Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 KR 1708/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 208/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe des Krankengeldanspruches, den die Klägerin von der Beklagten beanspruchen kann.
Die Klägerin ist hauptberuflich selbständig erwerbstätig. Sie ist seit dem 22. Oktober 2003 beim Rechtsvorgänger der Beklagten (BARMER Ersatzkasse) bzw. der Barmer GEK; nachfolgend nur: "die Beklagte") freiwillig mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit versichert. Die Beklagte erhob für das Jahr 2007 den Mindestbeitrag auf Grundlage des von der Klägerin eingereichten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005. Danach betrug das zu versteuernde Einkommen der Ehefrau aus selbständiger Tätigkeit 3.015 EUR jährlich bzw. 251,25 EUR monatlich.
Die Klägerin erkrankte und war seit dem 27. September 2007 arbeitsunfähig krank geschrieben. Zur Berechnung des Krankengeldes reichte sie Abrechnungen über erhaltene Vergütungen in der Zeit von Juli bis September 2007 ein (vgl. Kopien Verwaltungsvorgang Bl. 1 bis 8).
Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 Krankengeld ab 18. Oktober 2007 in Höhe von brutto 5,87 EUR täglich. Sie ging dabei von monatlichen Einnahmen in Höhe von 251,25 EUR aus, entsprechend 8,38 EUR täglich. 70% von 8,38 EUR sind 5,87 EUR.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 1. November 2007 Widerspruch ein und trug ihre Auffassung vor, maßgeblich für die Berechnung des Krankengeldes müsse das tatsächlich vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte Einkommen sein.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008 zurück. Krankengeld könne grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen habe und das wegen der Erkrankung entfalle (Bezugnahme auf Bundessozialgericht- BSG, Urt. v. 30.03.2004 - B 1 KR 32 /02 R). Fiktives Einkommen sei nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich für das reale Einkommen sei der jeweils letzte und aktuellste Einkommensteuerbescheid, auch wenn sich Einkommensveränderungen deshalb nur zeitversetzt positiv oder negativ auswirkten.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Es widerspreche der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes, die Höhe des Krankengeldes auf der Grundlage des Einkommens der Klägerin des Jahres 2005 zu berechnen. So werde der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes widersprochen. Bei Selbständigen könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie weiterhin so viel verdient hätten, wie sie in den Monaten vor dem Krankheitsfall verdient gehabt hätten. Die Beklagte hätte deshalb das monatliche Durchschnittseinkommen der Klägerin vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit im September 2007 zugrunde legen müssen. Das BSG habe in der vom Beklagten angeführten Entscheidung vom 30. März 2004 - B 1 KR 32/02 R - die Ersatzfunktion des Krankengeldes verstärkt. Das Krankengeld dürfe nicht nach dem für die Beitragsberechnung herangezogenen fiktiven Mindesteinkommen berechnet werden. Es komme vielmehr auf die Höhe des vor der Erkrankung tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes an. Die Verweisung in § 47 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) auf das Beitragsrecht müsse eingeschränkt ausgelegt werden. Die Definition des Regelentgeltes in § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei zu beachten. Danach sei Regelentgelt das erzielte Arbeitseinkommen, soweit es der Beitragsberechnung unterliege. Die Formulierung "unterliege" mache deutlich, dass damit auch Beiträge gemeint seien, die erst in Zukunft für die Beitragsbemessung maßgebend würden. Nichts anders gelte für das zuletzt unmittelbar vor Beginne der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen. Die Verweisung in das Beitragsrecht dürfe nicht das Entgeltersatzprinzip aushöhlen. Die Festsetzung des Krankengeldes durch die Beklagte sei auch verfassungswidrig. Gleich hohe Beiträge dürften keine unterschiedlich hohen Ansprüche auf Krankengeld begründen. Hier müsse die Klägerin Beiträge aus einem fiktiven kalendertäglichen Einkommen von 61,25 EUR zahlen, erhalte Krankengeld jedoch auf der Grundlage eines täglichen Einkommens von nur 8,38 EUR. Eine ebenfalls freiwillig Versicherte mit einem tatsächlichen Arbeitseinkommen von 61,- EUR müsste Beiträge in gleicher Höhe zahlen, der Krankengeldanspruch errechne sich aber auch aus 61,- EUR. Auch habe die Beklagte die Klägerin nicht im erforderlichen Umfange aufgeklärt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. April 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höheres Krankengeld. Nach der Rechtsprechung des BSG sei für die Ermittlung des maßgeblichen Regelentgeltes nach § 47 Abs. 4 S. 2, Abs. 1 S. 1 SGB V nicht das der Beitragsentrichtung zugrunde liegende Mindesteinkommen nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V maßgeblich (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 06.11.2008 - B 1 KR 28/07 R und B 1 KR 8/08 R). Es komme aber auch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Einkommen des Jahres 2007 an, sondern auf das des vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgeschlossenen Kalenderjahrs 2006. Denn das für die Ermittlung des Regelentgeltes maßgebliche Arbeitseinkommen werde in § 15 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) als das nach allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit definiert. Das Gesetz knüpfe an das Einkommensteuerrecht an, nach welchem das Kalenderjahr der maßgebliche Veranlagungszeitraum sei (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 06.11.2008 - B 1 KR 8/08 R). Die Anlehnung des Regelentgeltes bei Selbständigen an das Einkommensteuerrecht trotz der erheblichen Schwankungen, welche mit der Berücksichtigung eines länger abgelaufenen Zeitraumes verbunden seien, widerspreche auch nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz. Er beruhe vielmehr auf dem Sachgrund der unterschiedlichen Einkommensarten, nämlich des Entgelts aus abhängiger Beschäftigung gegenüber dem Gewinn Selbständiger (Bezugnahme auf BSGE 92, 260). Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vorab auf jede denkbare Situation hin aufzuklären. Sie sei vielmehr lediglich dazu verpflichtet gewesen, auf konkrete Anfragen entsprechend zu beraten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung hat sie sich auf das bisherige Vorbringen berufen und ergänzend ausgeführt, das Urteil des SG folge nur scheinbar der Rechtsprechung des BSG. Bei Selbständigen müsse gewährleistet sein, dass sowohl im Falle eines wirtschaftlichen Aufstieges wie in Phasen der Stagnation und des wirtschaftlichen Niederganges angemessene Ergebnisse erzielt würden. Soweit das BSG ausgeführt habe, der Selbständige dürfe im Falle der Krankheit nicht besser stehen, als wenn er arbeiten würde, dürfe dies nicht nur bei geringen Einnahmen mit der Folge des fiktiven Mindesteinkommens für die Beiträge gelten, sondern auch umgekehrt bei Verschlechterung einer früher guten Einkommenssituation. Wenn hinsichtlich der Höhe der Beiträge zur Verwaltungsvereinfachung das Einkommen eines bereits verstrichenen Zeitraumes maßgeblich sei, müsse dies auch für die Krankengeldleistungen gelten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2010 aufzuheben und den Bescheid vom 30. Oktober 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld unter Berücksichtigung der von April bis September 2007 nachgewiesenen Verdienste zu gewähren, hilfsweise unter Berücksichtigung von 12 Monaten vor Eintritt der Krankheit.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt, § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Kläger zur Recht abgewiesen. Auf seine zutreffende Begründung wird zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.
Nach der Rechtsprechung des BSG kann von der Regelvermutung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nur dann abgewichen und die Vermutung widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieser Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitseinkommen wesentlich geringer war (BSG, Urteil vom 06.11.2008 - B 1 KR 8/08 R - Rdnr. 14 mwN). Gerade (nur) in dem Fall, dass der Beitragsbemessung das Mindesteinkommen zugrunde liegt, bestehen regelmäßig konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrag nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitskommen wesentlich geringer ist (BSG, aaO Rdnr. 15). Sind die Beiträge vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach dem Mindesteinkommen erhoben worden, muss das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen konkret ermittelt werden. Diese Ermittlung erfolgt regelmäßig bereits anlässlich des Nachweises eines geringeren Arbeitseinkommens nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V. In aller Regel gehört zu den hierzu vorgelegten Unterlagen der Einkommensteuerbescheid, dem das tatsächliche Arbeitseinkommen grundsätzlich zu entnehmen ist (BSG, aaO Rdnr. 16). Nicht nur für die Ermittlung der Beitragshöhe, sondern auch für die Ermittlung des Regelentgeltes knüpft § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV an den nach Einkommensteuerrecht ermittelten Gewinn an. Da hierfür der nach dem Kalenderjahr maßgebliche Veranlagungszeitraum nach § 25 Abs. 1 Einkommensteuergesetz maßgeblich ist, hat dies zwangsläufig die Folge, dass der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit vor Abschluss des Kalenderjahres nicht feststeht und deshalb auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum abzustellen ist (BSG, aaO Rdnr. 17 f).
Sinkt bei einem Selbstständigen über die Jahre der Gewinn, wirkt sich diese Regelung für den Versicherten hinsichtlich der Beitragshöhe belastend aus, weil aktuelle Beitragshöhe und aktuelles Einkommen nicht korrelieren. Andererseits wird der Versicherte in der gleichen Situation beim Krankengeldbezug bevorzugt, weil auch insoweit als "reales Einkommen" nur das der noch höheren vergangenen Zeitperiode zu Grunde gelegt wird.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe des Krankengeldanspruches, den die Klägerin von der Beklagten beanspruchen kann.
Die Klägerin ist hauptberuflich selbständig erwerbstätig. Sie ist seit dem 22. Oktober 2003 beim Rechtsvorgänger der Beklagten (BARMER Ersatzkasse) bzw. der Barmer GEK; nachfolgend nur: "die Beklagte") freiwillig mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit versichert. Die Beklagte erhob für das Jahr 2007 den Mindestbeitrag auf Grundlage des von der Klägerin eingereichten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005. Danach betrug das zu versteuernde Einkommen der Ehefrau aus selbständiger Tätigkeit 3.015 EUR jährlich bzw. 251,25 EUR monatlich.
Die Klägerin erkrankte und war seit dem 27. September 2007 arbeitsunfähig krank geschrieben. Zur Berechnung des Krankengeldes reichte sie Abrechnungen über erhaltene Vergütungen in der Zeit von Juli bis September 2007 ein (vgl. Kopien Verwaltungsvorgang Bl. 1 bis 8).
Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 Krankengeld ab 18. Oktober 2007 in Höhe von brutto 5,87 EUR täglich. Sie ging dabei von monatlichen Einnahmen in Höhe von 251,25 EUR aus, entsprechend 8,38 EUR täglich. 70% von 8,38 EUR sind 5,87 EUR.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 1. November 2007 Widerspruch ein und trug ihre Auffassung vor, maßgeblich für die Berechnung des Krankengeldes müsse das tatsächlich vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte Einkommen sein.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008 zurück. Krankengeld könne grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen habe und das wegen der Erkrankung entfalle (Bezugnahme auf Bundessozialgericht- BSG, Urt. v. 30.03.2004 - B 1 KR 32 /02 R). Fiktives Einkommen sei nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich für das reale Einkommen sei der jeweils letzte und aktuellste Einkommensteuerbescheid, auch wenn sich Einkommensveränderungen deshalb nur zeitversetzt positiv oder negativ auswirkten.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Es widerspreche der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes, die Höhe des Krankengeldes auf der Grundlage des Einkommens der Klägerin des Jahres 2005 zu berechnen. So werde der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes widersprochen. Bei Selbständigen könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie weiterhin so viel verdient hätten, wie sie in den Monaten vor dem Krankheitsfall verdient gehabt hätten. Die Beklagte hätte deshalb das monatliche Durchschnittseinkommen der Klägerin vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit im September 2007 zugrunde legen müssen. Das BSG habe in der vom Beklagten angeführten Entscheidung vom 30. März 2004 - B 1 KR 32/02 R - die Ersatzfunktion des Krankengeldes verstärkt. Das Krankengeld dürfe nicht nach dem für die Beitragsberechnung herangezogenen fiktiven Mindesteinkommen berechnet werden. Es komme vielmehr auf die Höhe des vor der Erkrankung tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes an. Die Verweisung in § 47 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) auf das Beitragsrecht müsse eingeschränkt ausgelegt werden. Die Definition des Regelentgeltes in § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei zu beachten. Danach sei Regelentgelt das erzielte Arbeitseinkommen, soweit es der Beitragsberechnung unterliege. Die Formulierung "unterliege" mache deutlich, dass damit auch Beiträge gemeint seien, die erst in Zukunft für die Beitragsbemessung maßgebend würden. Nichts anders gelte für das zuletzt unmittelbar vor Beginne der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen. Die Verweisung in das Beitragsrecht dürfe nicht das Entgeltersatzprinzip aushöhlen. Die Festsetzung des Krankengeldes durch die Beklagte sei auch verfassungswidrig. Gleich hohe Beiträge dürften keine unterschiedlich hohen Ansprüche auf Krankengeld begründen. Hier müsse die Klägerin Beiträge aus einem fiktiven kalendertäglichen Einkommen von 61,25 EUR zahlen, erhalte Krankengeld jedoch auf der Grundlage eines täglichen Einkommens von nur 8,38 EUR. Eine ebenfalls freiwillig Versicherte mit einem tatsächlichen Arbeitseinkommen von 61,- EUR müsste Beiträge in gleicher Höhe zahlen, der Krankengeldanspruch errechne sich aber auch aus 61,- EUR. Auch habe die Beklagte die Klägerin nicht im erforderlichen Umfange aufgeklärt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. April 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höheres Krankengeld. Nach der Rechtsprechung des BSG sei für die Ermittlung des maßgeblichen Regelentgeltes nach § 47 Abs. 4 S. 2, Abs. 1 S. 1 SGB V nicht das der Beitragsentrichtung zugrunde liegende Mindesteinkommen nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V maßgeblich (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 06.11.2008 - B 1 KR 28/07 R und B 1 KR 8/08 R). Es komme aber auch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Einkommen des Jahres 2007 an, sondern auf das des vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgeschlossenen Kalenderjahrs 2006. Denn das für die Ermittlung des Regelentgeltes maßgebliche Arbeitseinkommen werde in § 15 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) als das nach allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit definiert. Das Gesetz knüpfe an das Einkommensteuerrecht an, nach welchem das Kalenderjahr der maßgebliche Veranlagungszeitraum sei (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 06.11.2008 - B 1 KR 8/08 R). Die Anlehnung des Regelentgeltes bei Selbständigen an das Einkommensteuerrecht trotz der erheblichen Schwankungen, welche mit der Berücksichtigung eines länger abgelaufenen Zeitraumes verbunden seien, widerspreche auch nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz. Er beruhe vielmehr auf dem Sachgrund der unterschiedlichen Einkommensarten, nämlich des Entgelts aus abhängiger Beschäftigung gegenüber dem Gewinn Selbständiger (Bezugnahme auf BSGE 92, 260). Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vorab auf jede denkbare Situation hin aufzuklären. Sie sei vielmehr lediglich dazu verpflichtet gewesen, auf konkrete Anfragen entsprechend zu beraten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung hat sie sich auf das bisherige Vorbringen berufen und ergänzend ausgeführt, das Urteil des SG folge nur scheinbar der Rechtsprechung des BSG. Bei Selbständigen müsse gewährleistet sein, dass sowohl im Falle eines wirtschaftlichen Aufstieges wie in Phasen der Stagnation und des wirtschaftlichen Niederganges angemessene Ergebnisse erzielt würden. Soweit das BSG ausgeführt habe, der Selbständige dürfe im Falle der Krankheit nicht besser stehen, als wenn er arbeiten würde, dürfe dies nicht nur bei geringen Einnahmen mit der Folge des fiktiven Mindesteinkommens für die Beiträge gelten, sondern auch umgekehrt bei Verschlechterung einer früher guten Einkommenssituation. Wenn hinsichtlich der Höhe der Beiträge zur Verwaltungsvereinfachung das Einkommen eines bereits verstrichenen Zeitraumes maßgeblich sei, müsse dies auch für die Krankengeldleistungen gelten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2010 aufzuheben und den Bescheid vom 30. Oktober 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld unter Berücksichtigung der von April bis September 2007 nachgewiesenen Verdienste zu gewähren, hilfsweise unter Berücksichtigung von 12 Monaten vor Eintritt der Krankheit.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt, § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Kläger zur Recht abgewiesen. Auf seine zutreffende Begründung wird zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.
Nach der Rechtsprechung des BSG kann von der Regelvermutung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nur dann abgewichen und die Vermutung widerlegt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieser Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitseinkommen wesentlich geringer war (BSG, Urteil vom 06.11.2008 - B 1 KR 8/08 R - Rdnr. 14 mwN). Gerade (nur) in dem Fall, dass der Beitragsbemessung das Mindesteinkommen zugrunde liegt, bestehen regelmäßig konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrag nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitskommen wesentlich geringer ist (BSG, aaO Rdnr. 15). Sind die Beiträge vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach dem Mindesteinkommen erhoben worden, muss das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitseinkommen konkret ermittelt werden. Diese Ermittlung erfolgt regelmäßig bereits anlässlich des Nachweises eines geringeren Arbeitseinkommens nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V. In aller Regel gehört zu den hierzu vorgelegten Unterlagen der Einkommensteuerbescheid, dem das tatsächliche Arbeitseinkommen grundsätzlich zu entnehmen ist (BSG, aaO Rdnr. 16). Nicht nur für die Ermittlung der Beitragshöhe, sondern auch für die Ermittlung des Regelentgeltes knüpft § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV an den nach Einkommensteuerrecht ermittelten Gewinn an. Da hierfür der nach dem Kalenderjahr maßgebliche Veranlagungszeitraum nach § 25 Abs. 1 Einkommensteuergesetz maßgeblich ist, hat dies zwangsläufig die Folge, dass der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit vor Abschluss des Kalenderjahres nicht feststeht und deshalb auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum abzustellen ist (BSG, aaO Rdnr. 17 f).
Sinkt bei einem Selbstständigen über die Jahre der Gewinn, wirkt sich diese Regelung für den Versicherten hinsichtlich der Beitragshöhe belastend aus, weil aktuelle Beitragshöhe und aktuelles Einkommen nicht korrelieren. Andererseits wird der Versicherte in der gleichen Situation beim Krankengeldbezug bevorzugt, weil auch insoweit als "reales Einkommen" nur das der noch höheren vergangenen Zeitperiode zu Grunde gelegt wird.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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