Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 3882/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1861/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.03.2011 werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu ¼ zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob nach einem Unfallereignis vom 06.08.2008 über den 20.10.2008 hinaus vom Vorliegen von Unfallfolgen auszugehen ist.
Der 1972 geborene Kläger wurde während seiner Arbeit auf einer Baustelle am 06.08.2008 im Keller einer Baugrube von einem abrutschenden Erdhang eingeklemmt und mit dem unteren Rücken gegen Rohre gedrückt. Der Durchgangsarzt Dr. N. teilte am 07.08.2008 mit, dass beim Kläger ein Druckschmerz der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie links ein dorsaler Beckenkamm ohne offene Wunde oder wesentliche Schwellung und ohne Stauchungsschmerz der Wirbelsäule oder Kompressionsschmerz vorlägen. Nach dem Röntgenergebnis wurde eine knöcherne Verletzung ausgeschlossen. Als Erstdiagnose gab Dr. N. eine Prellung des Beckens und der LWS an, wobei er vom voraussichtlichen Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 13.08.2008 ausging.
Der Kläger hat am 13.08.2008 eine neue Arbeitsstelle angetreten, nachdem er seinen alten Arbeitsplatz bereits vor dem Unfallereignis vom 06.08.2008 gekündigt hatte.
Nach einem Zwischenbericht der Dres. M., N. und G. vom 12.09.2008 lagen beim Kläger weiterhin Schmerzen im Beckenbereich vor, jedoch habe dieser seine Arbeit in der Zwischenzeit wieder aufgenommen. Es sei ein geringer Beckenkompressionsschmerz und ein Druckschmerz über dem linken Iliosacralgelenk (ISG) mit ISG-Blockierung festgestellt worden.
Der Kläger schilderte anschließend weiterhin anhaltende Schmerzen im LWS- und Beckenbereich, welche ihm seine Arbeit unmöglich machten. Daraufhin wurde ihm von der Praxis Dres. M., N. und G. eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 27.10.2008 attestiert. Auch in der Folgezeit klagte der Kläger weiterhin über persistierende Schmerzen im LSW- und Beckenbereich.
Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der LWS vom 23.10.2008 dokumentierte laut Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H. vom 23.10.2008 eine multisegmentale mittelgradige/relative osteo-discoligamentäre Spinalkanalstenose im Segment LW4/5. Eine Wirbelkörperfraktur sei nicht festgestellt worden. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. stellte am 19.11.2008 ein Lasègue-Zeichen rechts bei 60 Grad und links bei 30 Grad schmerzhaft eingeschränkt bei intakten Hirnnerven fest. Die Muskeleigenreflexe an den Beinen seien seiten-gleich mittelstark auslösbar gewesen, ohne Reflexausfälle, ohne manifeste Paresen und ohne Sensibilitätsstörungen. Dr. S. nahm einen Zustand nach Prellung im LWS-Bereich an und führte aus, dass am 23.10.2008 noch eine leichte Bandscheibenprotrusion mit relativer Spinalkanalstenose feststellbar gewesen sei.
Mit Schreiben vom 28.11.2008 vertraten die Bevollmächtigten des Klägers die Auffassung, dass zwischen dem Unfall vom 06.08.2008 und einer fortbestehenden Behandlungsbedürftigkeit ein Zusammenhang bestehe.
Die Beklagte lehnte dem gegenüber mit Bescheid vom 19.12.2008 einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalles über den 20.10.2008 hinaus ab, da die am 06.08.2008 erlittene Prellung der LWS und des Beckens folgenlos verheilt sei. Die Kernspintomographie vom 23.10.2008 habe gezeigt, dass die festgestellten Veränderungen im Bereich der LWS und die damit zusammenhängende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 20.10.2008 hinaus auf vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der LWS in Form einer Spinalkanalstenose zurückzuführen seien. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien über den 20.10.2008 hinaus nicht zu erbringen.
Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er erstmals seit dem Unfall LWS-Beschwerden habe, weswegen für ihn eindeutig feststehe, dass ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vorliege.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2009 mit Hinweis auf die vorliegenden Unterlagen zurück.
Der Kläger hat deswegen am 05.06.2009 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Dr. S. hat als sachverständiger Zeuge am 02.10.2009 mitgeteilt, dass der LWS-Befund im Rahmen der MRT keinen Anhalt für einen akuten Bandscheibenvorfall ergeben habe und auch nicht in Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen sei. Dr. M. hat am 11.01.2010 mitgeteilt, dass er Arbeitsunfähigkeit bis zum 17.11.2008 bescheinigt habe. Die geklagten Beschwerden seien auch auf die zusätzlich vorhandene unfallunabhängige Spinalkanalstenose zurückzuführen gewesen. Nach dem 18.11.2008 habe die geklagte Beschwerdesymptomatik indes weiterhin auch auf die Beckenquetschung mit Blockierung des linken ISG zurückgeführt werden können. Im weiteren Verlauf hätten dann die Beschwerden eines zunehmend ausgeprägten lumbalen Wurzelreizsyndroms bei mittelgradiger Spinalkanalstenose im Vordergrund gestanden.
Mit Urteil vom 14.03.2011 hat das SG der Klage insoweit stattgegeben, dass es als Unfallfolge bis zum 17.11.2008 eine Beckenquetschung mit Blockierung des ISG festgestellt hat. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG sich auf die sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. M. gestützt. Eine darüber hinaus gehende Feststellung von Unfallfolgen oder Behandlungsbedürftigkeit sei nach diesen Aussagen nicht möglich. Dem stehe auch die Tatsache entgegen, dass der Kläger bereits ab dem 13.08.2008 wieder gearbeitet und sich erst am 20.10.2008 wieder bei seinem Arzt vorgestellt habe. Der Einschätzung des Klägers, dass die vor dem Unfall bestehende Beschwerdefreiheit für eine traumatisch bedingte Verursachung seiner Schmerzen spreche, könne nicht gefolgt werden. Denn die klinische Manifestation einer stummen Schadensanlage könne kein Argument dafür sein, dass ein Gelegenheitsanlass eine wesentliche Ursache für eine klinische Manifestation sei. Die Auslösung der Erkrankungen habe nicht einer besonderen, in ihrer Art unerlässlichen äußeren Einwirkung bedurft. Sofern über den 17.11.2008 hinaus noch eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe, sei diese nach der Überzeugung des SG auf unfallfremde degenerative Veränderungen zurückzuführen. Das Urteil des SG wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 11.04.2011 zugestellt.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 05.05.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe den medizinischen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.
Im Berufungsverfahren wurden die Akten des beim 8. Senat anhängigen Parallelverfahrens L 8 U 1833/11 betreffend eine Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) beigezogen (beruflich bedingte Hauterkrankung).
Am 29.09.2011 wurde im LSG ein Erörterungstermin durchgeführt, in welchem der Kläger auf ein vom SG in dem Verfahren S 8 KR 4001/09 (wegen Krankengeld) eingeholtes orthopädisches Gutachten des Dr. B. verwiesen hat. Diese Verfahrensakte wurde gleichfalls beigezogen, ebenso die Akten der Verfahren bei dem SG mit den Aktenzeichen S 8 KR 1762/09 ER und S 9 KR 3456/08 ER (ebenfalls wegen Krankengeld). Außerdem hat die Klägerbevollmächtigte ein Attest des Dr. G. vom 26.09.2011 vorgelegt, wonach der Kläger sich seit drei Jahren in ständiger Behandlung aufgrund von Beschwerden am ISG linksseitig befinde, wobei die Beschwerden insgesamt eine wechselnde Intensität hätten; die Arbeitsfähigkeit sei in den letzten zwei Jahren nicht beeinträchtigt gewesen.
Nach Beiziehung der Röntgen- und sonstigen Aufnahmen der LWS und des Beckens des Klägers ist ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. H. eingeholt worden, welches am 24.04.2012 vorgelegt worden ist. Danach sei der Kläger aufgrund der Folgen des Unfalles vom 06.08.2008 lediglich bis zum 12.08.2008 unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen. Die nachfolgenden Beschwerden ließen sich nicht auf den Unfall zurückführen. Entgegen Dr. M. könne eine schwere LWS-Prellung oder Quetschung nicht akzeptiert werden, da sich äußerlich keinerlei erkennbare Anzeichen einer Prellung oder Quetschung erkennen ließen. Die von Dr. M. diagnostizierte Blockierung des linken ISG sei unspezifisch, und über die Frage des Zusammenhangs mit dem Unfall könne nur spekuliert werden. Jedenfalls lasse sich manualmedizinisch eine solche Blockierung in aller Regel völlig problemlos im Rahmen einer einzigen ambulanten Behandlung lösen, führe also nicht zu einem Dauerschaden.
Daraufhin hat die Beklagte am 16.05.2012 Anschlussberufung eingelegt. Das Gutachten des Dr. H. habe ergeben, dass der Unfall vom 06.08.2008 lediglich einen diskreten Weichteilschaden zur Folge gehabt habe und die Unfallfolgen nur bis zum 12.08.2008 vorgelegen hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.03.2011 abzuändern, die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.03.2011 sowie den Bescheid vom 19.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2009 abzuändern und festzustellen, dass bei ihm als Folge des Arbeitsunfalles vom 06.08.2008 weiterhin eine Beckenquetschung mit Blockierung des Iliosacralgelenkes vorliegt, und die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben eine aktuelle Computertomographie (CT) der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H., S. und T. vom 21.06.2012 vorgelegt, in der erneut eine spinale Enge LW4/5 beschrieben wird. Außerdem wird darin von einer beginnenden absoluten Enge LW3/4 und einer minimalen Protrusio LW5/SW1 ausgegangen. Eine neuroforaminale Wurzelaffektion oder ein umschriebener NPP (Bandscheibenvorfall) hätten nicht vorgelegen.
Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 09.08.2012 vorgelegt, wonach sich aus dem aktuellen CT-Befund nichts Neues ergebe. Hinweise auf eine stattgehabte Verletzung durch den Unfall vom 06.08.2008 ergäben sich hieraus ebenso wenig wie aus der MRT vom 23.10.2008. Den Schlussfolgerungen des Gutachters Dr. H. sei weiterhin zu folgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist ebenso wie die statthafte und zulässige unselbständige Anschlussberufung der Beklagten unbegründet. Die Klage des Klägers ist als Feststellungsklage, dass eine Gesundheitsstörung infolge seines Arbeitsunfalls vom 06.08.2008 vorliegt, nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -, BSGE 94, 269). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. 2008, Vorb. v. § 249 RdNr. 58 ff. m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht wer-den kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursa-chen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ur-sache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Be-deutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vor-handenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erschei-nungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, son-dern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung aus-gelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfol-gen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachte Gesundheitsstörung entsprechend den Ausführungen des SG nur bis zum 17.11.2008 vor. Nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. M., durch den und in dessen Praxis der Kläger nach seinem Unfall regelmäßig behandelt worden ist, waren die geklagten Beschwerden auch auf die zusätzlich vorhandene unfallunabhängige Spinalkanalstenose zurückzuführen. Dies macht es nachvollziehbar, dass die Auskunft des Dr. M. wegen Abgrenzungsschwierigkeiten keinen sicheren, sondern einen geschätzten Stichtag beinhaltet, an dem die unfallbedingten Beschwerden nicht mehr bestanden haben. Auch wenn der Gutachter Dr. H. in seinem Gutachten vom 24.04.2012 eine folgenlose Heilung der Unfallbeschwerden bereits am 12.08.2008 annimmt, erscheint es dem Senat bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen überzeugender, mit den Ausführungen des Dr. M., welcher den Kläger zeitnah und regelmäßig nach dem Unfall behandelt hat, ein Vorliegen der Unfallfolge "Beckenquetschung mit Blockierung des Iliosacralgelenks" bis zum 17.11.2008 anzunehmen. Dass insoweit auch keine schnelle Heilung dieser Beschwerden erfolgte, zeigt sich auch daran, dass der Kläger bis zu diesem Datum regelmäßig mit diesbezüglichen Beschwerden bei seinen Ärzten vorstellig wurde. Auch die Beklagte hatte schließlich zeitnah die Befunde dahingehend gewürdigt, dass jedenfalls noch bis zum 20.10.2008 eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit vorlag.
Noch am 26.09.2011 wurde von Dr. G. bestätigt, dass beim Kläger regelmäßig Probleme mit dem Iliosacralgelenk aufgetreten sind. Auch der Gutachter Dr. B. (Bl. 62 ff. in der beigezogenen Klageakte des SG S 8 KR 4001/09) bestätigt ein lumbales Wurzelreizsyndrom und die Annahme des Dr. M., dass beim Kläger ein kernspintomographisch nachgewiesener enger Spinalkanal vorliegt. Dies macht es für den Senat plausibel, dass im Sinne der Ausführungen des Dr. M. zunächst eine schmerzauslösende Beeinträchtigung des Beckens und des Iliosacralgelenks vorlag, wobei dann im Laufe der Behandlung die unfallunabhängige Spinalkanalstenose maßgeblich für die Beschwerden geworden ist. Aus den Ausführungen des Dr. G. in dem Attest vom 26.09.2011 lässt sich indes nicht ableiten, dass dieser noch zum Zeitpunkt der Ausstellung des Attests vom Vorliegen einer Unfallfolge ausging, weil sich zur Frage der Kausalität keine Ausführungen finden.
Mit Dr. H. ist auch der Senat der Auffassung, dass, wenngleich nicht schon zum 12.08.2008, so doch jedenfalls ab dem 18.11.2008 nach der Art der am 06.08.2008 erlittenen Verletzung und der in den Akten dokumentierten Befunde nicht mehr vom Fortbestehen einer unfallbedingten Verletzung auszugehen ist. Denn Dr. H. weist insoweit zu Recht darauf hin, dass mangels äußerer Verletzungszeichen nach dem Unfall (keine sichtbare Prellung oder Quetschung) und bei Ausschluss eines unfallbedingten Strukturschadens (MRT vom 23.10.2008) eine länger andauernde Unfallfolge nicht als nachgewiesen angesehen werden kann. Zwar geht noch Dr. Schumm in seinem Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 25.02.2009 (Bl. 102 ff. der Verwaltungsakte zu dem Verfahren S 8 KR 4001/09) von einem anhaltenden lumbalen Schmerzsyndrom nach Kontusion aus, doch erscheint die Mehrzahl der ärztlichen Stellungnahmen, die die insoweit noch bestehenden Schmerzen zu diesem Zeitpunkt auf unfallunabhängige Beschwerden (Spinalkanalstenose) zurückführen, insoweit überzeugender. Da es auch nicht vorrangiger Untersuchungsgegenstand der Ermittlungen des MDK war, die Ursachen der Beschwerden des Klägers genau voneinander abzugrenzen, hält der Senat die Ausführungen des Dr. M., des Dr. B. und des Dr. H. insoweit für überzeugender.
Schließlich rechtfertigt auch der aktuelle CT-Befund vom 21.06.2012 keine andere Beurteilung. Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des Dr. Brandner vom 09.08.2012 lassen sich hieraus keine weiteren Hinweise auf eine stattgehabte Verletzung durch den Unfall vom 06.08.2008 entnehmen; insbesondere besteht kein Widerspruch zu den Befunden der MRT vom 23.10.2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu ¼ zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob nach einem Unfallereignis vom 06.08.2008 über den 20.10.2008 hinaus vom Vorliegen von Unfallfolgen auszugehen ist.
Der 1972 geborene Kläger wurde während seiner Arbeit auf einer Baustelle am 06.08.2008 im Keller einer Baugrube von einem abrutschenden Erdhang eingeklemmt und mit dem unteren Rücken gegen Rohre gedrückt. Der Durchgangsarzt Dr. N. teilte am 07.08.2008 mit, dass beim Kläger ein Druckschmerz der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie links ein dorsaler Beckenkamm ohne offene Wunde oder wesentliche Schwellung und ohne Stauchungsschmerz der Wirbelsäule oder Kompressionsschmerz vorlägen. Nach dem Röntgenergebnis wurde eine knöcherne Verletzung ausgeschlossen. Als Erstdiagnose gab Dr. N. eine Prellung des Beckens und der LWS an, wobei er vom voraussichtlichen Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 13.08.2008 ausging.
Der Kläger hat am 13.08.2008 eine neue Arbeitsstelle angetreten, nachdem er seinen alten Arbeitsplatz bereits vor dem Unfallereignis vom 06.08.2008 gekündigt hatte.
Nach einem Zwischenbericht der Dres. M., N. und G. vom 12.09.2008 lagen beim Kläger weiterhin Schmerzen im Beckenbereich vor, jedoch habe dieser seine Arbeit in der Zwischenzeit wieder aufgenommen. Es sei ein geringer Beckenkompressionsschmerz und ein Druckschmerz über dem linken Iliosacralgelenk (ISG) mit ISG-Blockierung festgestellt worden.
Der Kläger schilderte anschließend weiterhin anhaltende Schmerzen im LWS- und Beckenbereich, welche ihm seine Arbeit unmöglich machten. Daraufhin wurde ihm von der Praxis Dres. M., N. und G. eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 27.10.2008 attestiert. Auch in der Folgezeit klagte der Kläger weiterhin über persistierende Schmerzen im LSW- und Beckenbereich.
Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der LWS vom 23.10.2008 dokumentierte laut Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H. vom 23.10.2008 eine multisegmentale mittelgradige/relative osteo-discoligamentäre Spinalkanalstenose im Segment LW4/5. Eine Wirbelkörperfraktur sei nicht festgestellt worden. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. stellte am 19.11.2008 ein Lasègue-Zeichen rechts bei 60 Grad und links bei 30 Grad schmerzhaft eingeschränkt bei intakten Hirnnerven fest. Die Muskeleigenreflexe an den Beinen seien seiten-gleich mittelstark auslösbar gewesen, ohne Reflexausfälle, ohne manifeste Paresen und ohne Sensibilitätsstörungen. Dr. S. nahm einen Zustand nach Prellung im LWS-Bereich an und führte aus, dass am 23.10.2008 noch eine leichte Bandscheibenprotrusion mit relativer Spinalkanalstenose feststellbar gewesen sei.
Mit Schreiben vom 28.11.2008 vertraten die Bevollmächtigten des Klägers die Auffassung, dass zwischen dem Unfall vom 06.08.2008 und einer fortbestehenden Behandlungsbedürftigkeit ein Zusammenhang bestehe.
Die Beklagte lehnte dem gegenüber mit Bescheid vom 19.12.2008 einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalles über den 20.10.2008 hinaus ab, da die am 06.08.2008 erlittene Prellung der LWS und des Beckens folgenlos verheilt sei. Die Kernspintomographie vom 23.10.2008 habe gezeigt, dass die festgestellten Veränderungen im Bereich der LWS und die damit zusammenhängende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 20.10.2008 hinaus auf vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der LWS in Form einer Spinalkanalstenose zurückzuführen seien. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien über den 20.10.2008 hinaus nicht zu erbringen.
Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er erstmals seit dem Unfall LWS-Beschwerden habe, weswegen für ihn eindeutig feststehe, dass ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vorliege.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2009 mit Hinweis auf die vorliegenden Unterlagen zurück.
Der Kläger hat deswegen am 05.06.2009 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Dr. S. hat als sachverständiger Zeuge am 02.10.2009 mitgeteilt, dass der LWS-Befund im Rahmen der MRT keinen Anhalt für einen akuten Bandscheibenvorfall ergeben habe und auch nicht in Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen sei. Dr. M. hat am 11.01.2010 mitgeteilt, dass er Arbeitsunfähigkeit bis zum 17.11.2008 bescheinigt habe. Die geklagten Beschwerden seien auch auf die zusätzlich vorhandene unfallunabhängige Spinalkanalstenose zurückzuführen gewesen. Nach dem 18.11.2008 habe die geklagte Beschwerdesymptomatik indes weiterhin auch auf die Beckenquetschung mit Blockierung des linken ISG zurückgeführt werden können. Im weiteren Verlauf hätten dann die Beschwerden eines zunehmend ausgeprägten lumbalen Wurzelreizsyndroms bei mittelgradiger Spinalkanalstenose im Vordergrund gestanden.
Mit Urteil vom 14.03.2011 hat das SG der Klage insoweit stattgegeben, dass es als Unfallfolge bis zum 17.11.2008 eine Beckenquetschung mit Blockierung des ISG festgestellt hat. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG sich auf die sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. M. gestützt. Eine darüber hinaus gehende Feststellung von Unfallfolgen oder Behandlungsbedürftigkeit sei nach diesen Aussagen nicht möglich. Dem stehe auch die Tatsache entgegen, dass der Kläger bereits ab dem 13.08.2008 wieder gearbeitet und sich erst am 20.10.2008 wieder bei seinem Arzt vorgestellt habe. Der Einschätzung des Klägers, dass die vor dem Unfall bestehende Beschwerdefreiheit für eine traumatisch bedingte Verursachung seiner Schmerzen spreche, könne nicht gefolgt werden. Denn die klinische Manifestation einer stummen Schadensanlage könne kein Argument dafür sein, dass ein Gelegenheitsanlass eine wesentliche Ursache für eine klinische Manifestation sei. Die Auslösung der Erkrankungen habe nicht einer besonderen, in ihrer Art unerlässlichen äußeren Einwirkung bedurft. Sofern über den 17.11.2008 hinaus noch eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe, sei diese nach der Überzeugung des SG auf unfallfremde degenerative Veränderungen zurückzuführen. Das Urteil des SG wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 11.04.2011 zugestellt.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 05.05.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe den medizinischen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.
Im Berufungsverfahren wurden die Akten des beim 8. Senat anhängigen Parallelverfahrens L 8 U 1833/11 betreffend eine Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) beigezogen (beruflich bedingte Hauterkrankung).
Am 29.09.2011 wurde im LSG ein Erörterungstermin durchgeführt, in welchem der Kläger auf ein vom SG in dem Verfahren S 8 KR 4001/09 (wegen Krankengeld) eingeholtes orthopädisches Gutachten des Dr. B. verwiesen hat. Diese Verfahrensakte wurde gleichfalls beigezogen, ebenso die Akten der Verfahren bei dem SG mit den Aktenzeichen S 8 KR 1762/09 ER und S 9 KR 3456/08 ER (ebenfalls wegen Krankengeld). Außerdem hat die Klägerbevollmächtigte ein Attest des Dr. G. vom 26.09.2011 vorgelegt, wonach der Kläger sich seit drei Jahren in ständiger Behandlung aufgrund von Beschwerden am ISG linksseitig befinde, wobei die Beschwerden insgesamt eine wechselnde Intensität hätten; die Arbeitsfähigkeit sei in den letzten zwei Jahren nicht beeinträchtigt gewesen.
Nach Beiziehung der Röntgen- und sonstigen Aufnahmen der LWS und des Beckens des Klägers ist ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. H. eingeholt worden, welches am 24.04.2012 vorgelegt worden ist. Danach sei der Kläger aufgrund der Folgen des Unfalles vom 06.08.2008 lediglich bis zum 12.08.2008 unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen. Die nachfolgenden Beschwerden ließen sich nicht auf den Unfall zurückführen. Entgegen Dr. M. könne eine schwere LWS-Prellung oder Quetschung nicht akzeptiert werden, da sich äußerlich keinerlei erkennbare Anzeichen einer Prellung oder Quetschung erkennen ließen. Die von Dr. M. diagnostizierte Blockierung des linken ISG sei unspezifisch, und über die Frage des Zusammenhangs mit dem Unfall könne nur spekuliert werden. Jedenfalls lasse sich manualmedizinisch eine solche Blockierung in aller Regel völlig problemlos im Rahmen einer einzigen ambulanten Behandlung lösen, führe also nicht zu einem Dauerschaden.
Daraufhin hat die Beklagte am 16.05.2012 Anschlussberufung eingelegt. Das Gutachten des Dr. H. habe ergeben, dass der Unfall vom 06.08.2008 lediglich einen diskreten Weichteilschaden zur Folge gehabt habe und die Unfallfolgen nur bis zum 12.08.2008 vorgelegen hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.03.2011 abzuändern, die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.03.2011 sowie den Bescheid vom 19.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2009 abzuändern und festzustellen, dass bei ihm als Folge des Arbeitsunfalles vom 06.08.2008 weiterhin eine Beckenquetschung mit Blockierung des Iliosacralgelenkes vorliegt, und die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben eine aktuelle Computertomographie (CT) der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H., S. und T. vom 21.06.2012 vorgelegt, in der erneut eine spinale Enge LW4/5 beschrieben wird. Außerdem wird darin von einer beginnenden absoluten Enge LW3/4 und einer minimalen Protrusio LW5/SW1 ausgegangen. Eine neuroforaminale Wurzelaffektion oder ein umschriebener NPP (Bandscheibenvorfall) hätten nicht vorgelegen.
Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 09.08.2012 vorgelegt, wonach sich aus dem aktuellen CT-Befund nichts Neues ergebe. Hinweise auf eine stattgehabte Verletzung durch den Unfall vom 06.08.2008 ergäben sich hieraus ebenso wenig wie aus der MRT vom 23.10.2008. Den Schlussfolgerungen des Gutachters Dr. H. sei weiterhin zu folgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist ebenso wie die statthafte und zulässige unselbständige Anschlussberufung der Beklagten unbegründet. Die Klage des Klägers ist als Feststellungsklage, dass eine Gesundheitsstörung infolge seines Arbeitsunfalls vom 06.08.2008 vorliegt, nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -, BSGE 94, 269). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. 2008, Vorb. v. § 249 RdNr. 58 ff. m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht wer-den kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursa-chen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ur-sache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Be-deutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vor-handenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erschei-nungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, son-dern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung aus-gelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfol-gen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachte Gesundheitsstörung entsprechend den Ausführungen des SG nur bis zum 17.11.2008 vor. Nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. M., durch den und in dessen Praxis der Kläger nach seinem Unfall regelmäßig behandelt worden ist, waren die geklagten Beschwerden auch auf die zusätzlich vorhandene unfallunabhängige Spinalkanalstenose zurückzuführen. Dies macht es nachvollziehbar, dass die Auskunft des Dr. M. wegen Abgrenzungsschwierigkeiten keinen sicheren, sondern einen geschätzten Stichtag beinhaltet, an dem die unfallbedingten Beschwerden nicht mehr bestanden haben. Auch wenn der Gutachter Dr. H. in seinem Gutachten vom 24.04.2012 eine folgenlose Heilung der Unfallbeschwerden bereits am 12.08.2008 annimmt, erscheint es dem Senat bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen überzeugender, mit den Ausführungen des Dr. M., welcher den Kläger zeitnah und regelmäßig nach dem Unfall behandelt hat, ein Vorliegen der Unfallfolge "Beckenquetschung mit Blockierung des Iliosacralgelenks" bis zum 17.11.2008 anzunehmen. Dass insoweit auch keine schnelle Heilung dieser Beschwerden erfolgte, zeigt sich auch daran, dass der Kläger bis zu diesem Datum regelmäßig mit diesbezüglichen Beschwerden bei seinen Ärzten vorstellig wurde. Auch die Beklagte hatte schließlich zeitnah die Befunde dahingehend gewürdigt, dass jedenfalls noch bis zum 20.10.2008 eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit vorlag.
Noch am 26.09.2011 wurde von Dr. G. bestätigt, dass beim Kläger regelmäßig Probleme mit dem Iliosacralgelenk aufgetreten sind. Auch der Gutachter Dr. B. (Bl. 62 ff. in der beigezogenen Klageakte des SG S 8 KR 4001/09) bestätigt ein lumbales Wurzelreizsyndrom und die Annahme des Dr. M., dass beim Kläger ein kernspintomographisch nachgewiesener enger Spinalkanal vorliegt. Dies macht es für den Senat plausibel, dass im Sinne der Ausführungen des Dr. M. zunächst eine schmerzauslösende Beeinträchtigung des Beckens und des Iliosacralgelenks vorlag, wobei dann im Laufe der Behandlung die unfallunabhängige Spinalkanalstenose maßgeblich für die Beschwerden geworden ist. Aus den Ausführungen des Dr. G. in dem Attest vom 26.09.2011 lässt sich indes nicht ableiten, dass dieser noch zum Zeitpunkt der Ausstellung des Attests vom Vorliegen einer Unfallfolge ausging, weil sich zur Frage der Kausalität keine Ausführungen finden.
Mit Dr. H. ist auch der Senat der Auffassung, dass, wenngleich nicht schon zum 12.08.2008, so doch jedenfalls ab dem 18.11.2008 nach der Art der am 06.08.2008 erlittenen Verletzung und der in den Akten dokumentierten Befunde nicht mehr vom Fortbestehen einer unfallbedingten Verletzung auszugehen ist. Denn Dr. H. weist insoweit zu Recht darauf hin, dass mangels äußerer Verletzungszeichen nach dem Unfall (keine sichtbare Prellung oder Quetschung) und bei Ausschluss eines unfallbedingten Strukturschadens (MRT vom 23.10.2008) eine länger andauernde Unfallfolge nicht als nachgewiesen angesehen werden kann. Zwar geht noch Dr. Schumm in seinem Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 25.02.2009 (Bl. 102 ff. der Verwaltungsakte zu dem Verfahren S 8 KR 4001/09) von einem anhaltenden lumbalen Schmerzsyndrom nach Kontusion aus, doch erscheint die Mehrzahl der ärztlichen Stellungnahmen, die die insoweit noch bestehenden Schmerzen zu diesem Zeitpunkt auf unfallunabhängige Beschwerden (Spinalkanalstenose) zurückführen, insoweit überzeugender. Da es auch nicht vorrangiger Untersuchungsgegenstand der Ermittlungen des MDK war, die Ursachen der Beschwerden des Klägers genau voneinander abzugrenzen, hält der Senat die Ausführungen des Dr. M., des Dr. B. und des Dr. H. insoweit für überzeugender.
Schließlich rechtfertigt auch der aktuelle CT-Befund vom 21.06.2012 keine andere Beurteilung. Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des Dr. Brandner vom 09.08.2012 lassen sich hieraus keine weiteren Hinweise auf eine stattgehabte Verletzung durch den Unfall vom 06.08.2008 entnehmen; insbesondere besteht kein Widerspruch zu den Befunden der MRT vom 23.10.2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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