Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 R 5631/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4400/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. August 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1962 geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben zwischen 1980 und 1984 eine Ausbildung zur städtischen Hauswirtschafterin abgeschlossen und war daraufhin von 1985 bis 1993 als Küchenhilfe beschäftigt. Nach Mutterschutz und Kindererziehungszeiten sind im Versicherungsverlauf geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen vermerkt. Seit November 1997 und unterbrochen durch die Geburt der Tochter im April 1999 arbeitete die Klägerin seit Januar 2000 in geringfügigem Umfang als Kommissioniererin bei der Firma E. in D. Darüber hinaus half und hilft sie ihrem Ehemann an mindestens vier Tagen in der Woche, zum Teil auch an jedem Tag in der Woche beim Zeitungen austragen. Seit die Nebentätigkeit bei der Firma E. beendet ist, trägt die Klägerin mittwochs das Wochenblatt und samstags Werbung in S. aus. Außerdem füllt die Klägerin zweimal in der Woche für ca. jeweils eineinhalb Stunden Regale in einem Supermarkt auf. Seit dem 01.08.1993 zahlt die Klägerin freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Am 18.01.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bereits zuvor befand sie sich vom 17.10.2005 bis 14.11.2005 zu einem Heilverfahren in der S.klinik Bad B. Dort war sie unter Berücksichtigung der Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, Stottern, Spannungskopfschmerz, Hysterektomie, LWS-Syndrom als arbeitsfähig für die Tätigkeit als Kommissioniererin mit einem Leistungsumfang von sechs Stunden und mehr entlassen worden. Mit Bescheid vom 22.02.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Grundlage dieser Entscheidung waren die Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 09.02.2007 sowie das Gutachten des Internisten Dr. S. vom 09.02.2007. Dr. H. stellte rezidivierende Anpassungsstörungen bei abhängiger Persönlichkeit, einen gelegentlichen Spannungskopfschmerz, gelegentliche Rückenschmerzen ohne radikuläre Funktionsausfälle, derzeit ohne Behandlung, einen Zustand nach vaginaler Hysterektomie mit Scheidenplastik wegen Deszensus uteri 2/05 und anamnestisch eine Gastritis-Diathese fest. Er vertrat die Auffassung, der Klägerin seien die letzten Tätigkeiten als Zeitungsausträgerin und Lagerarbeiterin in einem Umfang von sechs Stunden und mehr noch zumutbar. Dr. S. beschrieb in seinem Gutachten zusätzlich ein seit der Kindheit bekanntes Stottern sowie ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom ohne nennenswerte Funktionseinschränkung und ohne Nervenwurzelreizsymptomatik. Er vertrat ebenfalls die Auffassung, dass die Klägerin als Kommissioniererin und für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr am Tag tätig sein könne.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2007 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, unter Berücksichtigung der in den Gutachten genannten Diagnosen und der daraus resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen seien leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Publikumsverkehr und ohne ständig sprechende Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen damit nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.07.2007 Klage erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Facharzt für Innere Medizin Dr. L., beim Orthopäden Dr. G., beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. sowie durch das Einholen nervenärztlicher Gutachten bei Dr. G., W., und - auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - bei Dr. von C., E ...
Dr. L. hat unter dem 10.08.2007 berichtet, dass bei der Klägerin in der Hauptsache eine Depression mit Somatisierungsbeschwerden vorliege. Weil die Depression eine fluktuierende Erkrankung sei, könne keine generelle Feststellung bezüglich einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden. In Zeiten, in denen die Depression weniger stark vorhanden sei, seien leichte Tätigkeiten auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt sicherlich zumutbar. Dr. G. hat über eine Behandlung der Klägerin bis Oktober 2004 berichtet, wobei eine Lumbalgie bei bekanntem Verschleiß der letzten und untersten Bandscheibe diagnostiziert worden sei. Die normalerweise wiederkehrenden Rückenschmerzen wechselnder Intensität erlaubten normalerweise noch eine vollschichtige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dr. N. hat lediglich noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von drei bis unter sechs Stunden für zumutbar gehalten, auf Grund der von ihm gestellten Diagnosen einer ängstlich depressiven Störung, mittelschwer, und einem Stottersyndrom.
In seinem Gutachten vom 24.01.2008 hat Dr. G. eine Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicher-asthenischen und abhängigen Zügen sowie eine rezidivierende depressive Störung festgestellt und zudem eine Sprechstörung mit Stottern. Die rezidivierende depressive Störung sei zurzeit weitgehend remittiert. Nebenbefundlich bestehe ein rezidivierendes Lumbalsyndrom, welches derzeit ebenfalls weitgehend zurückgebildet sei. Die Klägerin sei für Tätigkeiten mit höheren Anforderungen an eine Stress- und Konflikttoleranz, die soziale Kompetenz, das Anpassungs- und Umstellungsvermögen und mit Anforderung an das sprachliche Ausdrucksvermögen nicht geeignet. Tätigkeiten unter Zeitdruck und Nachtschichttätigkeiten seien ebenfalls auszuschließen. Leichte bis mittelschwere körperliche und dem Ausbildungsstand entsprechende geistige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten jedoch noch sechs Stunden und mehr bzw. vollschichtig verrichtet werden, sofern es sich dabei um Tätigkeiten mit geordnetem und übersichtlichem Arbeitsablauf handele und eine solche Tätigkeit in einem konfliktarmen Milieu ausgeübt werden könne. Die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit als Kommissioniererin entspreche diesem Anforderungsprofil und sei deshalb ebenfalls mehr als sechs Stunden täglich zumutbar.
Dr. von C. hat in seinem Gutachten vom 08.12.2008 eine abhängige-asthenische oder "selbstschädigende" Persönlichkeitsstörung, eine chronische Anpassungsstörung sowie rezidivierende depressive Episoden verschiedener Ausprägung festgestellt. Es bestehe eine anhaltende erhebliche Einschränkung der psychophysischen Leistungsfähigkeit bei anhaltendender schwerer Erschöpfung ohne Erholungsfähigkeit mit fehlender Energie und aufgebrauchten Energiereserven. Es bestehe eine anhaltende Neigung zur Dekompensation in mittelschwere bis schwere depressive Episoden unterschiedlicher Dauer, verbunden mit körperlichen Erkrankungserscheinungen. Sie sei derzeit wegen völliger Erschöpfung nicht erwerbsfähig. Eine Erholungsfähigkeit und Erholungsmöglichkeit sei nicht gegeben. Die derzeit ausgeübte Tätigkeit komme nur aufgrund äußeren Drucks zustande, am Rande der völligen Dekompensation. Die Klägerin sei wegen des Schlafdefizits auch nur ungenügend belastungsfähig. Es sei deshalb nicht beurteilbar, ob sie stundenweise arbeiten könnte, wenn sie nicht gezwungen wäre, Zeitungen auszutragen. Die Frage, ob eine drei- bis sechsstündige Tätigkeit möglich wäre, könne erst nach einer hinreichend langen Zeit der Erholung beurteilt werden. Er schließe sich der Befunderhebung und Diagnosestellung der Vorgutachter im Wesentlichen an. Von diesen sei jedoch nicht in gebotenem Maß die Persönlichkeits- und Charakterentwicklung der Betroffenen berücksichtigt worden. Er übersehe, dass die genannten Belastungsfaktoren bei der Betroffenen im alltäglichen, häuslichen und familiären Umfeld ständig wirksam seien, dass es der Betroffenen auf Grund ihrer Charakterologie und der persönlichkeitsbedingten Einschränkungen schon im alltäglichen Umfeld nicht gelinge, sich vor permanenter Erschöpfung zu schützen und sie nur mit völliger Überlastung und unter äußerem Druck ihre Arbeitstätigkeit antrete.
Für die Beklagte hat Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 10.02.2009 darauf hingewiesen, dass sowohl die Diagnosen als auch die Untersuchungsbefunde in beiden Gutachten deckungsgleich seien. Obwohl Dr. von C. eine überaus leistungsfähige Probandin beschreibe, halte er die Klägerin, obwohl sie tagsüber arbeite, nachts beim Zeitungsaustragen helfe und zwei verhaltensauffällige bzw. lernbehinderte Kinder habe, für erwerbsunfähig. Diese Schlussfolgerungen seien nicht nachzuvollziehen. Eine höhergradige depressive Episode bestehe zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls nicht. Dr. von C. beschreibe ein Schlafdefizit, welches nur bestätigt werden könne. Selbst jeder gesunde und voll leistungsfähige Mensch würde auf Grund der geschilderten Arbeitszeiten und Arbeitsbelastung psychische Symptome entwickeln. Die Klägerin stehe sonntags ca. um 02:30 Uhr, samstags um 03:45 Uhr und montags bis freitags um 03:15 Uhr auf. Danach versorge sie ihre beiden Kinder und darüber hinaus sei sie in einer Firma montags und mittwochs zusätzlich morgens noch drei bis vier Stunden beschäftigt. Es sei erstaunlich, dass trotz dieser Leistungsanforderungen sämtliche Aufgaben noch bewältigt werden könnten. Diese Arbeitsbelastung, die in beiden Gutachten geschildert werden, übersteige bei weitem die Anforderungen an lediglich leichte Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr.
Nach einer ausführlichen Anhörung der Klägerin im Termin vom 27.08.2009 (auf die Niederschrift vom selben Tag, Blatt 146 ff. der Akten wird insoweit verwiesen) hat das SG die Klage mit Urteil vom 27.08.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es hat sich unter Berücksichtigung der von der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben im Wesentlichen der Einschätzung im Gutachten von Dr. G. angeschlossen, der festgestellt habe, dass die Klägerin an einer Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicher-asthenischen und abhängigen Zügen sowie einer rezidivierenden depressiven Störung leide, die zur Zeit weitgehend remittiert sei. Zusätzlich bestehe bei der Klägerin eine Sprechstörung mit Stottern. Es ergebe sich aus dem Gutachten plausibel, dass es bei der Klägerin im Jahr 2002 sowie nach einer Hysterektomie im Jahr 2005 zu länger anhaltenden depressiven Dekompensationen der selbstunsicheren-asthenischen Persönlichkeitsstruktur gekommen sei, die die diagnostischen Kriterien für eine depressive Episode nach ICD-10 erfüllten. Nach den durchgeführten Therapien in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie 2002 sowie der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der S.klinik Bad B. sei es zu einer weitgehenden Remission der depressiven Symptomatik gekommen. Eine durchgehende depressive Symptomatik, die die Kriterien für eine depressive Episode erfülle, sei daher nicht mehr feststellbar. Vielmehr neige die Klägerin auf Grund ihrer bestehenden Persönlichkeitsproblematik zu Stimmungsschwankungen mit kurzzeitiger Depressivität, wahrscheinlich ausgelöst durch aktuelle Spannungen und Konflikte. Dies werde durch die Angaben der Klägerin im Untersuchungstermin bestätigt. Dort habe sie angegeben, dass der Zustand häufig wechsele, jedoch die besseren Tage überwögen. Die Stimmungstiefs träten immer wieder tageweise auf und dauerten maximal fünf, meist aber nur ein bis zwei Tage an. Sie habe dann negative Gedanken, grübele, sei innerlich unruhig, zittere, habe ein Kältegefühl, fühle sich niedergeschlagen, habe dann keine Lebensfreude, sei auch lustlos und müsse sich teilweise hinlegen. Ihre Schwiegermutter müsse ihr dann teilweise bei der Hausarbeit helfen. Die Zeitungen trage sie mit ihrem Mann nachts aber trotzdem aus. Als Zeichen dafür, dass die Intensität der Stimmungsschwankungen offenbar nicht ausgeprägt sei, habe Dr. G. ausgeführt, dass die Klägerin in der Lage sei, ihre geringfügige Berufstätigkeit als Kommissioniererin sowie die Tätigkeit als Zeitungsausträgerin nachts und früh morgens aufrecht zu erhalten. Die Klägerin habe auch bestätigt, dass sie weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Unter Berücksichtigung ihrer Angaben arbeite sie inzwischen wöchentlich zwischen 20 und 30 Stunden. Für die vor Kurzem aufgenommene Tätigkeit in einem Supermarkt habe sie sich selbst telefonisch beworben und auch in der mündlichen Verhandlung den Eindruck vermittelt, dass sie ihren Alltag meistere. Darüber hinaus kümmere sie sich um ihre beiden verhaltensauffälligen Kinder, mache die Hausarbeiten, kümmere sich um den Garten und gehe ihren Nebentätigkeiten nach. Die Schilderungen der Klägerin bestätigten die Annahme von Dr. G., wonach die Stimmungsschwankungen lediglich kurzzeitig seien und eine anhaltende depressive Störung nicht zu begründen sei. Die Annahme einer Erwerbsminderung sei daher nicht gerechtfertigt. Auf Grund des Gutachtens von Dr. G. sowie den Angaben der Klägerin selbst sei die Kammer davon überzeugt, dass die bei der Klägerin existierende Persönlichkeitsstörung sowie die vorhandene Sprechstörung dazu führten, dass die Stress- und Konflikttoleranz sowie die soziale Kompetenz, das Anpassungs- und Umstellungsvermögen sowie auch das sprachliche Ausdrucksvermögen eingeschränkt seien. Dies führe jedoch nicht zu einer quantitativen, sondern lediglich zu einer entsprechenden qualitativen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin keine volle Erwerbstätigkeit ausübe, sondern vielmehr lediglich Nebentätigkeiten und ihrem Ehemann helfe. Allein von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung könne nicht pauschal auf die tatsächliche Erwerbsfähigkeit geschlossen werden. Schließlich könne nicht zur Lasten der Beklagten gehen, wenn die Klägerin aus Gründen der Haushaltsführung und Kinderbetreuung oder aber weil der Arbeitsmarkt eine Vollzeitstelle nicht biete, nicht tatsächlich vollschichtig beschäftigt sei. Den Schlussfolgerungen des Dr. von C. habe sich die Kammer nicht anschließen können. Er schließe sich ausdrücklich hinsichtlich Befunderhebungen Diagnosestellung in wesentlichen Punkten den Vorgutachten an. Soweit er jedoch die Ansicht vertrete, dass die Persönlichkeits- und Charakterentwicklung der Klägerin nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sei, könne dem nicht gefolgt werden. Grundsätzlich sei der tatsächlichen Arbeitsleistung ein größerer Beweiswert zuzumessen als den medizinischen Befunden. Aus der Tatsache, dass die Klägerin derzeit drei unterschiedliche eigene Tätigkeiten ausübe und gleichzeitig noch täglich ihrem Ehemann beim Zeitungsaustragen helfe, sich daneben um Haushalt, Garten und Kinder kümmere, sei zu folgern, dass die Klägerin tatsächlich erwerbstätig sei. Hierauf komme es nur dann nicht an, wenn die Arbeitsleistung nicht Ausdruck eines echten Leistungsvermögens sei, sondern die Tätigkeiten unter unzumutbaren Schmerzen, einer unzumutbaren Anspannung der Willenskraft oder auf Kosten der Gesundheit verrichtet werden. Nach Auffassung der Kammer sei dies jedoch nicht der Fall. Zwar liege sicherlich ein Arbeitsdruck vor, dieser sei jedoch finanziellen Gründen geschuldet. Die Klägerin befinde sich in einer Situation, der jeder Mensch ausgesetzt sei, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die tatsächliche Arbeitsleistung erfolge auch nicht auf Kosten der Gesundheit. Sie helfe dem Ehemann bereits seit vielen Jahren beim Zeitungsaustragen und übe schon seit langer Zeit eine eigene Nebentätigkeit aus. Sie sei in der Lage diese Nebentätigkeiten in ihren Alltag zu integrieren und sich um Haus und Garten zu kümmern. Im besonderen Maße sei hervorzuheben, dass die Klägerin gleichzeitig die Erziehung und Pflege ihrer beiden Kinder, von denen insbesondere die Tochter an einer Verhaltensstörung leide, meistere. Seit der Rehabilitationsmaßnahme in der S.klinik Bad B. müsse die Klägerin nicht mehr stationär in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. All dies zeuge davon, dass die Klägerin ihr Leben im Griff habe und dazu fähig sei, Arbeit, Haushalt und Kindererziehung zu bewältigen.
Gegen das ihr am 23.09.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.09.2009 Berufung eingelegt.
Sie hat ausgeführt, dass nicht nachvollzogen und nicht hingenommen werden könne, dass das Gutachten von Dr. von C. von der Kammer des Sozialgerichts nicht beachtet werde. Bei einer Depression sei es unterschiedlich, es gebe Zeiten in denen es gut gehe und Zeiten in denen es schlecht gehe. Es werde darüber hinaus außer Acht gelassen, dass in diesem in den Zeiten, in denen die Depression stark ausgeprägt sei, sie gar nicht arbeiten könne. Es könne sich nicht sein, dass sich ein Richter über einen Gesundheitszustand nur nach einem einmaligen Kontakt ein Urteil bilden könne. Das Gericht habe kein Fachwissen und eine Beurteilung könne nur über Fachärzte erfolgen. Sie verweist auf den Amtsermittlungsgrundsatz und macht einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens geltend. Auch sei gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen worden, weil gleiches gleichbehandelt werden müsse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. August 2009 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 zu verurteilen, ihre Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Der Senat hat mit einer am 04.06.2011 zugestellten Verfügung die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss beabsichtigt sei. Weitere Stellungnahmen sind nicht mehr eingegangen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit dem am 04.06.2011 zugestellten Schreiben hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend zum Vortrag im Berufungsverfahren ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es nicht zutrifft, wenn die Klägerin geltend macht, das Gutachten von Dr. von C. sei vom SG nicht gewürdigt worden. Das Gegenteil ist der Fall, da es sich sehr ausführlich mit der entgegenstehenden Leistungsbeurteilung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen auseinandergesetzt hat. Dass es dann unter Berücksichtigung der ausführlichen Befragung der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung der Einschätzung des ebenfalls im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Gutachters Dr. G. angeschlossen hat, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Entscheidung des SG ist ausführlich begründet. Die Beurteilung und Schlussfolgerungen werden vom Senat in vollem Umfang geteilt, zumal auch die Gutachten von Dr. S. und Dr. H. und auch die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. S. zum selben Ergebnis gekommen waren. Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vermag der Senat dabei nicht zu erkennen, zumal Dr. von C. ausdrücklich darauf hingewiesen hat, sich weder in der Befunderhebung noch in den Diagnosen wesentlich von den Vorgutachtern zu unterscheiden. Es ist daher eine allein rechtliche Beurteilung, ob sich aus den Folgen der festgestellten Erkrankung unter Berücksichtigung der hierzu feststellbaren Befunde eine Rente wegen Erwerbsminderung begründen lässt. Dies hat das SG auch im Hinblick auf die Angaben der Klägerin im Termin überzeugend verneint. Einer weiteren Beweiserhebung bedurfte und bedarf es daher nicht. Der Gleichheitssatz ist im Übrigen ebenfalls nicht verletzt. Denn nicht jede Form der Depression rechtfertigt per se die Anerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Vielmehr sind in jedem Einzelfall die Ausprägung der Erkrankung und die Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Klägerin auch im Berufungsverfahren Rechnung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1962 geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben zwischen 1980 und 1984 eine Ausbildung zur städtischen Hauswirtschafterin abgeschlossen und war daraufhin von 1985 bis 1993 als Küchenhilfe beschäftigt. Nach Mutterschutz und Kindererziehungszeiten sind im Versicherungsverlauf geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen vermerkt. Seit November 1997 und unterbrochen durch die Geburt der Tochter im April 1999 arbeitete die Klägerin seit Januar 2000 in geringfügigem Umfang als Kommissioniererin bei der Firma E. in D. Darüber hinaus half und hilft sie ihrem Ehemann an mindestens vier Tagen in der Woche, zum Teil auch an jedem Tag in der Woche beim Zeitungen austragen. Seit die Nebentätigkeit bei der Firma E. beendet ist, trägt die Klägerin mittwochs das Wochenblatt und samstags Werbung in S. aus. Außerdem füllt die Klägerin zweimal in der Woche für ca. jeweils eineinhalb Stunden Regale in einem Supermarkt auf. Seit dem 01.08.1993 zahlt die Klägerin freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Am 18.01.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bereits zuvor befand sie sich vom 17.10.2005 bis 14.11.2005 zu einem Heilverfahren in der S.klinik Bad B. Dort war sie unter Berücksichtigung der Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, Stottern, Spannungskopfschmerz, Hysterektomie, LWS-Syndrom als arbeitsfähig für die Tätigkeit als Kommissioniererin mit einem Leistungsumfang von sechs Stunden und mehr entlassen worden. Mit Bescheid vom 22.02.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Grundlage dieser Entscheidung waren die Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 09.02.2007 sowie das Gutachten des Internisten Dr. S. vom 09.02.2007. Dr. H. stellte rezidivierende Anpassungsstörungen bei abhängiger Persönlichkeit, einen gelegentlichen Spannungskopfschmerz, gelegentliche Rückenschmerzen ohne radikuläre Funktionsausfälle, derzeit ohne Behandlung, einen Zustand nach vaginaler Hysterektomie mit Scheidenplastik wegen Deszensus uteri 2/05 und anamnestisch eine Gastritis-Diathese fest. Er vertrat die Auffassung, der Klägerin seien die letzten Tätigkeiten als Zeitungsausträgerin und Lagerarbeiterin in einem Umfang von sechs Stunden und mehr noch zumutbar. Dr. S. beschrieb in seinem Gutachten zusätzlich ein seit der Kindheit bekanntes Stottern sowie ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom ohne nennenswerte Funktionseinschränkung und ohne Nervenwurzelreizsymptomatik. Er vertrat ebenfalls die Auffassung, dass die Klägerin als Kommissioniererin und für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr am Tag tätig sein könne.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2007 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, unter Berücksichtigung der in den Gutachten genannten Diagnosen und der daraus resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen seien leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Publikumsverkehr und ohne ständig sprechende Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen damit nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.07.2007 Klage erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Facharzt für Innere Medizin Dr. L., beim Orthopäden Dr. G., beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. sowie durch das Einholen nervenärztlicher Gutachten bei Dr. G., W., und - auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - bei Dr. von C., E ...
Dr. L. hat unter dem 10.08.2007 berichtet, dass bei der Klägerin in der Hauptsache eine Depression mit Somatisierungsbeschwerden vorliege. Weil die Depression eine fluktuierende Erkrankung sei, könne keine generelle Feststellung bezüglich einer beruflichen Tätigkeit gemacht werden. In Zeiten, in denen die Depression weniger stark vorhanden sei, seien leichte Tätigkeiten auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt sicherlich zumutbar. Dr. G. hat über eine Behandlung der Klägerin bis Oktober 2004 berichtet, wobei eine Lumbalgie bei bekanntem Verschleiß der letzten und untersten Bandscheibe diagnostiziert worden sei. Die normalerweise wiederkehrenden Rückenschmerzen wechselnder Intensität erlaubten normalerweise noch eine vollschichtige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dr. N. hat lediglich noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von drei bis unter sechs Stunden für zumutbar gehalten, auf Grund der von ihm gestellten Diagnosen einer ängstlich depressiven Störung, mittelschwer, und einem Stottersyndrom.
In seinem Gutachten vom 24.01.2008 hat Dr. G. eine Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicher-asthenischen und abhängigen Zügen sowie eine rezidivierende depressive Störung festgestellt und zudem eine Sprechstörung mit Stottern. Die rezidivierende depressive Störung sei zurzeit weitgehend remittiert. Nebenbefundlich bestehe ein rezidivierendes Lumbalsyndrom, welches derzeit ebenfalls weitgehend zurückgebildet sei. Die Klägerin sei für Tätigkeiten mit höheren Anforderungen an eine Stress- und Konflikttoleranz, die soziale Kompetenz, das Anpassungs- und Umstellungsvermögen und mit Anforderung an das sprachliche Ausdrucksvermögen nicht geeignet. Tätigkeiten unter Zeitdruck und Nachtschichttätigkeiten seien ebenfalls auszuschließen. Leichte bis mittelschwere körperliche und dem Ausbildungsstand entsprechende geistige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten jedoch noch sechs Stunden und mehr bzw. vollschichtig verrichtet werden, sofern es sich dabei um Tätigkeiten mit geordnetem und übersichtlichem Arbeitsablauf handele und eine solche Tätigkeit in einem konfliktarmen Milieu ausgeübt werden könne. Die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit als Kommissioniererin entspreche diesem Anforderungsprofil und sei deshalb ebenfalls mehr als sechs Stunden täglich zumutbar.
Dr. von C. hat in seinem Gutachten vom 08.12.2008 eine abhängige-asthenische oder "selbstschädigende" Persönlichkeitsstörung, eine chronische Anpassungsstörung sowie rezidivierende depressive Episoden verschiedener Ausprägung festgestellt. Es bestehe eine anhaltende erhebliche Einschränkung der psychophysischen Leistungsfähigkeit bei anhaltendender schwerer Erschöpfung ohne Erholungsfähigkeit mit fehlender Energie und aufgebrauchten Energiereserven. Es bestehe eine anhaltende Neigung zur Dekompensation in mittelschwere bis schwere depressive Episoden unterschiedlicher Dauer, verbunden mit körperlichen Erkrankungserscheinungen. Sie sei derzeit wegen völliger Erschöpfung nicht erwerbsfähig. Eine Erholungsfähigkeit und Erholungsmöglichkeit sei nicht gegeben. Die derzeit ausgeübte Tätigkeit komme nur aufgrund äußeren Drucks zustande, am Rande der völligen Dekompensation. Die Klägerin sei wegen des Schlafdefizits auch nur ungenügend belastungsfähig. Es sei deshalb nicht beurteilbar, ob sie stundenweise arbeiten könnte, wenn sie nicht gezwungen wäre, Zeitungen auszutragen. Die Frage, ob eine drei- bis sechsstündige Tätigkeit möglich wäre, könne erst nach einer hinreichend langen Zeit der Erholung beurteilt werden. Er schließe sich der Befunderhebung und Diagnosestellung der Vorgutachter im Wesentlichen an. Von diesen sei jedoch nicht in gebotenem Maß die Persönlichkeits- und Charakterentwicklung der Betroffenen berücksichtigt worden. Er übersehe, dass die genannten Belastungsfaktoren bei der Betroffenen im alltäglichen, häuslichen und familiären Umfeld ständig wirksam seien, dass es der Betroffenen auf Grund ihrer Charakterologie und der persönlichkeitsbedingten Einschränkungen schon im alltäglichen Umfeld nicht gelinge, sich vor permanenter Erschöpfung zu schützen und sie nur mit völliger Überlastung und unter äußerem Druck ihre Arbeitstätigkeit antrete.
Für die Beklagte hat Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 10.02.2009 darauf hingewiesen, dass sowohl die Diagnosen als auch die Untersuchungsbefunde in beiden Gutachten deckungsgleich seien. Obwohl Dr. von C. eine überaus leistungsfähige Probandin beschreibe, halte er die Klägerin, obwohl sie tagsüber arbeite, nachts beim Zeitungsaustragen helfe und zwei verhaltensauffällige bzw. lernbehinderte Kinder habe, für erwerbsunfähig. Diese Schlussfolgerungen seien nicht nachzuvollziehen. Eine höhergradige depressive Episode bestehe zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls nicht. Dr. von C. beschreibe ein Schlafdefizit, welches nur bestätigt werden könne. Selbst jeder gesunde und voll leistungsfähige Mensch würde auf Grund der geschilderten Arbeitszeiten und Arbeitsbelastung psychische Symptome entwickeln. Die Klägerin stehe sonntags ca. um 02:30 Uhr, samstags um 03:45 Uhr und montags bis freitags um 03:15 Uhr auf. Danach versorge sie ihre beiden Kinder und darüber hinaus sei sie in einer Firma montags und mittwochs zusätzlich morgens noch drei bis vier Stunden beschäftigt. Es sei erstaunlich, dass trotz dieser Leistungsanforderungen sämtliche Aufgaben noch bewältigt werden könnten. Diese Arbeitsbelastung, die in beiden Gutachten geschildert werden, übersteige bei weitem die Anforderungen an lediglich leichte Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr.
Nach einer ausführlichen Anhörung der Klägerin im Termin vom 27.08.2009 (auf die Niederschrift vom selben Tag, Blatt 146 ff. der Akten wird insoweit verwiesen) hat das SG die Klage mit Urteil vom 27.08.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es hat sich unter Berücksichtigung der von der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben im Wesentlichen der Einschätzung im Gutachten von Dr. G. angeschlossen, der festgestellt habe, dass die Klägerin an einer Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicher-asthenischen und abhängigen Zügen sowie einer rezidivierenden depressiven Störung leide, die zur Zeit weitgehend remittiert sei. Zusätzlich bestehe bei der Klägerin eine Sprechstörung mit Stottern. Es ergebe sich aus dem Gutachten plausibel, dass es bei der Klägerin im Jahr 2002 sowie nach einer Hysterektomie im Jahr 2005 zu länger anhaltenden depressiven Dekompensationen der selbstunsicheren-asthenischen Persönlichkeitsstruktur gekommen sei, die die diagnostischen Kriterien für eine depressive Episode nach ICD-10 erfüllten. Nach den durchgeführten Therapien in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie 2002 sowie der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der S.klinik Bad B. sei es zu einer weitgehenden Remission der depressiven Symptomatik gekommen. Eine durchgehende depressive Symptomatik, die die Kriterien für eine depressive Episode erfülle, sei daher nicht mehr feststellbar. Vielmehr neige die Klägerin auf Grund ihrer bestehenden Persönlichkeitsproblematik zu Stimmungsschwankungen mit kurzzeitiger Depressivität, wahrscheinlich ausgelöst durch aktuelle Spannungen und Konflikte. Dies werde durch die Angaben der Klägerin im Untersuchungstermin bestätigt. Dort habe sie angegeben, dass der Zustand häufig wechsele, jedoch die besseren Tage überwögen. Die Stimmungstiefs träten immer wieder tageweise auf und dauerten maximal fünf, meist aber nur ein bis zwei Tage an. Sie habe dann negative Gedanken, grübele, sei innerlich unruhig, zittere, habe ein Kältegefühl, fühle sich niedergeschlagen, habe dann keine Lebensfreude, sei auch lustlos und müsse sich teilweise hinlegen. Ihre Schwiegermutter müsse ihr dann teilweise bei der Hausarbeit helfen. Die Zeitungen trage sie mit ihrem Mann nachts aber trotzdem aus. Als Zeichen dafür, dass die Intensität der Stimmungsschwankungen offenbar nicht ausgeprägt sei, habe Dr. G. ausgeführt, dass die Klägerin in der Lage sei, ihre geringfügige Berufstätigkeit als Kommissioniererin sowie die Tätigkeit als Zeitungsausträgerin nachts und früh morgens aufrecht zu erhalten. Die Klägerin habe auch bestätigt, dass sie weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Unter Berücksichtigung ihrer Angaben arbeite sie inzwischen wöchentlich zwischen 20 und 30 Stunden. Für die vor Kurzem aufgenommene Tätigkeit in einem Supermarkt habe sie sich selbst telefonisch beworben und auch in der mündlichen Verhandlung den Eindruck vermittelt, dass sie ihren Alltag meistere. Darüber hinaus kümmere sie sich um ihre beiden verhaltensauffälligen Kinder, mache die Hausarbeiten, kümmere sich um den Garten und gehe ihren Nebentätigkeiten nach. Die Schilderungen der Klägerin bestätigten die Annahme von Dr. G., wonach die Stimmungsschwankungen lediglich kurzzeitig seien und eine anhaltende depressive Störung nicht zu begründen sei. Die Annahme einer Erwerbsminderung sei daher nicht gerechtfertigt. Auf Grund des Gutachtens von Dr. G. sowie den Angaben der Klägerin selbst sei die Kammer davon überzeugt, dass die bei der Klägerin existierende Persönlichkeitsstörung sowie die vorhandene Sprechstörung dazu führten, dass die Stress- und Konflikttoleranz sowie die soziale Kompetenz, das Anpassungs- und Umstellungsvermögen sowie auch das sprachliche Ausdrucksvermögen eingeschränkt seien. Dies führe jedoch nicht zu einer quantitativen, sondern lediglich zu einer entsprechenden qualitativen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin keine volle Erwerbstätigkeit ausübe, sondern vielmehr lediglich Nebentätigkeiten und ihrem Ehemann helfe. Allein von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung könne nicht pauschal auf die tatsächliche Erwerbsfähigkeit geschlossen werden. Schließlich könne nicht zur Lasten der Beklagten gehen, wenn die Klägerin aus Gründen der Haushaltsführung und Kinderbetreuung oder aber weil der Arbeitsmarkt eine Vollzeitstelle nicht biete, nicht tatsächlich vollschichtig beschäftigt sei. Den Schlussfolgerungen des Dr. von C. habe sich die Kammer nicht anschließen können. Er schließe sich ausdrücklich hinsichtlich Befunderhebungen Diagnosestellung in wesentlichen Punkten den Vorgutachten an. Soweit er jedoch die Ansicht vertrete, dass die Persönlichkeits- und Charakterentwicklung der Klägerin nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sei, könne dem nicht gefolgt werden. Grundsätzlich sei der tatsächlichen Arbeitsleistung ein größerer Beweiswert zuzumessen als den medizinischen Befunden. Aus der Tatsache, dass die Klägerin derzeit drei unterschiedliche eigene Tätigkeiten ausübe und gleichzeitig noch täglich ihrem Ehemann beim Zeitungsaustragen helfe, sich daneben um Haushalt, Garten und Kinder kümmere, sei zu folgern, dass die Klägerin tatsächlich erwerbstätig sei. Hierauf komme es nur dann nicht an, wenn die Arbeitsleistung nicht Ausdruck eines echten Leistungsvermögens sei, sondern die Tätigkeiten unter unzumutbaren Schmerzen, einer unzumutbaren Anspannung der Willenskraft oder auf Kosten der Gesundheit verrichtet werden. Nach Auffassung der Kammer sei dies jedoch nicht der Fall. Zwar liege sicherlich ein Arbeitsdruck vor, dieser sei jedoch finanziellen Gründen geschuldet. Die Klägerin befinde sich in einer Situation, der jeder Mensch ausgesetzt sei, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die tatsächliche Arbeitsleistung erfolge auch nicht auf Kosten der Gesundheit. Sie helfe dem Ehemann bereits seit vielen Jahren beim Zeitungsaustragen und übe schon seit langer Zeit eine eigene Nebentätigkeit aus. Sie sei in der Lage diese Nebentätigkeiten in ihren Alltag zu integrieren und sich um Haus und Garten zu kümmern. Im besonderen Maße sei hervorzuheben, dass die Klägerin gleichzeitig die Erziehung und Pflege ihrer beiden Kinder, von denen insbesondere die Tochter an einer Verhaltensstörung leide, meistere. Seit der Rehabilitationsmaßnahme in der S.klinik Bad B. müsse die Klägerin nicht mehr stationär in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. All dies zeuge davon, dass die Klägerin ihr Leben im Griff habe und dazu fähig sei, Arbeit, Haushalt und Kindererziehung zu bewältigen.
Gegen das ihr am 23.09.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.09.2009 Berufung eingelegt.
Sie hat ausgeführt, dass nicht nachvollzogen und nicht hingenommen werden könne, dass das Gutachten von Dr. von C. von der Kammer des Sozialgerichts nicht beachtet werde. Bei einer Depression sei es unterschiedlich, es gebe Zeiten in denen es gut gehe und Zeiten in denen es schlecht gehe. Es werde darüber hinaus außer Acht gelassen, dass in diesem in den Zeiten, in denen die Depression stark ausgeprägt sei, sie gar nicht arbeiten könne. Es könne sich nicht sein, dass sich ein Richter über einen Gesundheitszustand nur nach einem einmaligen Kontakt ein Urteil bilden könne. Das Gericht habe kein Fachwissen und eine Beurteilung könne nur über Fachärzte erfolgen. Sie verweist auf den Amtsermittlungsgrundsatz und macht einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens geltend. Auch sei gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen worden, weil gleiches gleichbehandelt werden müsse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. August 2009 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 zu verurteilen, ihre Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Der Senat hat mit einer am 04.06.2011 zugestellten Verfügung die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss beabsichtigt sei. Weitere Stellungnahmen sind nicht mehr eingegangen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit dem am 04.06.2011 zugestellten Schreiben hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend zum Vortrag im Berufungsverfahren ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es nicht zutrifft, wenn die Klägerin geltend macht, das Gutachten von Dr. von C. sei vom SG nicht gewürdigt worden. Das Gegenteil ist der Fall, da es sich sehr ausführlich mit der entgegenstehenden Leistungsbeurteilung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen auseinandergesetzt hat. Dass es dann unter Berücksichtigung der ausführlichen Befragung der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung der Einschätzung des ebenfalls im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Gutachters Dr. G. angeschlossen hat, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Entscheidung des SG ist ausführlich begründet. Die Beurteilung und Schlussfolgerungen werden vom Senat in vollem Umfang geteilt, zumal auch die Gutachten von Dr. S. und Dr. H. und auch die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. S. zum selben Ergebnis gekommen waren. Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vermag der Senat dabei nicht zu erkennen, zumal Dr. von C. ausdrücklich darauf hingewiesen hat, sich weder in der Befunderhebung noch in den Diagnosen wesentlich von den Vorgutachtern zu unterscheiden. Es ist daher eine allein rechtliche Beurteilung, ob sich aus den Folgen der festgestellten Erkrankung unter Berücksichtigung der hierzu feststellbaren Befunde eine Rente wegen Erwerbsminderung begründen lässt. Dies hat das SG auch im Hinblick auf die Angaben der Klägerin im Termin überzeugend verneint. Einer weiteren Beweiserhebung bedurfte und bedarf es daher nicht. Der Gleichheitssatz ist im Übrigen ebenfalls nicht verletzt. Denn nicht jede Form der Depression rechtfertigt per se die Anerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Vielmehr sind in jedem Einzelfall die Ausprägung der Erkrankung und die Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Klägerin auch im Berufungsverfahren Rechnung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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