Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3 R 167/12 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einzelfall von Beitragsnachforderungen als Folge der Tarifunfähigkeit der CGZP.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 149.391,08 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der am 17.07.2012 gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11.07.2012 gegen den Prüfbescheid der Antragsgegnerin vom 02.07.2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchverfahrens einschließlich des sich anschließenden sozialgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens herzustellen,
hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1, S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, § 86a Abs. 1 S. 1 SGG. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten, wie dies bei dem hier streitbefangenen Bescheid vom 02.07.2012 der Fall ist. In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabe-oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, wie § 86a Abs. 3 S. 2 SGG bestimmt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86a Rn. 27a m.w.N. Im vorliegenden Fall hat das beschließende Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 02.07.2012. Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist § 28p Abs. 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB erfüllen und erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Für die Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Beiträge. Als Arbeitsentgelt gelten nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Daher ist die Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt, unabhängig von seiner arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit oder Durchsetzung. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass bei einer Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht das Entstehungsprinzip des § 22 Abs. 1 SGB IV Anwendung finden könne, sondern das Zuflussprinzip, kann dem nicht gefolgt werden. Infolge der Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft C. waren die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam (BAG, Urt. v. 15.11.2006 – NZA 2007, 448 (451)), so dass Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem aus dem Grundsatz der gleichen Entlohnung (§ 10 Abs. 4 AÜG) sich Ergebenden zu beurteilen sind (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R - BSGE 93, 119 (123)). Dass ein Arbeitgeber in Anwendung des Entstehungsprinzips erst nachträglich zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 11.9.2008 - NZS 2009, 209 (210)). Dass im vorliegenden Fall nicht von einer Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft C. ausgegangen werden könne, weil die entsprechende Entscheidung des Bundesarbeits-gerichts vom 14.12.2010 sowie die vorangegangenen Entscheidungen der arbeitsge-richtlichen Instanzen ihrerseits verfassungswidrig sind, so dass auch der angegriffene Prüfbescheid der Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, vermag das beschließende Gericht nicht zu sehen. Nach Auffassung der Antragstellerin ist Auslöser der Verfassungswidrigkeit die Missachtung des Grundsatzes des Gesetzes-vorbehaltes nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien der Wesentlichkeitstheorie. Danach fehle der Arbeitsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich die Kompetenz, die Begriffe Gewerkschaft oder Spitzenorganisation i.S. des § 2 TVG selbst näher zu definieren und damit die Grenzen des verfassungsrechtlich geschützten Kernbereichs des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit zu bestimmen. Demgegenüber hat das BVerfG, das sich schon wiederholt mit Entscheidungen des BAG zu befassen hatte, in denen das BAG die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition verneint hatte, betont, dass die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit befugt sind, die unbestimmten Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung des Tarifvertragsgesetzes im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG auszufüllen, also die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition näher zu umschreiben (BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - NJW 1982, 815 (816); Kammerbeschluss vom 16.09.1991 - 1 BvR 453/90 - Juris - jeweils m.w.N.). Insbesondere wird der Grundsatz, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat, durch das BAG nicht missachtet. Denn dieser Grundsatz gilt für das Verhältnis von Staat und Bürger. Die Feststellung der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation betrifft jedoch deren Verhältnis zu gleichgeordneten Grundrechtsträgern (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.09.1991 a. a. O.). Dass die Rechtskraft der Entscheidung über die Tariffähigkeit in subjektiver Hinsicht nicht nur die Personen und Stellen erfasst, die im jeweiligen Verfahren nach § 97 Abs. 2 i.V.m. § 83 Abs. 3 ArbGG angehört worden sind, sondern Wirkung gegenüber jedermann entfaltet, liegt in der Natur der Sache, da das Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG kollektiv-arbeitsrechtliche Angelegenheiten betrifft. Der subjektive Umfang der Rechtskraft erlaubt jedoch nicht - wie die Antragstellerin meint - den Schluss, die Entscheidungen des BAG zur Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft C. betreffe das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Insbesondere wird die Auffassung der Antragstellerin, dass die allgemeinverbindliche Wirkung der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen in den Verfahren nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG auch das Sozialversicherungsrecht beeinflusse und damit das Überordnungs-Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern und Arbeitgebern, vom beschließenden Gericht nicht geteilt. Die bei der Antragstellerin abhängig Beschäftigten unterlagen von jeher - auch vor der Entscheidung des BAG - der Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Was sich durch die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen geändert hat, ist die Höhe des geschuldeten Arbeitsentgeltes im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV, weil infolge der Unwirksamkeit des Tarifvertrages die vermeintlich verdrängte Vorschrift des § 10 Abs. 4 AÜG zum Tragen kam. Welches Arbeitsentgelt die Antragstellerin den bei ihr abhängig Beschäftigten schuldete, ist jedoch keine Frage eines öffentlich-rechtlichen Unter-Überordnungs-Verhältnisses. Unabhängig davon wären die Auswirkungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen in den Verfahren nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG auf das Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern und Arbeitgebern gerade nicht Teil des mit der Frage der Tariffähigkeit der Gewerkschaft C. verbundenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungsprogramms, sondern lediglich mittelbare Folge, also ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 31.08.2009 - 1 BvR 3275/07 - Juris Rn. 11 m.w.N.).
Der hier streitbefangenen Beitragsforderung stehen auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Soweit die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.11.1980 - BSGE 51, 31 ff) verweist, wonach bei einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung, diese aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht rückwirkend anzuwenden ist, wenn Beiträge für bestimmte Arbeitnehmerbezüge abzuführen wären, die nach der bisherigen Rechsprechung beitragsfrei waren, kann dieser Grundsatz im vorliegenden Fall keine Anwendung finden (Hessisches LSG, Beschluss vom 23.04.2012 - L 1 KR 95/12 B ER - Juris). Die Antragstellerin räumt selbst ein, dass mit der Entscheidung des BAG erstmals festgelegt worden sei, unter welchen Voraussetzungen eine Spitzenorganisation i.S.d. Tarifvertragsgesetzes tariffähig sei. Fehlen also ältere höchstrichterliche Entscheidungen, die die Tariffähigkeit der Gewerkschaft C. bejaht hatten bzw. unter gleichen Voraussetzungen die Tariffähigkeit eine Spitzenorganisation i.S.d. TVG bejaht hatten, dann stellt die Entscheidungen des BAG vom 14.12.2010 keine Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere nicht zum Beitragsrecht - dar. Die streitbefangenen Beitragsansprüche sind auch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach S. 2 dieser Vorschrift verjähren Beiträge in 30 Jahren, wenn sie vorsätzlich vorenthalten worden sind. Dies gilt auch dann, wenn der Vorsatz zu ihrer Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil vom 30.03.2000 - SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Für Vorsatz, wie ihn § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV voraussetzt, sind nach der Rechsprechung des Bundessozialgerichts (a. a. O. m.w.N.) das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Dabei reicht es für das Eingreifen der 30-jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Insoweit geht das beschließende Gericht mit dem Hessischen LSG (a. a. O.) davon aus, dass spätestens mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010, die umfangreich publiziert worden ist, die Antragstellerin davon ausgehen musste, dass die von der Gewerkschaft C. abgeschlossenen Tarifverträge keine Geltung haben, die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer also höhere Lohnansprüche haben und dementsprechend höhere Sozialversicherungsbeiträge zu leisten sind. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass die Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 auf Gegenwart und Zukunft beschränkt war, so dass insbesondere für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 keine Bösgläubigkeit habe entstehen können, vermag sich dem das beschließende Gericht nicht anzuschließen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin fehlt es nicht an der objektiven Fälligkeit an nachzufordernden Beiträgen für die Vergangenheit. Denn der mit der Gewerkschaft C. abgeschlossenen Tarifvertrag wurde nicht erst mit dem Beschluss des BAG vom 22.05.2012 (1 ABN 27/12) unwirksam. Die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG begründet oder beendet nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stellt die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur fest (BAG, Urteil vom 15.11.2006 – a. a. O.)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind Beitragsnachforderungen auf Basis eines Prüfbescheides nicht alleine deshalb rechtswidrig, wenn dieser Prüfbescheid Beitragszeiten betrifft, die bereits Gegenstand eines anderen, bereits bestandskräftigen Prüfbescheides waren. Davon wäre allenfalls dann auszugehen, wenn die Antragsgegnerin mit dem früheren Prüfbescheid bereits abschließend über die Beitragspflicht der Antragstellerin entschieden hätte ((vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 23.04 2012 – a. a. O. m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 10.09.1975 - Breithaupt 1976, 303 (305)).
Schließlich hat hier die Vollziehung für die Antragstellerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Eine solche liegt nur dann vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86a Rn. 27b m.w.N.). Allein die mit der Zahlung der Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer unbilligen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung der gesetzlich auferlegten Pflichten ist. Aus diesem Grund begründet auch die Höhe der hier streitbefangenen Beitragsforderung allein keine unbillige Härte. Auch die von der Antragstellerin beschriebene Belastung ihrer Liquidität über das vertretbare Maß hinaus, die die Antragstellerin mit einem Testat ihrer Wirtschaftsprüfer belegt hat, vermag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Prüfbescheid der Antragsgegnerin nicht zu rechtfertigen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches zur Vermeidung einer unbilligen Härte setzt voraus, dass nur durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die eine unbillige Härte darstellende wirtschaftliche Notlage zu verhindern ist (vgl. Seewald, SGb 2012, 253 (256) m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, da ausweislich des Testates der Wirtschaftsprüfer der Antragstellerin eine monatliche Ratenzahlung von 25.000EUR wirtschaftlich vertretbar erscheint und die Antragsgegnerin dem ausweislich ihrer Antragserwiderung nicht ablehnend gegenübersteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG, wobei die streitbefangene Beitragsforderung im Hinblick auf die Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes mit einem Viertel in Ansatz gebracht wurde.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 149.391,08 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der am 17.07.2012 gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11.07.2012 gegen den Prüfbescheid der Antragsgegnerin vom 02.07.2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchverfahrens einschließlich des sich anschließenden sozialgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens herzustellen,
hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1, S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, § 86a Abs. 1 S. 1 SGG. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten, wie dies bei dem hier streitbefangenen Bescheid vom 02.07.2012 der Fall ist. In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabe-oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, wie § 86a Abs. 3 S. 2 SGG bestimmt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86a Rn. 27a m.w.N. Im vorliegenden Fall hat das beschließende Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 02.07.2012. Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist § 28p Abs. 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB erfüllen und erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Für die Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Beiträge. Als Arbeitsentgelt gelten nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Daher ist die Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt, unabhängig von seiner arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit oder Durchsetzung. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass bei einer Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht das Entstehungsprinzip des § 22 Abs. 1 SGB IV Anwendung finden könne, sondern das Zuflussprinzip, kann dem nicht gefolgt werden. Infolge der Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft C. waren die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam (BAG, Urt. v. 15.11.2006 – NZA 2007, 448 (451)), so dass Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem aus dem Grundsatz der gleichen Entlohnung (§ 10 Abs. 4 AÜG) sich Ergebenden zu beurteilen sind (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R - BSGE 93, 119 (123)). Dass ein Arbeitgeber in Anwendung des Entstehungsprinzips erst nachträglich zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 11.9.2008 - NZS 2009, 209 (210)). Dass im vorliegenden Fall nicht von einer Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft C. ausgegangen werden könne, weil die entsprechende Entscheidung des Bundesarbeits-gerichts vom 14.12.2010 sowie die vorangegangenen Entscheidungen der arbeitsge-richtlichen Instanzen ihrerseits verfassungswidrig sind, so dass auch der angegriffene Prüfbescheid der Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, vermag das beschließende Gericht nicht zu sehen. Nach Auffassung der Antragstellerin ist Auslöser der Verfassungswidrigkeit die Missachtung des Grundsatzes des Gesetzes-vorbehaltes nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien der Wesentlichkeitstheorie. Danach fehle der Arbeitsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich die Kompetenz, die Begriffe Gewerkschaft oder Spitzenorganisation i.S. des § 2 TVG selbst näher zu definieren und damit die Grenzen des verfassungsrechtlich geschützten Kernbereichs des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit zu bestimmen. Demgegenüber hat das BVerfG, das sich schon wiederholt mit Entscheidungen des BAG zu befassen hatte, in denen das BAG die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition verneint hatte, betont, dass die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit befugt sind, die unbestimmten Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung des Tarifvertragsgesetzes im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG auszufüllen, also die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition näher zu umschreiben (BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - NJW 1982, 815 (816); Kammerbeschluss vom 16.09.1991 - 1 BvR 453/90 - Juris - jeweils m.w.N.). Insbesondere wird der Grundsatz, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat, durch das BAG nicht missachtet. Denn dieser Grundsatz gilt für das Verhältnis von Staat und Bürger. Die Feststellung der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation betrifft jedoch deren Verhältnis zu gleichgeordneten Grundrechtsträgern (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.09.1991 a. a. O.). Dass die Rechtskraft der Entscheidung über die Tariffähigkeit in subjektiver Hinsicht nicht nur die Personen und Stellen erfasst, die im jeweiligen Verfahren nach § 97 Abs. 2 i.V.m. § 83 Abs. 3 ArbGG angehört worden sind, sondern Wirkung gegenüber jedermann entfaltet, liegt in der Natur der Sache, da das Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG kollektiv-arbeitsrechtliche Angelegenheiten betrifft. Der subjektive Umfang der Rechtskraft erlaubt jedoch nicht - wie die Antragstellerin meint - den Schluss, die Entscheidungen des BAG zur Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft C. betreffe das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Insbesondere wird die Auffassung der Antragstellerin, dass die allgemeinverbindliche Wirkung der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen in den Verfahren nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG auch das Sozialversicherungsrecht beeinflusse und damit das Überordnungs-Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern und Arbeitgebern, vom beschließenden Gericht nicht geteilt. Die bei der Antragstellerin abhängig Beschäftigten unterlagen von jeher - auch vor der Entscheidung des BAG - der Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Was sich durch die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen geändert hat, ist die Höhe des geschuldeten Arbeitsentgeltes im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV, weil infolge der Unwirksamkeit des Tarifvertrages die vermeintlich verdrängte Vorschrift des § 10 Abs. 4 AÜG zum Tragen kam. Welches Arbeitsentgelt die Antragstellerin den bei ihr abhängig Beschäftigten schuldete, ist jedoch keine Frage eines öffentlich-rechtlichen Unter-Überordnungs-Verhältnisses. Unabhängig davon wären die Auswirkungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen in den Verfahren nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG auf das Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern und Arbeitgebern gerade nicht Teil des mit der Frage der Tariffähigkeit der Gewerkschaft C. verbundenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungsprogramms, sondern lediglich mittelbare Folge, also ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 31.08.2009 - 1 BvR 3275/07 - Juris Rn. 11 m.w.N.).
Der hier streitbefangenen Beitragsforderung stehen auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Soweit die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.11.1980 - BSGE 51, 31 ff) verweist, wonach bei einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung, diese aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht rückwirkend anzuwenden ist, wenn Beiträge für bestimmte Arbeitnehmerbezüge abzuführen wären, die nach der bisherigen Rechsprechung beitragsfrei waren, kann dieser Grundsatz im vorliegenden Fall keine Anwendung finden (Hessisches LSG, Beschluss vom 23.04.2012 - L 1 KR 95/12 B ER - Juris). Die Antragstellerin räumt selbst ein, dass mit der Entscheidung des BAG erstmals festgelegt worden sei, unter welchen Voraussetzungen eine Spitzenorganisation i.S.d. Tarifvertragsgesetzes tariffähig sei. Fehlen also ältere höchstrichterliche Entscheidungen, die die Tariffähigkeit der Gewerkschaft C. bejaht hatten bzw. unter gleichen Voraussetzungen die Tariffähigkeit eine Spitzenorganisation i.S.d. TVG bejaht hatten, dann stellt die Entscheidungen des BAG vom 14.12.2010 keine Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere nicht zum Beitragsrecht - dar. Die streitbefangenen Beitragsansprüche sind auch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach S. 2 dieser Vorschrift verjähren Beiträge in 30 Jahren, wenn sie vorsätzlich vorenthalten worden sind. Dies gilt auch dann, wenn der Vorsatz zu ihrer Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil vom 30.03.2000 - SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Für Vorsatz, wie ihn § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV voraussetzt, sind nach der Rechsprechung des Bundessozialgerichts (a. a. O. m.w.N.) das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Dabei reicht es für das Eingreifen der 30-jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Insoweit geht das beschließende Gericht mit dem Hessischen LSG (a. a. O.) davon aus, dass spätestens mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010, die umfangreich publiziert worden ist, die Antragstellerin davon ausgehen musste, dass die von der Gewerkschaft C. abgeschlossenen Tarifverträge keine Geltung haben, die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer also höhere Lohnansprüche haben und dementsprechend höhere Sozialversicherungsbeiträge zu leisten sind. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass die Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 auf Gegenwart und Zukunft beschränkt war, so dass insbesondere für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 keine Bösgläubigkeit habe entstehen können, vermag sich dem das beschließende Gericht nicht anzuschließen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin fehlt es nicht an der objektiven Fälligkeit an nachzufordernden Beiträgen für die Vergangenheit. Denn der mit der Gewerkschaft C. abgeschlossenen Tarifvertrag wurde nicht erst mit dem Beschluss des BAG vom 22.05.2012 (1 ABN 27/12) unwirksam. Die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG begründet oder beendet nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stellt die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur fest (BAG, Urteil vom 15.11.2006 – a. a. O.)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind Beitragsnachforderungen auf Basis eines Prüfbescheides nicht alleine deshalb rechtswidrig, wenn dieser Prüfbescheid Beitragszeiten betrifft, die bereits Gegenstand eines anderen, bereits bestandskräftigen Prüfbescheides waren. Davon wäre allenfalls dann auszugehen, wenn die Antragsgegnerin mit dem früheren Prüfbescheid bereits abschließend über die Beitragspflicht der Antragstellerin entschieden hätte ((vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 23.04 2012 – a. a. O. m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 10.09.1975 - Breithaupt 1976, 303 (305)).
Schließlich hat hier die Vollziehung für die Antragstellerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Eine solche liegt nur dann vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86a Rn. 27b m.w.N.). Allein die mit der Zahlung der Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer unbilligen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung der gesetzlich auferlegten Pflichten ist. Aus diesem Grund begründet auch die Höhe der hier streitbefangenen Beitragsforderung allein keine unbillige Härte. Auch die von der Antragstellerin beschriebene Belastung ihrer Liquidität über das vertretbare Maß hinaus, die die Antragstellerin mit einem Testat ihrer Wirtschaftsprüfer belegt hat, vermag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Prüfbescheid der Antragsgegnerin nicht zu rechtfertigen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches zur Vermeidung einer unbilligen Härte setzt voraus, dass nur durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die eine unbillige Härte darstellende wirtschaftliche Notlage zu verhindern ist (vgl. Seewald, SGb 2012, 253 (256) m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, da ausweislich des Testates der Wirtschaftsprüfer der Antragstellerin eine monatliche Ratenzahlung von 25.000EUR wirtschaftlich vertretbar erscheint und die Antragsgegnerin dem ausweislich ihrer Antragserwiderung nicht ablehnend gegenübersteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG, wobei die streitbefangene Beitragsforderung im Hinblick auf die Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes mit einem Viertel in Ansatz gebracht wurde.
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