L 12 AS 3684/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 1317/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3684/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner die Weitergewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1948 geborene Antragsteller ist ledig und kinderlos und bezieht seit 2005 Arbeitslosengeld II, zuvor bezog er Sozialhilfe. Bei der ersten Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II im Jahr 2004 gab er an, er habe kein Vermögen. Durch einen anonymen Anruf am 19. April 2010 erfuhr der Antragsgegner, dass der Antragsteller ein Haus in Spanien besitzt. Der Anrufer gab an, der Antragsteller fahre dorthin immer in Urlaub und bezeichne das Haus als seine Altersvorsorge, die er nicht angebe. Der Antragsteller ließ durch seinen Rechtsanwalt hierzu mitteilen, er habe das Haus 1998 gekauft, es habe ca. 60.000 EUR gekostet. Es handele sich um eine kleine Gartenlaube mit drei Zimmern, die mittlerweile völlig verwildert sei. Es müssten mindestens 40.000 EUR investiert werden, um den ursprünglichen Kaufpreis auch nur annähernd wieder erzielen zu können. Seit fünf Jahren versuche er, das Haus mit verschiedenen Maklern zu veräußern. Bislang sei dies nicht gelungen, so dass von der Unverwertbarkeit des Grundstücks ausgegangen werden müsse. Der Antragsteller legte im weiteren Verfahren ein Schreiben vor des Bürgermeisters der Gemeinde, in der das Grundstück liegt, in dem für Haus und Grundstück insgesamt ein Wert von 29.866,36 EUR genannt wird. Die Größe des Hauses beträgt 114 m2, die Grundstücksgröße 733 m2.

In der Folgezeit bewilligte der Antragsgegner zunächst darlehensweise Leistungen, wandelte das Darlehen aber später in einen Zuschuss um und gewährte dem Antragsteller schließlich Leistungen bis einschließlich November 2011 als Zuschuss (zuletzt Bescheid vom 12. Mai 2011). Auf den Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 21. Oktober 2011 forderte der Antragsgegner schriftliche Nachweise über den Fortschritt der Verkaufsbemühungen. Am 14. Dezember 2011 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Reutlingen (SG) einstweiligen Rechtsschutz, den das SG mit Beschluss vom 14. Januar 2012 ablehnte (S 6 AS 3542/11). Auf die Beschwerde des Antragstellers wurden ihm mit Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 29. Februar 2012 (L 3 AS 501/12 ER-B) darlehensweise Leistungen für die Zeit vom 14. Dezember 2011 bis zum 30. April 2012 im Rahmen einer Folgenabwägung zugesprochen. Zur Begründung führte das LSG im Wesentlichen aus, es sei offen, ob der Antragsteller entsprechende Verkaufsbemühungen ausreichend nachgewiesen habe. Nachdem der Antragsteller nunmehr direkten Kontakt mit dem Makler aufgenommen und auch eine Annonce geschaltet habe, sei davon auszugehen, dass er in kürzerer Zeit weitere Nachweise über die Verwertbarkeit des Hauses vorlegen könne. Es könne auch nicht abschließend entschieden werden, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zustehe. Allerdings bestehe kein Anspruch auf eine zuschussweise Gewährung, da das Haus wertmäßig die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteige. Der Antragsteller habe das Haus in Spanien 1998 für knapp über 51.000 EUR erworben. Da er nach eigenen Angaben seitdem keine werterhaltenden Maßnahmen durchgeführt habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der gegenwärtige Verkehrswert wesentlich gestiegen sei. Jedenfalls sei es nicht unwirtschaftlich, das Haus jetzt für etwa 30.000 EUR zu verwerten. Es erscheine jedoch möglich, dass der Antragsteller ein Darlehen verlangen könne, es sei denkbar, dass ihm die sofortige Verwertung des an sich zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich sei.

Der Antragsgegner hat in Umsetzung des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vorläufig Leistungen als Darlehen gewährt für die Zeit vom 14. Dezember 2011 bis 30. April 2012 in Höhe von monatlich 669,42 EUR. Mit Bescheid vom 16. März 2012 hat er sodann die Weitergewährung der Leistung ab 1. Dezember 2011 abgelehnt. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. März 2012). Diesbezüglich ist ein Klageverfahren anhängig (S 6 AS 933/12).

Am 11. April 2012 hat der Antragsteller erneut einen Fortzahlungsantrag gestellt und am 10. Mai 2012 beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Er hat vorgetragen, sein Neffe wolle das Haus für 30.000 EUR kaufen, die Ausfertigung des notariellen Kaufvertrags benötige allerdings noch einige Zeit. Am 19. Juni 2012 hat er im Verfahren S 6 AS 933/12 Kontoauszüge vorgelegt und geltend gemacht, bei den gelb markierten Einzahlungen (30. November 2011: 650 EUR; 27. Dezember 2011: 650 EUR; 27. Januar 2012: 650 EUR; 28. Februar 2012: 600 EUR; 8. Juni 2012: 1.000 EUR und Barzahlung März/April 2012: 2.000 EUR) handele es sich um Vorauszahlungen seines Neffen auf den Kaufpreis. Später hat der Antragsteller vorgetragen, es habe sich zunächst um Darlehenszahlungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts gehandelt; er habe Ende des Jahres 2011 noch gar nicht gewusst, dass sein Neffe das Haus kaufen werde.

Mit Beschluss vom 15. August 2012 hat das SG gestützt auf § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Antrag abgelehnt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe von November 2011 bis Juni 2012 insgesamt 5.550 EUR erhalten. Mit diesen Zahlungen könne er seinen laufenden Bedarf decken mit der Folge, dass er nicht bedürftig sei. Zugleich entfalle damit der Anordnungsgrund für eine vorläufige Entscheidung. Dass es sich bei den Einzahlungen um Darlehen handele, die ihm sein Neffe als Nothelfer habe zukommen lassen und die zwingend zurückzuzahlen seien, habe der Antragsteller nicht glaubhaft machen können. Dem stehe zunächst sein eigenes Vorbringen entgegen, es handele sich um einen "Voraus auf den Kaufpreis". Diese Zahlungen stellten dann die Verwertung des Vermögens des Antragstellers dar, welches er zur Deckung seines Lebensunterhalts einzusetzen habe. Zwar habe der Antragsteller zu Beginn der Zahlungen noch nicht gewusst, dass er das Haus an seinen Neffen verkaufen würde, jedenfalls sei dies so vorgetragen. Dagegen spreche aber, dass die Zahlungen mit Ausnahme des Monats Mai 2012 durchgängig erfolgt seien und damit auch zu der Zeit, als der Antragsteller aufgrund des Beschlusses des LSG einstweilige Leistungen erhalten habe. Eine Notlage des Antragstellers habe zu dieser Zeit nicht bestanden. Damit stehe fest, dass die Leistungen des Neffen des Antragstellers ab März 2012 nicht als Darlehen, sondern als Zahlung auf den Kaufpreis des Hauses erfolgt seien. Damit bestehe jedenfalls derzeit ein Bedarf des Antragstellers nicht.

Hiergegen richtet sich die am 25. August 2012 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Der Prozessbevollmächtigte trägt nunmehr vor, der Neffe des Antragstellers habe im Auftrag der Schwester des Antragstellers, Frau B. Z., die Überweisungen getätigt. Die Darlehensgeberin sei als Zeugin zu vernehmen. Der Kaufpreis auf das Haus sei bis dato nicht geflossen. Der Antragsteller habe nicht von Anfang an gewusst, dass das Geld, das er von Familie Z. erhalte, mit dem Kaufpreis verrechnet werden könne. Lediglich die vorgetragene Juni-Zahlung könne daher als Voraus gewertet werden, es liege kein übersteigendes Vermögen vor.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der Antragsteller insgesamt 5.550 EUR als Voraus auf den zu zahlenden Kaufpreis von 30.000 EUR erhalten habe. Daneben habe er in Ausführung des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg darlehensweise Zahlungen von insgesamt 3.073,33 EUR erhalten. Unter Berücksichtigung dessen sei der Antragsteller aufgrund verwertbaren übersteigenden Vermögens nicht hilfebedürftig. Der neue Vortrag, bei den Zahlungen handele es sich um ein Darlehen der Frau B. Z., sei schlicht nicht glaubhaft, insbesondere da der Bevollmächtigte im Schreiben vom 18. Juni 2012 noch mitgeteilt habe, es handele sich um einen Voraus des J. Z. auf den Kaufpreis. Im Übrigen werde auf die Überweisung vom 8. Juni 2012 hingewiesen, die 1.000 EUR seien mit dem Verwendungszweck "Anzahlung Haus F." überwiesen worden. Der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die beigezogenen Akten L 3 AS 501/12 ER-B und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragsteller hat keinen Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch nicht begründet, das SG hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 42).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG zu Recht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Auch nach Auffassung des Senats sind weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine aktuelle Notlage des Antragstellers ist nicht zu erkennen.

Inzwischen ist der Antragsteller dabei, das Haus in Spanien für 30.000 EUR an seinen Neffen zu verkaufen. Damit steht fest, dass das Haus nicht generell unverwertbar i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II ist, dass die Verwertung nicht dauerhaft unwirtschaftlich oder unzumutbar ist (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 SGB II) und dass sie auch nicht vorübergehend unzumutbar oder ausgeschlossen ist. Somit besteht auch kein Anspruch auf darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 24 Abs. 5 i. V. m. § 9 Abs. 4 SGB II. Angesichts des Kaufpreises von 30.000 EUR verfügt der Antragsteller über Vermögen, welches die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II i.H.v. insgesamt 10.350 EUR übersteigt.

Auch wenn der Antragsteller vorträgt, den Kaufpreis noch nicht erhalten zu haben, verfügt er über ausreichend Mittel, auch aktuell seinen Bedarf zu decken. Der Antragsteller hat bis Ende April 2012 Leistungen vom Antragsgegner (als Darlehen) erhalten, mit denen er seinen Bedarf decken konnte. Daneben hat er eingeräumt, von seinem Neffen 5.550 EUR erhalten zu haben, die er zunächst als Voraus auf den Kaufpreis, sodann als Darlehen seines Neffen und nunmehr als Darlehen seiner Schwester, ausgezahlt über seinen Neffen, deklariert (mit Ausnahme der Juni-Zahlung). Hinzu kommt eine weitere Gutschrift auf dem Konto des Klägers vom 20. April 2012 i.H.v. 1.000 EUR, die nicht weiter deklariert worden ist. Unabhängig davon, dass der Vortrag des Antragstellers schon aufgrund der widersprüchlichen Angaben wenig glaubhaft ist, hat der Antragsteller jedenfalls Mittel erhalten, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Der neueste Vortrag, es handele sich um Darlehenszahlungen der Schwester des Antragstellers, erscheint nach dem gesamten Verlauf in keiner Weise glaubhaft, zumal bisher jedenfalls die Möglichkeit zur Verrechnung angeblicher Darlehensrückforderungen mit dem Anspruch des Antragstellers auf Kaufpreiszahlung von diesem selbst angenommen worden war und der Antragsteller danach die Zahlungen im Voraus auf die Verwertung seines nicht geschützten Vermögens erhalten hätte. Ob der Antragsteller letztlich zur Rückzahlung der überwiesenen Beträge verpflichtet ist, kann der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, denn eine aktuelle Notlage liegt aufgrund der Zahlungen jedenfalls nicht mehr vor. Der Antragsteller selbst hatte im Mai 2012 vorgetragen, mit dem Abschluss des Kaufs sei binnen drei Monaten zu rechnen, so dass auch insoweit nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller bis zur endgültigen Kaufpreiszahlung weiterer Unterstützung bedürfte und eine einstweilige Regelung erforderlich wäre. Damit besteht auch kein Anordnungsgrund.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG)
Rechtskraft
Aus
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