Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 462/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2251/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 03.05.2012 aufgehoben und der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist gewährt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 08.04.2011 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2011 zurück. Laut Eingangsstempel ging der Widerspruchsbescheid am 05.12.2011 bei der bevollmächtigten VdK Sozialrechtsschutz gGmbH ein.
Am 17.01.2012 ist beim SG die Vollmacht der Klägerin eingegangen. Das SG hat daraufhin der Bevollmächtigten der Klägerin am 19.01.2012 mitgeteilt, dass eine Klage nicht vorliege.
Am 23.01.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist beantragt. Die Klägerin habe ihrer Bevollmächtigten mit Schreiben vom 13.12.2011 erklärt, sie wolle Klage erheben. Daraufhin sei der Schriftsatz zur Klageerhebung vom 15.12.2011 verfasst und zeitgleich mit einer Mehrfertigung für die Klägerin versandt worden. Da die Bevollmächtigte sehr viele Klagen führe, ginge fast täglich Post an das SG. Die Post eines Tages werde regelmäßig in einem großen Umschlag an das SG übersandt. Per Fax werde nur dann Klage erhoben, wenn aufgrund der Kürze der Zeit zu befürchten sei, dass die Klagefrist nicht eingehalten werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Versand werde von den Mitarbeiterinnen Frau P. und Frau M. vorbereitet. Beide seien Rechtsanwaltsfachangestellte. Vermutlich sei die Klage von Frau P. am 16. oder 19.12.2011 versandt worden. Es handele sich um eine erfahrene Mitarbeiterin. Es sei noch nicht vorgekommen, dass Schriftstücke nicht oder an eine falsche Adresse versandt worden seien. Sie habe bereits durch längere fehlerfreie Arbeit ihre Zuverlässigkeit bewiesen. Eine Überprüfung der Absendung der Klageschrift durch die Sachbearbeiterin sei nicht erfolgt, da diese ab dem 20.12.2011 bis Weihnachten krankgeschrieben gewesen sei. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau P. vorgelegt.
Die Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 03.05.2012 hat das SG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, zur Überzeugung der Kammer sei die Klageschrift vom 15.12.2011 nicht an die Geschäftsstelle der Bevollmächtigten übergeben und von dort beim SG fristgerecht eingereicht worden. Eine hausinterne Recherche habe ergeben, dass das Schriftstück beim SG nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, dass das Schriftstück den Bereich der Bevollmächtigten gar nicht verlassen habe. Der Fehler müsse bei der Übergabe an die Geschäftsstelle zur Postversendung aufgetreten sein. Anders sei der Vorgang nicht erklärlich. Auf Exkulpationsregeln der Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege könne sich die Bevollmächtigte der Klägerin als gemeinnützige GmbH nicht berufen. Dies habe zur Folge, dass die Bevollmächtigte selbst die Verantwortung trage. Eine Exkulpation durch die Auswahl und Überwachung des Hilfspersonals sei nicht möglich. Die schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten sei der Klägerin zuzurechnen.
Am 29.05.2012 hat die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Klageschrift vom 15.12.2011 versehentlich an eine falsche Adresse versandt oder beim SG falsch abgeheftet worden sei. Der tatsächliche Versand der Klage werde dadurch belegt, dass die Klageschriften stets zeitgleich mit einer Mehrfertigung für den Mandanten versandt würden. Die Klägerin habe mitgeteilt, dass sie am 19.12.2011 die Klageschrift erhalten habe. Am 27.12.2011 habe sie den geforderten Vorschuss überwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 172 f Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren.
Nach § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (Abs 2 Satz 1). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (Abs 2 Satz 2). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Abs 2 Satz 3). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs 2 Satz 4). Gemäß § 67 Abs 4 SGG ist nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Die formellen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind gewahrt. Die Klägerin hat unstreitig die einmonatige Frist zur Klageerhebung nach § 87 Abs 1 SGG versäumt. Sie hat außerdem die versäumte Handlung (Klageerhebung) nachgeholt und den Wiedereinsetzungsantrag gestellt und dabei jeweils die Frist des § 67 Abs 2 SGG von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses eingehalten. Wegfall des Hindernisses ist hier die durch die Vollmachtvorlage am 19.01.2012 gewonnene Erkenntnis, dass die Klageerhebung bislang versäumt worden war.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin war ohne Verschulden gehindert, die Klagefrist einzuhalten. Für ein Eigenverschulden der Klägerin liegen keine Anhaltspunkte vor. Ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer Bevollmächtigten ist ebenfalls nicht gegeben.
Es kann nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte der Klägerin die Klageschrift vom 15.12.2011 schon nicht an ihre Hilfskraft zur Absendung an das SG übergeben hat. Allein die Tatsache, dass beim SG die Klageschrift nicht gefunden wurde, belegt kein Versäumnis auf Seiten der Bevollmächtigten. Ein Verlorengehen auf dem Postweg oder in den Räumen des SG bleibt möglich. Die damaligen Umstände, die auch wegen fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte glaubhaft sind, sprechen vielmehr für eine Übergabe an die Geschäftsstelle zur Versendung an das SG. Die Klageschrift wurde unter dem 15.12.2011 verfasst und in Mehrfertigung an die Klägerin versandt. Ihren Angaben nach erreichte sie das Schreiben am 19.12.2011. Am 27.12.2011 überwies sie den Vorschuss für die Bevollmächtigte. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Klageschrift anders als die für die Klägerin bestimmte Mehrfertigung zurückgehalten werden sollte. Der Senat hält es daher für hinreichend glaubhaft, dass die Bevollmächtigte der Klägerin die Klageschrift an die Geschäftsstelle zur Versendung an das SG übergeben hat.
Die Bevollmächtigte hat sich damit einer Hilfsperson bei der Absendung der Klage bedient. Deren (mögliches) Verschulden geht nicht zu Lasten der Klägerin. Denn das Verschulden einer nicht vertretungsberechtigten Hilfsperson, derer sich der Bevollmächtigte bei untergeordneten Hilfstätigkeit bedient, ist dem Säumigen nicht zurechenbar (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, § 67 RdNr 3f). Nur das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich (vgl § 85 Abs 2 Zivilprozessordnung). Dem Bevollmächtigten ist ein dem Beteiligten zurechenbares Verschulden dann vorwerfbar, wenn er die betroffene Aufgabe nicht delegieren durfte oder die mit der Aufgabe beauftragen Angestellten nicht sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht hat (zusammenfassend: BSG 02.09.2009, B 6 KA 14/09 B, juris). Diese Grundsätze gelten nicht nur für Anwälte und Behörden (zu Letzteren: BSG 18.03.1987, 9b RU 8/86, juris), sondern auch für andere nach § 73 SGG zugelassene Prozessbevollmächtigte (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, § 67 RdNr 3g; so ausdrücklich auch BSG 18.03.1987, 9b RU 8/86, juris-RdNr 13: Prozessbevollmächtigte "gleich welcher Art"). Es ist kein Grund ersichtlich, dem Sachbearbeiter des bevollmächtigten Sozialverbands weitergehende Sorgfaltspflichten aufzubürden als einem Rechtsanwalt. Vielmehr ist auch dem Mitarbeiter des Sozialverbands VdK der Einsatz von Hilfspersonen zuzugestehen. Die Organisation des VdK als (gemeinnützige) GmbH und die damit verbundenen Haftungsfolgen stehen dem nicht entgegen. Auch eine Rechtsanwaltskanzlei kann als GmbH auftreten (§§ 59c ff Bundesrechtsanwaltsordnung).
Ein der Klägerin zuzurechnendes Organisationsverschulden ihrer Bevollmächtigten ist nach dem in sich widerspruchsfreien und mangels gegenteiliger Hinweise als glaubhaft anzusehenden Vortrag nicht feststellbar. Hinweise auf ein Auswahl-, Organisations- oder Überwachungsverschulden bietet der Sachverhalt nicht. Nach der eidesstattlichen Versicherung von Frau P. achtet die Mitarbeiterin darauf, dass Schriftsätze nicht fehlerhaft versandt werden. Frau P. ist nach den Angaben der Bevollmächtigten eine erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte, die bislang ohne Beanstandungen ihre Pflichten erfüllt hat.
Die Klägerin war mithin ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert, weshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 08.04.2011 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2011 zurück. Laut Eingangsstempel ging der Widerspruchsbescheid am 05.12.2011 bei der bevollmächtigten VdK Sozialrechtsschutz gGmbH ein.
Am 17.01.2012 ist beim SG die Vollmacht der Klägerin eingegangen. Das SG hat daraufhin der Bevollmächtigten der Klägerin am 19.01.2012 mitgeteilt, dass eine Klage nicht vorliege.
Am 23.01.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist beantragt. Die Klägerin habe ihrer Bevollmächtigten mit Schreiben vom 13.12.2011 erklärt, sie wolle Klage erheben. Daraufhin sei der Schriftsatz zur Klageerhebung vom 15.12.2011 verfasst und zeitgleich mit einer Mehrfertigung für die Klägerin versandt worden. Da die Bevollmächtigte sehr viele Klagen führe, ginge fast täglich Post an das SG. Die Post eines Tages werde regelmäßig in einem großen Umschlag an das SG übersandt. Per Fax werde nur dann Klage erhoben, wenn aufgrund der Kürze der Zeit zu befürchten sei, dass die Klagefrist nicht eingehalten werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Versand werde von den Mitarbeiterinnen Frau P. und Frau M. vorbereitet. Beide seien Rechtsanwaltsfachangestellte. Vermutlich sei die Klage von Frau P. am 16. oder 19.12.2011 versandt worden. Es handele sich um eine erfahrene Mitarbeiterin. Es sei noch nicht vorgekommen, dass Schriftstücke nicht oder an eine falsche Adresse versandt worden seien. Sie habe bereits durch längere fehlerfreie Arbeit ihre Zuverlässigkeit bewiesen. Eine Überprüfung der Absendung der Klageschrift durch die Sachbearbeiterin sei nicht erfolgt, da diese ab dem 20.12.2011 bis Weihnachten krankgeschrieben gewesen sei. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau P. vorgelegt.
Die Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 03.05.2012 hat das SG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, zur Überzeugung der Kammer sei die Klageschrift vom 15.12.2011 nicht an die Geschäftsstelle der Bevollmächtigten übergeben und von dort beim SG fristgerecht eingereicht worden. Eine hausinterne Recherche habe ergeben, dass das Schriftstück beim SG nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, dass das Schriftstück den Bereich der Bevollmächtigten gar nicht verlassen habe. Der Fehler müsse bei der Übergabe an die Geschäftsstelle zur Postversendung aufgetreten sein. Anders sei der Vorgang nicht erklärlich. Auf Exkulpationsregeln der Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege könne sich die Bevollmächtigte der Klägerin als gemeinnützige GmbH nicht berufen. Dies habe zur Folge, dass die Bevollmächtigte selbst die Verantwortung trage. Eine Exkulpation durch die Auswahl und Überwachung des Hilfspersonals sei nicht möglich. Die schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten sei der Klägerin zuzurechnen.
Am 29.05.2012 hat die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Klageschrift vom 15.12.2011 versehentlich an eine falsche Adresse versandt oder beim SG falsch abgeheftet worden sei. Der tatsächliche Versand der Klage werde dadurch belegt, dass die Klageschriften stets zeitgleich mit einer Mehrfertigung für den Mandanten versandt würden. Die Klägerin habe mitgeteilt, dass sie am 19.12.2011 die Klageschrift erhalten habe. Am 27.12.2011 habe sie den geforderten Vorschuss überwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 172 f Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren.
Nach § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (Abs 2 Satz 1). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (Abs 2 Satz 2). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Abs 2 Satz 3). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs 2 Satz 4). Gemäß § 67 Abs 4 SGG ist nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Die formellen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind gewahrt. Die Klägerin hat unstreitig die einmonatige Frist zur Klageerhebung nach § 87 Abs 1 SGG versäumt. Sie hat außerdem die versäumte Handlung (Klageerhebung) nachgeholt und den Wiedereinsetzungsantrag gestellt und dabei jeweils die Frist des § 67 Abs 2 SGG von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses eingehalten. Wegfall des Hindernisses ist hier die durch die Vollmachtvorlage am 19.01.2012 gewonnene Erkenntnis, dass die Klageerhebung bislang versäumt worden war.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin war ohne Verschulden gehindert, die Klagefrist einzuhalten. Für ein Eigenverschulden der Klägerin liegen keine Anhaltspunkte vor. Ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer Bevollmächtigten ist ebenfalls nicht gegeben.
Es kann nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte der Klägerin die Klageschrift vom 15.12.2011 schon nicht an ihre Hilfskraft zur Absendung an das SG übergeben hat. Allein die Tatsache, dass beim SG die Klageschrift nicht gefunden wurde, belegt kein Versäumnis auf Seiten der Bevollmächtigten. Ein Verlorengehen auf dem Postweg oder in den Räumen des SG bleibt möglich. Die damaligen Umstände, die auch wegen fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte glaubhaft sind, sprechen vielmehr für eine Übergabe an die Geschäftsstelle zur Versendung an das SG. Die Klageschrift wurde unter dem 15.12.2011 verfasst und in Mehrfertigung an die Klägerin versandt. Ihren Angaben nach erreichte sie das Schreiben am 19.12.2011. Am 27.12.2011 überwies sie den Vorschuss für die Bevollmächtigte. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Klageschrift anders als die für die Klägerin bestimmte Mehrfertigung zurückgehalten werden sollte. Der Senat hält es daher für hinreichend glaubhaft, dass die Bevollmächtigte der Klägerin die Klageschrift an die Geschäftsstelle zur Versendung an das SG übergeben hat.
Die Bevollmächtigte hat sich damit einer Hilfsperson bei der Absendung der Klage bedient. Deren (mögliches) Verschulden geht nicht zu Lasten der Klägerin. Denn das Verschulden einer nicht vertretungsberechtigten Hilfsperson, derer sich der Bevollmächtigte bei untergeordneten Hilfstätigkeit bedient, ist dem Säumigen nicht zurechenbar (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, § 67 RdNr 3f). Nur das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich (vgl § 85 Abs 2 Zivilprozessordnung). Dem Bevollmächtigten ist ein dem Beteiligten zurechenbares Verschulden dann vorwerfbar, wenn er die betroffene Aufgabe nicht delegieren durfte oder die mit der Aufgabe beauftragen Angestellten nicht sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht hat (zusammenfassend: BSG 02.09.2009, B 6 KA 14/09 B, juris). Diese Grundsätze gelten nicht nur für Anwälte und Behörden (zu Letzteren: BSG 18.03.1987, 9b RU 8/86, juris), sondern auch für andere nach § 73 SGG zugelassene Prozessbevollmächtigte (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, § 67 RdNr 3g; so ausdrücklich auch BSG 18.03.1987, 9b RU 8/86, juris-RdNr 13: Prozessbevollmächtigte "gleich welcher Art"). Es ist kein Grund ersichtlich, dem Sachbearbeiter des bevollmächtigten Sozialverbands weitergehende Sorgfaltspflichten aufzubürden als einem Rechtsanwalt. Vielmehr ist auch dem Mitarbeiter des Sozialverbands VdK der Einsatz von Hilfspersonen zuzugestehen. Die Organisation des VdK als (gemeinnützige) GmbH und die damit verbundenen Haftungsfolgen stehen dem nicht entgegen. Auch eine Rechtsanwaltskanzlei kann als GmbH auftreten (§§ 59c ff Bundesrechtsanwaltsordnung).
Ein der Klägerin zuzurechnendes Organisationsverschulden ihrer Bevollmächtigten ist nach dem in sich widerspruchsfreien und mangels gegenteiliger Hinweise als glaubhaft anzusehenden Vortrag nicht feststellbar. Hinweise auf ein Auswahl-, Organisations- oder Überwachungsverschulden bietet der Sachverhalt nicht. Nach der eidesstattlichen Versicherung von Frau P. achtet die Mitarbeiterin darauf, dass Schriftsätze nicht fehlerhaft versandt werden. Frau P. ist nach den Angaben der Bevollmächtigten eine erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte, die bislang ohne Beanstandungen ihre Pflichten erfüllt hat.
Die Klägerin war mithin ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert, weshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
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