L 9 AS 224/09 NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 21 AS 80/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 224/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Meiningen vom 31. August 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die besonderen Zulassungs-gründe des § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Be-schwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Kläger begehren höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); sie sind der Auffassung, dass beim Einkommen des Klägers zu 3) - über den vom Sozialgericht tenorierten Betrag hinaus - höhere Absetzbeträge und ein Zuschlag nach Bezug von Arbeits-losengeld für den Zeitraum 5. September bis 31. Oktober 2005 hätten berücksichtigt werden müssen. Die Berufungssumme von 750,01 EUR wird damit nicht erreicht. Es handelt sich auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Die Berufung wurde im Urteil des Sozialgerichts auch nicht ausdrücklich zugelassen.

Die besonderen Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG liegen ebenfalls nicht vor. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesver-fassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn eine bisher nicht geklärte Rechts-frage aufgeworfen wird, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Gericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (so für die Zulassungsgründe des § 160 SGG: Bundessozialgericht, SozR 1500 § 160 a Nr. 60 und 65; Bundessozialgericht, Beschluss vom 27. April 2007, Az.: B 12 R 15/06 B; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, SozR 3-1500 § 160 a Nr. 7). Ein Individualinteresse genügt hierbei nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., Rn. 28 zu § 144). Dabei ist für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzu-stellen (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 16. Mai 2007, Az. B 11b AS 61/06 B).

Die Kläger halten zum einen für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob weitere Aufwendungen für das Kraftfahrzeug, welches der Kläger zu 3) zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt habe (Finanzierungskosten, Kfz-Steuer, TÜV- und ASU-Kosten, Werkstatt- und Re-paraturkosten), bei der Berechnung des bereinigten Einkommens des Klägers aus nichtselbst-ständiger Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeu-tung im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG zu. Nach § 11 Abs. 2 SGB II in der hier zur Anwendung kommenden Fassung galt: Vom Einkommen sind abzusetzen 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, so-weit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach § 30.

Nach § 3 Nr. 3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 20. Oktober 2004 (die nach § 6 der 1. Verordnung zur Änderung der Alg II/Sozialgeld-Verordnung vom 22. August 2005 für den hier betroffenen Leistungszeitraum gilt) waren als Pauschbeträge für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II abzusetzen bei Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätig-keit zum einen monatlich ein Sechzigstel der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale als mit seiner Erzielung verbundene notwendige Ausgaben und zum anderen zusätzlich für Weg-strecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,06 Euro für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwen-dige Ausgaben nachweist.

Für die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen kommt allein eine Absetzung nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II in Betracht. Insoweit ist schon nicht vorgetragen, dass es sich um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben handelt. Dafür reicht die Angabe, das Fahrzeug sei für die Fahrten zur Arbeit benutzt worden, nicht aus. Dass das Kraftfahrzeug ausschließlich für diese Zwecke eingesetzt wurde, behaupten die Kläger nicht. Es ist auch nicht vorgetragen, dass das Kraftfahrzeug seinerzeit allein für die Berufstä-tigkeit des Klägers angeschafft worden ist. Im Hinblick auf die damit auch anzunehmende private Nutzung des Kfz ergibt sich nicht, dass es sich bei der Kfz-Steuer um eine mit der Erzielung des Einkommens verbundene "notwendige" Ausgabe handelt, denn die Steuererhe-bung knüpft allein an die Haltung des Fahrzeugs an; die Abgabe wäre also auch dann angefal-len, wenn der Kläger zu 3) das Kfz nicht für die Fahrten zur Arbeit genutzt hätte. Gleiches gilt für die geltend gemachten TÜV-/ASU-Gebühren. Auch soweit es um Inspektions- und Repa-raturkosten geht, behaupten die Beschwerdeführer nicht, dass diese allein aus der Nutzung des Fahrzeugs für die Fahrten zu und von der Arbeit entstanden sind. Ebenso wenig ist hinsicht-lich der Finanzierungskosten davon auszugehen, dass es sich um mit der Erzielung des Ein-kommens verbundene notwendige Ausgaben handelt. Denn dass die Fahrten zur Arbeit aus-schließlich mit dem vom Kläger zu 3) erworbenen Fahrzeug (einem VW Multivan, den der Kläger zu 3) im Juli 2004 zu einem Preis von 22.800,- EUR gekauft hatte) zurückgelegt wer-den konnten - und nicht etwa mit einem aus dem Wiederverkaufserlös erworbenen Kleinwa-gen hätten gemacht werden können -, haben die Kläger nicht vorgetragen; dafür ist auch nichts ersichtlich. Unter den gegebenen Umständen ergibt sich jedenfalls nicht, dass die An-gelegenheit grundsätzliche Bedeutung hätte.

Auch soweit die Kläger die Frage für klärungswürdig halten, ob der Anspruch auf den Zu-schlag nach § 24 SGB a. F. voraussetzt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) er-schöpft ist, oder ob es ausreicht, dass die Zahlung des Alg wegen Arbeitsaufnahme endet, liegen die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht vor. Denn wie schon aus dem Wortlaut des § 24 SGB II hervorgeht ("Soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslo-sengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld be-zieht, "), entsteht der Anspruch erst dann, wenn der letzte Tag des Arbeitslosengeldan-spruchs verbraucht ist oder ein eventueller Restanspruch wegen Ablaufs von Verfallfristen nicht mehr geltend gemacht werden kann (vgl. Brünner in LPK-SGB II, 3. A., § 24 Rdnr. 9). Das steht im Einklang mit dem Sinn des befristeten Zuschlags. Durch ihn sollten SGB II- Leistungsberechtigte, die nach vorher geltendem Recht einen Anspruch auf Anschlussarbeits-losenhilfe gehabt hätten, zumindest für eine Übergangszeit finanziell besser ausgestattet wer-den als diejenigen Alg II-Empfänger, die vorher gar nicht oder nur so kurze Zeit erwerbstätig waren, dass sie keine Anwartschaft erwerben konnten (vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 58). Ein der-artiges Schutzbedürfnis besteht aber bei Personen, deren Arbeitslosengeldanspruch noch nicht ausgeschöpft ist, nicht. Im Übrigen hat die Frage auch deshalb keine grundsätzliche Bedeu-tung, weil sich die Rechtslage durch das Entfallen des § 24 SGB II zum 1. Januar 2011 geän-dert hat und auslaufendes oder ausgelaufenes Recht in der Regel keine grundsätzlichen Rechtsfragen mehr aufwerfen kann. Dass noch mehrere gleichartige Streitfälle anhängig sind bzw. die zu klärenden Fragen nachwirken und deshalb ausnahmsweise weiterhin Klärungsbe-dürftigkeit besteht, haben die Kläger nicht behauptet.

Auch ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG), wird nicht geltend gemacht.

Dementsprechend war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Ver-fahren der Nichtzulassungsbeschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts rechts-kräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten wer-den (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved