicht ebenso getan hat, hat sich nicht vollends klären lassen. Für bewusst wahrheitswidrige Angaben, wie der Beklagte annimmt, fehlt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten, denn wie oben dargelegt, musste die Klägerin zu 1) selbst nach dem ablehnenden Bescheid der Stadt Bamberg nicht davon ausgehen, dass ihr keinerlei Sozialhilfe zustehen würde, nachdem sie den Umzug selbst bzw. mit einem Darlehen der Schwester finanziert hatte.
Letztlich kann aber offen bleiben, ob der Klägerin zu 1) grob fahrlässiges Verhalten i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zur Last zu legen ist. Denn, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, können die Bescheide des Beklagten jedenfalls deshalb keinen Bestand haben, weil sie ermessensfehlerhaft ergangen sind. Der Beklagte hat verkannt, dass ihm im vorliegenden Fall bei Anwendung des § 45 SGB X ein Ermessensspielraum dahin zugestanden hat, ob, in welchem Umfang und ab wann eine Rücknahme der den Klägerinnen gewährten Leistungen vorgenommen werden soll. Die Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden zu dem der Klägerin zu 1) vorgeworfenem Verhalten betreffen im wesentlichen die Feststellung zur Tatbestandsvoraussetzung fehlenden schutzwürdigen Vertrauens und allenfalls eine Ermessensausübung dahin, ob überhaupt eine Rücknahme der Leistungsbewilligungen vorgenommen wird. Die vom Beklagten offenbar vertretene Auffassung, dass er bei fehlendem Vertrauensschutz grundsätzlich die Erstattung gewährter Leistungen verlangen könne, ist unzutreffend. Damit liegt zunächst nur die tatbestandliche Seite des § 45 Abs. 1 SGB X vor. Für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null bezüglich einer Rücknahme der gesamten im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen besteht unter den hier gegebenen Umständen keine Veranlassung, insbesondere kann dem Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin zu 1) durch die Nichtangabe der Erbschaft sich und ihren Kindern einen rechtswidrigen Vermögensvorteil habe verschaffen wollen. Vielmehr hat sie sich – aus der Laiensphäre durchaus nachvollziehbar – verpflichtet gesehen, aus dem Erlös des gemeinsam geerbten Hausgrundstückes die von ihrer Schwester erhaltenen Darlehen zu tilgen, wie sie mit ihr lange Jahre vor der Beantragung von Sozialhilfe vereinbart hatte. Der Beklagte hätte daher unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles, d.h. auch mit Blick auf die wirtschaftliche, soziale und familiäre Situation der Klägerinnen insbesondere auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nach § 45 SGB X, Ermessen ausüben müssen.
Der Beklagte kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass gemäß § 35 Abs. 2 SGB X) eine Begründung für die Ermessensentscheidung nicht erforderlich gewesen sei. Zum einen ist schon nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift unter den aufgeführten Voraussetzungen – lediglich – die Begründung für einen Verwaltungsakt, u.a. für eine Ermessensentscheidung, entbehrlich, nicht jedoch die Ausübung gesetzlich eingeräumten Ermessens selbst. Zum anderen liegen die vom Beklagten angesprochenen Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X offensichtlich nicht vor, denn die Klägerin zu 1) hatte nicht aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Stadt Bamberg "Kenntnis über die Auffassung der Behörde" – hier des Beklagten – oder hätte sie auch ohne Begründung ohne weiteres erkennen können.
Die fehlende Ermessensausübung ist auch nicht nach § 41 SGB X geheilt worden, indem die Gründe für die Entscheidung durch den Beklagten dargestellt wurden. Nachholbar nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist nur die Begründung eines Verwaltungsakts, nicht aber die unterlassene Betätigung von Ermessen. Die fehlende Ermessensausübung führt bei belastenden Verwaltungsakten zur Rechtswidrigkeit und zur Aufhebung der betroffenen Bescheide unabhängig davon, ob die getroffene Entscheidung bei einer unterstellten ordnungsgemäßen Ermessensausübung rechtmäßig wäre.
Schließlich ist entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung bei der Rücknahme eines rechtswidrig begünstigen Leistungsbescheides nach dem SGB XII gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Ermessensbetätigung der Behörde nicht durch entsprechende Anwendung des § 330 Abs. 2 SGB III ausgeschlossen, wonach im Falle der Bösgläubigkeit eine gebundene Rücknahmeentscheidung für die Vergangenheit vorzunehmen ist. Es handelt sich bei den Regelungen des § 330 SGB III um "Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten", die abweichend von den dort genannten Vorschriften der §§ 44ff SGB X nur dann zur Anwendung kommen, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Dies ist insbesondere bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Fall, wo in § 40 die grundsätzliche Geltung des SGB X und die – davon abweichende – entsprechende Anwendung einzelner Normen des SGB III, u.a. des § 330 Abs. 1,2,und 3 Satz 1 und 4 geregelt sind. Dagegen sieht das SGB XII eine Anwendbarkeit des § 330 SGB III nicht vor. Dass der Gesetzgeber hiervon bewusst abgesehen hat, ergibt sich auch deutlich aus jüngeren Gesetzesänderungen: Das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 24. März 2011 (GVBl. S. 453) sieht wiederum nur in Artikel 2 betreffend die Änderung des SGB II gemäß § 40 Abs. 2 und 3 die – modifizierte – Anwendbarkeit des § 330 SGB III vor, nicht jedoch im SGB XII, obwohl auch darin diverse Änderungen vorgenommen worden sind, u.a. betreffend § 44 SGB X. Von einer bezüglich der Anwendbarkeit des § 330 SGB III bestehenden "Gesetzeslücke" im SGB XII, die ausnahmsweise durch richterliche Analogie geschlossen werden könnte, ist deshalb nicht auszugehen (vgl. rechtskräftiger Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Januar 2012 – L 15 SO 231/10 –).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved