L 11 KR 2950/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1682/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2950/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB 5 für eine psychotherapeutische Behandlung setzt voraus, dass der Behandler im Besitz einer Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz ist.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 06.06.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zwar statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilig Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242).

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Behandlung bei der Heilpraktikerin und Gestalttherapeutin A. P. Der Senat weist die Beschwerde der Antragstellerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG). Ergänzend wird auf die Entscheidung des Senats vom 06.07.2012 (L 11 KR 4261/11) verwiesen. Nach § 28 Abs 3 SGB V wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, und durch Vertragsärzte durchgeführt. Psychotherapeuten sind nach der Legaldefinition in § 28 Abs 3 Satz 1 SGB V nur Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Dies sind Personen, denen nach den Vorschriften des Psychotherapeutengesetzes die Approbation erteilt worden ist. Die Therapeutin P. ist nicht approbiert. Ihr fehlt damit die Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie, weshalb ein Anspruch auf Kostenübernahme ausscheidet (vgl hierzu BSG 10.02.2004, B 1 KR 10/03 B, juris). Selbst in Fällen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V ist diese generelle Qualifikation des Leistungserbringers erforderlich. Lehnt die Krankenkasse rechtswidrig eine Behandlung ab oder ist sie nicht in der Lage, eine ambulante Psychotherapie bei einem approbierten und zugelassenen Leistungserbringer zur Verfügung zu stellen, und beschafft sich deshalb der Versicherte selbst eine Therapie, hat er dennoch keinen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn der Leistungserbringer nicht jedenfalls die Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzt (vgl BSG 10.02.2004, B 1 KR 10/03 B, juris). Ein Verfassungsverstoß liegt hierin nicht (zum Arztvorbehalt bereits: Senatsurteil vom 27.01.2009, L 11 KR 3126/08, juris). Es ist anerkannt, dass auch aus den Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen besteht. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) zu stellen. Entsprechende Leistungspflichten werden aber nur in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung angenommen, sofern eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert (vgl BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Bei einer für die Antragstellerin lebensbedrohlichen Situation stünden jedenfalls stationäre Behandlungsmöglichkeiten – wie sie bereits in der Vergangenheit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in F. stattfanden – zur Verfügung. Dabei kann keine Berücksichtigung finden, dass durch eine stationäre (anstatt ambulante) Behandlung möglicherweise das Ziel der Antragstellerin, nächstes Jahr das Abitur abzulegen, gefährdet würde.

Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass nach summarischer Prüfung auch der Beschaffungsweg nicht eingehalten wurde. Nach Lage der Akten wurde die Therapie schon im Februar 2012 aufgenommen (vgl Schreiben der Therapeutin vom 02.03.2012). Erst am 15.03.2012 beantragte die Antragstellerin die Kostenübernahme bei der Antragsgegnerin, die mit Bescheid vom 30.03.2012 ablehnte. Damit war die Ablehnung der Antragsgegenerin nicht kausal für die Selbstbeschaffung der Leistung. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V ist aber ein Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (vgl BSG 01.04.2010, B 1 KR 114/09 B, juris; BSG 30.6.2009, B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 15 stRspr). Dass die Behandlung nicht wenigstens um einige Tage aufschiebbar war, kann den Akten ebenfalls nicht entnommen werden (zum Begriff der Unaufschiebbarkeit zB BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen (§ 73 a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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