Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2088/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 228/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.11.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn und die Höhe einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1966 geborene Klägerin leidet an einer psychischen Erkrankung und ist derzeit voll erwerbsgemindert.
Nach dem Abitur im Jahre 1984 nahm sie zum Sommersemester 1985 an der Universität B. ein Studium im Magisterstudiengang mit den Fächern Musikwissenschaft und Italienisch auf. Zum Ende des Wintersemester 1985/86 exmatrikulierte sie sich. Zum Wintersemester 1986/87 schrieb sie sich an der Universität F. in den Magisterstudiengang mit den Fächern Musikwissenschaft, Slavistik und Romanistik ein. Zum Sommersemester 1988 tauschte sie das Fach Musikwissenschaft gegen das Fach Germanistik aus. Zum Sommersemester 1990 schrieb sie sich an der Pädagogischen Hochschule W. im Studiengang Lehramt an Grund- und Hauptschulen mit der Fächerkombination Deutsch und Sachunterricht ein. Im Wintersemester 1991/92 tauschte sie das Fach Deutsch gegen das Fach evangelische Theologie. Dieses Studium brach sie während eines Praktikums ab, ohne sich zu exmatrikulieren. Danach befand sie sich erstmals vom 28.03. bis 22.05.1992 und vom 28.05. bis 01.09.1992 im Zentrum für Psychiatrie E. (ZP E.) wegen einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Der weitere stationäre Aufenthalt in das ZP E. vom 17.04. bis 16.09.1993 erfolgte auf der Grundlage des Unterbringungsgesetzes.
Nachdem sie sich an der PH W. noch zum Sommersemester 1992, Wintersemester 1992/93, Sommersemester 1993 und Wintersemester 1993/94 rückgemeldet hatte, befand sie sich vom 21.04. bis 27.07.1994 erneut im ZP E., wohin sie notfallmäßig von der M.-B.-Klinik in K. verlegt worden war. Ende Juli 1994 wurde die Klägerin in das psychiatrische Wohnheim des Reha-Vereins E. entlassen.
Sie exmatrikulierte sich zum 30.09.1994 und nahm ab 01.08.1994 an einem von der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt F.) gewährten Förderungslehrgang bis 31.07.1995 teil. Dieser wurde nicht weitergeführt, weil keine Ausbildungsfähigkeit auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen wurde. Der Klägerin wurde geraten, sich um Aufnahme in die Reha-Werkstatt K. zu bewerben. Mit Bescheid vom 08.08.1995 wurde ihr von der Bundesanstalt für Arbeit dort im Rahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ab 01.08.1995 eine berufsfördernde Bildungsmaßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte für die Dauer von einem Jahr bewilligt. Diese wurde offenbar verlängert, jedoch mit rückwirkender Abmeldung zum 04.10.1996 unterbrochen, weil die Klägerin sich entschlossen hatte, zum Wintersemester 1996/97 ein Studium an der Evangelischen Fachhochschule in F. aufzunehmen (Schreiben der Werkstatt K. vom 6.11.1996 -Bl. 35 SG-Akte).
Im Dezember 1997 verließ sie auf eigenen Wunsch das psychiatrische Wohnheim. Das Studium an der Evangelischen Fachhochschule in F. brach sie am 28.02.1998 ab. Ein weiterer Aufenthalt im ZP E. erfolgte vom 27.07. bis 06.09.1998, nachdem sie nach eigenen Angaben ihre neuroleptische Medikation bereits vor Wochen abgesetzt hatte.
Am 05.01.1999 wurde sie im ZP E. erneut stationär aufgenommen und, nachdem sich das maniforme Zustandsbild unter Medikation leicht zurückgebildet hatte, am 21.01.1999 auf eine offene sozialpsychiatrisch orientierte Rehabilitationsstation verlegt. Am 23.01.1999 verließ sie die Klinik und teilte telefonisch mit, dass sie nicht mehr zurückkehren werde. Sie wurde am 01.02.1999 wieder stationär aufgenommen und es wurde ein Betreuungsverfahren eingeleitet. Nach ihren Angaben wurde sie im Sommer entlassen und erhielt eine Betreuerin. Vom 01.09.1999 bis 29.02.2000 war sie zuletzt in einer Behindertenwerkstatt pflichtversichert beschäftigt.
Am 19.04.2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Nach ihren Angaben zum Rentenantrag hat sie ihr letztes Studium bis Dezember 1996 mit einem wöchentlichen Aufwand von 24 bis 30 Stunden betrieben und danach wegen gesundheitlicher Verschlechterung zunehmend mit einem geringeren zeitlichen Einsatz. Nach einer ärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 03.12.2007 leidet die Klägerin an einer schizoaffektiven Psychose mit maniformer Exazerbation sowie depressiven Nachschwankungen. Sie sei seit mindestens 1996 arbeitsunfähig. Die Beklagte zog ein Gutachten der Assistenzärztin H. an das Amtsgericht E., vom 11.02.1999, das im Rahmen des Betreuungsverfahrens am 27.01.1999 veranlasst worden war, bei. Auch darin wurde eine schizoaffektive Störung mit manischen Episoden und depressiven Nachschwankungen diagnostiziert. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die Aufgaben zur eigenen Gesundheitsfürsorge, Entscheidungen zur Aufenthaltsbestimmung, ihre Vermögensangelegenheiten, den schriftlichen Postverkehr sowie Wohnungsangelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Die Erkrankung sei in der Regel mit Medikamenten relativ gut behandelbar. Die Beratungsärztin Dr. D. kam am 16.01.2008 auf dieser Grundlage zur Annahme des Eintritts des Leistungsfalls am 27.01.1999 (evtl. auch früher, wenn dies für die Klägerin günstiger wäre).
Mit Bescheid vom 17.03.2008 gewährte die Beklagte ausgehend von einem Leistungsfall am 27.01.1999 der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend mit dem 01.04.2007 in Höhe von 94,47 EUR monatlich (Zahlbetrag). Der Rentenberechnung liegt folgender Versicherungsverlauf zugrunde: Allgemeine Rentenversicherung - Rentenversicherung der Arbeiter 01.04.85-30.09.86 18 Mon. Hochschulausbildung 01.04.90-30.09.91 18 Mon. Hochschulausbildung 01.10.91-31.10.93 25 Mon. Hochschulausbildung 01.11.93-30.11.93 Hochschulausbildung SVN 02.11.93-03.11.93 121,00 DM 1 Mon. Pflichtbeitragszeit 01.12.93-31.07.94 8 Mon. Hochschulausbildung
Allgemeine Rentenversicherung - Rentenversicherung der Angestellten SVN 01.08.94-31.12.94 2.508,00 DM 5 Mon. Pflichtbeitragszeit SVN 01.01.95-31.07.95 3.790,00 DM 7 Mon. Pflichtbeitragszeit
Allgemeine Rentenversicherung - Rentenversicherung der Arbeiter - SVN 01.08.95-31.12.95 16.240,00 DM 5 Mon. Pflichtbeitragszeit SVN 01.01.96-31.08.96 26.432,41 DM 8 Mon. Pflichtbeitragszeit SVN 01.09.96-04.10.96 3.744,59 DM 2 Mon. Pflichtbeitragszeit. 01.09.96-30.09.96 Hochschulausbildung 01.10.96-04.10.96 Hochschulausbildung 05.10.96-31.10.96 Hochschulausbildung 01.11.96-28.02.98 16 Mon. Hochschulausbildung
Pflichtbeitragszeiten, beitragsgeminderte Zeit 02.11.93-03.11.93 121,00 DM 48.178 DM 0,0025 Punkte Pflichtbeitragszeiten 01.08.94-31.12.94 2.508,00 DM 49.142 DM 0,0510 Punkte 01.01.95-31.07.95 3.790,00 DM 50.665 DM 0,0748 Punkte 01.08.95-31.12.95 16.240,00 DM 50.665 DM 0,3205 Punkte 01.01.96-31.08.96 26.432,41 DM 51.678 DM 0,5115 Punkte Pflichtbeitragszeiten, beitragsgeminderte Zeit 01.09.96-30.09.96 3.304,05 DM 51.678 DM 0,0639 Punkte 01.10.96-04.10.96 440,54 DM 51.678 DM 0,0085 Punkte
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 08.04.2008 Widerspruch ein und berief sich auf einen früheren Leistungsfall und begehrte auch einen höheren Rentenbetrag. Unter anderem sei abzuklären, ob ein Reha-Antrag aus der Vergangenheit als Rentenantrag umzudeuten sei. Sie habe eine Reha-Leistung im Rahmen einer Arbeits- und Berufsförderung Behinderter in Anspruch genommen.
Die Beratungsärztin Dr. D. befürwortete in ihrer Stellungnahme vom 29.09.2009, den Eintritt des Leistungsfalls bereits mit Abbruch des Studiums am 28.02.1998 anzunehmen. Mit Bescheid vom 16.11.2009 half die Beklagte dem Widerspruch zum Teil ab und bewilligte der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall am 28.02.1998 Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend mit dem 01.04.2007 in Höhe von 104,53 EUR monatlich (Zahlbetrag).
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2010 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück und führte aus, ein früherer Rentenbeginn ergebe sich nicht. Die Rente sei am 19.04.2007 beantragt worden. Frühere Verfahren (Rentenverfahren bzw. Maßnahmen der Rehabilitation) seien bei ihr - der Beklagten - nicht anhängig gewesen. Rehabilitationsmaßnahmen seien lediglich von der Agentur für Arbeit durchgeführt worden. Eine Rentenantragsfiktion sei grundsätzlich nur möglich, wenn ein gegen den Rentenversicherungsträger gerichteter Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vorliege.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 22.04.2010 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass sie diverse Reha-Anträge gestellt und Ausbildungsversuche unternommen habe. Es sei eine berufliche Fort- oder Ausbildung in einer Reha-Werkstatt vorgenommen worden. Diese habe aufgrund ihres Gesundheitszustandes Mitte der 90er Jahre nicht beendet werden können. Weiterhin sei die Rentenberechnung durch die Beklagte unzutreffend. Es seien auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegte Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung mit entsprechendem Mindestwert zu berücksichtigen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf frühere und höhere Rentenzahlungen. Die Rente sei nicht ab einem früheren Zeitpunkt zu bewilligen gewesen. Die Rentenantragsfiktion gem. § 116 Abs. 2 SGB VI rechtfertige im Falle der Klägerin keinen früheren Rentenbeginn. Die Klägerin trage vor, dass sie an einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte des Reha-Vereins in K. teilgenommen habe, die durch die Bundesanstalt für Arbeit am 14.08.1995 (richtig 08.08.1995) bewilligt worden sei. Indes erfülle diese Maßnahme nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI. Denn umdeutungsfähig seien nur Anträge auf Leistungen zur Teilhabe, die sich gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung richteten und auf Leistungen nach den Vorschriften des SGB IX bzw. des § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI hinzielten. Ein bei einem anderen Reha-Träger gestellter Antrag könne - ohne dass er an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet worden sei oder aber, ohne dass der Rentenversicherungsträger eigentlich zuständiger Träger gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX sei - grundsätzlich nicht in einen Rentenantrag umgedeutet werden. Vorliegend habe die Bundesanstalt für Arbeit weder den Antrag auf die berufsfördernde Bildungsmaßnahme an die Beklagte weitergeleitet, noch habe sie einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten angemeldet. Die Bildungsmaßnahme habe unter ausschließlicher Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeit stattgefunden. Weiterhin sei auch zu bedenken, dass die Klägerin die Maßnahme seinerzeit abgebrochen habe. Die Rentenantragsfiktion gem. § 116 Abs. 2 SGB VI setze dagegen voraus, dass der Versicherte entweder zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vermindert erwerbsfähig sei und Leistungen zur Teilhabe nicht durchzuführen seien, da die verminderte Erwerbsfähigkeit voraussichtlich nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), oder bei Abschluss der durch einen Rentenversicherungsträger erbrachten Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben vermindert erwerbsfähig sei (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Bei der Klägerin sei die fragliche Maßnahme aber bewilligt bzw. durchgeführt worden, weil die Erwerbsfähigkeit gebessert oder wiederhergestellt hätte werden können. Die Maßnahme in der Werkstatt für Behinderte des Reha-Vereins sei auch nicht deshalb nicht erfolgreich gewesen, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert habe. Vielmehr habe die Klägerin die Maßnahme lediglich bis zum 04.10.1996 besucht, weil sie beabsichtigt gehabt habe, sich um einen Studienplatz bei der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg zu bemühen. Die Beklagte habe auch zutreffend die Zeiten der durch die Bundesanstalt für Arbeit bewilligten berufsfördernden Bildungsmaßnahme vom 01.08.1995 bis 04.10.1996 als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt. Nach § 246 SGB VI würden, unabhängig vom Vorliegen einer tatsächlichen Berufsausbildung, stets die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vor dem 25. Lebensjahr als Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung gelten. Da die ersten drei Jahre der Klägerin mit Pflichtbeiträgen (Zeitraum November 1993 bis Oktober 1996) erst nach dem 25. Lebensjahr zurückgelegt worden seien, könne eine Bewertung als "fiktive" Berufsausbildung und damit als beitragsgeminderte Zeit nicht erfolgen. Es handele sich bei der Zeit der Teilnahme an der berufsfördernden Bildungsmaßnahme auch nicht um die Zeit einer - tatsächlichen - Berufsausbildung im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI. Diese Bestimmung verlange eine tatsächliche Berufsausbildung mit Pflichtbeiträgen. Berufsausbildung sei dabei die Ausbildung im Rahmen rechtsverbindlicher Ausbildungsrichtlinien für einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf; fehlten diese (noch), genüge es, wenn die Ausbildung üblich und allgemein anerkannt sei. Keine Zeiten der Berufsausbildung gem. § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI seien dagegen berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, die nach den §§ 59, 61 SGB III (früher § 40 AFG) gefördert würden oder diesen entsprächen, sowie berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit Anspruch auf Ausbildungsgeld (§ 104 SGB III) (vgl. überzeugend Flecks in: jurisPK-SGB VI, § 54 SGB VI Rn. 25). Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.08.1995 bis 04.10.1996 an der berufsfördernden Bildungsmaßnahme teilgenommen, die von der Bundesanstalt für Arbeit bewilligt worden sei. Bei der Maßnahme habe es sich um ein Arbeitstraining gehandelt. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der Bundesanstalt für Arbeit sei Hintergrund der Maßnahme gewesen, dass die Klägerin wegen Art und Schwere ihrer Behinderung aller Voraussicht nach für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und somit für eine drauf vorbereitende berufsfördernde Maßnahme nicht in nächster Zeit in Betracht gekommen sei. Die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit/Ausbildung sei angestrebt worden. Das heiße, mit der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sei noch keine berufliche Tätigkeit oder Ausbildung einhergegangen. Es habe sich somit lediglich um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nach § 104 Abs. 1 SGB III gehandelt, für die der Klägerin auch ein Ausbildungsgeld gezahlt worden sei. Der fragliche Zeitraum sei damit keine Zeit einer - tatsächlichen - Berufsausbildung im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI.
Gegen diesen ihr am 16.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17.01.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, im vorliegendem Falle gehe es um die Frage der Rentenberechnung vor dem Hintergrund eines entsprechend früher eingetretenen Leistungsfalles. Die ersten Jahre an Pflichtbeitragszeiten hätten stets als Ausbildungszeiten gegolten und seien nach älterem Recht automatisch höher bewertet worden. Der hier eingetretene angenommene Leistungsfall 28.02.1998 könne auch deutlich früher liegen. Die Klägerin sei chronisch erkrankt seit Jahrzehnten aus psychiatrischer Sicht. Es sollten noch Unterlagen vom ZP E. beigezogen werden, da dieses offensichtlich Unterlagen über die Klägerin seit über 20 Jahren angesammelt habe. Zeiten einer beruflichen Ausbildung seien mindestens mit 0,0833 Entgeltpunkten für die Gesamtleistungsbewertung zu berücksichtigen gemäß § 71 Abs. 3 SGB VI. Würden die Pflichtbeitragszeiten anders bewertet, so würde auch die 258 bzw. 330 Monate umfassende Zurechnungszeit anders bewertet, mit der Folge einer deutlich höheren Rente. Ferner dürfte wohl davon auszugehen sein, dass aus einem noch früher eingetretenen Leistungsfall unter Umständen auch ein früherer Rentenbeginn resultiere. Der Fall sei nicht einfach gelagert und diene nicht für eine schnelle Entscheidung. Vor dem Gesamthintergrund werde beantragt, das Verfahren ruhend zu stellen, um hier Raum zu geben für weitere Ermittlungen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17.03.2008 in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 16.11.2009 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2010 zu verurteilen, Rente zu einem früheren Zeitpunkt zu bewilligen und die nach Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten als Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung mit mindestens 0,0833 EP pro Monat zu belegen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt und hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats hat die Bundesagentur für Arbeit unter dem 29.06.2012 mitgeteilt, dass keine die Klägerin betreffende Daten vorhanden sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin am 11.07.2012 gegen 08:18 Uhr, und damit erst knapp zwei Stunden vor dem festgesetzten Termin sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben hat, hat der Senat entsprechend dem Antrag des Vertreters der Beklagten beschlossen, den Rechtsstreit nach Aktenlage gem. § 126 SGG zu entscheiden. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nachdem der Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt hat, legt der Senat sein Berufungsbegehren dahingehend aus, dass das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang überprüft werden soll. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin im Laufe des Berufungsverfahrens sich mit der Bewertung verschiedener Zeiten beschäftigt hat, handelt es sich um Elemente der Begründung, die aufzeigen sollen, dass verschiedene rentenrechtlich relevante Zeiten der Klägerin im Falle eines früheren Rentenbeginnes anders, nämlich höher zu bewerten wären. Da diese Zeiten nicht ausdrücklich Gegenstand eines Antrags (oder wohl richtigerweise eines Hilfsantrags) im Berufungsverfahren geworden sind, geht der Senat bei dem als Rentenberater sachkundigen Bevollmächtigten der Klägerin davon aus, dass eine entsprechende konkrete Überprüfung nicht begehrt wurde.
I.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn. Es lässt sich nicht feststellen, dass vor dem 19.04.2007 bereits ein Rentenantrag oder als ein solcher umzudeutender Reha-Antrag als Anspruchsvoraussetzung für den Rentenbeginn (§ 115 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) gestellt worden war.
Ein Rentenantrag war vor dem 19.04.2007 nicht gestellt worden.
Gemäß § 115 SGB VI beginnt das Verfahren der Leistungsfeststellung mit dem Antrag. § 115 SGB V wiederholt darin die Grundsatzregelung in § 19 Abs. 1 SGB IV, wonach u.a. Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag gewährt werden. Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (§ 99 Abs. 1 Satz 2). Diese Vorschrift bildet die Grundlage für die Gewährung der Rente an die Klägerin aufgrund des Antrags vom 19.04.2007 ab 01.04.2007.
Der Antrag auf Rente ist grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden (Schmidt in Kreikebom, SGB VI, Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung - Kommentar, § 116 Rn 13). Inhaltlich muss dem Antrag lediglich zu entnehmen sein, dass eine Leistung begehrt wird (BSGE 50, 16, 18). Die Verwendung amtlicher Formulare konkretisiert allein die Obliegenheit des Antragstellers, seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nachzukommen. Hiervon abweichend bestimmt § 116 SGB VI in der bei Antragstellung am 19.04.2007 geltenden Fassung des EMReformG, gültig ab 01.07.2001, dass der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente gilt, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und
1. ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder
2. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.
Seit Inkrafttreten dieser Vorschrift am 01.07.2001 wurde von Seiten der Klägerin kein Antrag gestellt, der als Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgefasst werden könnte. Schon aus diesem Grund kann diese Vorschrift im Falle der Klägerin nicht zur Anwendung kommen.
Nichts anderes gilt für die Vorgängervorschrift. Offenbleiben kann dabei, ob die Vorgängervorschrift bei fehlender Übergangsregelung noch Jahre nach ihrem Außerkrafttreten Rechtsfolgen habe kann. Nach § 116 Abs. 2 SGB VI in der vom 01.01.1992 bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung galt der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte erwerbsunfähig, berufsunfähig oder im Bergbau vermindert berufsfähig sind und eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderte Berufsfähigkeit nicht verhindert haben.
Nach Lage des bekannten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass die Klägerin Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation nur im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt in der Reha-Werkstatt K. 1964 bis 1996 gestellt hat. Es ist jedenfalls anzunehmen, dass dem Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 08.08.1995 ein entsprechender Antrag zugrunde liegt. Auf diesen Antrag stellt auch die Klägerin mit ihrem Begehren nach früherem Rentenbeginn ab. Dass es sich dabei um einen Antrag nach den Vorschriften zur beruflichen Rehabilitation handelt, ist nicht weiter zweifelhaft. Die damalige Bundesanstalt für Arbeit hat darin Leistungen für den Arbeitstrainingsbereich in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte ab 01.08.1995 für ein Jahr bewilligt. Rechtsgrundlage des Bescheides bildete § 58 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der 1995 gültigen Fassung. Die Vorschrift ist im sechsten Unterabschnitt des AFG über berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation enthalten. Sie bestimmt in ihrem Absatz 1a), dass berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich anerkannter Werkstätten für Behinderte erbracht werden, und zwar
1. im Eingangsverfahren, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Eignung des Behinderten für die Aufnahme in die Werkstatt festzustellen,
2. im Arbeitstrainingsbereich, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Leistungsfähigkeit des Behinderten zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen.
Behinderte werden in diesem Bereich nur gefördert, sofern erwartet werden kann, dass sie nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage sind, wenigsten ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 Abs. 3 des Schwerbehindertengesetzes zu erbringen (§ 58 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 2.Satz AFG d.F.). Die Leistungen werden im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich insgesamt bis zu zwei Jahren erbracht (§ 58 Abs. 1a Satz 2 AFG d.F.).
Nach § 9 Abs. 1 Nr.6 der auf der Grundlage des § 58 Abs. 4 AFG ergangenen Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A Reha) werden berufsfördernde und ergänzende Leistungen nur gewährt, wenn ein Antrag auf Förderung gestellt wurde.
Die dargestellte Rechtslage i.V.m. dem Bewilligungsbescheid vom 08.08.1995 über Leistungen im Arbeitstrainingsbereich lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass die Klägerin zuvor einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation gestellt haben muss. Dieser Antrag ist jedoch nicht geeignet, die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI auszulösen. In § 116 Abs. 2 SGB VI verwirklicht sich zum einen in besonderer Weise der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (heute: § 8 Abs 1 und 2 SGB IX). Die Rentenantragsfiktion soll vor allem Nachteile für den Versicherten ausschließen (BSG Urteil vom 01.09.1999 - SozR 3-1300 § 86 Nr. 3 S. 7) und sicher stellen, dass sich die Rehabilitationsbereitschaft des Versicherten rentenrechtlich nicht nachteilig auswirken kann. Sie soll weiter sicherstellen, dass vor der Entscheidung über einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 Abs. 2 SGB VI) die Erfolgsaussicht von Rehabilitationsmaßnahmen geprüft wird (Schmidt a.a.O. § 116 Rn. 2). Der Versicherte soll keine Rechtsnachteile erleiden, wenn zunächst versucht wird, die Erwerbsminderung durch eine Reha-Leistung zu beheben. Zugleich soll die Reha-Bereitschaft der Versicherten gestärkt werden (Kater in KassKomm., § 116 Rn. 2).
Ob eine Reha-Maßnahme zu bewilligen oder sogleich Rente zu gewähren ist, entscheidet der Rentenversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Nach Auffassung der Beklagten sind allerdings nur Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben geeignet die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI auszulösen, die beim Rentenversicherungsträger gestellt werden. Hierfür spricht neben dem Dispositionsrecht des Versicherten über die Festlegung, ob er überhaupt Leistungen der Rentenversicherung in Anspruch nehmen will, dass § 116 Abs. 2 SGB VI eine Regelung für das Verwaltungsverfahren innerhalb der Rentenversicherung trifft und auch nur der Rentenversicherungsträger in eigener Zuständigkeit prüfen kann, ob im maßgebenden Zeitpunkt verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt (so Pflüger in juris PK-SGB VI Rdnr. 35). Indes kann hier offen bleiben, ob dieser Auffassung zu folgen ist, oder ob die gegenteilige Meinung zutrifft, wonach auch Reha-Anträge, die nicht bei einem Rentenversicherungsträger gestellt worden sind, aber im Rahmen des § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX durchzuführen sind, die Antragsfiktion des § 116 SGB VI auszulösen in der Lage sind.
Unabhängig von diesem Meinungsstreit legt der Wortlaut von § 116 Abs. 2 SGB VI nahe, dass die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben im Zusammenhang mit der verminderten Erwerbsfähigkeit stehen muss und Auswirkungen auf das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit haben kann. In der Literatur wird deshalb, auch soweit eine Antragstellung bei einem anderen Träger der Rehabilitation für ausreichend angesehen wird, gefordert, die Rentenantragsfiktion nur unter der weiteren Voraussetzung anzuwenden, dass die Reha-Leistung, die ein anderer Reha-Träger gewährt hat, an sich geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, wesentlich zu bessern oder wiederherzustellen (so Kater in KassKomm. § 116 SGB VI Rdnr. 7 und Terdenge in Hauck/Heines § 116 Rdnr. 9).
Diesen Anforderungen entspricht die mit Bescheid vom 08.08.1995 bewilligte Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte nicht. Bei der Tätigkeit im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte handelt es sich um eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation, die das medizinische Leistungsvermögen des Behinderten unverändert lässt und das eingeschränkte gesundheitliche Leistungsvermögen des Behinderten als gegeben hinnimmt. Irgend ein Zusammenhang mit einer Rente wegen Erwerbsminderung, der bei Leistungen zur Teilhabe im Erwerbsleben im Zusammenhang mit der Fähigkeit, eine Verweisungstätigkeit auszuüben oder beim Einwirken auf die Wegefähigkeit des Behinderten bestehen kann, ist nicht zu erkennen. Die Zielrichtung der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte betrifft nicht einmal den allgemeinen Arbeitsmarkt, der nach § 43 Abs. 1-3 SGB VI Maßstab für die Annahme von Erwerbsminderung ist, sondern nur den speziellen Bereich des Arbeitsmarktes in Werkstätten für Behinderte. Die Leistungsfähigkeit dieser Behinderten soll so entwickelt, erhöht oder wiedergewonnen werden, dass sie wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinn des § 54 Abs. 3 Schwerbehindertengesetzes erbringen, das sind 20 % der Leistungsfähigkeit, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verlangt wird.
Die Klägerin kann sich schließlich im Nachhinein nicht auf die damalige Antragstellung berufen. Offenbleiben kann, welche Zeit zwischen dem Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation und der späteren Erkenntnis, dass Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, liegen muss. § 116 Abs. 2 SGB VI fordert insoweit einen zeitlichen Zusammenhang, als für die Reha-Maßnahme eine Prognose im Bezug auf den Erfolg der Maßnahme verlangt wird bzw. bei positiver Prognose und negativem Reha-Ergebnis Rente zu gewähren ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI dem Versicherten nicht das Recht nimmt, im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis zu bestimmen, dass der Reha-Antrag nicht als Rentenantrag gelten solle (BSG Urteil vom 01.09.1999 - B 13 RJ 49/98 R -). § 116 Abs. 2 SGB VI belässt dem Versicherten grundsätzlich seine allgemeine Dispositionsbefugnis darüber, ob er bei antragsabhängigen Sozialleistungen einen Leistungsantrag stellen oder einen gestellten Antrag zurücknehmen oder er bestimmen will, dass sich sein Antrag auf bestimmte Leistungen oder Sachverhalte beschränkt.
Die Klägerin hat zwischen dem August 1995 und dem April 2007 sich nicht auf diesen Reha-Antrag berufen. Sie hat damit ihr Dispositionsrecht dahingehend ausgeübt, dass diesem Antrag keine rechtliche Bedeutung zukommen soll. Auszugehen ist davon, dass Ansprüche auf Sozialleistungen gem. § 45 Abs. 1 SGB I nach vier Jahren verjähren. Mit Eintritt der Verjährung ist nicht nur der materielle Anspruch, sondern auch der das Verwaltungsverfahren auslösende Antrag auf die entsprechende Leistung hinfällig geworden. Legt man diese Maßstäbe zugrunde, dann kann dem Antrag vom August 1995 (jedenfalls nicht gegen den - vorliegend nicht treuwidrig ausgeübten - Willen der Beklagten) im Nachhinein keinerlei Rechtswirkung mehr zukommen.
II.
Soweit die Klägerin eine höhere Bewertung ihrer Pflichtbeitragszeiten mit EP begehrt, erscheint schon fraglich, ob dieses Begehren Gegenstand des Klageverfahrens war, in dem mit von dem Bevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift gestellten Anträgen lediglich ein früherer Rentenbeginn begehrt wurde.
1. Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf Bewertung ihrer Pflichtbeitragszeiten mit mindestens 0,0833 EP pro Monat. Die von der Klägerin begehrte Erhöhung der Entgeltpunkte für ihre Pflichtbeitragszeiten findet in der bei Rentengewährung maßgeblichen Fassung des § 70 SGB VI keine Grundlage (vgl. auch unten).
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Bewertung ihrer ersten drei Jahre Pflichtbeitragszeiten mit mindestens 0,0833 EP pro Monat.
§ 70 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung findet keine Anwendung, da das der Rentengewährung zugrundezulegende Recht sich nach der Rentengewährung und nicht nach dem Eintritt des Leistungsfalls richtet (§ 300 SGB VI). § 70 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung, wonach die ersten 48 Monate (= vier Jahre) an Pflichtbeitragszeiten stets als "Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung" und einheitlich mit mindestens 0,0750 bewertet wurden, ist nicht anwendbar. Durch das WFG war § 70 Abs. 3 SGB VI aufgehoben worden; Zeiten der beruflichen Ausbildung gelten nunmehr als beitragsgeminderte Zeiten. Sie werden einerseits als Anrechnungszeiten ausgestaltet. Zum anderen galten bei Beginn einer Rente vor dem 01.01.2009 die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres als Zeiten einer beruflichen Ausbildung (§ 58 Abs. 1 Satz 2 SGB VI; seit dem 01.01.1998: § 54 Abs. 3 Satz 3 SGB VI i.d.F. des Rentenreformgesetzes 1999; jetzt § 246 Satz 2 und 3 SGB VI).
Das neue Recht findet gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI auf die Klägerin Anwendung, weil ihr vor dessen Inkrafttreten noch keine Rente geleistet worden war (vgl. § 300 Abs. 3 SGB VI).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen kommt nicht in Betracht.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn und die Höhe einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1966 geborene Klägerin leidet an einer psychischen Erkrankung und ist derzeit voll erwerbsgemindert.
Nach dem Abitur im Jahre 1984 nahm sie zum Sommersemester 1985 an der Universität B. ein Studium im Magisterstudiengang mit den Fächern Musikwissenschaft und Italienisch auf. Zum Ende des Wintersemester 1985/86 exmatrikulierte sie sich. Zum Wintersemester 1986/87 schrieb sie sich an der Universität F. in den Magisterstudiengang mit den Fächern Musikwissenschaft, Slavistik und Romanistik ein. Zum Sommersemester 1988 tauschte sie das Fach Musikwissenschaft gegen das Fach Germanistik aus. Zum Sommersemester 1990 schrieb sie sich an der Pädagogischen Hochschule W. im Studiengang Lehramt an Grund- und Hauptschulen mit der Fächerkombination Deutsch und Sachunterricht ein. Im Wintersemester 1991/92 tauschte sie das Fach Deutsch gegen das Fach evangelische Theologie. Dieses Studium brach sie während eines Praktikums ab, ohne sich zu exmatrikulieren. Danach befand sie sich erstmals vom 28.03. bis 22.05.1992 und vom 28.05. bis 01.09.1992 im Zentrum für Psychiatrie E. (ZP E.) wegen einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Der weitere stationäre Aufenthalt in das ZP E. vom 17.04. bis 16.09.1993 erfolgte auf der Grundlage des Unterbringungsgesetzes.
Nachdem sie sich an der PH W. noch zum Sommersemester 1992, Wintersemester 1992/93, Sommersemester 1993 und Wintersemester 1993/94 rückgemeldet hatte, befand sie sich vom 21.04. bis 27.07.1994 erneut im ZP E., wohin sie notfallmäßig von der M.-B.-Klinik in K. verlegt worden war. Ende Juli 1994 wurde die Klägerin in das psychiatrische Wohnheim des Reha-Vereins E. entlassen.
Sie exmatrikulierte sich zum 30.09.1994 und nahm ab 01.08.1994 an einem von der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt F.) gewährten Förderungslehrgang bis 31.07.1995 teil. Dieser wurde nicht weitergeführt, weil keine Ausbildungsfähigkeit auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen wurde. Der Klägerin wurde geraten, sich um Aufnahme in die Reha-Werkstatt K. zu bewerben. Mit Bescheid vom 08.08.1995 wurde ihr von der Bundesanstalt für Arbeit dort im Rahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ab 01.08.1995 eine berufsfördernde Bildungsmaßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte für die Dauer von einem Jahr bewilligt. Diese wurde offenbar verlängert, jedoch mit rückwirkender Abmeldung zum 04.10.1996 unterbrochen, weil die Klägerin sich entschlossen hatte, zum Wintersemester 1996/97 ein Studium an der Evangelischen Fachhochschule in F. aufzunehmen (Schreiben der Werkstatt K. vom 6.11.1996 -Bl. 35 SG-Akte).
Im Dezember 1997 verließ sie auf eigenen Wunsch das psychiatrische Wohnheim. Das Studium an der Evangelischen Fachhochschule in F. brach sie am 28.02.1998 ab. Ein weiterer Aufenthalt im ZP E. erfolgte vom 27.07. bis 06.09.1998, nachdem sie nach eigenen Angaben ihre neuroleptische Medikation bereits vor Wochen abgesetzt hatte.
Am 05.01.1999 wurde sie im ZP E. erneut stationär aufgenommen und, nachdem sich das maniforme Zustandsbild unter Medikation leicht zurückgebildet hatte, am 21.01.1999 auf eine offene sozialpsychiatrisch orientierte Rehabilitationsstation verlegt. Am 23.01.1999 verließ sie die Klinik und teilte telefonisch mit, dass sie nicht mehr zurückkehren werde. Sie wurde am 01.02.1999 wieder stationär aufgenommen und es wurde ein Betreuungsverfahren eingeleitet. Nach ihren Angaben wurde sie im Sommer entlassen und erhielt eine Betreuerin. Vom 01.09.1999 bis 29.02.2000 war sie zuletzt in einer Behindertenwerkstatt pflichtversichert beschäftigt.
Am 19.04.2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Nach ihren Angaben zum Rentenantrag hat sie ihr letztes Studium bis Dezember 1996 mit einem wöchentlichen Aufwand von 24 bis 30 Stunden betrieben und danach wegen gesundheitlicher Verschlechterung zunehmend mit einem geringeren zeitlichen Einsatz. Nach einer ärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 03.12.2007 leidet die Klägerin an einer schizoaffektiven Psychose mit maniformer Exazerbation sowie depressiven Nachschwankungen. Sie sei seit mindestens 1996 arbeitsunfähig. Die Beklagte zog ein Gutachten der Assistenzärztin H. an das Amtsgericht E., vom 11.02.1999, das im Rahmen des Betreuungsverfahrens am 27.01.1999 veranlasst worden war, bei. Auch darin wurde eine schizoaffektive Störung mit manischen Episoden und depressiven Nachschwankungen diagnostiziert. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die Aufgaben zur eigenen Gesundheitsfürsorge, Entscheidungen zur Aufenthaltsbestimmung, ihre Vermögensangelegenheiten, den schriftlichen Postverkehr sowie Wohnungsangelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Die Erkrankung sei in der Regel mit Medikamenten relativ gut behandelbar. Die Beratungsärztin Dr. D. kam am 16.01.2008 auf dieser Grundlage zur Annahme des Eintritts des Leistungsfalls am 27.01.1999 (evtl. auch früher, wenn dies für die Klägerin günstiger wäre).
Mit Bescheid vom 17.03.2008 gewährte die Beklagte ausgehend von einem Leistungsfall am 27.01.1999 der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend mit dem 01.04.2007 in Höhe von 94,47 EUR monatlich (Zahlbetrag). Der Rentenberechnung liegt folgender Versicherungsverlauf zugrunde: Allgemeine Rentenversicherung - Rentenversicherung der Arbeiter 01.04.85-30.09.86 18 Mon. Hochschulausbildung 01.04.90-30.09.91 18 Mon. Hochschulausbildung 01.10.91-31.10.93 25 Mon. Hochschulausbildung 01.11.93-30.11.93 Hochschulausbildung SVN 02.11.93-03.11.93 121,00 DM 1 Mon. Pflichtbeitragszeit 01.12.93-31.07.94 8 Mon. Hochschulausbildung
Allgemeine Rentenversicherung - Rentenversicherung der Angestellten SVN 01.08.94-31.12.94 2.508,00 DM 5 Mon. Pflichtbeitragszeit SVN 01.01.95-31.07.95 3.790,00 DM 7 Mon. Pflichtbeitragszeit
Allgemeine Rentenversicherung - Rentenversicherung der Arbeiter - SVN 01.08.95-31.12.95 16.240,00 DM 5 Mon. Pflichtbeitragszeit SVN 01.01.96-31.08.96 26.432,41 DM 8 Mon. Pflichtbeitragszeit SVN 01.09.96-04.10.96 3.744,59 DM 2 Mon. Pflichtbeitragszeit. 01.09.96-30.09.96 Hochschulausbildung 01.10.96-04.10.96 Hochschulausbildung 05.10.96-31.10.96 Hochschulausbildung 01.11.96-28.02.98 16 Mon. Hochschulausbildung
Pflichtbeitragszeiten, beitragsgeminderte Zeit 02.11.93-03.11.93 121,00 DM 48.178 DM 0,0025 Punkte Pflichtbeitragszeiten 01.08.94-31.12.94 2.508,00 DM 49.142 DM 0,0510 Punkte 01.01.95-31.07.95 3.790,00 DM 50.665 DM 0,0748 Punkte 01.08.95-31.12.95 16.240,00 DM 50.665 DM 0,3205 Punkte 01.01.96-31.08.96 26.432,41 DM 51.678 DM 0,5115 Punkte Pflichtbeitragszeiten, beitragsgeminderte Zeit 01.09.96-30.09.96 3.304,05 DM 51.678 DM 0,0639 Punkte 01.10.96-04.10.96 440,54 DM 51.678 DM 0,0085 Punkte
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 08.04.2008 Widerspruch ein und berief sich auf einen früheren Leistungsfall und begehrte auch einen höheren Rentenbetrag. Unter anderem sei abzuklären, ob ein Reha-Antrag aus der Vergangenheit als Rentenantrag umzudeuten sei. Sie habe eine Reha-Leistung im Rahmen einer Arbeits- und Berufsförderung Behinderter in Anspruch genommen.
Die Beratungsärztin Dr. D. befürwortete in ihrer Stellungnahme vom 29.09.2009, den Eintritt des Leistungsfalls bereits mit Abbruch des Studiums am 28.02.1998 anzunehmen. Mit Bescheid vom 16.11.2009 half die Beklagte dem Widerspruch zum Teil ab und bewilligte der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall am 28.02.1998 Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend mit dem 01.04.2007 in Höhe von 104,53 EUR monatlich (Zahlbetrag).
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2010 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück und führte aus, ein früherer Rentenbeginn ergebe sich nicht. Die Rente sei am 19.04.2007 beantragt worden. Frühere Verfahren (Rentenverfahren bzw. Maßnahmen der Rehabilitation) seien bei ihr - der Beklagten - nicht anhängig gewesen. Rehabilitationsmaßnahmen seien lediglich von der Agentur für Arbeit durchgeführt worden. Eine Rentenantragsfiktion sei grundsätzlich nur möglich, wenn ein gegen den Rentenversicherungsträger gerichteter Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vorliege.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 22.04.2010 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass sie diverse Reha-Anträge gestellt und Ausbildungsversuche unternommen habe. Es sei eine berufliche Fort- oder Ausbildung in einer Reha-Werkstatt vorgenommen worden. Diese habe aufgrund ihres Gesundheitszustandes Mitte der 90er Jahre nicht beendet werden können. Weiterhin sei die Rentenberechnung durch die Beklagte unzutreffend. Es seien auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegte Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung mit entsprechendem Mindestwert zu berücksichtigen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf frühere und höhere Rentenzahlungen. Die Rente sei nicht ab einem früheren Zeitpunkt zu bewilligen gewesen. Die Rentenantragsfiktion gem. § 116 Abs. 2 SGB VI rechtfertige im Falle der Klägerin keinen früheren Rentenbeginn. Die Klägerin trage vor, dass sie an einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte des Reha-Vereins in K. teilgenommen habe, die durch die Bundesanstalt für Arbeit am 14.08.1995 (richtig 08.08.1995) bewilligt worden sei. Indes erfülle diese Maßnahme nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI. Denn umdeutungsfähig seien nur Anträge auf Leistungen zur Teilhabe, die sich gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung richteten und auf Leistungen nach den Vorschriften des SGB IX bzw. des § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI hinzielten. Ein bei einem anderen Reha-Träger gestellter Antrag könne - ohne dass er an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet worden sei oder aber, ohne dass der Rentenversicherungsträger eigentlich zuständiger Träger gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX sei - grundsätzlich nicht in einen Rentenantrag umgedeutet werden. Vorliegend habe die Bundesanstalt für Arbeit weder den Antrag auf die berufsfördernde Bildungsmaßnahme an die Beklagte weitergeleitet, noch habe sie einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten angemeldet. Die Bildungsmaßnahme habe unter ausschließlicher Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeit stattgefunden. Weiterhin sei auch zu bedenken, dass die Klägerin die Maßnahme seinerzeit abgebrochen habe. Die Rentenantragsfiktion gem. § 116 Abs. 2 SGB VI setze dagegen voraus, dass der Versicherte entweder zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vermindert erwerbsfähig sei und Leistungen zur Teilhabe nicht durchzuführen seien, da die verminderte Erwerbsfähigkeit voraussichtlich nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), oder bei Abschluss der durch einen Rentenversicherungsträger erbrachten Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben vermindert erwerbsfähig sei (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Bei der Klägerin sei die fragliche Maßnahme aber bewilligt bzw. durchgeführt worden, weil die Erwerbsfähigkeit gebessert oder wiederhergestellt hätte werden können. Die Maßnahme in der Werkstatt für Behinderte des Reha-Vereins sei auch nicht deshalb nicht erfolgreich gewesen, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert habe. Vielmehr habe die Klägerin die Maßnahme lediglich bis zum 04.10.1996 besucht, weil sie beabsichtigt gehabt habe, sich um einen Studienplatz bei der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg zu bemühen. Die Beklagte habe auch zutreffend die Zeiten der durch die Bundesanstalt für Arbeit bewilligten berufsfördernden Bildungsmaßnahme vom 01.08.1995 bis 04.10.1996 als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt. Nach § 246 SGB VI würden, unabhängig vom Vorliegen einer tatsächlichen Berufsausbildung, stets die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vor dem 25. Lebensjahr als Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung gelten. Da die ersten drei Jahre der Klägerin mit Pflichtbeiträgen (Zeitraum November 1993 bis Oktober 1996) erst nach dem 25. Lebensjahr zurückgelegt worden seien, könne eine Bewertung als "fiktive" Berufsausbildung und damit als beitragsgeminderte Zeit nicht erfolgen. Es handele sich bei der Zeit der Teilnahme an der berufsfördernden Bildungsmaßnahme auch nicht um die Zeit einer - tatsächlichen - Berufsausbildung im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI. Diese Bestimmung verlange eine tatsächliche Berufsausbildung mit Pflichtbeiträgen. Berufsausbildung sei dabei die Ausbildung im Rahmen rechtsverbindlicher Ausbildungsrichtlinien für einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf; fehlten diese (noch), genüge es, wenn die Ausbildung üblich und allgemein anerkannt sei. Keine Zeiten der Berufsausbildung gem. § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI seien dagegen berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, die nach den §§ 59, 61 SGB III (früher § 40 AFG) gefördert würden oder diesen entsprächen, sowie berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit Anspruch auf Ausbildungsgeld (§ 104 SGB III) (vgl. überzeugend Flecks in: jurisPK-SGB VI, § 54 SGB VI Rn. 25). Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.08.1995 bis 04.10.1996 an der berufsfördernden Bildungsmaßnahme teilgenommen, die von der Bundesanstalt für Arbeit bewilligt worden sei. Bei der Maßnahme habe es sich um ein Arbeitstraining gehandelt. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der Bundesanstalt für Arbeit sei Hintergrund der Maßnahme gewesen, dass die Klägerin wegen Art und Schwere ihrer Behinderung aller Voraussicht nach für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und somit für eine drauf vorbereitende berufsfördernde Maßnahme nicht in nächster Zeit in Betracht gekommen sei. Die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit/Ausbildung sei angestrebt worden. Das heiße, mit der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sei noch keine berufliche Tätigkeit oder Ausbildung einhergegangen. Es habe sich somit lediglich um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nach § 104 Abs. 1 SGB III gehandelt, für die der Klägerin auch ein Ausbildungsgeld gezahlt worden sei. Der fragliche Zeitraum sei damit keine Zeit einer - tatsächlichen - Berufsausbildung im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI.
Gegen diesen ihr am 16.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17.01.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, im vorliegendem Falle gehe es um die Frage der Rentenberechnung vor dem Hintergrund eines entsprechend früher eingetretenen Leistungsfalles. Die ersten Jahre an Pflichtbeitragszeiten hätten stets als Ausbildungszeiten gegolten und seien nach älterem Recht automatisch höher bewertet worden. Der hier eingetretene angenommene Leistungsfall 28.02.1998 könne auch deutlich früher liegen. Die Klägerin sei chronisch erkrankt seit Jahrzehnten aus psychiatrischer Sicht. Es sollten noch Unterlagen vom ZP E. beigezogen werden, da dieses offensichtlich Unterlagen über die Klägerin seit über 20 Jahren angesammelt habe. Zeiten einer beruflichen Ausbildung seien mindestens mit 0,0833 Entgeltpunkten für die Gesamtleistungsbewertung zu berücksichtigen gemäß § 71 Abs. 3 SGB VI. Würden die Pflichtbeitragszeiten anders bewertet, so würde auch die 258 bzw. 330 Monate umfassende Zurechnungszeit anders bewertet, mit der Folge einer deutlich höheren Rente. Ferner dürfte wohl davon auszugehen sein, dass aus einem noch früher eingetretenen Leistungsfall unter Umständen auch ein früherer Rentenbeginn resultiere. Der Fall sei nicht einfach gelagert und diene nicht für eine schnelle Entscheidung. Vor dem Gesamthintergrund werde beantragt, das Verfahren ruhend zu stellen, um hier Raum zu geben für weitere Ermittlungen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17.03.2008 in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 16.11.2009 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2010 zu verurteilen, Rente zu einem früheren Zeitpunkt zu bewilligen und die nach Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten als Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung mit mindestens 0,0833 EP pro Monat zu belegen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt und hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats hat die Bundesagentur für Arbeit unter dem 29.06.2012 mitgeteilt, dass keine die Klägerin betreffende Daten vorhanden sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin am 11.07.2012 gegen 08:18 Uhr, und damit erst knapp zwei Stunden vor dem festgesetzten Termin sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben hat, hat der Senat entsprechend dem Antrag des Vertreters der Beklagten beschlossen, den Rechtsstreit nach Aktenlage gem. § 126 SGG zu entscheiden. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nachdem der Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt hat, legt der Senat sein Berufungsbegehren dahingehend aus, dass das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang überprüft werden soll. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin im Laufe des Berufungsverfahrens sich mit der Bewertung verschiedener Zeiten beschäftigt hat, handelt es sich um Elemente der Begründung, die aufzeigen sollen, dass verschiedene rentenrechtlich relevante Zeiten der Klägerin im Falle eines früheren Rentenbeginnes anders, nämlich höher zu bewerten wären. Da diese Zeiten nicht ausdrücklich Gegenstand eines Antrags (oder wohl richtigerweise eines Hilfsantrags) im Berufungsverfahren geworden sind, geht der Senat bei dem als Rentenberater sachkundigen Bevollmächtigten der Klägerin davon aus, dass eine entsprechende konkrete Überprüfung nicht begehrt wurde.
I.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn. Es lässt sich nicht feststellen, dass vor dem 19.04.2007 bereits ein Rentenantrag oder als ein solcher umzudeutender Reha-Antrag als Anspruchsvoraussetzung für den Rentenbeginn (§ 115 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) gestellt worden war.
Ein Rentenantrag war vor dem 19.04.2007 nicht gestellt worden.
Gemäß § 115 SGB VI beginnt das Verfahren der Leistungsfeststellung mit dem Antrag. § 115 SGB V wiederholt darin die Grundsatzregelung in § 19 Abs. 1 SGB IV, wonach u.a. Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag gewährt werden. Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (§ 99 Abs. 1 Satz 2). Diese Vorschrift bildet die Grundlage für die Gewährung der Rente an die Klägerin aufgrund des Antrags vom 19.04.2007 ab 01.04.2007.
Der Antrag auf Rente ist grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden (Schmidt in Kreikebom, SGB VI, Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung - Kommentar, § 116 Rn 13). Inhaltlich muss dem Antrag lediglich zu entnehmen sein, dass eine Leistung begehrt wird (BSGE 50, 16, 18). Die Verwendung amtlicher Formulare konkretisiert allein die Obliegenheit des Antragstellers, seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nachzukommen. Hiervon abweichend bestimmt § 116 SGB VI in der bei Antragstellung am 19.04.2007 geltenden Fassung des EMReformG, gültig ab 01.07.2001, dass der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente gilt, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und
1. ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder
2. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.
Seit Inkrafttreten dieser Vorschrift am 01.07.2001 wurde von Seiten der Klägerin kein Antrag gestellt, der als Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgefasst werden könnte. Schon aus diesem Grund kann diese Vorschrift im Falle der Klägerin nicht zur Anwendung kommen.
Nichts anderes gilt für die Vorgängervorschrift. Offenbleiben kann dabei, ob die Vorgängervorschrift bei fehlender Übergangsregelung noch Jahre nach ihrem Außerkrafttreten Rechtsfolgen habe kann. Nach § 116 Abs. 2 SGB VI in der vom 01.01.1992 bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung galt der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte erwerbsunfähig, berufsunfähig oder im Bergbau vermindert berufsfähig sind und eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderte Berufsfähigkeit nicht verhindert haben.
Nach Lage des bekannten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass die Klägerin Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation nur im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt in der Reha-Werkstatt K. 1964 bis 1996 gestellt hat. Es ist jedenfalls anzunehmen, dass dem Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 08.08.1995 ein entsprechender Antrag zugrunde liegt. Auf diesen Antrag stellt auch die Klägerin mit ihrem Begehren nach früherem Rentenbeginn ab. Dass es sich dabei um einen Antrag nach den Vorschriften zur beruflichen Rehabilitation handelt, ist nicht weiter zweifelhaft. Die damalige Bundesanstalt für Arbeit hat darin Leistungen für den Arbeitstrainingsbereich in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte ab 01.08.1995 für ein Jahr bewilligt. Rechtsgrundlage des Bescheides bildete § 58 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der 1995 gültigen Fassung. Die Vorschrift ist im sechsten Unterabschnitt des AFG über berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation enthalten. Sie bestimmt in ihrem Absatz 1a), dass berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich anerkannter Werkstätten für Behinderte erbracht werden, und zwar
1. im Eingangsverfahren, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Eignung des Behinderten für die Aufnahme in die Werkstatt festzustellen,
2. im Arbeitstrainingsbereich, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Leistungsfähigkeit des Behinderten zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen.
Behinderte werden in diesem Bereich nur gefördert, sofern erwartet werden kann, dass sie nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage sind, wenigsten ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 Abs. 3 des Schwerbehindertengesetzes zu erbringen (§ 58 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 2.Satz AFG d.F.). Die Leistungen werden im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich insgesamt bis zu zwei Jahren erbracht (§ 58 Abs. 1a Satz 2 AFG d.F.).
Nach § 9 Abs. 1 Nr.6 der auf der Grundlage des § 58 Abs. 4 AFG ergangenen Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A Reha) werden berufsfördernde und ergänzende Leistungen nur gewährt, wenn ein Antrag auf Förderung gestellt wurde.
Die dargestellte Rechtslage i.V.m. dem Bewilligungsbescheid vom 08.08.1995 über Leistungen im Arbeitstrainingsbereich lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass die Klägerin zuvor einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation gestellt haben muss. Dieser Antrag ist jedoch nicht geeignet, die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI auszulösen. In § 116 Abs. 2 SGB VI verwirklicht sich zum einen in besonderer Weise der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (heute: § 8 Abs 1 und 2 SGB IX). Die Rentenantragsfiktion soll vor allem Nachteile für den Versicherten ausschließen (BSG Urteil vom 01.09.1999 - SozR 3-1300 § 86 Nr. 3 S. 7) und sicher stellen, dass sich die Rehabilitationsbereitschaft des Versicherten rentenrechtlich nicht nachteilig auswirken kann. Sie soll weiter sicherstellen, dass vor der Entscheidung über einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 Abs. 2 SGB VI) die Erfolgsaussicht von Rehabilitationsmaßnahmen geprüft wird (Schmidt a.a.O. § 116 Rn. 2). Der Versicherte soll keine Rechtsnachteile erleiden, wenn zunächst versucht wird, die Erwerbsminderung durch eine Reha-Leistung zu beheben. Zugleich soll die Reha-Bereitschaft der Versicherten gestärkt werden (Kater in KassKomm., § 116 Rn. 2).
Ob eine Reha-Maßnahme zu bewilligen oder sogleich Rente zu gewähren ist, entscheidet der Rentenversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Nach Auffassung der Beklagten sind allerdings nur Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben geeignet die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI auszulösen, die beim Rentenversicherungsträger gestellt werden. Hierfür spricht neben dem Dispositionsrecht des Versicherten über die Festlegung, ob er überhaupt Leistungen der Rentenversicherung in Anspruch nehmen will, dass § 116 Abs. 2 SGB VI eine Regelung für das Verwaltungsverfahren innerhalb der Rentenversicherung trifft und auch nur der Rentenversicherungsträger in eigener Zuständigkeit prüfen kann, ob im maßgebenden Zeitpunkt verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt (so Pflüger in juris PK-SGB VI Rdnr. 35). Indes kann hier offen bleiben, ob dieser Auffassung zu folgen ist, oder ob die gegenteilige Meinung zutrifft, wonach auch Reha-Anträge, die nicht bei einem Rentenversicherungsträger gestellt worden sind, aber im Rahmen des § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX durchzuführen sind, die Antragsfiktion des § 116 SGB VI auszulösen in der Lage sind.
Unabhängig von diesem Meinungsstreit legt der Wortlaut von § 116 Abs. 2 SGB VI nahe, dass die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben im Zusammenhang mit der verminderten Erwerbsfähigkeit stehen muss und Auswirkungen auf das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit haben kann. In der Literatur wird deshalb, auch soweit eine Antragstellung bei einem anderen Träger der Rehabilitation für ausreichend angesehen wird, gefordert, die Rentenantragsfiktion nur unter der weiteren Voraussetzung anzuwenden, dass die Reha-Leistung, die ein anderer Reha-Träger gewährt hat, an sich geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, wesentlich zu bessern oder wiederherzustellen (so Kater in KassKomm. § 116 SGB VI Rdnr. 7 und Terdenge in Hauck/Heines § 116 Rdnr. 9).
Diesen Anforderungen entspricht die mit Bescheid vom 08.08.1995 bewilligte Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte nicht. Bei der Tätigkeit im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte handelt es sich um eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation, die das medizinische Leistungsvermögen des Behinderten unverändert lässt und das eingeschränkte gesundheitliche Leistungsvermögen des Behinderten als gegeben hinnimmt. Irgend ein Zusammenhang mit einer Rente wegen Erwerbsminderung, der bei Leistungen zur Teilhabe im Erwerbsleben im Zusammenhang mit der Fähigkeit, eine Verweisungstätigkeit auszuüben oder beim Einwirken auf die Wegefähigkeit des Behinderten bestehen kann, ist nicht zu erkennen. Die Zielrichtung der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte betrifft nicht einmal den allgemeinen Arbeitsmarkt, der nach § 43 Abs. 1-3 SGB VI Maßstab für die Annahme von Erwerbsminderung ist, sondern nur den speziellen Bereich des Arbeitsmarktes in Werkstätten für Behinderte. Die Leistungsfähigkeit dieser Behinderten soll so entwickelt, erhöht oder wiedergewonnen werden, dass sie wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinn des § 54 Abs. 3 Schwerbehindertengesetzes erbringen, das sind 20 % der Leistungsfähigkeit, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verlangt wird.
Die Klägerin kann sich schließlich im Nachhinein nicht auf die damalige Antragstellung berufen. Offenbleiben kann, welche Zeit zwischen dem Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation und der späteren Erkenntnis, dass Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, liegen muss. § 116 Abs. 2 SGB VI fordert insoweit einen zeitlichen Zusammenhang, als für die Reha-Maßnahme eine Prognose im Bezug auf den Erfolg der Maßnahme verlangt wird bzw. bei positiver Prognose und negativem Reha-Ergebnis Rente zu gewähren ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI dem Versicherten nicht das Recht nimmt, im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis zu bestimmen, dass der Reha-Antrag nicht als Rentenantrag gelten solle (BSG Urteil vom 01.09.1999 - B 13 RJ 49/98 R -). § 116 Abs. 2 SGB VI belässt dem Versicherten grundsätzlich seine allgemeine Dispositionsbefugnis darüber, ob er bei antragsabhängigen Sozialleistungen einen Leistungsantrag stellen oder einen gestellten Antrag zurücknehmen oder er bestimmen will, dass sich sein Antrag auf bestimmte Leistungen oder Sachverhalte beschränkt.
Die Klägerin hat zwischen dem August 1995 und dem April 2007 sich nicht auf diesen Reha-Antrag berufen. Sie hat damit ihr Dispositionsrecht dahingehend ausgeübt, dass diesem Antrag keine rechtliche Bedeutung zukommen soll. Auszugehen ist davon, dass Ansprüche auf Sozialleistungen gem. § 45 Abs. 1 SGB I nach vier Jahren verjähren. Mit Eintritt der Verjährung ist nicht nur der materielle Anspruch, sondern auch der das Verwaltungsverfahren auslösende Antrag auf die entsprechende Leistung hinfällig geworden. Legt man diese Maßstäbe zugrunde, dann kann dem Antrag vom August 1995 (jedenfalls nicht gegen den - vorliegend nicht treuwidrig ausgeübten - Willen der Beklagten) im Nachhinein keinerlei Rechtswirkung mehr zukommen.
II.
Soweit die Klägerin eine höhere Bewertung ihrer Pflichtbeitragszeiten mit EP begehrt, erscheint schon fraglich, ob dieses Begehren Gegenstand des Klageverfahrens war, in dem mit von dem Bevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift gestellten Anträgen lediglich ein früherer Rentenbeginn begehrt wurde.
1. Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf Bewertung ihrer Pflichtbeitragszeiten mit mindestens 0,0833 EP pro Monat. Die von der Klägerin begehrte Erhöhung der Entgeltpunkte für ihre Pflichtbeitragszeiten findet in der bei Rentengewährung maßgeblichen Fassung des § 70 SGB VI keine Grundlage (vgl. auch unten).
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Bewertung ihrer ersten drei Jahre Pflichtbeitragszeiten mit mindestens 0,0833 EP pro Monat.
§ 70 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung findet keine Anwendung, da das der Rentengewährung zugrundezulegende Recht sich nach der Rentengewährung und nicht nach dem Eintritt des Leistungsfalls richtet (§ 300 SGB VI). § 70 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung, wonach die ersten 48 Monate (= vier Jahre) an Pflichtbeitragszeiten stets als "Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung" und einheitlich mit mindestens 0,0750 bewertet wurden, ist nicht anwendbar. Durch das WFG war § 70 Abs. 3 SGB VI aufgehoben worden; Zeiten der beruflichen Ausbildung gelten nunmehr als beitragsgeminderte Zeiten. Sie werden einerseits als Anrechnungszeiten ausgestaltet. Zum anderen galten bei Beginn einer Rente vor dem 01.01.2009 die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres als Zeiten einer beruflichen Ausbildung (§ 58 Abs. 1 Satz 2 SGB VI; seit dem 01.01.1998: § 54 Abs. 3 Satz 3 SGB VI i.d.F. des Rentenreformgesetzes 1999; jetzt § 246 Satz 2 und 3 SGB VI).
Das neue Recht findet gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI auf die Klägerin Anwendung, weil ihr vor dessen Inkrafttreten noch keine Rente geleistet worden war (vgl. § 300 Abs. 3 SGB VI).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen kommt nicht in Betracht.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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