Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 285/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 404/12 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Anordnungsgrund für die Übernahme von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II im Eilverfahren besteht nicht allein deswegen, weil das Jobcenter nur einen Teil der Unterkunftskosten übernimmt. Eine Kündigung wegen Mietrückstands durch den Vermieter kann einen Anordnungsgrund begründen.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom
26. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt in diesem Eilverfahren die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten rückwirkend ab dem 25.03.2010.
Der 1966 geborene Antragsteller erhält seit dem Jahr 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Er wohnt in einer
120 m² großen Mietwohnung, für die er derzeit insgesamt 863,52 EUR monatlich (Nettomiete: 608,44 EUR, Heizkostenvorauszahlung: 127.- EUR, Nebenkosten: 128,08 EUR) zahlen muss.
Bis einschließlich Januar 2007 gewährte der Antragsgegner die damaligen tatsächlichen Unterkunftskosten (824,02 EUR), seit Februar 2007 nur noch die nach seinen Richtlinien angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (335,64 EUR). Am 31.08.2006 hatte der Antragsgegner den Antragsteller zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert. Von April 2007 bis zum 25.03.2010 nutzte der Kläger zwei Räume seiner Wohnung mit Einverständnis des Antragsgegners als Büroräume. Ein anrechenbares Einkommen wurde nicht erzielt.
Am 11.08.2011 beantragte der Antragsteller, die Mietkosten seit seiner Erkrankung am 25.03.2010 wieder in voller Höhe zu übernehmen. Er sei der Kostensenkungsaufforderung durch die gewerbliche Nutzung nachgekommen. Eine erneute Kostensenkungsaufforderung habe er nicht erhalten. Mit Bescheid vom 18.11.2011 bewilligte der Antragsgegner seit dem 01.10.2011 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 520,80 EUR. Im Übrigen wies er den Antrag ab. Der Widerspruch war erfolglos, ebenso wie die unter den Aktenzeichen S 11 AS 1342/11 und S 11 AS 223/12 ER geführten Eilverfahren.
In seinem Antrag vom 02.04.2012 begehrt der Antragsteller erneut eine einstweilige Anordnung durch das Sozialgericht, nach welcher der Antragsgegner seit März 2010 die vollen Unterkunftskosten übernehmen soll. Er könne inzwischen die Wohnkosten nicht mehr mit Darlehen finanzieren. Daher sei mit dem Entstehen von Mietrückständen und in deren Folge mit der Kündigung zu rechnen.
Das Sozialgericht wies am 26.03.2012 den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ab. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch seien nicht glaubhaft gemacht worden. Dem Antragsteller drohe nicht konkret die Wohnungslosigkeit. Die Kostensenkungsaufforderung des Antragsgegners sei weiterhin wirksam. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihm aus gesundheitlichen Gründen eine Kostensenkung unzumutbar sei. Zwar habe ein Nervenarzt die Unzumutbarkeit eines Umzugs oder einer Untervermietung bestätigt. Dieser habe den Antragsteller jedoch erstmals am 25.03.2010 untersucht. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller zuvor nicht zur Kostensenkung in der Lage gewesen wäre.
In der am 23.05.2012 eingelegten Beschwerde trägt der Antragsteller vor, er sei durch die gewerbliche Nutzung seiner Wohnräume seiner Kostensenkungspflicht nachgekommen. Dies sei vom Antragsgegner akzeptiert worden. Er habe sich auf die Vereinbarung verlassen. Die Berichterstatterin bat den Antragsteller am 18.06.2012 um Stellungnahme dazu, woraus sich die Eilbedürftigkeit des Antrags ergäbe. Der Antragsteller teilte daraufhin telefonisch mit, er beziehe sich auf seine Begründung des Antrags gegenüber dem Sozialgericht, insbesondere auf deren Ziffer 4. Darin hatte er auf zwei Gerichtsentscheidungen Bezug genommen, in denen betont wurde, dass existenzsichernde Leistungen wie die Kosten für Unterkunft und Heizung grundsätzlich nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorenthalten werden dürfen. Er beantragt sinngemäß:
den Beschluss des Sozialgericht Augsburg vom 26.April 2012 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm ab dem 25.März 2010 die gesamten Wohnungskosten als Kosten für Unterkunft und Heizung zu erstatten.
Der Antragsgegner beantragt
die Beschwerde zurückzuweisen. Ein Anordnungsgrund sei weiterhin nicht glaubhaft gemacht worden. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller konkret die Wohnungslosigkeit drohe.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Akten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 86 b Abs. 3, 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG muss das Gericht eine vorläufige Regelung treffen, wenn eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen könnten, die nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr beseitigt werden könnten (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, z. B. BVerfGE 79,69; 46,166). Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die besondere Eilbedürftigkeit und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist die in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, selbst wenn die Sache eilbedürftig wäre. Will sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, muss es dann, wenn es um existenzsichernde Leistungen geht, die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen. Ist dies nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 12.05.2005, NVWZ 2005,924 und vom 22.11.2002, NJW 2003,1236).
Der Antragsteller hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht.
Soweit er Leistungen für einen zurückliegenden Zeitraum beantragt hat, könnte eine einstweilige Regelung nur dann getroffen werden, wenn das Vorenthalten der Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkte und dadurch eine gegenwärtige Notlage entstanden wäre (Keller im Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG , 10. Auflage, § 86 a Rn. 35 a mit Rechtsprechungshinweisen). Dies wurde hier nicht vorgetragen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass bereits Mietrückstände aufgelaufen sind, die den Vermieter des Antragstellers zu einer Kündigung berechtigen würden.
Auch soweit der Antragsteller Leistungen für den Zeitraum ab Antragstellung beantragt hat, kann er nach den mitgeteilten Fakten auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Die existenziellen Bedürfnisse des Antragstellers sind derzeit nicht gefährdet. Auf konkrete Nachfrage der Berichterstatterin hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren lediglich auf Rechtsprechung verwiesen, wonach in Verfahren wegen höherer Unterkunftskosten das Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht abgewartet werden könne. Er hat aber nicht vorgetragen, dass bereits Mietschulden bestehen. Aktuell drohen dem Antragsteller damit weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit.
Der Senat teilt nicht die in den vom Antragsteller zitierten Gerichtsentscheidungen vertretene Rechtsauffassung, wonach ein Anordnungsgrund stets dann anzunehmen ist, wenn der Hilfebedürftige nicht die vollen Unterkunftskosten erhält (SG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2011) bzw. er den Differenzbetrag nicht aus seinem Vermögen oder anderweitigem Einkommen bestreiten kann (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2011, L 14 AS 205/11 B ER). Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass bei einem Abwarten bis zum Hauptsacheverfahren Nachteile entstehen könnten, die nicht mehr beseitigt werden könnten. Das Risiko, aufgrund von Mietrückständen gekündigt zu werden, ist kein irreversibler Nachteil. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine Kündigung, die wegen Mietrückstandes erklärt wurde, unwirksam, wenn die Miete bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs bezahlt wird. Im Hinblick auf die zur Sicherung der Unterkunft nach Erhebung einer Räumungsklage in § 22 Absatz 7 - 9 SGB II enthaltenen Regelungen, ist die Eilbedürftigkeit in Verfahren wegen Unterkunftskosten regelmäßig frühestens dann anzunehmen, wenn der Vermieter die Kündigung erklärt hat (Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.08.2010, L 8 AS 356/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007, L 32 B 1558/07; weitergehend noch Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.02.2012, L 11 AS 932/11 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.2012, L 12 AS 352/12 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2010, L 5 AS 2025/10 B ER, die eine Eilbedürftigkeit erst annehmen, wenn bereits die Räumungsklage erhoben wurde).
Hinzu kommt, dass die bis auf weiteres nur privat genutzte Wohnung für den alleinstehenden Antragsteller eindeutig zu groß und zu teuer ist. Sein Interesse an einem Verbleib in der Wohnung ist daher grundsätzlich nicht schützenswert (Vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.10.2011, L 12 AS 4216/11 ER-B).
An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes können auch nicht deswegen geringere Anforderungen gestellt werden, weil ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich wäre. Die Erfolgsaussichten können allenfalls als offen bezeichnet werden. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller seit langem verpflichtet ist, seine Unterkunftskosten zu senken. Einer nochmaligen Aufforderung hierzu nach Aufgabe der selbständigen Tätigkeit bedurfte es nicht. Das Gesetz selbst sieht eine ausdrückliche, formelle Kostensenkungsaufforderung nicht vor, um den Lauf der sechsmonatigen Regelübergangsfrist in Gang zu setzen. Die Frist beginnt bereits dann zu laufen, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte erkennen musste, dass die tatsächlichen Kosten zu hoch und sie daher zu senken sind (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R).
Dem Antragsteller ist seit der ersten Antragstellung bekannt, dass seine Wohnung für einen alleinstehenden Empfänger von Grundsicherungsleistungen zu groß und zu teuer ist. Er konnte nicht annehmen, dass bei Aufgabe der beruflichen Tätigkeit die volle Miete übernommen wird. Vielmehr musste ihm klar sein, dass er den Differenzbetrag entweder anderweitig bestreiten muss oder aber seine Kosten durch Untervermietung oder durch Umzug reduzieren muss. Er weiß auch, welche Unterkunftskosten der Antragsgegner höchstens erstatten will.
Nicht ausreichend geklärt ist allerdings, ob es dem Antragsteller derzeit aus gesundheitlichen zumutbar ist, umzuziehen oder einen Untermieter aufzunehmen. Das vom Antragsteller in einem früheren Eilverfahren vorgelegte Attest seines Arztes vom 04.11.2011 ist nicht mehr aktuell. Der Antragsteller hat unlängst eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt, die seinen Gesundheitszustand möglicherweise verbessert hat. Bei neuen Ermittlungen wäre auch konkret nachzufragen, ob ein Umzug auch bei Inanspruchnahme der vom Antragsgegner zu gewährenden Unterstützung (z. B. Umzugshilfe) unzumutbar wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
26. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt in diesem Eilverfahren die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten rückwirkend ab dem 25.03.2010.
Der 1966 geborene Antragsteller erhält seit dem Jahr 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Er wohnt in einer
120 m² großen Mietwohnung, für die er derzeit insgesamt 863,52 EUR monatlich (Nettomiete: 608,44 EUR, Heizkostenvorauszahlung: 127.- EUR, Nebenkosten: 128,08 EUR) zahlen muss.
Bis einschließlich Januar 2007 gewährte der Antragsgegner die damaligen tatsächlichen Unterkunftskosten (824,02 EUR), seit Februar 2007 nur noch die nach seinen Richtlinien angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (335,64 EUR). Am 31.08.2006 hatte der Antragsgegner den Antragsteller zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert. Von April 2007 bis zum 25.03.2010 nutzte der Kläger zwei Räume seiner Wohnung mit Einverständnis des Antragsgegners als Büroräume. Ein anrechenbares Einkommen wurde nicht erzielt.
Am 11.08.2011 beantragte der Antragsteller, die Mietkosten seit seiner Erkrankung am 25.03.2010 wieder in voller Höhe zu übernehmen. Er sei der Kostensenkungsaufforderung durch die gewerbliche Nutzung nachgekommen. Eine erneute Kostensenkungsaufforderung habe er nicht erhalten. Mit Bescheid vom 18.11.2011 bewilligte der Antragsgegner seit dem 01.10.2011 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 520,80 EUR. Im Übrigen wies er den Antrag ab. Der Widerspruch war erfolglos, ebenso wie die unter den Aktenzeichen S 11 AS 1342/11 und S 11 AS 223/12 ER geführten Eilverfahren.
In seinem Antrag vom 02.04.2012 begehrt der Antragsteller erneut eine einstweilige Anordnung durch das Sozialgericht, nach welcher der Antragsgegner seit März 2010 die vollen Unterkunftskosten übernehmen soll. Er könne inzwischen die Wohnkosten nicht mehr mit Darlehen finanzieren. Daher sei mit dem Entstehen von Mietrückständen und in deren Folge mit der Kündigung zu rechnen.
Das Sozialgericht wies am 26.03.2012 den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ab. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch seien nicht glaubhaft gemacht worden. Dem Antragsteller drohe nicht konkret die Wohnungslosigkeit. Die Kostensenkungsaufforderung des Antragsgegners sei weiterhin wirksam. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihm aus gesundheitlichen Gründen eine Kostensenkung unzumutbar sei. Zwar habe ein Nervenarzt die Unzumutbarkeit eines Umzugs oder einer Untervermietung bestätigt. Dieser habe den Antragsteller jedoch erstmals am 25.03.2010 untersucht. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller zuvor nicht zur Kostensenkung in der Lage gewesen wäre.
In der am 23.05.2012 eingelegten Beschwerde trägt der Antragsteller vor, er sei durch die gewerbliche Nutzung seiner Wohnräume seiner Kostensenkungspflicht nachgekommen. Dies sei vom Antragsgegner akzeptiert worden. Er habe sich auf die Vereinbarung verlassen. Die Berichterstatterin bat den Antragsteller am 18.06.2012 um Stellungnahme dazu, woraus sich die Eilbedürftigkeit des Antrags ergäbe. Der Antragsteller teilte daraufhin telefonisch mit, er beziehe sich auf seine Begründung des Antrags gegenüber dem Sozialgericht, insbesondere auf deren Ziffer 4. Darin hatte er auf zwei Gerichtsentscheidungen Bezug genommen, in denen betont wurde, dass existenzsichernde Leistungen wie die Kosten für Unterkunft und Heizung grundsätzlich nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorenthalten werden dürfen. Er beantragt sinngemäß:
den Beschluss des Sozialgericht Augsburg vom 26.April 2012 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm ab dem 25.März 2010 die gesamten Wohnungskosten als Kosten für Unterkunft und Heizung zu erstatten.
Der Antragsgegner beantragt
die Beschwerde zurückzuweisen. Ein Anordnungsgrund sei weiterhin nicht glaubhaft gemacht worden. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller konkret die Wohnungslosigkeit drohe.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Akten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 86 b Abs. 3, 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG muss das Gericht eine vorläufige Regelung treffen, wenn eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen könnten, die nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr beseitigt werden könnten (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, z. B. BVerfGE 79,69; 46,166). Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die besondere Eilbedürftigkeit und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist die in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, selbst wenn die Sache eilbedürftig wäre. Will sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, muss es dann, wenn es um existenzsichernde Leistungen geht, die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen. Ist dies nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 12.05.2005, NVWZ 2005,924 und vom 22.11.2002, NJW 2003,1236).
Der Antragsteller hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht.
Soweit er Leistungen für einen zurückliegenden Zeitraum beantragt hat, könnte eine einstweilige Regelung nur dann getroffen werden, wenn das Vorenthalten der Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkte und dadurch eine gegenwärtige Notlage entstanden wäre (Keller im Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG , 10. Auflage, § 86 a Rn. 35 a mit Rechtsprechungshinweisen). Dies wurde hier nicht vorgetragen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass bereits Mietrückstände aufgelaufen sind, die den Vermieter des Antragstellers zu einer Kündigung berechtigen würden.
Auch soweit der Antragsteller Leistungen für den Zeitraum ab Antragstellung beantragt hat, kann er nach den mitgeteilten Fakten auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Die existenziellen Bedürfnisse des Antragstellers sind derzeit nicht gefährdet. Auf konkrete Nachfrage der Berichterstatterin hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren lediglich auf Rechtsprechung verwiesen, wonach in Verfahren wegen höherer Unterkunftskosten das Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht abgewartet werden könne. Er hat aber nicht vorgetragen, dass bereits Mietschulden bestehen. Aktuell drohen dem Antragsteller damit weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit.
Der Senat teilt nicht die in den vom Antragsteller zitierten Gerichtsentscheidungen vertretene Rechtsauffassung, wonach ein Anordnungsgrund stets dann anzunehmen ist, wenn der Hilfebedürftige nicht die vollen Unterkunftskosten erhält (SG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2011) bzw. er den Differenzbetrag nicht aus seinem Vermögen oder anderweitigem Einkommen bestreiten kann (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2011, L 14 AS 205/11 B ER). Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass bei einem Abwarten bis zum Hauptsacheverfahren Nachteile entstehen könnten, die nicht mehr beseitigt werden könnten. Das Risiko, aufgrund von Mietrückständen gekündigt zu werden, ist kein irreversibler Nachteil. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine Kündigung, die wegen Mietrückstandes erklärt wurde, unwirksam, wenn die Miete bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs bezahlt wird. Im Hinblick auf die zur Sicherung der Unterkunft nach Erhebung einer Räumungsklage in § 22 Absatz 7 - 9 SGB II enthaltenen Regelungen, ist die Eilbedürftigkeit in Verfahren wegen Unterkunftskosten regelmäßig frühestens dann anzunehmen, wenn der Vermieter die Kündigung erklärt hat (Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.08.2010, L 8 AS 356/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007, L 32 B 1558/07; weitergehend noch Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.02.2012, L 11 AS 932/11 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.2012, L 12 AS 352/12 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2010, L 5 AS 2025/10 B ER, die eine Eilbedürftigkeit erst annehmen, wenn bereits die Räumungsklage erhoben wurde).
Hinzu kommt, dass die bis auf weiteres nur privat genutzte Wohnung für den alleinstehenden Antragsteller eindeutig zu groß und zu teuer ist. Sein Interesse an einem Verbleib in der Wohnung ist daher grundsätzlich nicht schützenswert (Vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.10.2011, L 12 AS 4216/11 ER-B).
An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes können auch nicht deswegen geringere Anforderungen gestellt werden, weil ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich wäre. Die Erfolgsaussichten können allenfalls als offen bezeichnet werden. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller seit langem verpflichtet ist, seine Unterkunftskosten zu senken. Einer nochmaligen Aufforderung hierzu nach Aufgabe der selbständigen Tätigkeit bedurfte es nicht. Das Gesetz selbst sieht eine ausdrückliche, formelle Kostensenkungsaufforderung nicht vor, um den Lauf der sechsmonatigen Regelübergangsfrist in Gang zu setzen. Die Frist beginnt bereits dann zu laufen, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte erkennen musste, dass die tatsächlichen Kosten zu hoch und sie daher zu senken sind (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R).
Dem Antragsteller ist seit der ersten Antragstellung bekannt, dass seine Wohnung für einen alleinstehenden Empfänger von Grundsicherungsleistungen zu groß und zu teuer ist. Er konnte nicht annehmen, dass bei Aufgabe der beruflichen Tätigkeit die volle Miete übernommen wird. Vielmehr musste ihm klar sein, dass er den Differenzbetrag entweder anderweitig bestreiten muss oder aber seine Kosten durch Untervermietung oder durch Umzug reduzieren muss. Er weiß auch, welche Unterkunftskosten der Antragsgegner höchstens erstatten will.
Nicht ausreichend geklärt ist allerdings, ob es dem Antragsteller derzeit aus gesundheitlichen zumutbar ist, umzuziehen oder einen Untermieter aufzunehmen. Das vom Antragsteller in einem früheren Eilverfahren vorgelegte Attest seines Arztes vom 04.11.2011 ist nicht mehr aktuell. Der Antragsteller hat unlängst eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt, die seinen Gesundheitszustand möglicherweise verbessert hat. Bei neuen Ermittlungen wäre auch konkret nachzufragen, ob ein Umzug auch bei Inanspruchnahme der vom Antragsgegner zu gewährenden Unterstützung (z. B. Umzugshilfe) unzumutbar wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved