Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 14 SF 45/12 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1037/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Beschwerde der Staatskasse gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist statthaft.
2. Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 3.April 2012 - Az.: L 6 SF 229/12 B, 29. März 2012 - Az.: L 6 SF 1983/11 B, 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 247/11 B, 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - Az.: L 7 AS 681/11 B, 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - Az.: L 2 SF 205/10 E).
2. Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 3.April 2012 - Az.: L 6 SF 229/12 B, 29. März 2012 - Az.: L 6 SF 1983/11 B, 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 247/11 B, 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - Az.: L 7 AS 681/11 B, 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - Az.: L 2 SF 205/10 E).
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 1. März 2012 auf-gehoben und die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 190,40 Euro festge-setzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfah-ren vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az.: L 8 SO 220/09 ER) streitig.
Am 12. Januar 2009 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Gotha, den Landkreis W. Land im Wege einer einstweiligen Anord-nung zu verpflichten, Kosten für Leistungen zur Sicherung zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren. Mit Beschluss vom 18. Februar 2009 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Auf die Beschwerde änderte der der 8. Senat des Thüringer Landessozialgerichts ihn mit Beschluss vom 23. Juni 2009 ab und stellte fest, dass die Widersprüche der Antragstellerin zu 1. gegen die Bescheide der Antragsgegnerin aufschiebende Wirkung haben; im Übrigen wurde die Beschwerde zu-rückgewiesen. Die Antragsgegnerin trage ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der An-tragsteller. Ihnen werde ab 24. März 2009 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Beschwerdegegners gewährt.
In seiner Kostenrechnung vom 26. Juni 2009 beantragte der Beschwerdegegner für das Be-schwerdeverfahren die Festsetzung von 909,16 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 465,00 Euro Nr. 1008 VV-RVG für zwei zusätzliche Auftraggeber 279,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro 764,00 Euro
MWSt 145,16 Euro Gesamtsumme 909,16 Euro
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Mai 2011 setze der Urkundsbeamte der Geschäfts-stelle (UKB) folgende Gebühren fest: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 310,00 Euro Nr. 1008 VV-RVG für zwei zusätzliche Auftraggeber 186,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro MWSt 98,04 Euro Gesamtsumme 614,04 Euro.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigten nur durchschnittliche Gebühren. Die überdurchschnittliche Bedeutung werde durch unterdurchschnittliche Vermö-gens- und Einkommensverhältnisse kompensiert.
Unter dem 8. August 2011 hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 190,40 Euro festzusetzen: Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG 87,50 Euro Erhöhung für zwei weitere Auftraggeber 52,50 Euro Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 160,00 Euro MWSt 30,40 Euro Gesamtsumme 190,40 Euro
Der Beschwerdegegner hat vorgetragen die Erinnerung sei verfristet; im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum für das Beschwerdeverfahren Nr. 3501 VV-RVG einschlägig sei.
Mit Beschluss vom 1. März 2012 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen und ausgeführt, Nr. 3501 VV.RVG komme nur in Betracht, wenn das "Grundverfahren" ein Erinnerungsver-fahren sei; hier liege der Festsetzung ein Verfahren nach dem SGB XII zu Grunde.
Gegen den am 19. März 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer 27. März 2012 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seinen Antrag im Erinnerungsverfahren verwiesen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 1. März 2012 aufzuheben und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 190,40 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich innerhalb der gesetzten Frist zur Sache nicht geäußert.
beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 12. Juli 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist - entgegen der fehler-haften Rechtsbehelfsbelehrung im Beschluss der Vorinstanz - nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Beschwerdewert von 200,00 Euro (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1) wird überschritten.
Die Beschwerde ist begründet.
Vorab weist der Senat darauf hin, dass die Erinnerung mangels gesetzlicher Frist nicht verfris-tet war.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbar-keit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebüh-ren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Antragsteller, denen hier PKH gewährt wurde, waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); die Anwendung des GKG scheidet aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Ver-gütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Ver-mögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu erset-zen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbil-lig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranz-grenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinrei-chend beachtet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B und 17. De-zember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist nicht die beantragte Nr. 3204 VV-RVG sondern Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. April 2012 - Az.: L 6 SF 229/12 B; 29. März 2012 - Az.: L 6 SF 1983/11 B; 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 247/11 B, 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Be-schlüsse vom 3. August 2011 - Az.: L 7 AS 681/11 B und 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - Az.: L 2 SF 205/10 E, nach juris; Mül-ler-Rabe in Gerold-Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV RVG Rdnr. 6). In seinem Be-schluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B hat der Senat wie folgt ausgeführt: " Zwar handelt es sich bei der Nr. 3501 VV RVG wie bei Nr. 3500 VV RVG um eine Auffangvorschrift (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 19. Auflage 2010, VV RVG 3500 Rdnr. 4). Eine speziel-lere Regelung enthält das Gesetz jedoch nicht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; SG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - Az.: S 180 SF 1755/09 E; SG Aachen, Beschluss vom 9. April 2008 - Az.: S 11 AS 154/06 ER; alle nach juris). Die allein in Betracht kommende "bestimmte Beschwerde" in Abschnitt 2 ("Beru-fung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht") wird in der Vorbemerkung 3.2.1 erläutert. Verfahren vor den Sozialgerichten werden dort nicht genannt. Die von dem Beschwerdeführer geforderte analoge Anwendung der Nr. 3204 VV RVG kommt nicht in Betracht. Es fehlt schon an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Ob sie vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsab-sicht zu beurteilen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 13. November 2001 - Az.: X ZR 134/00, nach juris). Dass Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ausdrücklich geregelt sind, be-gründet allein nicht die Lücke, denn mit der Nr. 3501 VV RVG existiert grundsätzlich eine Regelung zur Festsetzung dieser Gebühren (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008, a.a.O.), wenn auch nicht in der vom Beschwerdeführer gewünschten Höhe. Es gibt überdies keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Gebühren in Be-schwerdeverfahren denen im "normalen" Berufungsverfahren gleichzustellen. Nach der Ge-setzesbegründung zu Nr. 3500 VV RVG soll die Verfahrensgebühr in Beschwerdeverfahren vielmehr das 0,5-fache betragen (BT-Drucks. 15/1971 S. 218)."
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Der Ansicht der Vorinstanz, Nr. 3501 VV-RVG komme nur in Betracht, wenn es sich bei dem Hauptverfahren (nicht "Grundverfahren") um ein Erinnerungsverfahren gehandelt habe, wird nicht gefolgt; ihr stehen der Wortlaut der Nr. 3501 VV-RVG (" über die Beschwerde und die Erinnerung") und die Überschrift des 5. Abschnitts ("Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde und Erinnerung") entgegen.
Gegen die von dem Beschwerdeführer zuerkannte Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelge-bühr (87,50 Euro) bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Zu Recht hat bereits der UKB (zu Nr. 3204 VV-RVG) angenommen, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit mit sechs (teilweise sehr kurzen) Schriftsätzen an das Gericht im Ergebnis einem durchschnittlichem Umfang eines Verfahrens (auch einer Beschwerde) entspricht. Die Schwierigkeit der anwalt-lichen Tätigkeit ist allenfalls dem Durchschnittsbereich zuzuordnen. Die überdurchschnittli-che Bedeutung der Angelegenheit wird durch die niedrigen Einkommens- und Vermögens-verhältnisse der Antragsteller kompensiert. Ansatzpunkte für ein besonderes Haftungsrisiko sind nicht erkennbar. Die Gebühr ist nach Nr. 1008 VV RVG für zwei weitere Personen (Auf-traggebermehrheit) um 60 v.H. zu erhöhen.
Keine Bedenken bestehen gegen die Pauschale für Post- und Telekommunikation. Zusätzlich zu erstatten ist die MWSt.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfah-ren vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az.: L 8 SO 220/09 ER) streitig.
Am 12. Januar 2009 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Gotha, den Landkreis W. Land im Wege einer einstweiligen Anord-nung zu verpflichten, Kosten für Leistungen zur Sicherung zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren. Mit Beschluss vom 18. Februar 2009 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Auf die Beschwerde änderte der der 8. Senat des Thüringer Landessozialgerichts ihn mit Beschluss vom 23. Juni 2009 ab und stellte fest, dass die Widersprüche der Antragstellerin zu 1. gegen die Bescheide der Antragsgegnerin aufschiebende Wirkung haben; im Übrigen wurde die Beschwerde zu-rückgewiesen. Die Antragsgegnerin trage ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der An-tragsteller. Ihnen werde ab 24. März 2009 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Beschwerdegegners gewährt.
In seiner Kostenrechnung vom 26. Juni 2009 beantragte der Beschwerdegegner für das Be-schwerdeverfahren die Festsetzung von 909,16 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 465,00 Euro Nr. 1008 VV-RVG für zwei zusätzliche Auftraggeber 279,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro 764,00 Euro
MWSt 145,16 Euro Gesamtsumme 909,16 Euro
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Mai 2011 setze der Urkundsbeamte der Geschäfts-stelle (UKB) folgende Gebühren fest: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 310,00 Euro Nr. 1008 VV-RVG für zwei zusätzliche Auftraggeber 186,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro MWSt 98,04 Euro Gesamtsumme 614,04 Euro.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigten nur durchschnittliche Gebühren. Die überdurchschnittliche Bedeutung werde durch unterdurchschnittliche Vermö-gens- und Einkommensverhältnisse kompensiert.
Unter dem 8. August 2011 hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 190,40 Euro festzusetzen: Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG 87,50 Euro Erhöhung für zwei weitere Auftraggeber 52,50 Euro Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 160,00 Euro MWSt 30,40 Euro Gesamtsumme 190,40 Euro
Der Beschwerdegegner hat vorgetragen die Erinnerung sei verfristet; im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum für das Beschwerdeverfahren Nr. 3501 VV-RVG einschlägig sei.
Mit Beschluss vom 1. März 2012 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen und ausgeführt, Nr. 3501 VV.RVG komme nur in Betracht, wenn das "Grundverfahren" ein Erinnerungsver-fahren sei; hier liege der Festsetzung ein Verfahren nach dem SGB XII zu Grunde.
Gegen den am 19. März 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer 27. März 2012 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seinen Antrag im Erinnerungsverfahren verwiesen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 1. März 2012 aufzuheben und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 190,40 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich innerhalb der gesetzten Frist zur Sache nicht geäußert.
beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 12. Juli 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist - entgegen der fehler-haften Rechtsbehelfsbelehrung im Beschluss der Vorinstanz - nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Beschwerdewert von 200,00 Euro (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1) wird überschritten.
Die Beschwerde ist begründet.
Vorab weist der Senat darauf hin, dass die Erinnerung mangels gesetzlicher Frist nicht verfris-tet war.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbar-keit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebüh-ren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Antragsteller, denen hier PKH gewährt wurde, waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); die Anwendung des GKG scheidet aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Ver-gütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Ver-mögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu erset-zen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbil-lig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranz-grenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinrei-chend beachtet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B und 17. De-zember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist nicht die beantragte Nr. 3204 VV-RVG sondern Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. April 2012 - Az.: L 6 SF 229/12 B; 29. März 2012 - Az.: L 6 SF 1983/11 B; 14. März 2012 - Az.: L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 247/11 B, 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Be-schlüsse vom 3. August 2011 - Az.: L 7 AS 681/11 B und 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - Az.: L 2 SF 205/10 E, nach juris; Mül-ler-Rabe in Gerold-Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV RVG Rdnr. 6). In seinem Be-schluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B hat der Senat wie folgt ausgeführt: " Zwar handelt es sich bei der Nr. 3501 VV RVG wie bei Nr. 3500 VV RVG um eine Auffangvorschrift (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 19. Auflage 2010, VV RVG 3500 Rdnr. 4). Eine speziel-lere Regelung enthält das Gesetz jedoch nicht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008 - Az.: L 20 B 139/07 SO; SG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - Az.: S 180 SF 1755/09 E; SG Aachen, Beschluss vom 9. April 2008 - Az.: S 11 AS 154/06 ER; alle nach juris). Die allein in Betracht kommende "bestimmte Beschwerde" in Abschnitt 2 ("Beru-fung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht") wird in der Vorbemerkung 3.2.1 erläutert. Verfahren vor den Sozialgerichten werden dort nicht genannt. Die von dem Beschwerdeführer geforderte analoge Anwendung der Nr. 3204 VV RVG kommt nicht in Betracht. Es fehlt schon an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Ob sie vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsab-sicht zu beurteilen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 13. November 2001 - Az.: X ZR 134/00, nach juris). Dass Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ausdrücklich geregelt sind, be-gründet allein nicht die Lücke, denn mit der Nr. 3501 VV RVG existiert grundsätzlich eine Regelung zur Festsetzung dieser Gebühren (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2008, a.a.O.), wenn auch nicht in der vom Beschwerdeführer gewünschten Höhe. Es gibt überdies keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Gebühren in Be-schwerdeverfahren denen im "normalen" Berufungsverfahren gleichzustellen. Nach der Ge-setzesbegründung zu Nr. 3500 VV RVG soll die Verfahrensgebühr in Beschwerdeverfahren vielmehr das 0,5-fache betragen (BT-Drucks. 15/1971 S. 218)."
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Der Ansicht der Vorinstanz, Nr. 3501 VV-RVG komme nur in Betracht, wenn es sich bei dem Hauptverfahren (nicht "Grundverfahren") um ein Erinnerungsverfahren gehandelt habe, wird nicht gefolgt; ihr stehen der Wortlaut der Nr. 3501 VV-RVG (" über die Beschwerde und die Erinnerung") und die Überschrift des 5. Abschnitts ("Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde und Erinnerung") entgegen.
Gegen die von dem Beschwerdeführer zuerkannte Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelge-bühr (87,50 Euro) bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Zu Recht hat bereits der UKB (zu Nr. 3204 VV-RVG) angenommen, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit mit sechs (teilweise sehr kurzen) Schriftsätzen an das Gericht im Ergebnis einem durchschnittlichem Umfang eines Verfahrens (auch einer Beschwerde) entspricht. Die Schwierigkeit der anwalt-lichen Tätigkeit ist allenfalls dem Durchschnittsbereich zuzuordnen. Die überdurchschnittli-che Bedeutung der Angelegenheit wird durch die niedrigen Einkommens- und Vermögens-verhältnisse der Antragsteller kompensiert. Ansatzpunkte für ein besonderes Haftungsrisiko sind nicht erkennbar. Die Gebühr ist nach Nr. 1008 VV RVG für zwei weitere Personen (Auf-traggebermehrheit) um 60 v.H. zu erhöhen.
Keine Bedenken bestehen gegen die Pauschale für Post- und Telekommunikation. Zusätzlich zu erstatten ist die MWSt.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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