Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 160 AS 15078/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2141/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist jedenfalls unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob das Rechtsmittel wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung des Klägers bereits unzulässig war (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, vor § 143 Rn 2a mwN).
Dem Kläger ist für das erstinstanzliche Klageverfahren keine Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu bewilligen; die bei verständiger Würdigung (vgl § 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des negativen Zugunstenbescheides vom 18. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 und Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Februar 2010 für den Leistungszeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2009, hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie ist mangels ordnungsgemäßer Vertretung des minderjährigen, am 16. Dezember 2004 geborenen Klägers bereits unzulässig.
Einer Vertretung des zwischenzeitlich 7-jährigen Klägers bedarf es, weil dieser nicht selbst prozessfähig iSv § 71 Abs. 1 und 2 SGG iVm §§ 104 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist. Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 SGG prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Minderjährige sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Der Kläger ist nicht nach Vorschriften des öffentlichen Rechts handlungsfähig, weil die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - die Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres voraussetzt. Nach der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 107 BGB bedarf der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
Die Prozessführung ist für den Kläger nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Denn bei einem Obsiegen, dh einer Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Februar 2010, wäre er möglicherweise einer Aufhebung und Rückforderung hinsichtlich der Leistungen, die er zeitgleich in der Bedarfsgemeinschaft mit der Kindesmutter bezogen hatte, ausgesetzt (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = SozR 4-1500 § 71 Nr 2 mwN). Bei einem Unterliegen trägt er hingegen das Kostenrisiko hinsichtlich seiner ihm anfallenden außergerichtlichen Kosten.
Die gesetzliche Vertretung des Kindes erfolgt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB gemeinschaftlich durch die Eltern. Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, wenn er - wie hier die Kindesmutter nach Maßgabe des Beschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 3. August 2011 (- 146 F 116/10 -) - die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen worden ist (vgl § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Alleinvertretungsbefugnis liegt daher bei der Mutter. Auch eine an sich zulässige Bevollmächtigung des einen durch den anderen Elternteil oder die nachträgliche Genehmigung vollmachtlosen Handelns kommt hier nicht in Betracht, weil die Kindesmutter der Klageerhebung durch den Kindesvater ausdrücklich ihre Zustimmung versagt hat (vgl Schriftsätze vom 2. August 2011 und 20. April 2012).
Eine Vertretungsbefugnis des Kindesvaters für das gerichtliche Verfahren folgt auch nicht aus § 38 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Danach wird vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Die Vermutung erfasst alle Verfahrenshandlungen, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Antrags dienen, mithin auch die Einlegung eines Widerspruchs (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Sie erstreckt sich aber nicht auf das gerichtliche Verfahren, für das das SGG besondere Regelungen enthält (vgl BSG SozR 4-1500 § 71 Nr 2). Der Kindesvater konnte auch nicht in vermuteter Vertretung des Klägers nach § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG Klage erheben. Zwar kann gemäß § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie die Bevollmächtigung (wieder) unterstellt werden. Die Vorschrift ist jedoch bereits deshalb nicht einschlägig, weil sie nur die gewillkürte Stellvertretung ("Bevollmächtigung") betrifft und nicht Fälle der gesetzlichen Vertretung (vgl BSG aaO mwN). Eine Alleinvertretungsbefugnis des Kindesvaters ergibt sich auch nicht aus § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB (vgl hierzu im Einzelnen BSG aaO mwN).
Der Kindesvater hat indes die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB herbeizuführen. Danach kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, nicht einigen können. Der Elternteil, dem die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist, vertritt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB das Kind allein. Auf diese Weise kann auch im laufenden (fach-)gerichtlichen Verfahren die mangels Einvernehmens der sorgeberechtigten Eltern fehlende gesetzliche Vertretung nur durch ein Elternteil hergestellt werden. Dass eine zeitnahe Entscheidung ergeht, kann ggf im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sichergestellt werden (vgl BSG aaO mwN).
Da die Klage jedenfalls derzeit unzulässig ist, kommt die Bewilligung von PKH nicht in Betracht.
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist jedenfalls unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob das Rechtsmittel wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung des Klägers bereits unzulässig war (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, vor § 143 Rn 2a mwN).
Dem Kläger ist für das erstinstanzliche Klageverfahren keine Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu bewilligen; die bei verständiger Würdigung (vgl § 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des negativen Zugunstenbescheides vom 18. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 und Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Februar 2010 für den Leistungszeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2009, hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie ist mangels ordnungsgemäßer Vertretung des minderjährigen, am 16. Dezember 2004 geborenen Klägers bereits unzulässig.
Einer Vertretung des zwischenzeitlich 7-jährigen Klägers bedarf es, weil dieser nicht selbst prozessfähig iSv § 71 Abs. 1 und 2 SGG iVm §§ 104 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist. Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 SGG prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Minderjährige sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Der Kläger ist nicht nach Vorschriften des öffentlichen Rechts handlungsfähig, weil die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - die Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres voraussetzt. Nach der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 107 BGB bedarf der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
Die Prozessführung ist für den Kläger nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Denn bei einem Obsiegen, dh einer Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Februar 2010, wäre er möglicherweise einer Aufhebung und Rückforderung hinsichtlich der Leistungen, die er zeitgleich in der Bedarfsgemeinschaft mit der Kindesmutter bezogen hatte, ausgesetzt (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = SozR 4-1500 § 71 Nr 2 mwN). Bei einem Unterliegen trägt er hingegen das Kostenrisiko hinsichtlich seiner ihm anfallenden außergerichtlichen Kosten.
Die gesetzliche Vertretung des Kindes erfolgt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB gemeinschaftlich durch die Eltern. Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, wenn er - wie hier die Kindesmutter nach Maßgabe des Beschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 3. August 2011 (- 146 F 116/10 -) - die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen worden ist (vgl § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Alleinvertretungsbefugnis liegt daher bei der Mutter. Auch eine an sich zulässige Bevollmächtigung des einen durch den anderen Elternteil oder die nachträgliche Genehmigung vollmachtlosen Handelns kommt hier nicht in Betracht, weil die Kindesmutter der Klageerhebung durch den Kindesvater ausdrücklich ihre Zustimmung versagt hat (vgl Schriftsätze vom 2. August 2011 und 20. April 2012).
Eine Vertretungsbefugnis des Kindesvaters für das gerichtliche Verfahren folgt auch nicht aus § 38 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Danach wird vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Die Vermutung erfasst alle Verfahrenshandlungen, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Antrags dienen, mithin auch die Einlegung eines Widerspruchs (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Sie erstreckt sich aber nicht auf das gerichtliche Verfahren, für das das SGG besondere Regelungen enthält (vgl BSG SozR 4-1500 § 71 Nr 2). Der Kindesvater konnte auch nicht in vermuteter Vertretung des Klägers nach § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG Klage erheben. Zwar kann gemäß § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie die Bevollmächtigung (wieder) unterstellt werden. Die Vorschrift ist jedoch bereits deshalb nicht einschlägig, weil sie nur die gewillkürte Stellvertretung ("Bevollmächtigung") betrifft und nicht Fälle der gesetzlichen Vertretung (vgl BSG aaO mwN). Eine Alleinvertretungsbefugnis des Kindesvaters ergibt sich auch nicht aus § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB (vgl hierzu im Einzelnen BSG aaO mwN).
Der Kindesvater hat indes die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB herbeizuführen. Danach kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, nicht einigen können. Der Elternteil, dem die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist, vertritt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB das Kind allein. Auf diese Weise kann auch im laufenden (fach-)gerichtlichen Verfahren die mangels Einvernehmens der sorgeberechtigten Eltern fehlende gesetzliche Vertretung nur durch ein Elternteil hergestellt werden. Dass eine zeitnahe Entscheidung ergeht, kann ggf im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sichergestellt werden (vgl BSG aaO mwN).
Da die Klage jedenfalls derzeit unzulässig ist, kommt die Bewilligung von PKH nicht in Betracht.
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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