L 5 RS 140/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 33 RS 1822/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 140/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - sachliche Voraussetzung -
ingenieurtechnische Beschäftigung - Tätigkeit als vorläufiger kaufmännischer Leiter - Ingenieurtitel in der Fachrichtung Technologie des Hochbaus

1. Die sachliche Voraussetzung einer fingierten Versorgungsanwartschaft liegt vor, wenn der Versicherte - ausgehend von der erworbenen Berufsbezeichnung - im Schwerpunkt eine Tätigkeit ausübt, die dieser Berufsbezeichnung und dem Berufsbild entspricht, das durch die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse,
Fähigkeiten und Fertigkeiten geprägt wird.

2. Indizien zur Beurteilung der Frage, ob die konkrete Berufstätigkeit überwiegend dem typischen in der Ausbildung vermittelten Berufsbild entspricht, können auch die in DDR-Kompendien beschriebenen Einsatzmöglichkeiten der konkreten Ingenieurausbildung sein.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten, weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form jährlicher Jahresendprämien festzustellen, wobei die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Rechtswidrigkeit der bereits anerkannten Zeiten feststellte.

Der Kläger ist, nach einem Ingenieurschulstudium von September 1956 bis Juli 1960 in der Fachrichtung "Technologie des Hochbaus" an der Ingenieurschule für Bauwesen G , seit 15. Juli 1960 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 12. September 1960 bis 31. Dezember 1964 als Bauleiter und Bauingenieur beim volkseigenen Betrieb (VEB) Bau (K) M , vom 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1979 als Bauingenieur, Leiter Technik, Haupttechnologe, Komplexbauleiter im VEB (B) Baukombinat D , vom 1. Januar 1980 bis 30. Mai 1990 als Technologe und Planungsleiter im VEB Wohnungsbau M sowie vom 1. Juni 1990 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als vorläufiger kaufmännischer Leiter in der M Ingenieurbau GmbH in Gründung (i.G.) beschäftigt. Er war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Mit Bescheid vom 23. September 1999 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten vom 12. September 1960 bis 30. Juni 1990, mit Ausnahme des Zeitraumes vom 10. September 1974 bis 3. November 1974, als Zeiten der Zusatzversorgung im Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte fest.

Auf den Überprüfungsantrag des Klägers vom 4. September 2007, mit dem dieser die Einbeziehung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien begehrte, verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 2009 die Ablehnung der geltend gemachten zusätzlichen Arbeitsentgelte für Jahresendprämien und stellte die Nichtanwendbarkeit von § 1 AAÜG sowie die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. September 1999 fest, weil keine Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz im Zeitraum vom 12. September 1960 bis 30. Juni 1990 anzuerkennen gewesen wären. Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG würden nicht vorliegen. Der Kläger erfülle die betriebliche Voraussetzung für eine fingierte Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz am 30. Juni 1990 nicht, da er ab 1. Juni 1990 bei der M Ingenieurbau GmbH i.G. und nicht in einem volkseigenen oder diesen gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Der Bescheid vom 23. September 1999 sei fehlerhaft begünstigend und von Anfang an rechtswidrig gewesen. Er könne jedoch nicht zurückgenommen werden, daher verbleibe es bei den rechtswidrigen Feststellungen. Weitere Rechte, über die bestehende Rechtswidrigkeit hinaus, ergäben sich nicht. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 11. Juni 2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2009 zurück.

Die am 13. Oktober 2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 17. Februar 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung höherer Arbeitsentgelte nach dem AAÜG wegen des Bezugs entsprechender Jahresendprämien, weil er keinen Anspruch auf fingierte Zusatzversorgungsanwartschaften habe. Er erfülle am Stichtag, dem 30. Juni 1990, zwar die persönliche Voraussetzung, weil er den Titel Ingenieur habe führen dürfen. Er erfülle zum anderen auch die betriebliche Voraussetzung, weil die Deutsche Demokratische Republik (DDR) das bundesrechtlich richterlich fortgeschriebene Rechtsinstitut der Vorgesellschaft nicht gekannt habe. Deshalb sei der Kläger - unabhängig vom Inhalt des Arbeitsvertrages - zum 30. Juni 1990 noch Mitarbeiter des VEB gewesen. Der Kläger erfülle aber nicht die sachliche Voraussetzung, weil er am 30. Juni 1990 als kaufmännischer Leiter und somit nicht ingenieurtechnisch tätig gewesen sei. Damit sei das AAÜG auf den Kläger insgesamt nicht anwendbar und er habe keinen Anspruch auf Feststellung höherer Arbeitsentgelte wegen des dargelegten Bezugs von Jahresendprämien. Selbst wenn das AAÜG auf den Kläger anwendbar gewesen wäre, hätte er den Bezug entsprechender Jahresendprämien in konkreter Höhe weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht, da die entsprechenden Ermittlungen des Gerichts erfolglos geblieben seien.

Gegen das am 23. Februar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. März 2012 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Der Rechtsstreit sei jahrelang darum gegangen, ob er am 30. Juni 1990 in einem VEB gearbeitet habe. Neu und überraschend sei für ihn gewesen, dass es im Urteil nun um die sachliche Voraussetzung gegangen sei, obwohl das Sozialgericht mit Schreiben vom 9. November 2011 der Rechtsauffassung der Beklagten nicht habe folgen wollen. Alle Betriebe der DDR seien verpflichtet gewesen bis 30. Juni 1990 ihr Vermögen auf einen Rechtsnachfolger zu übertragen. Der VEB Wohnungsbau M habe den Termin nicht eingehalten, weshalb am 9. Juli 1990 eine Umwandlung nach dem Treuhandgesetz erfolgt sei. Im VEB seien die kaufmännischen Aufgaben durch den Hauptbuchhalter und den Direktor für Ökonomie getätigt worden. Das gesamte Zahlenwerk des VEB sei Grundlage für die Teilung in zwei GmbH´s gewesen. Am 30. Juni 1990 sei er dem Direktor für Technik unterstellt gewesen und Leiter der allgemeinen Planung im Rahmen der Produktionsvorbereitung gewesen. Als vorläufiger kaufmännischer Leiter habe er seine Tätigkeit erst im Laufe des Monats Juli 1990 aufnehmen können.

Der Kläger beantragt – sinngemäß –,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2009 zu verurteilen, den Bescheid vom 23. September 1999 abzuändern und Jahresendprämien für den Zeitraum von 1960 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der festgestellten Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Das Gericht hat das Ingenieurzeugnis des Klägers vom 15. Juli 1960 sowie Auszüge aus dem Kompendium "Berufe der ehemaligen DDR Band 7 - Fachschulberufe" beigezogen.

Mit Schriftsätzen vom 5. und 9. Juli 2012 haben die Beteiligen jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2009 ist rechtmäßig, weil mit dem Feststellungsbescheid vom 23. September 1999 zu Unrecht die Beschäftigungszeiten vom 12. September 1960 bis 9. September 1974 sowie vom 4. November 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte festgestellt worden sind. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Feststellung weiterer, höherer Entgelte in Form der geltend gemachten Jahresendprämien. Zutreffend hat die Beklagte, aus Anlass des Überprüfungsantrages des Klägers vom 4. September 2007, die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23. September 1999 überprüft und ist dabei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass mit diesem Bescheid das Recht unrichtig angewandt worden ist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]), weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Beschäftigungszeiten als Zeiten der fiktiven Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) und auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte hat.

Hinsichtlich der Rechtsgrundlage und der Herleitung des Anspruchs auf Feststellung fingierter Zusatzversorgungsanwartschaften wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Dresden im angefochtenen Urteil vom 17. Februar 2012 Bezug und von einer weiteren Begründung Abstand genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen sind lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum vom 12. September 1960 bis 30. Juni 1990 nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft im Sinne der vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2 S. 14; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 3 S. 20; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 5 S. 33; BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 6 S. 40; BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 7 S. 60; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 8 S. 74; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, Rn. 22-36; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, Rn. 15-31; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, Rn. 15-31; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, Rn. 15-31), weil er am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. Er erfüllte an diesem Stichtag die sachliche Voraussetzung für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht.

Im Hinblick auf die sachliche Voraussetzung einer fiktiven Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung entsprechend der maßgebenden Sachlage am 30. Juni 1990 nach der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844) kommt es nach der neueren und konkretisierenden Rechtsprechung des BSG darauf an, ob ein Ingenieur seiner Berufsausbildung entsprechend oder aber berufsfremd eingesetzt war (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, Rn. 25 und 26; BSG, Beschluss vom 24. April 2008 - B 4 RS 10/08 B - amtlicher Umdruck, Rn. 5). Mit der sachlichen Voraussetzung einer fingierten Versorgungsanwartschaft soll eine Einschränkung der Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung nämlich in den Fällen erreicht werden, in denen Versicherte mit förmlichem Berufsabschluss im Sinne des § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: 2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. I Nr. 62 S. 487) in einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb "fachfremd" eingesetzt waren (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 43). Dabei geht das BSG – entgegen einer gelegentlich in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. dazu ausdrücklich: Lindner, RV 2011, 101, 103) – nicht von einer großzügigen Betrachtungsweise aus. Es entspricht nicht dieser Rechtsprechung, dass zur Erfüllung der sachlichen Voraussetzung ausreichen würde, eine Tätigkeit verrichtet zu haben, die üblicherweise dem Qualifikationsniveau von Fach- und Hochschulabsolventen entspricht, weil die fiktive Einbeziehung in den Anwendungsbereich der AVItech keine Belohnung oder Honorierung für Tätigkeiten darstellt, die von qualifizierten Mitarbeitern in qualifizierter Position, gleich welcher Art verrichtet wurde.

Ebenso wenig entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung wenn gelegentlich behauptet wird (vgl. dazu inzident: Lindner, RV 2011, 101, 102), das BSG habe die sachliche Voraussetzung für Tätigkeiten, die dem leitungs- und produktionssichernden Bereich zuzuordnen seien, als erfüllt angesehen. Ausgehend davon, dass in den Betrieben der DDR die Arbeitsbereiche durch die Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 10. Dezember 1974 (GBl. 1975 I Nr. 1 S. 1) fest definiert waren, hat das BSG lediglich hervorgehoben, dass aus der Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie nicht geschlossen werden kann, eine dem Beruf des Ingenieurs entsprechende Tätigkeit sei nur ausgeübt worden, wenn der Betreffende in den Arbeitsbereichen "Produktionsdurchführung", "Produktionshilfe" und "Produktionsvorbereitung" eingesetzt war (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 43). Es hat – daran anknüpfend – außerdem lediglich weiterhin ausgeführt, dass auch Tätigkeiten in leitungs- und produktionssichernden Bereichen, bei Beschaffung und Absatz sowie bei der Betriebssicherheit der Qualifikation eines der in § 1 Abs. 1 der 2. DB genannten Berufe entsprechen "kann" (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 43). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich aber weder pauschal danach, in welchem Bereich ein Ingenieur eingesetzt war, noch pauschal danach, ob eine vermeintlich großzügige Betrachtungsweise geboten sei, sondern ausschließlich danach, ob der Versicherte – von der erworbenen Berufsbezeichnung im Sinne der 2. DB ausgehend – im Schwerpunkt eine dieser Berufsbezeichnung und einem durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, Rn. 25; BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 44). Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf im Sinne des § 1 Abs. 1 der 2. DB erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung regelmäßig erfüllt; während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremdem Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 44 mit Verweis auf: BSG, Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 47/05 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 12, S. 60, S. 63, Rn. 19 und BSG, Urteil vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 117/00 R - SozR 3-8570 § 5 AAÜG Nr. 6 S. 30, S. 41). So hatte das BSG bereits in dem Urteil vom 31. März 2004 (- B 4 RA 31/03 R - JURIS-Dokument, Rn. 9) unter Bezugnahme auf die "Präambel" der VO-AVItech und den in § 1 Abs. 1 der 2. DB aufgeführten Personenkreis dargelegt, dass Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung nur dann erfüllten, wenn entsprechend ihrem Berufsbild der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag, diese Tätigkeiten somit die Aufgabenerfüllung geprägt hatten. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, z.B. im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig (= überwiegend) entsprechend ihrem Berufsbild tätig; im Ergebnis waren sie in einem solchen Fall berufsfremd eingesetzt (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, Rn. 24; BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 2/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 18). Entscheidend ist daher ausschließlich, ob der Ingenieur im Wesentlichen eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 2/07 R - JURIS-Dokument, Rn. 19), zumal der maßgebliche Schwerpunkt der zum Stichtag 30. Juni 1990 ausgeübten Tätigkeit von dem organisatorischen Arbeitsbereich, in dem diese Tätigkeit innerhalb des Betriebes verrichtet wurde, zu unterscheiden ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, Rn. 26).

Dies trifft im Fall des Klägers, der ab 1. Juni 1990 als vorläufiger kaufmännischer Leiter beschäftigt war, und der in der Zeit vom 1. September 1956 bis 15. Juli 1960 ein Ingenieurstudium in der Fachrichtung "Technologie des Hochbaus" an der Ingenieurschule für Bauwesen in G absolvierte und durch den erfolgreichen Abschluss dieses Fachschulstudiums das Recht zuerkannt erhielt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, nicht zu.

Denn der Vergleich der vom Kläger – am Stichtag 30. Juni 1990 – verrichteten Tätigkeiten mit den im Fachschulstudium erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten zeigt, dass beide Bereiche keine Schnittmenge aufweisen:

Dass die tatsächliche Arbeitsaufgabe des Klägers ab 1. Juni 1990 in der Funktion als vorläufiger kaufmännischer Leiter bestand, folgt dabei aus den eigenen Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Klageverfahren sowie aus dem von ihm vorgelegten Arbeitsvertrag vom 2. Juli 1990, der die Arbeitsaufgabe ab 1. Juni 1990 beschreibt. Insofern ist sein Vortrag im Berufungsverfahren, er habe seine Tätigkeit als vorläufiger kaufmännischer Leiter erst im Lauf des Monats Juli 1990 aufnehmen können, nicht glaubhaft und durch die eigenen Bekundungen und schriftlichen Unterlagen im Verfahren widerlegt. Entsprechend des Arbeitsvertrages war er bereits ab 1. Juni 1990 in der M Ingenieurbau GmbH, die sich zum damaligen Zeitpunkt in Gründung befand, mit der Wahrnehmung der Aufgaben aus dem bisherigen Funktionsbereich als Planungsleiter zur Bestätigung der Abschlussbilanz und zur Fertigstellung der Eröffnungsbilanz für die GmbH tätig und hatte die Aufgaben der sich in Gründung befindlichen GmbH vorläufig wahrzunehmen (vgl. Blatt 23 der Verwaltungsakte sowie Blatt 25 der Gerichtsakte). Auch im von ihm eingereichten "Zusatzfragebogen zum Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften" vom 26. Juni 2008 führte er aus, dass er in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis 1991 die Tätigkeit als kaufmännischer Leiter ausübte. Er beschrieb den Inhalt seiner Tätigkeit mit "Finanzen, Rechnungen, Kredite, Bilanzen". Auch im Schriftsatz vom 9. Dezember 2009 (Blatt 24 bis 25 der Gerichtsakte) hat er ausgeführt, dass er am 1. Juni 1990 als vorläufiger kaufmännischer Leiter für den Teilbereich Tiefbau berufen wurde und Ziel seiner Tätigkeit in dieser Funktion die gerechte Teilung und Erstellung der Abschlussbilanz war.

Sowohl die Ausbildungsziele und -inhalte, als auch die daraus resultierenden späteren Einsatzmöglichkeiten des Ingenieurstudiums des Klägers in der Fachrichtung Technologie des Hochbaus, wie sie sich aus dem vom Gericht im Berufungsverfahren beigezogenen Auszug aus dem Kompendium "Berufe der ehemaligen DDR - Band 7 - Fachschulberufe", auf Seite 144 zum Berufsbild des Bauingenieurs in der Fachrichtung Hochbau ergeben, zeigen, dass das Studium die technologischen und technischen Grundlagen zur Verrichtung eines ingenieurtechnischen Berufes vermittelte und nicht die Befähigung zur Ausübung von kaufmännischen, buchhalterischen und bilanzierungsrechtlichen Tätigkeiten in betriebs- oder verwaltungsorganisatorischen Bereichen verlieh. Ausbildungsinhalte und Ausbildungsziele des Ingenieurstudiums des Klägers waren ausweislich des vorbezeichneten Kompendiums die Vermittlung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten in folgenden Bereichen: - Vorbereitung und planmäßige Durchführung von Bauvorhaben der Industrie, insbesondere für die Energiewirtschaft und chemische Industrie, - Schaffung von baulichen Voraussetzungen für die Intensivierung der Industrieproduktion durch die sozialistische Rationalisierung, - Verbesserung der Wohnverhältnisse der Bevölkerung durch Neubau, Modernisierung, Um- und Ausbau vorhandener Wohnungen sowie Bau der zugehörigen Gemeinschaftseinrichtungen und Versorgungsanlagen und Steigerung der Baureparaturleistungen, - Untersuchung von Industrie-, Wohnungs- und Gesellschaftsbauten, Hochbauwerken im Bereich von Verkehr, Versorgung und Wasserwirtschaft, - Um- und Ausbau sowie Erhaltungsmaßnahmen in Erzeugnissen des Hochbaus hinsichtlich ihrer Funktion, Konstruktion und Technologie auf der Grundlage von ökonomischen Materialeinsatz, festigkeits- und funktionsgerechtem Gestalten und Bemessen und rationeller Gestaltung von Bau- und Montageprozessen, - Kenntnisse über die grundlegenden Anforderungen an Hochbaukonstruktionen, Darstellungstechnik und Ausbildung räumlicher Gebilde in den Zeichenebenen sowie bauphysikalische Grundlagen, - Anwendung der Maßordnung, Darstellung von Baukonstruktionen und technische Lösung von Problemen des Wärme-, Feuchtigkeits-, Brand- und Schallschutzes, - Fertigkeiten in der Zeichentechnik, in rechnerischen Nachweisen der für den Wärmeschutz erforderlichen Konstruktionen und im Aufstellen einer brandschutztechnischen Berechnung, - Wissen über Bauwerksteilkonstruktionen (unter besonderer Beachtung des leichten ökonomischen Bauens-), die Umsetzung funktioneller Forderungen in konstruktive Lösungen, Toleranz- und Fassungsprobleme und Grundlagen der Passtechnik, Bauwerkskonstruktionen im Hochbau und in Gebäudekonstruktionen, - Bearbeiten aller konstruktiven Fragen sowohl am Bauelement, am Bauwerksteil als auch am Bauwerk, wobei es besonders auf die Fähigkeit zur Bearbeitung konstruktiver Details ankommt sowie auf die Fähigkeit und Fertigkeit zur Darstellung der konstruktiven Lösung in den erforderlichen technischen Unterlagen (Zeichnungen, Berechnungen, Erläuterungen), - quantitatives Erfassen aller bei einer Konstruktion auftretenden Einflüsse zur Entwicklung einer technisch einwandfreien und ökonomischen Lösung, - Funktion der Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) zur Einbeziehung in den Gesamtablauf, - fachkundige Zusammenarbeit mit den Spezialingenieuren für Heizung, Lüftung, Sanitärtechnik bei der Konstruktion der Bauwerksteile und Bauwerke, - Durchführen einer überschlägigen Bemessung für bestimmte Anlagenteile der TGA mit genügender Genauigkeit, - Beurteilung und Erneuerung von TGA-Anlagen zur Rekonstruktion von Gebäudesubstanzen, - Abstimmung der Rohbaumontageprozesse und der Installationen der TGA-Anlagen.

Zur Vermittlung dieser Ausbildungsziele und Ausbildungsinhalte wurde ausweislich des vorbezeichnetem Kompendiums und ausweislich des Ingenieurszeugnisses der Ingenieurschule für Bauwesen G vom 15. Juli 1960 Unterricht in folgenden Fächern erteilt: - Mathematik, - Physik, - Statik (und Fertigungslehre), - Stahlbeton(bau), - Stahl- und Holzbau, - Baustoff(kunde), - Projektionslehre, - Baukonstruktion, - Grundlagen des Tiefbaus, - Baumaschinen(kunde), - Technologie, - Vermessungstechnik, - Kostenplanung und Abrechnung (Kosten und Preise), - Installationstechnik, - Wohn- und Gesellschaftsbau, - Grundbau, - Bau- und Montageorganisation sowie - Baugeschichte, Recht im Bauwesen und Betriebsökonomik (sozialistische Betriebswirtschaftslehre).

Dem korrespondierend befähigte das Ingenieurfachschulstudium, wie in dem vorbezeichneten Kompendium unter der Rubrik "Einsatzmöglichkeiten" ausgeführt ist, zum Einsatz als Leiter der mittleren Ebene oder als verantwortlicher Mitarbeiter in Betrieben des Hochbaus, als Projektant und Konstrukteur in der bautechnischen Projektierung, als Technologe in der technologischen Produktionsvorbereitung, als Bauleiter in der Produktionsdurchführung sowie als Kostenplaner in der Bauwirtschaft. Das Fachschulstudium mit seiner ingenieurtechnischen Ausrichtung befähigte damit von seinen Ausbildungszielen und -inhalten her nicht zum Einsatz in betriebswirtschaftlichen, ökonomischen oder verwaltungsorganisatorischen Bereichen.

Die im Studium erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die benannten Einsatzmöglichkeiten spiegeln sich in den vom Kläger konkret verrichteten Aufgaben als vorläufiger kaufmännischer Leiter nicht wider. Die im Arbeitsvertrag festgelegten und nach seinen eigenen Angaben tatsächlich verrichteten Aufgaben beinhalteten ausschließlich kaufmännische Tätigkeiten überwiegend in Form des Erstellens von Abschluss- und Eröffnungsbilanzen. Diese konkreten Arbeitsaufgaben belegen, dass es sich insgesamt überwiegend um eine bilanzierende, also betriebswirtschaftliche, und damit nicht um eine ingenieurtechnische Aufgabe handelte, auch wenn ingenieurtechnische Kenntnisse dienlich und hilfreich waren. Weil der maßgebliche Schwerpunkt der zum Stichtag 30. Juni 1990 ausgeübten Tätigkeit nach der Rechtsprechung des BSG von dem organisatorischen Arbeitsbereich, in dem diese Tätigkeit innerhalb des Betriebes verrichtet wurde, zu unterscheiden, also zu trennen, ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, Rn. 26), führt der Hinweis des Klägers, er sei am 30. Juni 1990 dem Direktor für Technik unterstellt und als Leiter der allgemeinen Planung im Rahmen der Produktionsvorbereitung zugeordnet gewesen, zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

Eine andere Bewertung folgt dabei auch nicht aus dem Umstand, dass Gegenstand des Ingenieurstudiums des Klägers das Unterrichtsfach Betriebsökonomie bzw. sozialistische Betriebswirtschaftslehre gewesen war. Das zum Ausbildungsgegenstand gehörende Fach "Betriebsökonomie", das regelmäßig im Rahmen eines jeden Ingenieurstudiums vermittelt wurde, befähigte von der Ausbildung her nicht zur Ausübung einer hauptsächlich ökonomischen, kaufmännischen oder verwaltungsorganisatorischen Beschäftigung. Denn hierzu war die Qualifizierung als Ingenieurökonom für sozialistische Betriebswirtschaft erforderlich. Unerheblich ist zudem, dass zur Ausübung der Tätigkeiten des Klägers als kaufmännischer Leiter, die durch das Studium der Hochbautechnologie erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hilfreich und möglicherweise für einen Teilbereich seiner Tätigkeit auch erforderlich gewesen sein mögen. Entscheidend ist allein, dass die konkret verrichtete Tätigkeit des Klägers im Schwerpunkt, also überwiegend, wie vom BSG für erforderlich erachtet, nicht seiner beruflichen Qualifikation als Ingenieur der Fachrichtung Technologie des Hochbaus entsprach. Denn nach der neueren und konkretisierenden Rechtsprechung des BSG zur sachlichen Voraussetzung einer fingierten Versorgungsanwartschaft soll mit der sachlichen Voraussetzung eine Einschränkung der Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung entsprechend der Sachlage nach der VO-AVItech in den Fällen erreicht werden, in denen Versicherte mit förmlichen Berufsabschluss im Sinne des § 1 Abs. 1 der Zweiten DB in einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb "im Wesentlichen fachfremd" eingesetzt waren (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument Rn. 43 in Verbindung mit Rn. 44; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, Rn. 24).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Lübke Dr. Schnell
Rechtskraft
Aus
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