L 8 AL 4795/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 2088/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4795/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 22.09.2008, hilfsweise ab 03.01.2009.

Der 1953 geborene Kläger bezog bis Februar 2004 Arbeitslosenhilfe. Dann meldete er sich aus dem Bezug ab und trat eine Stelle an der Universität W. an. Seine Wohnung in H. gab er vollständig auf. Im Anschluss an die Tätigkeit in W. zog der Kläger mitsamt seinen Möbeln nach B., Großbritannien, um. Dort war er in der Zeit vom 16.01.2006 bis 31.12.2007 an der Universität nach britischem Recht sozialversicherungspflichtig tätig. In der Folge verlängerte er seine Tätigkeit unentgeltlich und ohne Arbeitslosenversicherung bis 30.09.2008. In der Zeit vom 06.04.2008 bis 03.05.2008 bezog er Job Seekers Allowance von den britischen Behörden. Danach erhielt er keine Sozialleistungen in Großbritannien mehr.

Während seiner Tätigkeit in W. und B. übte der Kläger eine Dozententätigkeit auf Honorarbasis an der Universität M. aus. Die Lehrveranstaltung bot er als Blockveranstaltung in Blöcken von acht Tagen an. Während dieser Veranstaltungen übernachtete er im Gästehaus der Universität oder in Hotels. Sozialversicherungsbeiträge wurden für diese Tätigkeit nicht entrichtet. Wenn er in M. war, besuchte er auch H., wo er noch ein Archiv für Keilschrift betreute. Dort übernachtete er jeweils bei Bekannten. Entgelt wurde für diese Tätigkeit nicht bezahlt.

Am 04.08.2008 sprach er bei der Beklagten vor und erkundigte sich unter Vorlage eines entsprechenden Schreibens nach der Möglichkeit des Bezugs von Arbeitslosengeld. Dort wurde ihm erläutert, dass er für den Bezug von Arbeitslosengeld ein von den britischen Behörden ausgefülltes Formular E301 benötige und mindestens einen Tag sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt sein müsse.

Am 14.09.2008 zog der Kläger mit seinen Möbeln wieder nach Deutschland. Der Kläger übernachtete auch hier zunächst bei ehemaligen Kommilitonen bis er eine eigene Wohnung gefunden hatte. Die Möbel lagerte die Möbelspedition in dieser Zeit in H. ein.

Spätestens am 22.09.2008 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und wurde erneut auf die Notwendigkeit der Vorlage von E301 und einen Tag sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit in Deutschland hingewiesen. In der Zeit vom 16.09.2008 bis 22.12.2008 erhielt er Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Jobcenter H ...

Mit Schreiben vom Freitag, den 28.11.2008 teilte der Kläger dem Jobcenter H. mit, dass er am folgenden Sonntag nach Niedersachsen reisen werde, um sich um seine Mutter zu kümmern, die im Sterben liege. Dort blieb er bis zum 31.03.2009. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Sozialgericht Mannheim (S 6 AS 903/09) erklärte sich das Jobcenter H. als Träger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bereit, ihm Leistungen bis einschließlich 22.12.2008 zu zahlen.

Zum 01.01.2009 trat der Kläger eine Stelle im Labor seines Bruders mit einem Umfang von 20 Wochenstunden zu einem Bruttoentgelt von 1.000 EUR an, die er bis einschließlich April 2010 ausübte. Der Arbeitgeber führte Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung ab.

Mit Schreiben vom 02.02.2009 übersandte der Kläger eine Kopie des zwischenzeitlich bei ihm eingetroffenen Formulars E301 der britischen Behörden. Der Sachbearbeiter der Beklagten übersandte dem Kläger am 06.02.2009 folgendes E-Mail:

"Die Bescheinigung (Kopie) der E301 ist eingetroffen. Die E301 ist aber nicht unterschrieben!!! Ist eine Unterschrift auf dem Original? Wenn ja, bitte Original vorlegen, ansonsten veranlassen Sie bitte noch, dass die E301 auch unterschrieben wird. Ohne Unterschrift kann die E301 nicht verwertet werden.

Wie Frau K. Ihnen am 29.10.2008 tel. mitgeteilt hat, entsteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erst, wenn im Anschluss an die Auslandsbeschäftigung eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wurde. Es reicht also, die unterschriebene E301 einzureichen, wenn Sie danach auch versicherungspflichtig in Deutschland gearbeitet haben. Derzeit liegt (auch mit unterschriebener E301) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vor.

Beachten Sie auch, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld erst entstehen kann, wenn innerhalb einer Rahmenfrist von 2 Jahren vor der persönlichen Arbeitslosmeldung und Antragstellung Zeiten nachgewiesen werden können, die der Erfüllung eines Anspruchs dienen."

Der Kläger bat um Erläuterung dieses Mails. Er verstehe nicht, warum er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Schließlich habe er sich im August 2008 erkundigt und man habe ihm gesagt, dass es kein Problem sei Arbeitslosengeld zu beziehen.

Der Sachbearbeiter der Beklagten antwortete ihm noch im Februar 2009 wie folgt: "[ ] Die Zeiten einer Auslandsbeschäftigung, die mit E301 nachgewiesen wurden, können erst dann für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld dienen, wenn im Anschluss an die Auslandsbeschäftigung eine versicherungspflichtige Inlandsbeschäftigung ausgeübt wurde. Die Dauer dieser notwendigen Anschlussbeschäftigung in Deutschland ist egal, es muss sich nur um eine versicherungspflichtige Tätigkeit handeln (Arbeitnehmertätigkeit mit wöchentlicher Stundenzahl von mindestens 15 Stunden).

Zum Zeitpunkt der dann erneut zu erfolgenden Arbeitslosmeldung müssen dann innerhalb der letzten 2 Jahre mindestens 360 Tage Beschäftigungszeiten E301 und anschließende Beschäftigung in Deutschland liegen."

Auf dieses Mail antwortete der Kläger am 23.02.2009 per Mail, er habe etwas falsch verstanden, jetzt seien ihm die Voraussetzungen klar.

Im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Mannheim (S 13 AL 3211/10) um höheres Arbeitslosengeld ab 01.05.2010 machte der Kläger geltend, dass er zu Unrecht immer noch kein Arbeitslosengeld ab September 2008 erhalten habe. Die Höhe dieses Arbeitslosengelds sei auch ab 01.05.2010 relevant. Die Beklagte erklärte sich vergleichsweise bereit, nunmehr über einen Antrag auf Arbeitslosengeld ab September 2008 zu entscheiden.

Ausweislich der Niederschrift des Sozialgerichts vom 10.01.2011 schlossen die Beteiligten insofern folgenden Vergleich "1. Die Beteiligten einigen sich darauf, dass, soweit ein Ablehnungsbescheid bezüglich die Arbeitslosengeldbewilligung ab dem Zeitraum September/Oktober 2008 existiert, dieser gemäß § 44 SGB X überprüft wird, soweit kein Ablehnungsbescheid existiert, wird bei Nachweis des Antrags zum obigen Zeitpunkt mittels eines rechtsbehelfsfähigen Bescheids innerhalb von zwei Monaten entschieden. Diese Entscheidungsfrist bezieht sich auf den Zeitpunkt nach Eingang der Nachweise. [ ]"

Mit Bescheid vom 02.02.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 22.09.2008 ab, weil der Kläger in den letzten zwei Jahren vor diesem Tag weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und deshalb die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Zeiten in Großbritannien könnten nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht versicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.02.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, dass es ausreiche, dass er sofort nach seiner Rückkehr aus dem Vereinigten Königreich einen Antrag gestellt habe. Frau K. habe ihm gesagt, dass natürlich Arbeitslosengeld zu gewähren sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ausweislich eines Aktenvermerks sandte die Beklagte den Widerspruchsbescheid noch am gleichen Tag an den Kläger ab.

Dagegen erhob der Kläger am Pfingstdienstag, den 14.06.2011, Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), zu deren Begründung er vortrug, eine "Rechtsanwältin" der Beklagten habe ihm gesagt, er solle die Unterschrift unter das E301 fälschen. Das habe er aber nicht getan. Im weiteren Verlauf führte er aus, dass ihm im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens (S 13 AL 3211/10) vom Beklagtenvertreter zugesagt worden sei, man könne die Sache zu seinen Gunsten regeln. Das Widerspruchsschreiben habe sogar der zuständige Widerspruchssachbearbeiter für ihn verfasst. Nun habe er trotzdem eine Ablehnung erhalten. Das sei nicht richtig. Zur weiteren Begründung wendet er sich gegen Feststellungen betreffend seine Ortsabwesenheit im Dezember 2008. Die Beklagte [in ihrer Funktion als Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II] habe ihm damals die Leistungen gekürzt, weil er erst am 09.12.2008 eine Einladung zum 08.12.2008 erhalten habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20.09.2011 führte er weiter aus, dass man ihm gesagt habe, dass er einen Tag sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland und das E301 brauche. Vorher brauche er gar nicht zu kommen. Er hätte ohne Probleme eine Stelle für einen Tag bei einem Bekannten haben können. Er habe damit aber gewartet bis er das Formular E301 aus England erhalten habe. Dabei seien Verzögerungen eingetreten, weil er zunächst eine falsche Adresse in Großbritannien von der Beklagten erhalten habe.

Mit Urteil vom 20. September 2011 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld folge nicht bereits aus dem vor der 13. Kammer des SG am 10.01.2011 geschlossenen Vergleich, denn in diesem habe sich die Beklagte lediglich zu einer rechtsbehelfsfähigen Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld ab September 2008 verpflichtet. Auch aus anderen Gründen stehe dem Kläger kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab September 2008 zu, weil es an der Anwartschaftszeit fehle. Das Versicherungspflichtverhältnis in Großbritannien helfe auch unter Anwendung von Art. 67 ff. EWG-Verordnung (EWGV) 1408/71 nicht weiter, weil der Kläger danach nicht wenigstens einen Tag in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Gegen das ihm am 15.10.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.11.2011 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren wiederholt hat. Ihm komme es darauf an, dass er von der Beklagten nicht richtig informiert worden sei. Er habe insbesondere das Mail vom 06.02.2009 so verstanden, dass er erst das Formular E301 habe vorlegen müssen, dann einen Tag in Deutschland habe arbeiten müssen und dann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe. Die Beklagte hätte ihm sagen müssen, dass er gleich in Deutschland hätte arbeiten müssen. Außerdem hätte er seine Tätigkeit im Labor seines Bruders sofort aufgegeben, wenn er einen Arbeitslosengeldanspruch gehabt hätte, denn von dem dort erzielten Entgelt habe er nicht leben können. Auch bestehe ein Zusammenhang mit den Vorgängen um seine Ortsabwesenheit ab Dezember 2008. Da seien ihm Einladungen zu spät geschickt worden.

Frau K. von der Beklagten habe ihm am 04.08.2008 zugesichert, dass er im Fall des rechtzeitigen Eintreffens des E301 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Es sei ein Gespräch mit Herrn B. vereinbart gewesen. Das habe er aber verschoben, weil er erst seine Wohnung in Großbritannien habe auflösen müssen. Er bitte seit 15.09.2008 um das ihm zustehende Geld.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2011 sowie den Bescheid vom 02.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 22.09. bis 21.12.2008 Arbeitslosengeld zu gewähren, hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 03.01.2009 bis 26.05.2009 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide. Das mit der Berufung angefochtene Urteil sei zutreffend. Sie hat unstreitig gestellt, dass es auf den Zeitpunkt des Zugangs des E301 bei der Beklagten nicht ankommt.

Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 15.08.2012 erörtert. Betreffend den Inhalt der Erörterung wird auf die Niederschrift über den Termin vom 15.08.2012 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts im hiesigen Verfahren sowie die Akten des Sozialgerichts aus den Rechtsstreiten S 13 AL 3211/10 und S 6 AS 903/09 beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Kläger ist zulässig, aber unbegründet.

A) Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, § 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Widerspruchsbescheid vom 09.05.2011 wurde dem Kläger gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) drei Tage nach seiner Aufgabe zur Post, mithin am 12.05.2011 bekanntgegeben. Die Klagefrist lief deshalb bis Sonntag, den 12.06.2011 und verlängerte sich infolge des gesetzlichen Feiertags am 13.06.2011 (Pfingstmontag) bis 14.06.2011. An diesem Tag ging die Klage (fristgerecht) beim Sozialgericht ein.

B) Die Klage ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.

I. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet.

1. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, steht dem Kläger kein Anspruch auf Arbeitslosengeld aus dem Vergleich vom 10.01.2011 oder auf Gewährung desselben aus Zusicherung zu. Der Senat nimmt insofern auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.

2. Dem Kläger steht auch sonst kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 22.09.2008 zu. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier noch anzuwendenden bis 31.03.2012 geltenden Fassung (a.F.) setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Die Anwartschaftszeit hat nach § 123 Abs. 1 SGB III a.F. erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 SGB III zwei Jahre gerechnet bis zu dem Tag, an dem die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 118 SGB III a.F., namentlich die Arbeitslosmeldung und die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 119 SGB III a.F. erfüllt sind. In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen nach § 24 Abs. 1 SGB III Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Die Vorschriften über die Versicherungspflicht geltend nach § 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für alle Personen, die im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs beschäftigt sind. Der räumliche Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs beschränkt sich auf die Bundesrepublik Deutschland.

Der Kläger war in der Zeit vom 22.09.2006 bis 21.09.2008 (Rahmenfrist) nicht im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs beschäftigt, vielmehr war er seit mindestens März 2004 nicht mehr in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er war auch nicht aus sonstigen Gründen in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert. Insbesondere erfüllen die Tätigkeit bei der Universität M. und die Betreuung des Keilschriftarchivs in H. nicht die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach §§ 25 f. SGB III.

3. Dem Kläger steht auch unter Anwendung des europäischen Kollisionsrechts, namentlich der auf den hier vorliegenden Sachverhalt noch anzuwendenden Verordnung (EWG) 1408/71 (EWGV 1408/71) kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 22.09.2008 zu, wie das SG zutreffend ausgeführt hat.

a) Zunächst steht dem Kläger kein aufrechterhaltener Anspruch nach Art. 69 Abs. 1 EWGV 1408/71 zu. Nach dieser Vorschrift kann ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer seinen Anspruch gegen den zuständigen Träger für die Dauer von höchstens drei Monaten behalten, wenn er sich in einen anderen EU-Mitgliedstaat begibt, um Arbeit zu suchen. Diese Voraussetzungen liegen hier erkennbar nicht vor, denn der Kläger war in Großbritannien nicht arbeitslos und erhielt vor Rückkehr in die Bundesrepublik auch keine Leistungen der Sozialleistungsträger in Großbritannien, die aufrechterhalten werden konnten. Entsprechend bescheinigte die britische Behörde auch im Formular E301 "not entitled" (nicht berechtigt) nach Art. 69 Abs. 1 EWGV 1408/71.

b) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 22.09.2008 unter Anwendung des Art. 71 EWGV 1408/71 zu, denn diese Vorschrift setzt voraus, dass die das Arbeitslosengeld begehrende Person während ihrer versicherungspflichtigen Tätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Staat gewohnt hat. Der Kläger müsste also während seiner Tätigkeit in B. in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt haben. Das ist erkennbar nicht der Fall. Der Kläger hat auf Nachfrage im Erörterungstermin am 15.08.2012 bestätigt, dass er seine Wohnung in H. vollständig aufgelöst und seine Möbel zunächst nach W., dann nach B. geschafft hat und sich auch nur besuchsweise in M. bzw. H. aufgehalten hat. Diese Besuchsaufenthalte erfüllen erkennbar nicht die Voraussetzungen des Wohnorts im Sinne des Art. 1 lit. h EWGV 1408/71.

c) Schließlich steht dem Kläger auch unter Anwendung von Art. 67 Abs. 1 EWGV 1408/71 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 22.09.2008 zu. Nach dieser Vorschrift müssen die Versicherungszeiten in Großbritannien bei der Ermittlung der Anwartschaftszeit nach § 123 SGB III a.F. berücksichtigt werden. Nach Art. 67 Abs. 3 EWGV 1408/71 setzt die Berücksichtigung dieser Zeiten jedoch voraus, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden. Das bedeutet auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt, dass der Kläger unmittelbar vor der Arbeitslosmeldung in Deutschland und der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 118 SGB III a.F. Versicherungszeiten in Deutschland (ggfs. unter Anwendung der Grenzgänger-Regelung) zurückgelegt haben musste. Das ist erkennbar nicht der Fall und wird vom Kläger auch nicht behauptet.

4. Schließlich ist der Kläger auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen als wäre er vor dem 22.09.2008 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Es ist bereits zweifelhaft, ob über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überhaupt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sonstige Sozialversicherungspflicht im Sinne des § 25 SGB III fingiert werden kann.

Jedenfalls fehlt es aber an einem Beratungsfehler der Beklagten, § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Der Kläger hat insofern vorgetragen, die Beklagte habe ihm gesagt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Deutschland kein Problem sei. Die Beklagte habe ihm durchgehend das gesagt, was auch im E-Mail vom 06.02.2009 gestanden habe. Aus dem in den Akten abgelegten E-Mail ist ein Beratungsfehler der Beklagten aber nicht erkennbar. Die Beklagte hat dem Kläger dort erläutert, dass im Anschluss an die Auslandsbeschäftigung (nicht: im Anschluss an die Vorlage des E301) eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt werden musste. Zwar ist dieser Hinweis insofern nicht ganz richtig, als auch eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Grenzgänger nach Art. 71 EWGV 1408/71 den Arbeitslosengeldanspruch gegebenenfalls auslösen konnte. Der Kläger hat aber insofern nichts vorgetragen, das darauf hinweisen könnte, dass dieser Hinweis der Beklagten ihn davon abgehalten hat, unter Aufrechterhaltung seines Wohnsitzes in Deutschland einer Tätigkeit als Grenzgänger nachzugehen.

Auch das später im E-Mail verwendete Wort "danach" war nicht geeignet, den Kläger "auf die falsche Fährte zu locken". Aus dem Zusammenhang mit dem vorher verwandten Begriff "im Anschluss an die Beschäftigung" war klar zu erkennen, dass die Beklagte keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in Deutschland nach Vorlage des E301 sondern nach der Rückkehr nach Deutschland verlangte. Dafür spricht auch, dass die Beklagte insofern mitteilte, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung die Vorlage des E301 reiche, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auszulösen. Der Kläger wusste auch um die Voraussetzung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland, denn er hat selbst mehrfach angegeben, dass die Beklagte ihm immer diese Angaben gemacht habe. Dem entspricht auch sein Vortrag in den verschiedenen Klageverfahren, dass er eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei Freunden hätte ausüben können. Denn das zeigt, dass ihm bewusst war, dass er derzeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte, weil es an einer versicherungspflichtigen Zwischenbeschäftigung in Deutschland fehlte.

Auf Nachfrage des Klägers hat die Beklagte die notwendige zeitliche Reihenfolge im weiteren Mail vom Februar 2009 unzweideutig noch einmal erläutert. Dieses Mail hat der Kläger offensichtlich erhalten, denn er hat darauf geantwortet.

Dass der Kläger die Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs dennoch falsch verstanden hat, kann nicht der Beklagten angelastet werden. Nicht jedes Missverständnis seitens einer die Leistung begehrenden Person führt nämlich zu einem Beratungsfehler des Sozialleistungsträgers. Erst wenn der Sozialleistungsträger erkennen musste, dass der Betroffene die Beratung nicht richtig verstanden hatte, ist er gehalten eventuelle Missverständnisse auszuräumen. Der Kläger hat sich offenbar im Oktober 2008 bei der Beklagten telefonisch gemeldet. Dort wurden ihm die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erläutert. Die telefonische Erläuterung entsprach nach den Angaben des Klägers im Erörterungstermin vom 15.08.2012 dem Inhalt des Mails vom 06.02.2008, war also zutreffend.

Nachdem in Folge des Mails vom 06.02.2009 offenbar immer noch Unklarheiten herrschten und der Kläger noch einmal nachfragte, genügte die Beklagte ihren Beratungspflichten mit dem weiteren Mail vom Februar 2009.

Ein Beratungsfehler ist deshalb nicht erkennbar.

Die Klage war deshalb im Hauptantrag abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Klage hat auch im Hilfsantrag keinen Erfolg.

1. Dem Kläger steht auch ab 03.01.2009 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Unabhängig von der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt die Anwartschaftszeit im Sinne des § 123 SGB III a.F. erfüllt war, fehlt es ab 03.01.2009 zumindest an der Arbeitslosigkeit als weitere Voraussetzung des § 118 Abs. 1 SGB III a.F. Arbeitslos ist nach § 119 Abs. 1 SGB III a.F. wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Nr. 1), den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit, Nr. 3) und sich bemüht die Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 2).

a) Der Kläger war ab 03.01.2009 nicht beschäftigungslos. Die Beschäftigungslosigkeit ist nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F. nicht ausgeschlossen, wenn die ausgeübte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Die zum 01.01.2009 begründete Tätigkeit des Klägers bei seinem Bruder umfasste nach dem Arbeitsvertrag aber 20 Stunden wöchentlich, so dass er nicht beschäftigungslos war.

b) Der Kläger war ab 03.01.2009 darüber hinaus auch nicht verfügbar. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 119 Abs. 5 SGB III a.F. zur Verfügung, wer u.a. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Der Kläger hielt sich nach seinen Angaben im Erörterungstermin vom 26.05.2009 zum Rechtsstreit S 6 AS 903/09 seit mindestens Anfang Dezember 2008 bis einschließlich 31.03.2009 in Niedersachsen auf. Eine genaue Anschrift gab er nicht an. Er war insofern nicht in der Lage, Vorschlägen der zuständigen Agentur für Arbeit H. zeit- und vor allem ortsnah Folge zu leisten.

c) Schließlich stand dem Kläger auch nicht wenigstens ab 01.04.2009 Arbeitslosengeld zu. Es fehlte auch insofern an der Beschäftigungslosigkeit. Selbst wenn der Kläger neben seiner Tätigkeit bei seinem Bruder verfügbar im Sinne des § 119 Abs. 5 SGB III a.F. war, fehlte es an der nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. notwendigen persönlichen Arbeitslosmeldung, denn die frühere Arbeitslosmeldung war durch die lange Ortsabwesenheit des Klägers nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. erloschen.

2. Der Kläger hat auch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keinen Anspruch darauf so gestellt zu werden als wäre er ab 03.01.2009 arbeitslos oder jedenfalls ab 01.04.2009 verfügbar und arbeitslos gemeldet gewesen.

a) Es ist bereits zweifelhaft, ob über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der Kläger so gestellt werden kann als wäre der beschäftigungslos gewesen. Jedenfalls fehlt es auch insofern an einer Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten, denn die Beklagte hat dem Kläger die Voraussetzungen eines Arbeitslosengeldanspruchs zutreffend erläutert. Jedenfalls kann der Kläger ab 03.01.2009 nicht so gestellt werden als sei er auch verfügbar gewesen, denn insofern hatte die Beklagte weder eine Veranlassung den Kläger zu beraten noch beriet sie ihn unzutreffend. Vielmehr wusste der Kläger aufgrund der Geschehnisse um seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, dass die Ortsabwesenheit Einfluss auf seine Sozialleistungsansprüche hatte. Eine weitergehende Beratung durch die Beklagte war weder notwendig noch zielführend.

b) Weiterhin kann der Kläger auch nicht ab 01.04.2009 so gestellt werden als wäre er beschäftigungslos gewesen. Insofern fehlt es an der Möglichkeit einer entsprechenden Fiktion über die Regeln eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Weiterhin fehlt es an einem Beratungsfehler der Beklagten. Es fehlt darüber hinaus an einer erneuten Arbeitslosmeldung des Klägers, die ebenfalls nicht über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden kann (Brand in: Niesel/Brand, Kommentar zum SGB III, 5. Aufl. § 122 Rn. 5 mwN), und schließlich auch an einem ursächlichen Zusammenhang der vom Kläger angenommenen Beratungspflichtverletzung im August bzw. Oktober 2008 und seinem Fehlen von Arbeitslosigkeit im April 2009. Der Kläger hat insofern vorgetragen, dass er seine Tätigkeit bei seinem Bruder sofort aufgegeben hätte, wenn er gewusst hätte, dass er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Spätestens seit 23.02.2009 kannte der Kläger aber alle Voraussetzungen für seinen Arbeitslosengeldanspruch. Dennoch hat er die Tätigkeit bei seinem Bruder nicht aufgegeben.

3. Die Klage war deshalb auch im Hilfsantrag abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen.

C) Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

D) Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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