Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 5546/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3716/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 40.
Die 1950 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und in W. wohnhaft. Sie beantragte am 27.12.2007 die Feststellung ihrer Behinderung beim Beklagten. Dazu legte sie einen vorläufigen Kurzarztbrief des Universitätsklinikums H., Abteilung Innere Medizin III vom 09.03.2007 vor. Danach litt sie an einer koronaren Ein-Gefäß-Erkrankung mit guter linksventrikulärer Pumpfunktion. Es erfolgte eine Stentimplantation. Außerdem bestand ein arterieller Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinwert. Weiterhin bestand ausweislich eines Arztbriefs des Radiologischen Zentrums W. vom 04.06.2007 eine Osteoporose, die noch keiner Therapie bedurfte.
Der Beklagte bat den behandelnden Internisten Dr. H. um Vorlage dort vorhandener Befundunterlagen. Darin fand sich ein Arztbrief des Internisten und Kardiologen Dr. H. vom 06.02.2007, der den Verdacht auf eine Koronarinsuffizienz bei guter linksventrikulärer Funktion äußerte. Das Belastungs-EKG sei bis eine Minute bei 125 Watt unauffällig gewesen. Ungefähr ein Jahr zuvor sei ein erhöhter Blutdruck festgestellt worden, inzwischen sei er medikamentös so eingestellt, dass die Klägerin normale Werte messe. Nach der stationären Behandlung in der Uniklinik in H. war die Klägerin erneut zur Kontrolle bei Dr. H ... In zwei Arztbriefen vom 21.06.2007 und 08.10.2007 stellte dieser Beschwerdefreiheit bis 125 Watt bei unauffälligen Befunden fest.
Am 01.03.2007 war die Klägerin wegen Beschwerden in der Lendenwirbelsäule (LWS) in orthopädischer Behandlung bei Dr. S ... Ausweislich seines Berichts vom selben Tag war die Wirbelsäule im Lot, das Becken stand gerade, die LWS war wenig fixiert, die Iliosakralgelenke wenig blockiert, die Muskulatur wenig verspannt. Eine radikuläre Symptomatik oder sensomotorische Defizite waren nicht feststellbar. Am 05.03.2007 verordnete Dr. S. Krankengymnastik, nachdem die Klägerin weiterhin über Schmerzen in der LWS geklagt hatte. Am 12.06.2007 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. S. vor, um das weitere Vorgehen wegen der zwischenzeitlich festgestellten Osteoporose zu besprechen. Dr. S. empfahl die Einnahme von Kalzium und Vitamin D.
Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. P., 15.01.2008) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2008 einen GdB von 20 wegen einer Herzleistungsminderung, Koronaren Herzerkrankung, Bluthochdruck, Stentimplantation und einer Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) ab 01.03.2007 fest. Die Hypercholesterinämie bedinge keinen Einzel-GdB von wenigstens 10.
Dagegen legte die Klägerin am 19.02.2008 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2009 zurückwies.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.02.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen GdB von wenigstens 50 ab 01.03.2007 begehrte. Zur Begründung führte sie aus, die Herzleistungsminderung und die Osteoporose hätten sich verschlimmert. Der Bluthochdruck könne durch die Einnahme entsprechender Medikamente einigermaßen stabilisiert werden. Außerdem habe sie eine die Sehkraft beeinträchtigende Hornhautverkrümmung.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. S. teilte mit, er habe am 06.06.2003 die Diagnose einer Brustwirbelsäulen- (BWS ) Blockierung gestellt. Am 01.03.2007 sei die Klägerin wegen einer Lumbalgie mit Verdacht auf Facettenreizung im LWS-Bereich und Verdacht auf Iliosakralgelenkblockierung, am 12.06.2007 wegen einer Osteoporose bei ihm in Behandlung gewesen. Wegen der Lumbalgie habe keine Therapie stattgefunden. Eine Gewichtsreduktion sei angeraten. Im Übrigen teilte er im Wesentlichen dieselben Befunde mit, die sich schon aus seinem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Briefen ergaben. Die Gesundheitsstörungen seien leicht, er teile im Bezug auf die GdB-Bewertung die Auffassung des ärztlichen Dienstes des Beklagten (Aussage vom 19.03.2010).
Der Kardiologe Dr. H. sagte am 23.03.2010 aus, dass sich in den Nachuntersuchungen seit März 2007 keine Neuigkeiten zu den vorgegebenen Diagnosen ergeben hätten. Die Klägerin sei bei allen Kontrollen, zuletzt im März 2010, stabil bis 125 Watt belastbar ohne Hinweise auf eine erneute Belastungskoronarinsuffizienz gewesen. Bluthochdruck und Übergewicht der Klägerin seien bekannt und dauerhaft behandlungsbedürftig. Die Blutdruckwerte seien zwischenzeitlich abends leicht erhöht gewesen (Arztbrief vom 16.02.2009), nunmehr ohne Änderung der Medikation wieder normal (Arztbrief vom 05.03.2010). Der GdB von 20 sei für die kardiologischen Diagnosen ausreichend.
Der Orthopäde Dr. M. teilte mit (Aussage vom 16.04.2010), er habe die Klägerin im Jahr 2002 wegen Schmerzen im linken Fuß behandelt. Sie habe sich damals eine Stressfraktur im zweiten Mittelfußknochen zugezogen, die sich im weiteren Verlauf gebessert habe. Einschränkungen habe sie deshalb nicht mehr. Am 19.08.2008 habe er sie wegen seit längerer Zeit bestehender Schmerzen in LWS und Halswirbelsäule (HWS) behandelt. In der HWS habe er eine endgradige Bewegungseinschränkung ohne neurologische Defizite festgestellt. In der LWS habe eine mäßige Bewegungseinschränkung ohne neurologische Defizite bestanden. Im Röntgenbild seien leichtere degenerative Veränderungen der HWS erkennbar gewesen, in der LWS beginnende spondylophytäre Ausziehungen. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien mit einem GdB von 30 bis 40, die Beschwerden in Folge der Stressfraktur am linken Fuß mit unter 10 einzuschätzen.
Der Internist Dr. H. teilte unter Vorlage weiterer Arztbriefe schriftlich mit (Eingang 10.05.2010), die Klägerin sei wegen der koronaren Herzerkrankung, des Übergewichts, des Bluthochdrucks, eines Reizhusten als Folge von ACE-Hemmern, einer Colondivertikulose, einer Schilddrüsenunterfunktion, eines Uterus myomatosus und einer Osteoporose bei ihm in Behandlung, zuletzt am 03.05.2010. Die Beschwerden seien als mittelgradig einzustufen. Er teile die GdB-Einschätzung des ärztlichen Dienstes des Beklagten. Er legte u.a. den Arztbrief des Hautarztes M. B. vom 13.03.2009 vor, bei dem sich die Klägerin zur Behandlung eines Fußnagelpilzes vorgestellt hatte. Der Internist und Gastroenterologe Dr. F. berichtete in einem Arztbrief vom 03.03.2009 über eine bei der Klägerin durchgeführte Coloskopie, die einen regelrechten Befund ohne Entzündung oder Tumor erbrachte. Es bestünden vergrößerte innere Hämorrhoiden und eine reizlose Sigmadivertikulose. Die Phlebologin Dr. M.-S. stellte im Jahr 2004 eine chronisch venöse Insuffizienz Stadium I rechts und mäßig ausgeprägt links ohne Therapienotwendigkeit fest (Arztbrief vom 15.09.2004).
Mit Urteil vom 23.07.2010 wies das SG die Klage ab. Der GdB von 20 für die Beschwerden im Bereich von Herz und Kreislauf sei nach den vorliegenden Befunden jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin zu gering ausgefallen. Die Osteoporoseerkrankung der Klägerin sei mit einem GdB von 10 ebenfalls zutreffend bewertet. Die von den Orthopäden mitgeteilten Befunden an der Wirbelsäule seien nur leichtgradig ausgeprägt. Zuletzt habe Dr. M. im Jahr 2008 Beschwerden an der Wirbelsäule festgestellt, die Bewegungseinschränkung an der HWS sei nur leichtgradig ausgeprägt gewesen und bedinge auch in Verbindung mit dem Muskelschmerz im Bereich der LWS keinen höheren GdB als 10. Die Erhöhung des Cholesterin bedinge keinen GdB von wenigstens 10, eine Beeinträchtigung der Sehfähigkeit der Klägerin habe keiner der angehörten Zeugen bestätigen können. Die weiteren Diagnosen Colondivertikulose, Uterus myomatosus und Schilddrüsenerkrankung seien entweder gut mit Medikamenten zu behandeln oder bewirkten keine Funktionsbeeinträchtigungen, so dass insofern kein GdB festzustellen sei.
Dagegen hat die Klägerin am 06.08.2010 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ausführt, dass ihre Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule nicht ausreichend berücksichtigt seien. Dr. M. habe insofern einen GdB von 30 bis 40 vorgesehen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2010 wird aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 18.01.2008 in Gestalt Widerspruchsbescheids vom 16.01.2009 wird dahingehend abgeändert, dass der Grad der Behinderung ab dem 01.03.2010 mit wenigstens 40 festgestellt wird.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er schließt sich den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil an.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts erneut Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat am 04.03.2011 ausgesagt, die Klägerin sei seit seinem Bericht vom 16.04.2010 an das SG nur einmalig am 16.12.2010 bei ihm zur Kontrolluntersuchung gewesen. Neben den bekannten chronischen Wirbelsäulenschmerzen sei nunmehr eine Verdickung mit Bewegungsschmerz und leichtem Streckdefizit am kleinen Finger der rechten Hand aufgetreten. Hier bestehe eine deutliche Bouchard- und eine leichte Heberdenarthrose.
Der Senat hat sodann von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 29.04.2011 eingeholt. Bei dessen Untersuchung am 26.04.2011 hat die Klägerin angegeben, seit etwa 10 Jahren unter wiederkehrenden Beschwerden in der LWS, teilweise mit Ausstrahlung in das linke Bein zu leiden. Es komme zeitweise und weniger auch zu Beschwerden im Nacken. Sie habe deshalb mehrmals Krankengymnastik und Massagen erhalten, letztere auch privat bezahlt. Dr. S. hat einen Blutdruck von 140/90 mmHg festgestellt. Die Wirbelsäule sei unauffällig aufgebaut, es bestehe eine leichte Verspannung der Schultergürtelmuskulatur und eine unscharf abgrenzbare Druckempfindlichkeit des lumbosacralen Übergangs ohne eigentlichen Druckschmerz. Die Beweglichkeit der HWS sei geringgradig eingeschränkt, diejenige der LWS sei frei. Das gelte ebenso für die großen Gelenke der oberen Extremitäten. Am rechten kleinen Finger bestehe eine leichte Verdickung des Mittelgelenks und eine geringe Verdickung des Endgelenks, die sich auch am linken kleinen Finger finde. Rechts bestehe ein Streckdefizit von 12° und eine leichte Beugeeinschränkung. Die Gelenke der unteren Extremitäten seien frei beweglich, die verschiedenen Gangarten möglich. Es bestünden vereinzelte Hautvenenerweiterungen an den Beinen ohne Ödeme. Dr. S. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der geringgradigen Symptomatik an HWS und LWS nicht von einem eigentlichen LWS- bzw. HWS-Syndrom gesprochen werden könne. Eine Beteiligung der Nervenwurzeln bestehe nicht. Die im Jahr 2007 festgestellte Osteoporose sei nicht mit eindeutig abgrenzbaren Funktionsbeeinträchtigungen verbunden. Die von Dr. M. festgestellte Arthrose in den Gelenken der kleinen Finger erreiche nicht das Ausmaß einer Behinderung. Es sei ein GdB von 10 für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) gerechtfertigt. Bei Mitberücksichtigung der Beeinträchtigung von Seiten des Herzen und des Kreislaufs schätze er den Gesamt-GdB mit 20 ein.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die Akten des Senats hingewiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 12.07.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 40. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 – 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 – B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Nach diesen Kriterien sind die Beschwerden der Klägerin von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems mit einem GdB von 20, die Wirbelsäulenbeschwerden unter Einbeziehung des Osteoporose mit einem GdB von 10 und die aus den übrigen Diagnosen Schilddrüsenunterfunktion, Unverträglichkeit von ACE-Hemmern, Uterus myomatosus, venöse Insuffizienz der Beine, Arthrose der Gelenke des rechten kleinen Fingers und Colondivertikulose abzuleitenden Beschwerden mit einem GdB von unter 10 zu bewerten. In Bezug auf die Bewertung der Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie die Funktionseinschränkungen durch den Uterus myomatosus, die Colondivertikulose, Schilddrüsenerkrankung, Erhöhung des Cholesterin und die Sehschärfe wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 23.07.2010 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sind auch unter Berücksichtigung der festgestellten Osteoporose mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet, wie Dr. S. überzeugend dargelegt hat. Nach Nr. 18.1 Teil B VG ist der GdB bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten wie z.B. der Osteoporose vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Nach Nr. 18.9 Teil B VG bedingen Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0, bei geringen funktionellen Auswirkungen wird ein GdB von 10 festgestellt, erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen wie z.B. einer Verformung oder häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades bzw. häufig rezidivierenden und über Tage anhaltenden dauernden Wirbelsäulensyndromen ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Die Klägerin leidet nach allen vorliegenden ärztlichen Unterlagen in der HWS nur unter geringgradig ausgeprägten Bewegungseinschränkungen. In der LWS kam es in der Vergangenheit gelegentlich zu Schmerzen, die Beweglichkeit wird von allen Ärzten durchgehend als frei oder allenfalls geringgradig eingeschränkt beschrieben. Von Seiten der Osteoporose tritt nach der Untersuchung von Dr. S. allenfalls eine Druckempfindlichkeit ohne eigentlich Druckschmerz auf. Mittelgradige funktionelle Auswirkungen sind daraus nicht zu schließen. Ein höherer GdB als 10 ergibt sich nicht.
Die Beschwerden in den Kleinfingern sind nach Nr. 18.13 Teil B VG noch nicht mit einem GdB von wenigstens 10 zu bewerten. Danach führt eine Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung zu einem GdB von 10. Der Verlust eines Fingers führt ebenfalls zu einem GdB von 10. Diesen Beeinträchtigungen entsprechende Funktionseinschränkungen liegen bei der Klägerin von Seiten der kleinen Finger beider Hände nicht vor. Sie hat ein geringgradiges Streck- und Beugedefizit am rechten Kleinfinger und eine leichte Verdickung am Endglied des linken kleinen Fingers. Wesentliche Funktionseinschränkungen sind damit nicht verbunden und werden von ihr auch nicht vorgetragen.
Die chronisch venöse Insuffizienz der Beine rechtfertigt keinen eigenen GdB. Dr. S. hat nur vereinzelte Hautvenenerweiterungen an den Beinen feststellen können. Schon im Jahr 2004 wurde der venöse Zustand an den Beinen als nicht behandlungsbedürftig beschrieben. Das rechtfertigt die Einordnung unter unkomplizierte Krampfadern nach Nr. 9.3 Teil B VG und die Einschätzung mit einem GdB von 0.
Der Gesamt-GdB ist mit 20 zutreffend festgestellt. Auch insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.
Weitere Ermittlungen des Senats, insbesondere die Auswertung behaupteter neuerer Röntgen- bzw. MRT-Aufnahmen durch den Sachverständigen Dr. S., waren nicht veranlasst, da solche Aufnahmen trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vorgelegt worden sind und auch nicht mitgeteilt worden ist, von wo sie beigezogen werden können und welchen abweichenden Befund sie aufzeigen sollen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 40.
Die 1950 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und in W. wohnhaft. Sie beantragte am 27.12.2007 die Feststellung ihrer Behinderung beim Beklagten. Dazu legte sie einen vorläufigen Kurzarztbrief des Universitätsklinikums H., Abteilung Innere Medizin III vom 09.03.2007 vor. Danach litt sie an einer koronaren Ein-Gefäß-Erkrankung mit guter linksventrikulärer Pumpfunktion. Es erfolgte eine Stentimplantation. Außerdem bestand ein arterieller Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinwert. Weiterhin bestand ausweislich eines Arztbriefs des Radiologischen Zentrums W. vom 04.06.2007 eine Osteoporose, die noch keiner Therapie bedurfte.
Der Beklagte bat den behandelnden Internisten Dr. H. um Vorlage dort vorhandener Befundunterlagen. Darin fand sich ein Arztbrief des Internisten und Kardiologen Dr. H. vom 06.02.2007, der den Verdacht auf eine Koronarinsuffizienz bei guter linksventrikulärer Funktion äußerte. Das Belastungs-EKG sei bis eine Minute bei 125 Watt unauffällig gewesen. Ungefähr ein Jahr zuvor sei ein erhöhter Blutdruck festgestellt worden, inzwischen sei er medikamentös so eingestellt, dass die Klägerin normale Werte messe. Nach der stationären Behandlung in der Uniklinik in H. war die Klägerin erneut zur Kontrolle bei Dr. H ... In zwei Arztbriefen vom 21.06.2007 und 08.10.2007 stellte dieser Beschwerdefreiheit bis 125 Watt bei unauffälligen Befunden fest.
Am 01.03.2007 war die Klägerin wegen Beschwerden in der Lendenwirbelsäule (LWS) in orthopädischer Behandlung bei Dr. S ... Ausweislich seines Berichts vom selben Tag war die Wirbelsäule im Lot, das Becken stand gerade, die LWS war wenig fixiert, die Iliosakralgelenke wenig blockiert, die Muskulatur wenig verspannt. Eine radikuläre Symptomatik oder sensomotorische Defizite waren nicht feststellbar. Am 05.03.2007 verordnete Dr. S. Krankengymnastik, nachdem die Klägerin weiterhin über Schmerzen in der LWS geklagt hatte. Am 12.06.2007 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. S. vor, um das weitere Vorgehen wegen der zwischenzeitlich festgestellten Osteoporose zu besprechen. Dr. S. empfahl die Einnahme von Kalzium und Vitamin D.
Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. P., 15.01.2008) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2008 einen GdB von 20 wegen einer Herzleistungsminderung, Koronaren Herzerkrankung, Bluthochdruck, Stentimplantation und einer Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) ab 01.03.2007 fest. Die Hypercholesterinämie bedinge keinen Einzel-GdB von wenigstens 10.
Dagegen legte die Klägerin am 19.02.2008 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2009 zurückwies.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.02.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen GdB von wenigstens 50 ab 01.03.2007 begehrte. Zur Begründung führte sie aus, die Herzleistungsminderung und die Osteoporose hätten sich verschlimmert. Der Bluthochdruck könne durch die Einnahme entsprechender Medikamente einigermaßen stabilisiert werden. Außerdem habe sie eine die Sehkraft beeinträchtigende Hornhautverkrümmung.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. S. teilte mit, er habe am 06.06.2003 die Diagnose einer Brustwirbelsäulen- (BWS ) Blockierung gestellt. Am 01.03.2007 sei die Klägerin wegen einer Lumbalgie mit Verdacht auf Facettenreizung im LWS-Bereich und Verdacht auf Iliosakralgelenkblockierung, am 12.06.2007 wegen einer Osteoporose bei ihm in Behandlung gewesen. Wegen der Lumbalgie habe keine Therapie stattgefunden. Eine Gewichtsreduktion sei angeraten. Im Übrigen teilte er im Wesentlichen dieselben Befunde mit, die sich schon aus seinem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Briefen ergaben. Die Gesundheitsstörungen seien leicht, er teile im Bezug auf die GdB-Bewertung die Auffassung des ärztlichen Dienstes des Beklagten (Aussage vom 19.03.2010).
Der Kardiologe Dr. H. sagte am 23.03.2010 aus, dass sich in den Nachuntersuchungen seit März 2007 keine Neuigkeiten zu den vorgegebenen Diagnosen ergeben hätten. Die Klägerin sei bei allen Kontrollen, zuletzt im März 2010, stabil bis 125 Watt belastbar ohne Hinweise auf eine erneute Belastungskoronarinsuffizienz gewesen. Bluthochdruck und Übergewicht der Klägerin seien bekannt und dauerhaft behandlungsbedürftig. Die Blutdruckwerte seien zwischenzeitlich abends leicht erhöht gewesen (Arztbrief vom 16.02.2009), nunmehr ohne Änderung der Medikation wieder normal (Arztbrief vom 05.03.2010). Der GdB von 20 sei für die kardiologischen Diagnosen ausreichend.
Der Orthopäde Dr. M. teilte mit (Aussage vom 16.04.2010), er habe die Klägerin im Jahr 2002 wegen Schmerzen im linken Fuß behandelt. Sie habe sich damals eine Stressfraktur im zweiten Mittelfußknochen zugezogen, die sich im weiteren Verlauf gebessert habe. Einschränkungen habe sie deshalb nicht mehr. Am 19.08.2008 habe er sie wegen seit längerer Zeit bestehender Schmerzen in LWS und Halswirbelsäule (HWS) behandelt. In der HWS habe er eine endgradige Bewegungseinschränkung ohne neurologische Defizite festgestellt. In der LWS habe eine mäßige Bewegungseinschränkung ohne neurologische Defizite bestanden. Im Röntgenbild seien leichtere degenerative Veränderungen der HWS erkennbar gewesen, in der LWS beginnende spondylophytäre Ausziehungen. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien mit einem GdB von 30 bis 40, die Beschwerden in Folge der Stressfraktur am linken Fuß mit unter 10 einzuschätzen.
Der Internist Dr. H. teilte unter Vorlage weiterer Arztbriefe schriftlich mit (Eingang 10.05.2010), die Klägerin sei wegen der koronaren Herzerkrankung, des Übergewichts, des Bluthochdrucks, eines Reizhusten als Folge von ACE-Hemmern, einer Colondivertikulose, einer Schilddrüsenunterfunktion, eines Uterus myomatosus und einer Osteoporose bei ihm in Behandlung, zuletzt am 03.05.2010. Die Beschwerden seien als mittelgradig einzustufen. Er teile die GdB-Einschätzung des ärztlichen Dienstes des Beklagten. Er legte u.a. den Arztbrief des Hautarztes M. B. vom 13.03.2009 vor, bei dem sich die Klägerin zur Behandlung eines Fußnagelpilzes vorgestellt hatte. Der Internist und Gastroenterologe Dr. F. berichtete in einem Arztbrief vom 03.03.2009 über eine bei der Klägerin durchgeführte Coloskopie, die einen regelrechten Befund ohne Entzündung oder Tumor erbrachte. Es bestünden vergrößerte innere Hämorrhoiden und eine reizlose Sigmadivertikulose. Die Phlebologin Dr. M.-S. stellte im Jahr 2004 eine chronisch venöse Insuffizienz Stadium I rechts und mäßig ausgeprägt links ohne Therapienotwendigkeit fest (Arztbrief vom 15.09.2004).
Mit Urteil vom 23.07.2010 wies das SG die Klage ab. Der GdB von 20 für die Beschwerden im Bereich von Herz und Kreislauf sei nach den vorliegenden Befunden jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin zu gering ausgefallen. Die Osteoporoseerkrankung der Klägerin sei mit einem GdB von 10 ebenfalls zutreffend bewertet. Die von den Orthopäden mitgeteilten Befunden an der Wirbelsäule seien nur leichtgradig ausgeprägt. Zuletzt habe Dr. M. im Jahr 2008 Beschwerden an der Wirbelsäule festgestellt, die Bewegungseinschränkung an der HWS sei nur leichtgradig ausgeprägt gewesen und bedinge auch in Verbindung mit dem Muskelschmerz im Bereich der LWS keinen höheren GdB als 10. Die Erhöhung des Cholesterin bedinge keinen GdB von wenigstens 10, eine Beeinträchtigung der Sehfähigkeit der Klägerin habe keiner der angehörten Zeugen bestätigen können. Die weiteren Diagnosen Colondivertikulose, Uterus myomatosus und Schilddrüsenerkrankung seien entweder gut mit Medikamenten zu behandeln oder bewirkten keine Funktionsbeeinträchtigungen, so dass insofern kein GdB festzustellen sei.
Dagegen hat die Klägerin am 06.08.2010 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ausführt, dass ihre Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule nicht ausreichend berücksichtigt seien. Dr. M. habe insofern einen GdB von 30 bis 40 vorgesehen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2010 wird aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 18.01.2008 in Gestalt Widerspruchsbescheids vom 16.01.2009 wird dahingehend abgeändert, dass der Grad der Behinderung ab dem 01.03.2010 mit wenigstens 40 festgestellt wird.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er schließt sich den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil an.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts erneut Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat am 04.03.2011 ausgesagt, die Klägerin sei seit seinem Bericht vom 16.04.2010 an das SG nur einmalig am 16.12.2010 bei ihm zur Kontrolluntersuchung gewesen. Neben den bekannten chronischen Wirbelsäulenschmerzen sei nunmehr eine Verdickung mit Bewegungsschmerz und leichtem Streckdefizit am kleinen Finger der rechten Hand aufgetreten. Hier bestehe eine deutliche Bouchard- und eine leichte Heberdenarthrose.
Der Senat hat sodann von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 29.04.2011 eingeholt. Bei dessen Untersuchung am 26.04.2011 hat die Klägerin angegeben, seit etwa 10 Jahren unter wiederkehrenden Beschwerden in der LWS, teilweise mit Ausstrahlung in das linke Bein zu leiden. Es komme zeitweise und weniger auch zu Beschwerden im Nacken. Sie habe deshalb mehrmals Krankengymnastik und Massagen erhalten, letztere auch privat bezahlt. Dr. S. hat einen Blutdruck von 140/90 mmHg festgestellt. Die Wirbelsäule sei unauffällig aufgebaut, es bestehe eine leichte Verspannung der Schultergürtelmuskulatur und eine unscharf abgrenzbare Druckempfindlichkeit des lumbosacralen Übergangs ohne eigentlichen Druckschmerz. Die Beweglichkeit der HWS sei geringgradig eingeschränkt, diejenige der LWS sei frei. Das gelte ebenso für die großen Gelenke der oberen Extremitäten. Am rechten kleinen Finger bestehe eine leichte Verdickung des Mittelgelenks und eine geringe Verdickung des Endgelenks, die sich auch am linken kleinen Finger finde. Rechts bestehe ein Streckdefizit von 12° und eine leichte Beugeeinschränkung. Die Gelenke der unteren Extremitäten seien frei beweglich, die verschiedenen Gangarten möglich. Es bestünden vereinzelte Hautvenenerweiterungen an den Beinen ohne Ödeme. Dr. S. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der geringgradigen Symptomatik an HWS und LWS nicht von einem eigentlichen LWS- bzw. HWS-Syndrom gesprochen werden könne. Eine Beteiligung der Nervenwurzeln bestehe nicht. Die im Jahr 2007 festgestellte Osteoporose sei nicht mit eindeutig abgrenzbaren Funktionsbeeinträchtigungen verbunden. Die von Dr. M. festgestellte Arthrose in den Gelenken der kleinen Finger erreiche nicht das Ausmaß einer Behinderung. Es sei ein GdB von 10 für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) gerechtfertigt. Bei Mitberücksichtigung der Beeinträchtigung von Seiten des Herzen und des Kreislaufs schätze er den Gesamt-GdB mit 20 ein.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die Akten des Senats hingewiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 12.07.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 40. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 – 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 – B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Nach diesen Kriterien sind die Beschwerden der Klägerin von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems mit einem GdB von 20, die Wirbelsäulenbeschwerden unter Einbeziehung des Osteoporose mit einem GdB von 10 und die aus den übrigen Diagnosen Schilddrüsenunterfunktion, Unverträglichkeit von ACE-Hemmern, Uterus myomatosus, venöse Insuffizienz der Beine, Arthrose der Gelenke des rechten kleinen Fingers und Colondivertikulose abzuleitenden Beschwerden mit einem GdB von unter 10 zu bewerten. In Bezug auf die Bewertung der Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie die Funktionseinschränkungen durch den Uterus myomatosus, die Colondivertikulose, Schilddrüsenerkrankung, Erhöhung des Cholesterin und die Sehschärfe wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 23.07.2010 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sind auch unter Berücksichtigung der festgestellten Osteoporose mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet, wie Dr. S. überzeugend dargelegt hat. Nach Nr. 18.1 Teil B VG ist der GdB bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten wie z.B. der Osteoporose vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Nach Nr. 18.9 Teil B VG bedingen Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0, bei geringen funktionellen Auswirkungen wird ein GdB von 10 festgestellt, erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen wie z.B. einer Verformung oder häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades bzw. häufig rezidivierenden und über Tage anhaltenden dauernden Wirbelsäulensyndromen ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Die Klägerin leidet nach allen vorliegenden ärztlichen Unterlagen in der HWS nur unter geringgradig ausgeprägten Bewegungseinschränkungen. In der LWS kam es in der Vergangenheit gelegentlich zu Schmerzen, die Beweglichkeit wird von allen Ärzten durchgehend als frei oder allenfalls geringgradig eingeschränkt beschrieben. Von Seiten der Osteoporose tritt nach der Untersuchung von Dr. S. allenfalls eine Druckempfindlichkeit ohne eigentlich Druckschmerz auf. Mittelgradige funktionelle Auswirkungen sind daraus nicht zu schließen. Ein höherer GdB als 10 ergibt sich nicht.
Die Beschwerden in den Kleinfingern sind nach Nr. 18.13 Teil B VG noch nicht mit einem GdB von wenigstens 10 zu bewerten. Danach führt eine Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung zu einem GdB von 10. Der Verlust eines Fingers führt ebenfalls zu einem GdB von 10. Diesen Beeinträchtigungen entsprechende Funktionseinschränkungen liegen bei der Klägerin von Seiten der kleinen Finger beider Hände nicht vor. Sie hat ein geringgradiges Streck- und Beugedefizit am rechten Kleinfinger und eine leichte Verdickung am Endglied des linken kleinen Fingers. Wesentliche Funktionseinschränkungen sind damit nicht verbunden und werden von ihr auch nicht vorgetragen.
Die chronisch venöse Insuffizienz der Beine rechtfertigt keinen eigenen GdB. Dr. S. hat nur vereinzelte Hautvenenerweiterungen an den Beinen feststellen können. Schon im Jahr 2004 wurde der venöse Zustand an den Beinen als nicht behandlungsbedürftig beschrieben. Das rechtfertigt die Einordnung unter unkomplizierte Krampfadern nach Nr. 9.3 Teil B VG und die Einschätzung mit einem GdB von 0.
Der Gesamt-GdB ist mit 20 zutreffend festgestellt. Auch insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.
Weitere Ermittlungen des Senats, insbesondere die Auswertung behaupteter neuerer Röntgen- bzw. MRT-Aufnahmen durch den Sachverständigen Dr. S., waren nicht veranlasst, da solche Aufnahmen trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vorgelegt worden sind und auch nicht mitgeteilt worden ist, von wo sie beigezogen werden können und welchen abweichenden Befund sie aufzeigen sollen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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