Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 4 VJ 1745/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 5 VJ 62/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 01. November 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens.
Der am 28. November 1984 geborene Kläger erhielt am 09. Januar 1987 seine vierte Dreifachimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis sowie seine zweite Masernimpfung.
Der Impfstoff der Dreifachimpfung war nach Aktenlage 1984 hergestellt worden, er hatte eine Haltbarkeit von nur zwei Jahren.
Ausweislich der Dokumentation der behandelnden Ärztin (Bl. 21 d.A.), der der Kläger am 13. Januar 1987 vorgestellt worden war, hat er sich am 11. Januar 1987 erbrochen. Am 12. Januar 1987 hat er bis 39° C gefiebert und an Durchfall gelitten. Die behandelnde Ärztin gab verschlüsselt als Diagnosen an: nichteitrige Otitis media, eine akute Mandelentzündung und eine akute Infektion der oberen Luftwege an mehreren oder nicht näher bezeichneten Stellen sowie eine Grippe. Eine Stuhlprobe vom 14. Januar 1987 ergab keinen pathologischen Befund. Eine erneute Vorstellung bei der Kinderärztin erfolgte am 20. Januar 1987. In der Krankenakte ist vermerkt: Temperatur negativ, Stuhl fest, rechtes Trommelfell noch gerötet.
In den Unterlagen der Kinderkrippe (Bl. 60 R. d. VwA) ist über eine Untersuchung am 27. Januar 1987 vermerkt: guter EAZ, Ohren beidseitig gerötet seit 14 Tagen. Weitere pathologische Befunde sind nicht angegeben. Bei einer Untersuchung am 14. April 1987 ist angegeben: "Knick-Senkuß, abwarten". Die nächste Vorstellung bei der Kinderärztin erfolgte am 01. Juni 1987. In der Karteikarte der Ärztin ist angegeben: T = 39° C, Husten und Schnupfen, Tf (Trommelfell) beidseits o.B.). Wohl aufgrund der Angaben der Mutter erfolgte am 08. Juli 1987 eine Vorstellung bei Dr. R. (Bl. 18 d. VwA): das Kind würde beim Laufen das linke Bein nachziehen. In der Krankenakte ist vermerkt: läuft völlig unauffällig, grobe Kraft und Sehnenreflexe, seitengleich. In der Folgezeit wurde der Kläger mehrfach Ärzten vorgestellt. Bei der Krippenuntersuchung am 16. Oktober 1987 (Bl. 61 d. VwA) wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Über eine erneute Untersuchung am 29. April 1988 findet sich der Eintrag (Bl. 62 d. VwA): läuft sehr schlecht, rennt so, als würde er fallen, läuft mit den Füßen nach außen, hat Angst beim Laufen.
Bei der ersten Einschulungsuntersuchung am 03. Mai 1990 wurden folgende Befunde erhoben (Bl. 61 R. d. VwA): mittlerer Allgemeinzustand, heisere Stimme (in HNO-ärztlicher Behandlung), trägt Brille, Haltungsschwäche, zentrale Koordinationsstörungen besonders im unteren Bereich, grobe Kraft Fuß und Hand vermindert, leistungsmäßig zurück, in logopädischer Behandlung, grobintellektuell keine Schwierigkeiten. Bei der zweiten Einschulungsuntersuchung am 05. März 1991 wurde festgestellt (Bl. 61 R. d. VwA): mittlerer Allgemeinzustand, ausgesprochen verhaltensauffällig, distanzlos, hypermotorisch, Nystagmus, trägt Brille, heisere Stimme, Schwierigkeiten beim Balancieren, grobe Kraft keine Absteifung, Sprache verwaschen, Einschulung mit Bedenken.
In der Folgezeit wurden beim Kläger u.a. festgestellt: ein intellektuelles Leistungsvermögen im Bereich der Grenzbegabung bei einem IQ von 62-71 (Abweichung aufgrund verschiedener Testverfahren), undeutlich und stark verwaschene Sprache, Kurzsichtigkeit, verminderte visuelle Aufmerksamkeit sowie eine ausgeprägte Bewegungsstörung mit breitbeinigem und ataktischem Gangbild sowie eine Dysdiadochokinese als typisches Symptom bei Erkrankungen des Kleinhirns.
Am 27. Februar 1997 beantragte der durch seine Mutter vertretene Kläger beim Beklagten erstmals die Anerkennung von Bewegungsauffälligkeiten, Konzentrationsschwäche, einer Sehschwäche (starke Kurzsichtigkeit) und schneller Ermüdung unter Belastung als Impfschäden und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung.
Der Beklagte lehnte nach Auswertung verschiedener medizinischer Unterlagen und Befundberichte den Antrag mit Bescheid vom 21. Januar 1999 ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 04. Februar 2000 beantragte der Kläger unter Vorlage weiterer Befunde die Überprüfung des Bescheides. Der Beklagte lehnte den Antrag nach Auswertung der neuerlichen Befunde mit Bescheid vom 13. März 2002 (Bl. 105 d. VwA) ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2002 zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 17. August 2002 Klage zum Sozialgericht. Das Sozialgericht beauftragte Prof. med. Dr. U. B. vom Universitätsklinikum J. (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) mit der Erstellung eines Gutachtens zur Kausalität zwischen der angeschuldigten Impfung und den Gesundheitsschäden. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30. Juni 2006 (Bl.64 ff. d.A.) einen Impfschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, ebenfalls eine Verschlechterung einer vorbestehenden neurologischen Erkrankung.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 01. November 2006 (Bl. 85 ff. d.A.) abgewiesen. Der Nachweis, dass die angeschuldigte Impfung Ursache für die Gesundheitsschäden ist, sei dem Kläger nicht gelungen.
Gegen das am 20. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Januar 2007 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der dieser sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, der Gutachter Prof. Dr. B. habe wichtige Umstände übersehen, so etwa den Umstand, dass der Dreifach-Impfstoff überlagert gewesen war.
Ebenso wenig sei er auf die Frage eingegangen, ob es eine Rolle spiele, dass die Masernimpfung am selben Tage wie die Dreifachimpfung stattgefunden habe. Dies sei den Angaben der Mutter des Klägers zufolge seinerzeit nicht die Regel gewesen. Zudem habe der Sachverständige andere Ursachen für die Gesundheitsschäden, wie etwa Gendefekte, nicht offenlassen dürfen. Auch habe er nicht die Frage offenlassen dürfen, ob ein vorliegender Gendefekt durch die Impfungen erst zum Ausbruch gekommen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 01. November 2006 und den Bescheid vom 13. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 21. Januar 1999 aufzuheben und ihm Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat ein weiteres Gutachten zur Kausalität zwischen der angeschuldigten Impfung und den Gesundheitsschäden des Klägers eingeholt. Auf das Gutachten von Prof. Dr. med. G. J. vom Universitätsklinikum M. vom 29. Juli 2009 wird verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 21. Januar 1999, denn die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) liegen nicht vor. Bei Erlass des Bescheids vom 21. Januar 1999 wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 51 Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. nach § 60 des Gesetzes zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl I S. 1045) i.V.m. dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG).
Die Beurteilung des vorliegenden Falles richtet sich zunächst nach den Vorschriften des Bundesseuchengesetzes, wie es auf das Beitrittsgebiet übergeleitet wurde.
Die angeschuldigte Impfung wurde vor dem Beitritt in dem in Art. 1 des Einigungsvertrages (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - EinigVertr - vom 31. August 1990 (BGBl. II, S. 889) in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juni 2011 (BGBl I, S. 1114) genannten Gebiet durchgeführt.
Eine direkte Anwendung des Bundesseuchengesetzes auf Fälle wie den vorliegenden scheidet aus. Dies widerspräche dem Grundsatz der direkten Gebiets- und Sachgebundenheit des Impfgeschehens (vgl. Wilke/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., Rn. 18 zu § 51 BSeuchG). Ebenso wie § 60 Abs. 3 IfSG schrieb auch § 51 Abs. 3 BSeuchG die Erstreckung des Schutzes auf das Gebiet der DDR lediglich für den Fall der Pockenimpfung vor.
Das Bundesseuchengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I, S. 2262; 1980 I, S. 151) zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl. I, S. 1211) ist jedoch gemäß Anlage 1 Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt III Nummer 3d zum Einigungsvertrag im Beitrittsgebiet unter anderem mit folgender Maßgabe in Kraft getreten: Soweit nach den §§ 51 bis 55, 59 bis 61 BSeuchG das Bundesversorgungsgesetz und die zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, gelten diese Vorschriften mit denen in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nummer 1 Einigungsvertrag aufgeführten Maßgaben. Dort war bestimmt, dass das BVG im Beitrittsgebiet vom 01. Januar 1991 an Anwendung findet (Buchstabe m der genannten Bestimmung des Einigungsvertrages).
Da das IfSG am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist bei zeitgleichem Außerkrafttreten des BSeuchG ohne Übergangsvorschrift, ist im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch bis zum Inkrafttreten des IfSG das BSeuchG weiterhin anzuwenden; für die Zeit danach sind der Entscheidung die allerdings im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des IfSG zu Grunde zu legen (BSG, Urteil vom 20. Juli 2005, Az. B 9a/9 VJ 2/04 R).
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die 1. gesetzlich vorgeschrieben oder 2. auf Grund dieses Gesetzes angeordnet, 3. von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen oder 4. auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
Ein Impfschaden ist nach § 52 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Für die Zeit ab 01. Januar 2001 ist § 60 Abs. 1 IfSG anwendbar. Danach erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die 1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, 2. aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde, 3. gesetzlich vorgeschrieben war oder 4. aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts abweichendes bestimmt.
Ein Impfschaden ist nach § 2 Nr. 11 IfSG ebenfalls ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Wie das Bundesversorgungsgesetz, auf das in beiden Gesetzen verwiesen wird, gehen sowohl das Bundesseuchengesetz, als auch das Infektionsschutzgesetz von einer dreigliedrigen Kausalkette aus.
Das erste Glied, der schädigende Vorgang stellt hier die Impfung dar, das zweite Glied bildet die durch den schädigenden Vorgang hervorgerufene Schädigung, das heißt eine unübliche Impfreaktion als Primärschaden. Das dritte Glied stellt die Folge der gesundheitlichen Schädigung (Schädigungsfolge) dar, also das Versorgungsleiden, dessen Feststellung ein Antragsteller durch die Versorgungsverwaltung begehrt.
Die drei Glieder der Kausalkette als den Anspruch begründende Tatsachen, nämlich die Impfung, die unübliche Impfreaktion und das Dauerleiden müssen nachgewiesen und nicht nur wahrscheinlich sein (BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9). Für den Beweisgrad des Nachweises ist es zwar nicht erforderlich, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend aber auch erforderlich ist indes ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSeuchG bzw. § 61 Abs. 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlich ist der ursächliche Zusammenhang dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997, 9 RVI 1/95 zu §§ 51, 52 BSeuchG). In jedem Fall ist der Nachweis eines Impftermins und eines Primärschadens in Form einer unüblichen Impfreaktion erforderlich.
Ohne eine gesundheitliche Schädigung, die über das übliche Maß einer Impfreaktion hinaus gehen muss, ist die Anerkennung eines Dauerleidens als Folge eines Impfschadens nicht erlaubt. Dabei können unter Umständen nach § 15 des Gesetzes über die Verwaltungsverfahren des Kriegsopferversorgung (KOV), der auch über das Inkrafttreten des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinaus Geltung hat (vgl. Art. 2 § 16 des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl. I 1 S. 1469) und der auch im Recht der Impfopferversorgung gilt (§ 64 Abs. 2 IfSG), die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen in den Fällen, in denen Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zugrundegelegt werden, soweit sie nach den Umständen glaubhaft erscheinen.
Die Impfungen waren zum Zeitpunkt Ihrer Durchführung in der der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund der Anordnung über die Schutzimpfungen im Kindes- und Jugendalter vom 07. August 1980 (GBl. I 1980, Nr. 26) gesetzlich vorgeschrieben. Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze sind die Schutzimpfungen anhand der bei den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen, insbesondere des Impfscheins, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Jedoch ist dem Kläger der Nachweis nicht gelungen, dass die angeschuldigten Impfungen ursächlich für seine Gesundheitsstörungen sind.
Der Senat schließt sich den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. J. an. Beide Sachverständigen haben die Ursächlichkeit der angeschuldigten Impfung für die geklagten Gesundheitsschäden des Klägers verneint.
Der Sachverständige Prof. B. hat ausgeführt, es seien immer wieder relevante neurologische Folgeerscheinungen im Sinne eines Impfschadens nach einer Keuchhustenimpfung beschrieben worden. Solche Schäden seien jedoch bisher nahezu ausschließlich im Rahmen der Grundimmunisierung aufgetreten. Die toxische Reaktion des Gehirns nach einer Pertussisimpfung bestehe in einer akut auftretenden, hochfieberhaften Encephalopathie innerhalb der ersten sieben Tage nach der Impfung. Als Symptome würden Bewusstseinsstörungen, hohes Fieber, schrilles Schreien und vor allem epileptische Anfälle angegeben. In den meisten Fällen träte die Reaktion bereits 24-72 Stunden nach der Impfung auf. Es handele sich hierbei um ein schweres, mit einer akuten Hirnschädigung einhergehendes Krankheitsbild, welches bleibende Schäden verursachen könne. Krankheitsbilder mit schleichendem Verlauf (wie beim Kläger), die Wochen oder Monate nach der Impfung auftreten, seien nicht bekannt, angesichts der vielen Millionen geimpfter Kinder hätte dies auffallen müssen.
Nach der Masernimpfung komme es mit einer Häufigkeit von 1.68 auf eine Million Impfungen zu neurologischen Komplikationen. Das Risiko bestehe vorwiegend für Erstimpfungen, bei der zweiten Impfung seien in der Regel Antikörper vorhanden, die das Risiko erheblich verminderten. Auch bei den Komplikationen nach einer Masernimpfung (masernähnliches Krankheitsbild mit Hautausschlag, katarrhalischen Zeichen und Fieber, dem im Abstand von einigen, d.h. ein bis acht Tagen eine Entzündung des Gehirns folgte) handele es sich um ein akutes Krankheitsbild mit hohem Fieber und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma und Krampfanfällen. Bleibende Symptome seien nur als Restsymptom einer schweren akuten Erkrankung bekannt, eine schleichende Verschlimmerung über längere Zeiträume existiere nicht. Masernviren könnten zwar auch eine schleichende Entzündung des Gehirns verursachen (SSPE - Subakut sklerosierende Panencephalitis). Dies nehme innerhalb weniger Jahre einen stets tödlichen Verlauf, verbunden mit einem relativ raschen, vollständigen geistigen Abbau, periodischen Muskelzuckungen und charakteristischen EEG-Befunde als Leitsymptomen beschrieben. Die Erkrankung scheide beim Kläger aus, da dieser mit Sicherheit daran bereits verstorben wäre.
Ganz selten könnten auch innerhalb von 14 Tagen nach der Tetanusimpfung Neuropathien auftreten, auch hiergegen spräche der zeitliche Verlauf und dass spätere Impfstoffgaben vom Kläger toleriert wurden.
Eine schwere akute Erkrankung des zentralen Nervensystems sei als conditio sine qua non für die Anerkennung einer impfbedingten Erkrankung anzusehen. Schleichende Erkrankungen mit einem um Monate späteren Beginn könnten nicht als Impfschaden angesehen werden. Es sei eher so, dass die akut nach der Impfung aufgetretenen Krankheitserscheinungen und neurologischen Ausfälle sich über einen gewissen Zeitraum besserten, im Falle bleibender Schäden jedoch nie bis zur völligen Restitution.
Die beim Kläger am 13. Januar 1987 diagnostizierte fieberhafte Erkrankung (Tonsillitis, Mittelohrentzündung und grippeartige Symptome) habe offensichtlich keinen schweren Verlauf genommen, eine Krankenhauseinweisung sei nicht erfolgt. Auch die Angabe (bei der Anamnese im Kinderzentrum in München), die Impfungen seien bisher ohne Komplikationen verlaufen, spreche gegen das akut schwere Krankheitsbild, welches eine bleibende Hirnschädigung verursacht haben könnte. Auch ein Koma, Krampfanfälle oder andere Zeichen der Encephalopathie seien nicht beobachtet worden.
Die am 13. Januar 1987 diagnostizierten Leiden seien zwar auch als Folgeerscheinungen einer Masernimpfung aufgetreten. Allerdings sei die Masernerkrankung durch den kurze Zeit später auftretenden typischen Ausschlag charakterisiert. Dieser sei beim Kläger nicht aufgetreten. Selbst wenn ein Zusammenhang mit der Impfung hergestellt werden könne, fehlten jegliche Symptome, die auf eine akute Beteiligung des Nervensystems hindeuteten. Auch heilten solche geringfügigen Impfreaktionen stets folgenlos aus.
Im Hinblick auf die Ursache der Erkrankungen bestehe weiterhin Unklarheit, ein Impfschaden sei aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Der Sachverständige Prof. Dr. J. kommt nach Auswertung sämtlicher medizinischer Unterlagen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers nicht auf die angeschuldigten Impfungen zurückzuführen sind. Der Kläger habe alle Impfungen komplikationslos vertragen, in den Unterlagen der Mütterberatung und der Krippe seien anamnestisch keine Komplikationen nach den Impfungen vermerk. Bei der Diagnosestellung einer Impfkomplikation sei im Vorfeld abzuklären, ob das Intervall zwischen der Impfung und der klinischen Symptomatik ist. Sodann seien andere Erkrankungen, die die Symptomatik erklärten, auszuschließen und anschließend zu fragen, ob die klinischen Symptome als Impfreaktion oder Impfkomplikation bekannt sei.
Bei Masern handele es sich um eine Virusinfektion, der Impfstoff bestehe damals und heute aus Lebendviren, deren Virulenz (Infektiosität) erheblich abgeschwächt ist. Die Auseinandersetzung des Körpers mit dem Impfstoff, der postvaccinale Verlauf nach der Impfung könne genauso verlaufen wie eine Maserninfektion an sich. Nach der Infektion durchwanderten die Viren das Epithel der Atemwege und dringen in das retikuloendotheliale System ein (erste virämische Phase, zwei bis vier Tage nach der Ansteckung). Das Virus siedle sich dann in den Tonsillen, im Thymus, in der Milz, im Knochenmark usw. an, es schieße sich die zweite virämische Phase mit massiver Virusvermehrung an. Sieben Tage nach der Ansteckung erfolge die Besiedelung von Schleimhäuten, der Haut und der kleinen Gefäße. Nach acht bis zwölf Tagen komme es zu ersten katarrhalischen Symptomen (Fieber, Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Konjunktivitis). Nach weiteren ein bis zwei Tagen sei das typische Masernexanthem sichtbar, der Patient fiebere jetzt hoch. Bis zum Ausbruch der Erkrankung vergingen also acht bis zwölf (vierzehn) Tage. In der zweiten virämischen Phase könne es bereits zu Mittelohr- und Lungenentzündungen kommen. Die Masernencephalitis als gefürchtete Komplikation trete drei bis zehn Tage nach dem sichtbaren Exanthem auf. Ein ursächlicher Zusammenhang komme in Betracht, wenn die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems innerhalb von sieben bis vierzehn Tagen nach der Impfung aufgetreten sei. Die Symptome zeigten sich in Bewusstseinsstörungen, Krämpfen und auch Lähmungen. Der Kläger sei jedoch erstmals sechs Monate nach der Impfung hinsichtlich der Gangstörung auffällig geworden. Auch das Gullian-Barre-Syndrom trete in einem zeitlichen Rahmen von fünf Tagen bis maximal sechs Wochen auf. Nach einer Tetanusimpfung trete ebenfalls das Guillian-Barre-Syndrom auf, allerdings bereits nach wenigen Stunden bis vierzehn Tage nach der Impfung.
Zu Komplikationen nach einer Pertussisimpfung gehörten Krampfanfälle im Rahmen von Fieber, (selten) allergische Reaktionen, kurzzeitige schockähnliche Zustände mit herabgesetztem Muskeltonus und ein Nichtansprechen des Impflings, anhaltendes "schrilles" Schreiben 48 bis längstens 72 Stunden nach der Impfung sowie neurologische Erkrankungen (Encephalitis/Encephalopathie), die sich innerhalb von 48 Stunden bis längstens 72 manifestierten. Auch hier sei aufgrund der erst Monate nach der Impfung aufgetretenen Laufauffälligkeiten kein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich.
Die Dreifachimpfung habe im Vergleich zu Einzelimpfungen keine erhöhte Rate an Komplikationen. Die beschriebenen Komplikationen seien bei der Einzelimpfung und der Kombinationsimpfung identisch. Es treffe nicht zu, dass Mehrfachimpfungen auch vermehrt zu Nebenwirkungen führen. In den Mehrfachimpfstoffen seien auch nicht etwa mehr Begleit- und Zusatzstoffe enthalten als im Einzelimpfstoff, die Belastung des Organismus mit Begleit- und Zusatzstoffen sei durch die Mehrfachimpfung reduziert. Ein Zusammenhang zwischen der Verwendung des quecksilberhaltigen Konservierungsmittels Thiomersal in Impfstoffen und neurologischen Entwicklungsstörungen habe nicht gefunden werden können. Ein systemisches Toxizitätsrisiko bei Aluminiumhydroxid und Aluminiumphosphat als Adjuvantien in Impfstoffen sei nahezu auszuschließen.
Die Ursache der Erkrankung des Klägers sei bis heute nicht gefunden. Man müsse davon ausgehen, dass es sich um eine angeborene Erkrankung handele. Die Auffälligkeiten hätten nach einer symptomfreien Zeit kontinuierlich zugenommen. Zu einem Hydrocephalus mit Untergang von Hirngewebe könne es im Rahmen einer Hirnblutung, einer Meningitis, einer Encephalitis oder bei Infektionen (Toxoplasmose) kommen. Im Rahmen solcher Erkrankungen komme es aber niemals (wie beim Kläger) zu einem Balkenmangel und einer Atrophie des Kleinhirns/Kleinhirnwurms. Die in den MRT-Untersuchungen gefundenen Hirnveränderungen erklärten voll und ganz die klinischen Symptome des Klägers.
Auch seien etwa bestehende Leiden durch die Impfungen nicht verschlimmert worden. Es sei möglich, dass ein Teil der nach der Impfung beschriebenen Symptome (Fieber, Durchfall) Impfreaktionen darstellen. Sie stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Erkrankung des Klägers im späteren Verlauf.
Eine angeborene Krankheit (auch genetischer Ursache) werde nicht durch ein äußeres Ereignis wie z.B. eine Impfung ausgelöst. Der Betroffene komme mit dieser Erkrankung auf die Welt.
Der Umstand, dass der Impfstoff (möglicherweise) überlagert war, führe nicht zu zusätzlichen Komplikationen, es könne zum Ausbleiben der erwünschten Reaktion des Immunsystems kommen, der Körper könne keine Antikörper bilden und somit keinen Impfschutz aufbauen.
Es besteht aufgrund des Umstandes, dass sich nicht feststellen lässt, welche von mehreren in Betracht kommenden Umständen für die Gesundheitsstörungen ursächlich sein können, keine allgemeine Ungewissheit über die Leidensursache i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 2 BSeuchG (vgl. BSG, Beschluss vom 08. Oktober 1987, Az.: 9a BVJ 8/86).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür nach § 160 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens.
Der am 28. November 1984 geborene Kläger erhielt am 09. Januar 1987 seine vierte Dreifachimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis sowie seine zweite Masernimpfung.
Der Impfstoff der Dreifachimpfung war nach Aktenlage 1984 hergestellt worden, er hatte eine Haltbarkeit von nur zwei Jahren.
Ausweislich der Dokumentation der behandelnden Ärztin (Bl. 21 d.A.), der der Kläger am 13. Januar 1987 vorgestellt worden war, hat er sich am 11. Januar 1987 erbrochen. Am 12. Januar 1987 hat er bis 39° C gefiebert und an Durchfall gelitten. Die behandelnde Ärztin gab verschlüsselt als Diagnosen an: nichteitrige Otitis media, eine akute Mandelentzündung und eine akute Infektion der oberen Luftwege an mehreren oder nicht näher bezeichneten Stellen sowie eine Grippe. Eine Stuhlprobe vom 14. Januar 1987 ergab keinen pathologischen Befund. Eine erneute Vorstellung bei der Kinderärztin erfolgte am 20. Januar 1987. In der Krankenakte ist vermerkt: Temperatur negativ, Stuhl fest, rechtes Trommelfell noch gerötet.
In den Unterlagen der Kinderkrippe (Bl. 60 R. d. VwA) ist über eine Untersuchung am 27. Januar 1987 vermerkt: guter EAZ, Ohren beidseitig gerötet seit 14 Tagen. Weitere pathologische Befunde sind nicht angegeben. Bei einer Untersuchung am 14. April 1987 ist angegeben: "Knick-Senkuß, abwarten". Die nächste Vorstellung bei der Kinderärztin erfolgte am 01. Juni 1987. In der Karteikarte der Ärztin ist angegeben: T = 39° C, Husten und Schnupfen, Tf (Trommelfell) beidseits o.B.). Wohl aufgrund der Angaben der Mutter erfolgte am 08. Juli 1987 eine Vorstellung bei Dr. R. (Bl. 18 d. VwA): das Kind würde beim Laufen das linke Bein nachziehen. In der Krankenakte ist vermerkt: läuft völlig unauffällig, grobe Kraft und Sehnenreflexe, seitengleich. In der Folgezeit wurde der Kläger mehrfach Ärzten vorgestellt. Bei der Krippenuntersuchung am 16. Oktober 1987 (Bl. 61 d. VwA) wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Über eine erneute Untersuchung am 29. April 1988 findet sich der Eintrag (Bl. 62 d. VwA): läuft sehr schlecht, rennt so, als würde er fallen, läuft mit den Füßen nach außen, hat Angst beim Laufen.
Bei der ersten Einschulungsuntersuchung am 03. Mai 1990 wurden folgende Befunde erhoben (Bl. 61 R. d. VwA): mittlerer Allgemeinzustand, heisere Stimme (in HNO-ärztlicher Behandlung), trägt Brille, Haltungsschwäche, zentrale Koordinationsstörungen besonders im unteren Bereich, grobe Kraft Fuß und Hand vermindert, leistungsmäßig zurück, in logopädischer Behandlung, grobintellektuell keine Schwierigkeiten. Bei der zweiten Einschulungsuntersuchung am 05. März 1991 wurde festgestellt (Bl. 61 R. d. VwA): mittlerer Allgemeinzustand, ausgesprochen verhaltensauffällig, distanzlos, hypermotorisch, Nystagmus, trägt Brille, heisere Stimme, Schwierigkeiten beim Balancieren, grobe Kraft keine Absteifung, Sprache verwaschen, Einschulung mit Bedenken.
In der Folgezeit wurden beim Kläger u.a. festgestellt: ein intellektuelles Leistungsvermögen im Bereich der Grenzbegabung bei einem IQ von 62-71 (Abweichung aufgrund verschiedener Testverfahren), undeutlich und stark verwaschene Sprache, Kurzsichtigkeit, verminderte visuelle Aufmerksamkeit sowie eine ausgeprägte Bewegungsstörung mit breitbeinigem und ataktischem Gangbild sowie eine Dysdiadochokinese als typisches Symptom bei Erkrankungen des Kleinhirns.
Am 27. Februar 1997 beantragte der durch seine Mutter vertretene Kläger beim Beklagten erstmals die Anerkennung von Bewegungsauffälligkeiten, Konzentrationsschwäche, einer Sehschwäche (starke Kurzsichtigkeit) und schneller Ermüdung unter Belastung als Impfschäden und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung.
Der Beklagte lehnte nach Auswertung verschiedener medizinischer Unterlagen und Befundberichte den Antrag mit Bescheid vom 21. Januar 1999 ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 04. Februar 2000 beantragte der Kläger unter Vorlage weiterer Befunde die Überprüfung des Bescheides. Der Beklagte lehnte den Antrag nach Auswertung der neuerlichen Befunde mit Bescheid vom 13. März 2002 (Bl. 105 d. VwA) ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2002 zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 17. August 2002 Klage zum Sozialgericht. Das Sozialgericht beauftragte Prof. med. Dr. U. B. vom Universitätsklinikum J. (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) mit der Erstellung eines Gutachtens zur Kausalität zwischen der angeschuldigten Impfung und den Gesundheitsschäden. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30. Juni 2006 (Bl.64 ff. d.A.) einen Impfschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, ebenfalls eine Verschlechterung einer vorbestehenden neurologischen Erkrankung.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 01. November 2006 (Bl. 85 ff. d.A.) abgewiesen. Der Nachweis, dass die angeschuldigte Impfung Ursache für die Gesundheitsschäden ist, sei dem Kläger nicht gelungen.
Gegen das am 20. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Januar 2007 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der dieser sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, der Gutachter Prof. Dr. B. habe wichtige Umstände übersehen, so etwa den Umstand, dass der Dreifach-Impfstoff überlagert gewesen war.
Ebenso wenig sei er auf die Frage eingegangen, ob es eine Rolle spiele, dass die Masernimpfung am selben Tage wie die Dreifachimpfung stattgefunden habe. Dies sei den Angaben der Mutter des Klägers zufolge seinerzeit nicht die Regel gewesen. Zudem habe der Sachverständige andere Ursachen für die Gesundheitsschäden, wie etwa Gendefekte, nicht offenlassen dürfen. Auch habe er nicht die Frage offenlassen dürfen, ob ein vorliegender Gendefekt durch die Impfungen erst zum Ausbruch gekommen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 01. November 2006 und den Bescheid vom 13. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 21. Januar 1999 aufzuheben und ihm Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat ein weiteres Gutachten zur Kausalität zwischen der angeschuldigten Impfung und den Gesundheitsschäden des Klägers eingeholt. Auf das Gutachten von Prof. Dr. med. G. J. vom Universitätsklinikum M. vom 29. Juli 2009 wird verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 21. Januar 1999, denn die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) liegen nicht vor. Bei Erlass des Bescheids vom 21. Januar 1999 wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 51 Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. nach § 60 des Gesetzes zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl I S. 1045) i.V.m. dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG).
Die Beurteilung des vorliegenden Falles richtet sich zunächst nach den Vorschriften des Bundesseuchengesetzes, wie es auf das Beitrittsgebiet übergeleitet wurde.
Die angeschuldigte Impfung wurde vor dem Beitritt in dem in Art. 1 des Einigungsvertrages (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - EinigVertr - vom 31. August 1990 (BGBl. II, S. 889) in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juni 2011 (BGBl I, S. 1114) genannten Gebiet durchgeführt.
Eine direkte Anwendung des Bundesseuchengesetzes auf Fälle wie den vorliegenden scheidet aus. Dies widerspräche dem Grundsatz der direkten Gebiets- und Sachgebundenheit des Impfgeschehens (vgl. Wilke/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., Rn. 18 zu § 51 BSeuchG). Ebenso wie § 60 Abs. 3 IfSG schrieb auch § 51 Abs. 3 BSeuchG die Erstreckung des Schutzes auf das Gebiet der DDR lediglich für den Fall der Pockenimpfung vor.
Das Bundesseuchengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I, S. 2262; 1980 I, S. 151) zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl. I, S. 1211) ist jedoch gemäß Anlage 1 Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt III Nummer 3d zum Einigungsvertrag im Beitrittsgebiet unter anderem mit folgender Maßgabe in Kraft getreten: Soweit nach den §§ 51 bis 55, 59 bis 61 BSeuchG das Bundesversorgungsgesetz und die zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, gelten diese Vorschriften mit denen in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nummer 1 Einigungsvertrag aufgeführten Maßgaben. Dort war bestimmt, dass das BVG im Beitrittsgebiet vom 01. Januar 1991 an Anwendung findet (Buchstabe m der genannten Bestimmung des Einigungsvertrages).
Da das IfSG am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist bei zeitgleichem Außerkrafttreten des BSeuchG ohne Übergangsvorschrift, ist im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch bis zum Inkrafttreten des IfSG das BSeuchG weiterhin anzuwenden; für die Zeit danach sind der Entscheidung die allerdings im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des IfSG zu Grunde zu legen (BSG, Urteil vom 20. Juli 2005, Az. B 9a/9 VJ 2/04 R).
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die 1. gesetzlich vorgeschrieben oder 2. auf Grund dieses Gesetzes angeordnet, 3. von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen oder 4. auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
Ein Impfschaden ist nach § 52 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Für die Zeit ab 01. Januar 2001 ist § 60 Abs. 1 IfSG anwendbar. Danach erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die 1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, 2. aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde, 3. gesetzlich vorgeschrieben war oder 4. aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts abweichendes bestimmt.
Ein Impfschaden ist nach § 2 Nr. 11 IfSG ebenfalls ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Wie das Bundesversorgungsgesetz, auf das in beiden Gesetzen verwiesen wird, gehen sowohl das Bundesseuchengesetz, als auch das Infektionsschutzgesetz von einer dreigliedrigen Kausalkette aus.
Das erste Glied, der schädigende Vorgang stellt hier die Impfung dar, das zweite Glied bildet die durch den schädigenden Vorgang hervorgerufene Schädigung, das heißt eine unübliche Impfreaktion als Primärschaden. Das dritte Glied stellt die Folge der gesundheitlichen Schädigung (Schädigungsfolge) dar, also das Versorgungsleiden, dessen Feststellung ein Antragsteller durch die Versorgungsverwaltung begehrt.
Die drei Glieder der Kausalkette als den Anspruch begründende Tatsachen, nämlich die Impfung, die unübliche Impfreaktion und das Dauerleiden müssen nachgewiesen und nicht nur wahrscheinlich sein (BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9). Für den Beweisgrad des Nachweises ist es zwar nicht erforderlich, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend aber auch erforderlich ist indes ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSeuchG bzw. § 61 Abs. 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlich ist der ursächliche Zusammenhang dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997, 9 RVI 1/95 zu §§ 51, 52 BSeuchG). In jedem Fall ist der Nachweis eines Impftermins und eines Primärschadens in Form einer unüblichen Impfreaktion erforderlich.
Ohne eine gesundheitliche Schädigung, die über das übliche Maß einer Impfreaktion hinaus gehen muss, ist die Anerkennung eines Dauerleidens als Folge eines Impfschadens nicht erlaubt. Dabei können unter Umständen nach § 15 des Gesetzes über die Verwaltungsverfahren des Kriegsopferversorgung (KOV), der auch über das Inkrafttreten des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinaus Geltung hat (vgl. Art. 2 § 16 des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl. I 1 S. 1469) und der auch im Recht der Impfopferversorgung gilt (§ 64 Abs. 2 IfSG), die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen in den Fällen, in denen Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zugrundegelegt werden, soweit sie nach den Umständen glaubhaft erscheinen.
Die Impfungen waren zum Zeitpunkt Ihrer Durchführung in der der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund der Anordnung über die Schutzimpfungen im Kindes- und Jugendalter vom 07. August 1980 (GBl. I 1980, Nr. 26) gesetzlich vorgeschrieben. Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze sind die Schutzimpfungen anhand der bei den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen, insbesondere des Impfscheins, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Jedoch ist dem Kläger der Nachweis nicht gelungen, dass die angeschuldigten Impfungen ursächlich für seine Gesundheitsstörungen sind.
Der Senat schließt sich den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. J. an. Beide Sachverständigen haben die Ursächlichkeit der angeschuldigten Impfung für die geklagten Gesundheitsschäden des Klägers verneint.
Der Sachverständige Prof. B. hat ausgeführt, es seien immer wieder relevante neurologische Folgeerscheinungen im Sinne eines Impfschadens nach einer Keuchhustenimpfung beschrieben worden. Solche Schäden seien jedoch bisher nahezu ausschließlich im Rahmen der Grundimmunisierung aufgetreten. Die toxische Reaktion des Gehirns nach einer Pertussisimpfung bestehe in einer akut auftretenden, hochfieberhaften Encephalopathie innerhalb der ersten sieben Tage nach der Impfung. Als Symptome würden Bewusstseinsstörungen, hohes Fieber, schrilles Schreien und vor allem epileptische Anfälle angegeben. In den meisten Fällen träte die Reaktion bereits 24-72 Stunden nach der Impfung auf. Es handele sich hierbei um ein schweres, mit einer akuten Hirnschädigung einhergehendes Krankheitsbild, welches bleibende Schäden verursachen könne. Krankheitsbilder mit schleichendem Verlauf (wie beim Kläger), die Wochen oder Monate nach der Impfung auftreten, seien nicht bekannt, angesichts der vielen Millionen geimpfter Kinder hätte dies auffallen müssen.
Nach der Masernimpfung komme es mit einer Häufigkeit von 1.68 auf eine Million Impfungen zu neurologischen Komplikationen. Das Risiko bestehe vorwiegend für Erstimpfungen, bei der zweiten Impfung seien in der Regel Antikörper vorhanden, die das Risiko erheblich verminderten. Auch bei den Komplikationen nach einer Masernimpfung (masernähnliches Krankheitsbild mit Hautausschlag, katarrhalischen Zeichen und Fieber, dem im Abstand von einigen, d.h. ein bis acht Tagen eine Entzündung des Gehirns folgte) handele es sich um ein akutes Krankheitsbild mit hohem Fieber und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma und Krampfanfällen. Bleibende Symptome seien nur als Restsymptom einer schweren akuten Erkrankung bekannt, eine schleichende Verschlimmerung über längere Zeiträume existiere nicht. Masernviren könnten zwar auch eine schleichende Entzündung des Gehirns verursachen (SSPE - Subakut sklerosierende Panencephalitis). Dies nehme innerhalb weniger Jahre einen stets tödlichen Verlauf, verbunden mit einem relativ raschen, vollständigen geistigen Abbau, periodischen Muskelzuckungen und charakteristischen EEG-Befunde als Leitsymptomen beschrieben. Die Erkrankung scheide beim Kläger aus, da dieser mit Sicherheit daran bereits verstorben wäre.
Ganz selten könnten auch innerhalb von 14 Tagen nach der Tetanusimpfung Neuropathien auftreten, auch hiergegen spräche der zeitliche Verlauf und dass spätere Impfstoffgaben vom Kläger toleriert wurden.
Eine schwere akute Erkrankung des zentralen Nervensystems sei als conditio sine qua non für die Anerkennung einer impfbedingten Erkrankung anzusehen. Schleichende Erkrankungen mit einem um Monate späteren Beginn könnten nicht als Impfschaden angesehen werden. Es sei eher so, dass die akut nach der Impfung aufgetretenen Krankheitserscheinungen und neurologischen Ausfälle sich über einen gewissen Zeitraum besserten, im Falle bleibender Schäden jedoch nie bis zur völligen Restitution.
Die beim Kläger am 13. Januar 1987 diagnostizierte fieberhafte Erkrankung (Tonsillitis, Mittelohrentzündung und grippeartige Symptome) habe offensichtlich keinen schweren Verlauf genommen, eine Krankenhauseinweisung sei nicht erfolgt. Auch die Angabe (bei der Anamnese im Kinderzentrum in München), die Impfungen seien bisher ohne Komplikationen verlaufen, spreche gegen das akut schwere Krankheitsbild, welches eine bleibende Hirnschädigung verursacht haben könnte. Auch ein Koma, Krampfanfälle oder andere Zeichen der Encephalopathie seien nicht beobachtet worden.
Die am 13. Januar 1987 diagnostizierten Leiden seien zwar auch als Folgeerscheinungen einer Masernimpfung aufgetreten. Allerdings sei die Masernerkrankung durch den kurze Zeit später auftretenden typischen Ausschlag charakterisiert. Dieser sei beim Kläger nicht aufgetreten. Selbst wenn ein Zusammenhang mit der Impfung hergestellt werden könne, fehlten jegliche Symptome, die auf eine akute Beteiligung des Nervensystems hindeuteten. Auch heilten solche geringfügigen Impfreaktionen stets folgenlos aus.
Im Hinblick auf die Ursache der Erkrankungen bestehe weiterhin Unklarheit, ein Impfschaden sei aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Der Sachverständige Prof. Dr. J. kommt nach Auswertung sämtlicher medizinischer Unterlagen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers nicht auf die angeschuldigten Impfungen zurückzuführen sind. Der Kläger habe alle Impfungen komplikationslos vertragen, in den Unterlagen der Mütterberatung und der Krippe seien anamnestisch keine Komplikationen nach den Impfungen vermerk. Bei der Diagnosestellung einer Impfkomplikation sei im Vorfeld abzuklären, ob das Intervall zwischen der Impfung und der klinischen Symptomatik ist. Sodann seien andere Erkrankungen, die die Symptomatik erklärten, auszuschließen und anschließend zu fragen, ob die klinischen Symptome als Impfreaktion oder Impfkomplikation bekannt sei.
Bei Masern handele es sich um eine Virusinfektion, der Impfstoff bestehe damals und heute aus Lebendviren, deren Virulenz (Infektiosität) erheblich abgeschwächt ist. Die Auseinandersetzung des Körpers mit dem Impfstoff, der postvaccinale Verlauf nach der Impfung könne genauso verlaufen wie eine Maserninfektion an sich. Nach der Infektion durchwanderten die Viren das Epithel der Atemwege und dringen in das retikuloendotheliale System ein (erste virämische Phase, zwei bis vier Tage nach der Ansteckung). Das Virus siedle sich dann in den Tonsillen, im Thymus, in der Milz, im Knochenmark usw. an, es schieße sich die zweite virämische Phase mit massiver Virusvermehrung an. Sieben Tage nach der Ansteckung erfolge die Besiedelung von Schleimhäuten, der Haut und der kleinen Gefäße. Nach acht bis zwölf Tagen komme es zu ersten katarrhalischen Symptomen (Fieber, Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Konjunktivitis). Nach weiteren ein bis zwei Tagen sei das typische Masernexanthem sichtbar, der Patient fiebere jetzt hoch. Bis zum Ausbruch der Erkrankung vergingen also acht bis zwölf (vierzehn) Tage. In der zweiten virämischen Phase könne es bereits zu Mittelohr- und Lungenentzündungen kommen. Die Masernencephalitis als gefürchtete Komplikation trete drei bis zehn Tage nach dem sichtbaren Exanthem auf. Ein ursächlicher Zusammenhang komme in Betracht, wenn die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems innerhalb von sieben bis vierzehn Tagen nach der Impfung aufgetreten sei. Die Symptome zeigten sich in Bewusstseinsstörungen, Krämpfen und auch Lähmungen. Der Kläger sei jedoch erstmals sechs Monate nach der Impfung hinsichtlich der Gangstörung auffällig geworden. Auch das Gullian-Barre-Syndrom trete in einem zeitlichen Rahmen von fünf Tagen bis maximal sechs Wochen auf. Nach einer Tetanusimpfung trete ebenfalls das Guillian-Barre-Syndrom auf, allerdings bereits nach wenigen Stunden bis vierzehn Tage nach der Impfung.
Zu Komplikationen nach einer Pertussisimpfung gehörten Krampfanfälle im Rahmen von Fieber, (selten) allergische Reaktionen, kurzzeitige schockähnliche Zustände mit herabgesetztem Muskeltonus und ein Nichtansprechen des Impflings, anhaltendes "schrilles" Schreiben 48 bis längstens 72 Stunden nach der Impfung sowie neurologische Erkrankungen (Encephalitis/Encephalopathie), die sich innerhalb von 48 Stunden bis längstens 72 manifestierten. Auch hier sei aufgrund der erst Monate nach der Impfung aufgetretenen Laufauffälligkeiten kein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich.
Die Dreifachimpfung habe im Vergleich zu Einzelimpfungen keine erhöhte Rate an Komplikationen. Die beschriebenen Komplikationen seien bei der Einzelimpfung und der Kombinationsimpfung identisch. Es treffe nicht zu, dass Mehrfachimpfungen auch vermehrt zu Nebenwirkungen führen. In den Mehrfachimpfstoffen seien auch nicht etwa mehr Begleit- und Zusatzstoffe enthalten als im Einzelimpfstoff, die Belastung des Organismus mit Begleit- und Zusatzstoffen sei durch die Mehrfachimpfung reduziert. Ein Zusammenhang zwischen der Verwendung des quecksilberhaltigen Konservierungsmittels Thiomersal in Impfstoffen und neurologischen Entwicklungsstörungen habe nicht gefunden werden können. Ein systemisches Toxizitätsrisiko bei Aluminiumhydroxid und Aluminiumphosphat als Adjuvantien in Impfstoffen sei nahezu auszuschließen.
Die Ursache der Erkrankung des Klägers sei bis heute nicht gefunden. Man müsse davon ausgehen, dass es sich um eine angeborene Erkrankung handele. Die Auffälligkeiten hätten nach einer symptomfreien Zeit kontinuierlich zugenommen. Zu einem Hydrocephalus mit Untergang von Hirngewebe könne es im Rahmen einer Hirnblutung, einer Meningitis, einer Encephalitis oder bei Infektionen (Toxoplasmose) kommen. Im Rahmen solcher Erkrankungen komme es aber niemals (wie beim Kläger) zu einem Balkenmangel und einer Atrophie des Kleinhirns/Kleinhirnwurms. Die in den MRT-Untersuchungen gefundenen Hirnveränderungen erklärten voll und ganz die klinischen Symptome des Klägers.
Auch seien etwa bestehende Leiden durch die Impfungen nicht verschlimmert worden. Es sei möglich, dass ein Teil der nach der Impfung beschriebenen Symptome (Fieber, Durchfall) Impfreaktionen darstellen. Sie stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Erkrankung des Klägers im späteren Verlauf.
Eine angeborene Krankheit (auch genetischer Ursache) werde nicht durch ein äußeres Ereignis wie z.B. eine Impfung ausgelöst. Der Betroffene komme mit dieser Erkrankung auf die Welt.
Der Umstand, dass der Impfstoff (möglicherweise) überlagert war, führe nicht zu zusätzlichen Komplikationen, es könne zum Ausbleiben der erwünschten Reaktion des Immunsystems kommen, der Körper könne keine Antikörper bilden und somit keinen Impfschutz aufbauen.
Es besteht aufgrund des Umstandes, dass sich nicht feststellen lässt, welche von mehreren in Betracht kommenden Umständen für die Gesundheitsstörungen ursächlich sein können, keine allgemeine Ungewissheit über die Leidensursache i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 2 BSeuchG (vgl. BSG, Beschluss vom 08. Oktober 1987, Az.: 9a BVJ 8/86).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür nach § 160 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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