Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 209/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2338/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 12.04.2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antrags- und Beschwerdeverfahren auf je 4.097,58 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.10.2011 über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin, einer Kommanditgesellschaft, ist der Pflasterbau, insbesondere das Liefern und Verlegen von Pflaster. Bei der Antragstellerin waren ua H. B. (B), C.-L. F. (F) und F. D. (D) abhängig beschäftigt. Nach den mit ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträgen war eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden sowie die Schriftform für Änderungen des Vertrages (einschließlich der Schriftformklausel) vereinbart. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt war mit B in Höhe von 950,00 EUR (Arbeitsvertrag vom 30.07.2010), mit F in Höhe von 1.200,00 EUR (Arbeitsvertrag vom 11.09.2009) und mit D in Höhe von 1.500,00 EUR (Arbeitsverträge vom 17.03.2009 und 16.03.2010) vereinbart.
Aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) mit Prüfzeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 erhob die Antragsgegenerin mit Bescheid vom 11.10.2011 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 20.917,96 EUR (inkl Säumniszuschlägen in Höhe von 3.017,50 EUR). Für B forderte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.08.2010 bis 06.12.2010 Beiträge in Höhe von insgesamt 1.649,52 EUR, für F Beiträge für die Zeit vom 14.09.2009 bis 18.12.2009 in Höhe von insgesamt 893,41 EUR sowie für D ua Beiträge für die Zeit vom 26.04.2010 bis 06.12.2010 in Höhe von insgesamt 4.470,04 EUR. Die Nachforderungen begründete die Antragsgegnerin in diesen drei Fällen mit der Lohndifferenz zwischen dem gezahlten und dem geschuldeten Lohn nach den jeweils einschlägigen Tarifverträgen. Soweit die Antragstellerin im Rahmen der Anhörung eine mündlich vereinbarte Reduzierung der Wochenarbeitszeit vorgetragen und schriftliche Bestätigungen der Arbeitnehmer vorgelegt habe, sei dem entgegenzuhalten, dass die Vereinbarung formunwirksam sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 04.11.2011 Widerspruch ein, soweit eine Beitragsforderung von mehr als 8.535,02 EUR festgesetzt wurde. Zugleich beantragte sie die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Mit Bescheid vom 01.12.2011 lehnte die Antragsgegenerin den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab.
Am 26.01.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt, soweit im Bescheid vom 11.10.2011 Beiträge nebst Säumniszuschläge für B, F und D in Höhe von insgesamt 7.012,97 EUR und hierauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von 1.182,18 EUR gefordert werden. Im Fall des Arbeitnehmers B hat die Antragstellerin vorgetragen, tatsächlich sei eine Wochenstundenzahl von 20 vereinbart gewesen. Dies habe B schriftlich bestätigt. Im formularmäßigen Arbeitsvertrag sei handschriftlich versehentlich die Zahl 40 bei der wöchentlichen Arbeitszeit eingetragen worden. Tatsächlich seien sich die Parteien von Anfang an einig gewesen, dass es sich um ein Teilzeitarbeitsverhältnis handele. Die Schriftformklausel stünde dem nicht entgegen. Im Fall des Arbeitnehmers F sei zwar entsprechend dem Arbeitsvertrag zunächst ein vollschichtiges Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen gewesen. Aus betrieblichen Gründen seien die Parteien jedoch mündlich überein gekommen, dass F 25 Wochenstunden leiste. Auch F habe dies schriftlich bestätigt. Mit dem Arbeitnehmer D sei mit Wirkung zum 19.04.2010 ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen worden, der eine Regelarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen habe. Dieser Vertrag sei jedoch nie umgesetzt worden. Der Arbeitsbeginn sei auf den 26.04.2010 verschoben und die wöchentliche Arbeitszeit auf 11 Stunden reduziert worden. In der Meldung zur Sozialversicherung für das Jahr 2010 sei daher zu Recht ein Gesamtarbeitsentgelt von 2.879,00 EUR für eine Gesamtarbeitszeit von 262 Stunden ausgewiesen. Entsprechendes gelte für die Arbeitgeberbescheinigung für die Agentur für Arbeit. Soweit im Einzelfall abweichende Angaben in Meldungen zur Sozialversicherung oder gegenüber der Agentur für Arbeit erfolgt seien, würden diese berichtigt.
Mit Beschluss vom 12.04.2012 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, das Gericht sei nicht eindeutig davon überzeugt, dass die Stundenzahl im angegebenen Umfang tatsächlich reduziert und der tarifliche Mindestlohn damit eingehalten worden sei. Schriftliche Aufzeichnungen über die Änderungen der Arbeitsverträge, Stundenzettel, Lohnabrechnungen oder sonstige schriftliche Dokumente existierten nicht. Ob eine mündliche Abrede formwirksam sei, könne dahinstehen. Denn es sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Reduzierung tatsächlich erfolgt sei. Den schriftlichen Arbeitsverträgen kämen zumindest im einstweiligen Rechtsschutz erhebliche Indizwirkung zu. Das Vorgehen der Antragstellerin könne nicht nachvollzogen werden. Zu einem anderen Ergebnis führten auch nicht die vorgelegten Bescheinigungen der Arbeitnehmer. Hier sei auffällig, dass sie mit dem Briefkopf der Antragstellerin, ohne Andresse oder weitere Angaben des jeweiligen Arbeitnehmers und mit nahezu identischem Wortlaut ausgestellt worden seien. Im Rahmen der Interessenabwägung sei außerdem zu beachten, dass eine unbillige Härte durch den Vollzug des Bescheides nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Am 18.05.2012 hat die Antragstellerin beim SG, eingegangen beim Landessozialgericht (LSG) am 04.06.2012, Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf den Vortrag im Antragsverfahren verwiesen. Ergänzend hat die Antragstellerin vorgetragen, mit den vorgelegten Bestätigungen der betreffenden Arbeitnehmer und den Arbeitsbescheinigungen und Meldungen zur Sozialversicherung sei hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass tatsächlich eine geringere Arbeitszeit vereinbart gewesen sei. Die schriftlichen Arbeitsverträge könnten als alleiniges Indiz nicht herangezogen werden.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 12.04.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 11.10.2011 anzuordnen, soweit Beiträge für H. B., C.-L. F. und F. D. in Höhe von insgesamt 7.012,97 EUR und hierauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von 1.182,18 EUR gefordert werden.
Die Antragsgegenerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da Gegenstand des Verfahrens die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen (inkl Säumniszuschlägen) in Höhe von 8.195,15 EUR ist.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt.
Widerspruch und Anfechtungsklage haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.
Nach summarischer Prüfung und gegenwärtigem Stand der Sachlage ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 11.10.2011 Erfolg haben wird.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach Abs 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen.
Versicherungspflichtig sind in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 SGB XI sowie beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs 1 SGB III gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Die Bemessungsgrundlage für die Beitragspflicht ist das Arbeitsentgelt aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung. Das sind alle laufenden Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden, § 14 Abs 1 SGB IV. Die Entstehung der Beitragsansprüche hängt nicht davon ab, ob das arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gilt grundsätzlich das sogenannte Entstehungsprinzip und - anders als im Steuerrecht - nicht das Zuflussprinzip (ständige Rspr, zB BSG 30.08.1994, 12 RK 59/92, juris; Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 R 6067/09, juris; LSG Baden-Württemberg 27.03.2009, L 4 KR 1833/07, juris). Dies gilt auch bei tarifvertraglich geschuldetem Arbeitsentgelt, insbesondere bei Leistungen, die aufgrund eines nach § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages erbracht werden müssen (Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 R 6067/09).
Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin wurden für die Beschäftigten B, F und D im Prüfzeitraum Beiträge zur Gesamtsozialversicherung abgeführt, die aus einem Arbeitsentgelt errechnet wurden, das nicht den Vorgaben des allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn, in den Fassungen vom 01.09.2007, 01.09.2008 bzw 01.09.2009), der nach § 1 Abs 2 Abschnitt V Nr 32 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (in der Fassung vom 20.08.2007) auch für die Antragstellerin als Pflasterbauunternehmen galt, entsprach. Die Antragsgegnerin leitete die Feststellungen zu Recht aus den schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Antragstellerin und ihren Arbeitnehmern ab. In den damals gültigen Arbeitsverträgen war jeweils eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart. Hiervon abweichende mündliche Abreden konnte die Antragstellerin nicht glaubhaft machen. Dies hat das SG im Beschluss vom 12.04.2012 zutreffend dargelegt. Der Senat macht sich diese Ausführungen deshalb aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs 2 SGG von der Darstellung (weiterer) eigener Entscheidungsgründe ab. Auch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht zu beanstanden, bei der Ermittlung des geschuldeten Arbeitsentgelts auf die schriftlichen Arbeitsverträge abzustellen, zumal vorliegend keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über die Änderungen der Arbeitsverträge, Stundenzettel, Lohnabrechnungen oder sonstige schriftliche Dokumente existieren. Die nachträglich gefertigten und von der Antragstellerin offensichtlich vorformulierten, nahezu wortidentischen "Bestätigungen" der Arbeitnehmer können den Senat nicht überzeugen. Entsprechendes gilt für die Meldungen zur Sozialversicherung, in denen zwar teilweise Stundenzahlen angegeben wurden, die auf die Zahlung des Tariflohns schließen lassen. Zugleich wurde jedoch eine Tätigkeit "in Vollzeit" übermittelt. Zudem bleibt unklar, woher die Antragstellerin die Stundenzahl nimmt, nachdem Stundenzettel oä nicht geführt wurden. Vor diesem Hintergrund kann auch die für D ausgestellte Arbeitgeberbescheinigung nicht überzeugen.
Im Übrigen wären von den schriftlichen Verträgen abweichende mündliche Vereinbarungen arbeitsrechtlich unwirksam. Denn die Vertragsparteien haben eine sog doppelte Schriftformklausel, die auch die Änderung der Schriftformklausel ihrerseits dem Schriftformerfordernis unterstellt, vereinbart. An der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß führt gem § 125 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit der Änderungsabrede (BAG 20.05.2008, 9 AZR 382/07, BAGE 126, 364 mwN; vgl auch BSG 02.03.2010, B 12 R 5/09 R, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Nebenkosten - vorliegend also ½ aus 8.195,15 EUR, mithin 4.097,58 EUR - festgesetzt. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz (bisher: 2.048,79 EUR) von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antrags- und Beschwerdeverfahren auf je 4.097,58 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.10.2011 über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin, einer Kommanditgesellschaft, ist der Pflasterbau, insbesondere das Liefern und Verlegen von Pflaster. Bei der Antragstellerin waren ua H. B. (B), C.-L. F. (F) und F. D. (D) abhängig beschäftigt. Nach den mit ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträgen war eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden sowie die Schriftform für Änderungen des Vertrages (einschließlich der Schriftformklausel) vereinbart. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt war mit B in Höhe von 950,00 EUR (Arbeitsvertrag vom 30.07.2010), mit F in Höhe von 1.200,00 EUR (Arbeitsvertrag vom 11.09.2009) und mit D in Höhe von 1.500,00 EUR (Arbeitsverträge vom 17.03.2009 und 16.03.2010) vereinbart.
Aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) mit Prüfzeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 erhob die Antragsgegenerin mit Bescheid vom 11.10.2011 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 20.917,96 EUR (inkl Säumniszuschlägen in Höhe von 3.017,50 EUR). Für B forderte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.08.2010 bis 06.12.2010 Beiträge in Höhe von insgesamt 1.649,52 EUR, für F Beiträge für die Zeit vom 14.09.2009 bis 18.12.2009 in Höhe von insgesamt 893,41 EUR sowie für D ua Beiträge für die Zeit vom 26.04.2010 bis 06.12.2010 in Höhe von insgesamt 4.470,04 EUR. Die Nachforderungen begründete die Antragsgegnerin in diesen drei Fällen mit der Lohndifferenz zwischen dem gezahlten und dem geschuldeten Lohn nach den jeweils einschlägigen Tarifverträgen. Soweit die Antragstellerin im Rahmen der Anhörung eine mündlich vereinbarte Reduzierung der Wochenarbeitszeit vorgetragen und schriftliche Bestätigungen der Arbeitnehmer vorgelegt habe, sei dem entgegenzuhalten, dass die Vereinbarung formunwirksam sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 04.11.2011 Widerspruch ein, soweit eine Beitragsforderung von mehr als 8.535,02 EUR festgesetzt wurde. Zugleich beantragte sie die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Mit Bescheid vom 01.12.2011 lehnte die Antragsgegenerin den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab.
Am 26.01.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt, soweit im Bescheid vom 11.10.2011 Beiträge nebst Säumniszuschläge für B, F und D in Höhe von insgesamt 7.012,97 EUR und hierauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von 1.182,18 EUR gefordert werden. Im Fall des Arbeitnehmers B hat die Antragstellerin vorgetragen, tatsächlich sei eine Wochenstundenzahl von 20 vereinbart gewesen. Dies habe B schriftlich bestätigt. Im formularmäßigen Arbeitsvertrag sei handschriftlich versehentlich die Zahl 40 bei der wöchentlichen Arbeitszeit eingetragen worden. Tatsächlich seien sich die Parteien von Anfang an einig gewesen, dass es sich um ein Teilzeitarbeitsverhältnis handele. Die Schriftformklausel stünde dem nicht entgegen. Im Fall des Arbeitnehmers F sei zwar entsprechend dem Arbeitsvertrag zunächst ein vollschichtiges Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen gewesen. Aus betrieblichen Gründen seien die Parteien jedoch mündlich überein gekommen, dass F 25 Wochenstunden leiste. Auch F habe dies schriftlich bestätigt. Mit dem Arbeitnehmer D sei mit Wirkung zum 19.04.2010 ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen worden, der eine Regelarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen habe. Dieser Vertrag sei jedoch nie umgesetzt worden. Der Arbeitsbeginn sei auf den 26.04.2010 verschoben und die wöchentliche Arbeitszeit auf 11 Stunden reduziert worden. In der Meldung zur Sozialversicherung für das Jahr 2010 sei daher zu Recht ein Gesamtarbeitsentgelt von 2.879,00 EUR für eine Gesamtarbeitszeit von 262 Stunden ausgewiesen. Entsprechendes gelte für die Arbeitgeberbescheinigung für die Agentur für Arbeit. Soweit im Einzelfall abweichende Angaben in Meldungen zur Sozialversicherung oder gegenüber der Agentur für Arbeit erfolgt seien, würden diese berichtigt.
Mit Beschluss vom 12.04.2012 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, das Gericht sei nicht eindeutig davon überzeugt, dass die Stundenzahl im angegebenen Umfang tatsächlich reduziert und der tarifliche Mindestlohn damit eingehalten worden sei. Schriftliche Aufzeichnungen über die Änderungen der Arbeitsverträge, Stundenzettel, Lohnabrechnungen oder sonstige schriftliche Dokumente existierten nicht. Ob eine mündliche Abrede formwirksam sei, könne dahinstehen. Denn es sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Reduzierung tatsächlich erfolgt sei. Den schriftlichen Arbeitsverträgen kämen zumindest im einstweiligen Rechtsschutz erhebliche Indizwirkung zu. Das Vorgehen der Antragstellerin könne nicht nachvollzogen werden. Zu einem anderen Ergebnis führten auch nicht die vorgelegten Bescheinigungen der Arbeitnehmer. Hier sei auffällig, dass sie mit dem Briefkopf der Antragstellerin, ohne Andresse oder weitere Angaben des jeweiligen Arbeitnehmers und mit nahezu identischem Wortlaut ausgestellt worden seien. Im Rahmen der Interessenabwägung sei außerdem zu beachten, dass eine unbillige Härte durch den Vollzug des Bescheides nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Am 18.05.2012 hat die Antragstellerin beim SG, eingegangen beim Landessozialgericht (LSG) am 04.06.2012, Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf den Vortrag im Antragsverfahren verwiesen. Ergänzend hat die Antragstellerin vorgetragen, mit den vorgelegten Bestätigungen der betreffenden Arbeitnehmer und den Arbeitsbescheinigungen und Meldungen zur Sozialversicherung sei hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass tatsächlich eine geringere Arbeitszeit vereinbart gewesen sei. Die schriftlichen Arbeitsverträge könnten als alleiniges Indiz nicht herangezogen werden.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 12.04.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 11.10.2011 anzuordnen, soweit Beiträge für H. B., C.-L. F. und F. D. in Höhe von insgesamt 7.012,97 EUR und hierauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von 1.182,18 EUR gefordert werden.
Die Antragsgegenerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da Gegenstand des Verfahrens die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen (inkl Säumniszuschlägen) in Höhe von 8.195,15 EUR ist.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt.
Widerspruch und Anfechtungsklage haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.
Nach summarischer Prüfung und gegenwärtigem Stand der Sachlage ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 11.10.2011 Erfolg haben wird.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach Abs 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen.
Versicherungspflichtig sind in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 SGB XI sowie beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs 1 SGB III gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Die Bemessungsgrundlage für die Beitragspflicht ist das Arbeitsentgelt aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung. Das sind alle laufenden Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden, § 14 Abs 1 SGB IV. Die Entstehung der Beitragsansprüche hängt nicht davon ab, ob das arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gilt grundsätzlich das sogenannte Entstehungsprinzip und - anders als im Steuerrecht - nicht das Zuflussprinzip (ständige Rspr, zB BSG 30.08.1994, 12 RK 59/92, juris; Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 R 6067/09, juris; LSG Baden-Württemberg 27.03.2009, L 4 KR 1833/07, juris). Dies gilt auch bei tarifvertraglich geschuldetem Arbeitsentgelt, insbesondere bei Leistungen, die aufgrund eines nach § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages erbracht werden müssen (Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 R 6067/09).
Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin wurden für die Beschäftigten B, F und D im Prüfzeitraum Beiträge zur Gesamtsozialversicherung abgeführt, die aus einem Arbeitsentgelt errechnet wurden, das nicht den Vorgaben des allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn, in den Fassungen vom 01.09.2007, 01.09.2008 bzw 01.09.2009), der nach § 1 Abs 2 Abschnitt V Nr 32 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (in der Fassung vom 20.08.2007) auch für die Antragstellerin als Pflasterbauunternehmen galt, entsprach. Die Antragsgegnerin leitete die Feststellungen zu Recht aus den schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Antragstellerin und ihren Arbeitnehmern ab. In den damals gültigen Arbeitsverträgen war jeweils eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart. Hiervon abweichende mündliche Abreden konnte die Antragstellerin nicht glaubhaft machen. Dies hat das SG im Beschluss vom 12.04.2012 zutreffend dargelegt. Der Senat macht sich diese Ausführungen deshalb aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs 2 SGG von der Darstellung (weiterer) eigener Entscheidungsgründe ab. Auch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht zu beanstanden, bei der Ermittlung des geschuldeten Arbeitsentgelts auf die schriftlichen Arbeitsverträge abzustellen, zumal vorliegend keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über die Änderungen der Arbeitsverträge, Stundenzettel, Lohnabrechnungen oder sonstige schriftliche Dokumente existieren. Die nachträglich gefertigten und von der Antragstellerin offensichtlich vorformulierten, nahezu wortidentischen "Bestätigungen" der Arbeitnehmer können den Senat nicht überzeugen. Entsprechendes gilt für die Meldungen zur Sozialversicherung, in denen zwar teilweise Stundenzahlen angegeben wurden, die auf die Zahlung des Tariflohns schließen lassen. Zugleich wurde jedoch eine Tätigkeit "in Vollzeit" übermittelt. Zudem bleibt unklar, woher die Antragstellerin die Stundenzahl nimmt, nachdem Stundenzettel oä nicht geführt wurden. Vor diesem Hintergrund kann auch die für D ausgestellte Arbeitgeberbescheinigung nicht überzeugen.
Im Übrigen wären von den schriftlichen Verträgen abweichende mündliche Vereinbarungen arbeitsrechtlich unwirksam. Denn die Vertragsparteien haben eine sog doppelte Schriftformklausel, die auch die Änderung der Schriftformklausel ihrerseits dem Schriftformerfordernis unterstellt, vereinbart. An der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß führt gem § 125 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit der Änderungsabrede (BAG 20.05.2008, 9 AZR 382/07, BAGE 126, 364 mwN; vgl auch BSG 02.03.2010, B 12 R 5/09 R, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Nebenkosten - vorliegend also ½ aus 8.195,15 EUR, mithin 4.097,58 EUR - festgesetzt. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz (bisher: 2.048,79 EUR) von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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