L 13 AS 2919/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1284/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2919/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Untätigkeitsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsteller (vgl. §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, herbeizuführen ist, von einer - hier nicht glaubhaft gemachten - in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - veröffentlicht in Juris). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert regelmäßig eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 a.a.O. m.w.N.). Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor; der hierauf gerichtete Antrag unbegründet. Ob ein Anordnungsgrund gegeben ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden; die Antragsteller haben jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Auch im Beschwerdeverfahren haben die Antragsteller nicht einmal nachvollziehbar dargelegt, dass sie über keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen und deshalb hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. insbesondere §§ 9, 11 und 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuchs [SGB II]) sind.

Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach Abs. 4 der Vorschrift gilt dies auch für solche Hilfebedürftigen, denen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für die dies eine besondere Härte bedeuten würde. Dass die Antragsteller, soweit sich dies aus ihrem Vorbringen und den von ihnen vorgelegten Unterlagen ergibt, über Vermögen verfügen, dass die in Ansatz zu bringenden Freibeträge erheblich übersteigt, hat das SG in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss bereits zutreffend dargelegt. Dem SG ist auch dahingehend zuzustimmen, dass dieses Vermögen verwertbar ist und deshalb Hilfebedürftigkeit i.S.d. Vorschriften über die Grundsicherung für Arbeitsuchende ausschließt. Der Senat nimmt insoweit auf die Gründe der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung Bezug und sieht diesbezüglich von einer Darstellung eigener Gründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Darüber hinaus macht sich der Senat auch die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2012 zu eigen, soweit dort eine Privilegierung der Kapitallebensversicherung (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) und das Vorliegen eines Härtefalls i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II verneint worden ist.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller zu 1. nach seinem eigenen Vorbringen u. a. über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 40.779,86 EUR (Stand: 1. Januar 2012) und über eine nicht selbst genutzte Immobilie mit einem Verkehrswert von 57.900,00 EUR (Verkehrswertgutachten vom 8. November 2011) verfügt. Dem stehen gegenüber der W. Bank eG lediglich Schulden aus zwei Darlehensverträgen in Höhe von insgesamt 49.602,60 EUR entgegen. Es kann offen bleiben ob und in welcher Höhe diese Verbindlichkeiten tatsächlich durch Eintragung von Grundschulden oder Abtretung der Rechte aus der Lebensversicherung - die Antragsteller haben weder einen Grundbuchauszug noch eine Abtretungsurkunde vorgelegt - gesichert sind. Jedenfalls kommt eine vermögensreduzierende Berücksichtigung der Verbindlichkeiten allenfalls in dem Umfang in Betracht in dem diese tatsächlich bestehen. Eine dingliche Sicherung allein kann - über die tatsächliche Darlehensschuld hinaus - demgegenüber nicht in Abzug gebracht werden. Das Gleiche gilt für eine Abtretung, denn abgetretene Ansprüche bleiben nur dann ausnahmsweise bei der Einkommensberechnung bzw. Vermögensberücksichtigung nach dem SGB II außer Betracht, wenn die Rückgängigmachung der Abtretung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisiert werden kann (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 KG 1/10 R - SozR 4-5870 § 6a Nr. 2). Dass ein solcher Ausnahmetatbestand hier vorliegen würde und deshalb Sozialleistungen letztlich zur Schuldentilgung zu gewähren wären, ist angesichts des deutlichen Missverhältnisses zwischen Darlehensschuld und Sicherungsmitteln nicht erkennbar.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 5 AS 1284/12 ER) war ebenfalls zurückzuweisen, denn die Rechtsverfolgung bot aus den oben dargelegten Gründen von Anfang an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO).

Letztlich war die von den Antragstellern am 6. August 2012 erhobene Untätigkeitsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Eine solche Beschwerde ist (auch) im sozialgerichtlichen Verfahren nicht statthaft (vgl. dazu nur Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2012 - L 11 KR 1687/12 B - veröffentlicht in Juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Beschwerde gegen die Entscheidung des SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Weder das Antrags- noch das Beschwerdeverfahren hat Erfolg; zudem hat der Antragsgegner keinen Anlass für das gerichtliche Eilverfahren gegeben, so dass ein Kostenerstattungsanspruch (zum Ermessen vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 193 Rdnr. 12 ff.) unangemessen wäre. Bezüglich der Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH findet die Kostenentscheidung ihre Rechtsgrundlage in § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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