Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 694/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 585/12 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Leistungsausschluss iSd § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann nur darauf gestützt werden, dass ein Antragsteller auschließlich zum Zweck der Arbeitssuche eingereist ist. Den Aufenthaltsweck hat der Leistungsträger zu ermitteln, soweit er einen Leistungsausschluss hierauf stützen will.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 4 VO (EG) 883/2004 steht einem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Die VO (EG) 883/2004 schafft keine Rechtsgrundlage für innerstaatliche Ansprüche, sondern dient ausschließlich dem Zweck, Ansprüche oder Voraustatbestände für die Begründung von Ansprüchen mit grenzüberschreitendem Bezug zwischen den Systemen der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten der EU zu koordinieren.
Der persönliche Anwendungsbereich der Koordinierungsrichtlinie (Art 2 VO (EG) 883/2004) ist erst dann eröffnet ist, wenn zur Aufrechterhaltung oder Begründung von Ansprüchen die Koordinierung verschiedener Systeme sozialer Sicherung von mehr als einem Mitgliedstaat erforderlich ist, mithin ein grenzüberschreitender Sachverhalt zu koordinieren ist.
Zur Bemessung der Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz
Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 4 VO (EG) 883/2004 steht einem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Die VO (EG) 883/2004 schafft keine Rechtsgrundlage für innerstaatliche Ansprüche, sondern dient ausschließlich dem Zweck, Ansprüche oder Voraustatbestände für die Begründung von Ansprüchen mit grenzüberschreitendem Bezug zwischen den Systemen der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten der EU zu koordinieren.
Der persönliche Anwendungsbereich der Koordinierungsrichtlinie (Art 2 VO (EG) 883/2004) ist erst dann eröffnet ist, wenn zur Aufrechterhaltung oder Begründung von Ansprüchen die Koordinierung verschiedener Systeme sozialer Sicherung von mehr als einem Mitgliedstaat erforderlich ist, mithin ein grenzüberschreitender Sachverhalt zu koordinieren ist.
Zur Bemessung der Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.07.2012 wird abgeändert und der Antragsgegner verpflichtet, vorläufig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.10.2012 bis 31.12.2012 - längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens - an die Antragstellerin zu 1 in Höhe von 365,75 EUR und an die Antragsteller zu 2 und 3 in Höhe von jeweils 113,46 EUR monatlich zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat den Antragstellerinnen die außergerichtlichen Kosten zu 9/10 zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen (ASt) begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die ASt zu 1 (geb. 1974) sowie ihre beiden Töchter, die ASt zu 2 (geb. 2002) und zu 3 (geb. 2004), sind slowakische Staatsangehörige. Seit dem 29.11.2011 ist die ASt zu 1 geschieden und hat das alleinige Sorgerecht für die ASt zu 2 und 3. Sie halten sich seit August 2011 in Deutschland auf. Bereits am 30.08.2011 bescheinigte die Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt, dass sich die ASt nach Maßgabe des FreizügigkeitsgesetzesEU (FreizügG/EU) berechtigterweise in Deutschland aufhalten.
Am 26.01.2012 beantragten die ASt erstmals beim Antragsgegner (Ag) Leistungen nach dem SGB II. Sie seien vor dem gewalttätigen Ehemann der ASt zu 1 geflohen und auf Einladung einer Tante des Ehemannes nach A-Stadt gekommen. Verwandte in der Slowakei habe die ASt zu 1 nicht. Seit dem 01.01.2012 seien sie in der A.- Straße gemeldet gewesen. Ab dem 01.04.2012 sei eine Wohnung in der E.-R.- Straße in A-Stadt angemietet (Miete einschließlich kalter Nebenkosten: 236,37 EUR). Seit Mai 2010 habe die ASt zu 1 einen Anspruch auf eine Invalidenrente nach slowakischem Recht, weil die Erwerbsfähigkeit im Vergleich zu einer gesunden Person um mehr als 70 vH gesenkt sei. Der monatliche Anspruch ab Januar 2012 betrage 219,80 EUR. Für die ASt zu 2 und 3 erbringe die Stadt A-Stadt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von (jeweils) 180.- EUR monatlich. Kindergeld beziehe die ASt zu 1 nicht. Die ASt zu 2 und 3 gingen inzwischen in A-Stadt zur Schule.
Mit Bescheid vom 05.06.2012 lehnte der Ag die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Das Aufenthaltsrecht der ASt zu 1 ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche, so dass ihr Leistungsanspruch gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen sei. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist - soweit nach Lage der vorgelegten Akten - bislang nicht entschieden.
Am 11.07.2012 haben die ASt beim Sozialgericht Bayreuth beantragt, den Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II an sie zu erbringen. Die ASt zu 1 habe sich zunächst nicht um eine Arbeitsstelle bemüht. Zumindest bis zur Scheidung habe sie andere Probleme gehabt und sei nicht in der Lage gewesen zu arbeiten. Sie halte sich inzwischen jedoch grundsätzlich wieder für erwerbsfähig. Solange sie ihren Bedarf nicht decken könnten, würden sie von einer Tante aus der Slowakei finanziell unterstützt. Der Ag hat dem entgegengehalten, dass es bereits erhebliche Zweifel an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit gebe, nachdem ein schriftlicher Antrag der ASt erst nach mehrmaliger Aufforderung erfolgt sei. Zudem würden Familienleistungen der Slowakei, die dem deutschen Kindergeld entsprächen, nicht in Anspruch genommen. Die ASt zu 1 halte sich ausschließlich zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland auf, so dass Leistungen nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. SGB II ausgeschlossen seien.
Mit Beschluss vom 31.07.2012 hat das SG den Ag verpflichtet, an die ASt für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis längstens 31.12.2012 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 697, 51 EUR zu erbringen (ASt zu 1 - 397,73 EUR; ASt zu 2 und 3 (jeweils) - 149,89 EUR). Ein Anordnungsanspruch sei möglich, auch wenn die ASt zu 1 eine Invalidenrente beziehe, denn allein auf der Grundlage der Entscheidung des slowakischen Rentenversicherungsträgers sei die Erwerbsfähigkeit der ASt zu 1 nicht zweifelsfrei auszuschließen. Darüber hinaus seien die ASt auch nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, auch wenn sich das Aufenthaltsrecht der ASt zu 1 "offenkundig" allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vor dem Hintergrund des Art 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) europarechtskonform sei, sei höchst umstritten, und der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (VO (EG) Nr. 883/2004) stehe einem Leistungsausschluss von EU- Bürgern möglicherweise entgegen, so dass nicht auszuschließen sei, eine (spätere) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) werde den Leistungsausschluss für EU- Bürger als europarechtswidrig ansehen. Ein Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht, denn die ASt verfügten über kein bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen. Im Rahmen der Folgeabwägung habe das fiskalische Interesse des Ag gegenüber dem Interesse der ASt auf Sicherung ihrer existenziellen Bedürfnisse zurückzutreten. In Bezug auf die Höhe der Leistungen gebe es keinen Anlass, weniger als die gesetzlich vorgesehenen Leistungen - für die Dauer eines üblichen Bewilligungsabschnittes von sechs Monaten - zuzusprechen.
Gegen den Beschluss hat der Ag Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die ASt seien nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Das SG habe lediglich Zweifel in Bezug auf die Europarechtskonformität dieser Regelung geäußert. Dies genüge jedoch nicht, um sie unbeachtet zu lassen. Zudem orientiere sich § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II an Art 24 Abs 2 der Richtlinie 2004/38/EG, wobei Leistungen der Grundsicherung in diesem Zusammenhang ihrer Struktur nach als Sozialhilfeleistungen zu qualifizieren seien. Zuletzt stehe auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des VO Art 4 (EG) 883/2004 einer Anwendung des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Auch die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit sei zweifelhaft, nachdem sich die ASt seit August 2011 in Deutschland aufhielten, gleichwohl aber erst im Januar 2012 Leistungen nach dem SGB II beantragt hätten. Zudem habe die ASt zu 1 eingeräumt, Unterstützungsleistungen zu erhalten.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und in der Sache zum Teil begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist die Zahlung von Alg II für die Zeit ab dem 01.07.2012 bis längstens 31.12.2012, die in einem Hauptsacheverfahren im Wege einer Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen ist, so dass insoweit § 86 Abs 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darstellt. Vorliegend kann dahinstehen, dass Ausgangspunkt des Eilverfahrens lediglich der Ablehnungsbescheid vom 05.06.2012 in Bezug auf die ASt zu 1 ist, wohingegen nach Lage der Akten über die Ansprüche der ASt zu 2 und 3 bislang (wohl) nicht entschieden ist.
Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74), vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/ Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl., § 86b Rn. 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung.
An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Unter Beachtung dieser Überlegungen ist den ASt auf die Beschwerde des Ag hin einstweiliger Rechtsschutz - unter Abänderung des Beschlusses vom 31.07.2012 - lediglich im tenorierten Umfang zu gewähren. Hinsichtlich der Entscheidung dem Grunde nach und bezüglich der Dauer der Regelung ist die Entscheidung des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren sind noch als offen anzusehen.
Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, (Nr.1) die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB III noch nicht erreicht haben, (Nr. 2) erwerbsfähig sind, (Nr. 3) hilfebedürftig sind und (Nr. 4) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Das SG hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass allein die Entscheidung des slowakischen Rentenversicherungsträgers über die Bewilligung einer Invalidenrente nicht ausreicht, um die Erwerbsfähigkeit der ASt zu 1 iSd § 8 Abs 1 SGB II als Anspruchsvoraussetzung (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) zweifelsfrei ausschließen zu können. Dies bedarf weiterer medizinischer Sachaufklärung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht zu leisten ist. Darüber hinaus ist weder zu erkennen, auf welcher medizinischen Grundlage, die Invalidenrente zuerkannt wurde, noch ob eine Besserung des im Jahr 2010 maßgeblichen Gesundheitszustandes eingetreten ist, der eine andere Beurteilung der Erwerbsminderung der ASt zu 1 zulässt.
Vom Leistungsbezug nach dem SGB II sind zwar ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie deren Familienangehörige (§ 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Aber auch diesbezüglich ist ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, nachdem Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht offenkundig auszuschließen sind.
Diese Erfolgsaussichten ergeben sich jedoch nicht dadurch, dass sich der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als europarechtswidrig erweisen könnte, denn dieser beruht auf Art 24 Abs 2 der Richtlinie 2004/38/EG und die Leistungen der Grundsicherung dürften sich in diesem Zusammenhang - ihrer Struktur folgend - als Leistungen der Sozialhilfe erweisen (vgl. hierzu ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2012 - L 5 AS 1749/12 B ER; Beschluss vom 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B ER; Beschluss vom 05.03.2012 - L 29 AS 414/12 B ER; Beschluss vom 29.02.2012 - L 20 AS 2347/11 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2012 - L 9 AS 347/12 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2012 - L 3 AS 1477/11 alle zitiert nach Juris). Insoweit werden die Bedenken des SG nicht geteilt. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 4 VO (EG) 883/2004 steht einem Leistungsausschluss nicht zwingend entgegen, denn die VO (EG) 883/2004 schafft keine Rechtsgrundlage für innerstaatliche Ansprüche, sondern dient ausschließlich dem Zweck, Ansprüche oder Voraustatbestände für die Begründung von Ansprüchen mit grenzüberschreitendem Bezug zwischen den Systemen der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten der EU zu koordinieren, um somit ein höchstmögliches Maß an Mobilität für Wanderarbeitnehmer innerhalb der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu gewährleisten. Bereits die Rechtsprechung des EuGH zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 hatte im Wesentlichen zum Ziel, die Anwendung der in den einzelnen Mitgliedstaaten für Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geltenden Systeme der sozialen Sicherheit nach einheitlichen und gemeinschaftlichen Kriterien sicherzustellen. Zu diesem Zweck hat die Europäische Gemeinschaft eine Gesamtheit von Vorschriften aufgestellt, die sich insbesondere auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Aufenthaltsortes und daran anknüpfend die Aufrechterhaltung der Ansprüche gründen, die der Arbeitnehmer nach dem System oder den Systemen der sozialen Sicherheit, die für ihn gelten oder gegolten haben, erworben hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 11.10.2001 - C 95/99 (Rs. Khalil u.a.) - zitiert nach Juris). Hieraus ist zu schließen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Koordinierungsrichtlinie (Art 2 VO (EG) 883/2004) erst dann eröffnet ist, wenn zur Aufrechterhaltung oder Begründung von Ansprüchen die Koordinierung verschiedener Systeme sozialer Sicherung von mehr als einem Mitgliedstaat erforderlich ist, mithin ein grenzüberschreitender Sachverhalt zu koordinieren ist (vgl. Fuchs in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., VO (EG) 883/2004 Art 3 Rn. 15 mwN). Insofern dürfte sich die Problematik, ob Art 4 VO (EG) 883/2004 auf beitragsunabhängige Leistungen iSd Art 70 VO (EG) 883/2004 Anwendung zu finden hat, für die Frage, ob der Leistungssauschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 4 VO (EG) verstößt, vorliegend als bedeutungslos erweisen. Aufgrund des Umstandes, dass die Begründung eines Leistungsanspruches nach dem SGB II innerhalb Deutschlands in keiner Weise koordinationsrechtliche Bezüge zu anderen Mitgliedstaaten aufweist, ist nämlich der persönliche Geltungsbereich (Art 2 VO (EG) 883/2004) der Koordinierungsrichtlinie nicht eröffnet, soweit ein Arbeitssuchender zuwandert und innerhalb des deutschen Staatsgebietes seinen Wohnsitz nimmt, um Leistungen zu beantragen. Für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II kommt es in einem derartigen Zusammenhang allein auf die Erfüllung innerstaatlicher Tatbestandsvoraussetzungen an, die dem Regelungsgegenstand der VO (EG) 883/2004 nicht unterliegen.
Erfolgsaussichten der Hauptsache sind nach Auffassung des Senates jedoch aus tatsächlichen Gründen gegeben, denn die bisherigen Ermittlungen des Ag lassen keinen zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass sich das Aufenthaltsrecht der ASt zu 1 allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Insoweit bedarf es weitergehender Sachaufklärung, die der Ag im Rahmen des Widerspruchsverfahrens (bzw. Antragsverfahrens bezüglich der ASt zu 2 und 3) nachzuholen haben wird. Bislang bestehen erhebliche Zweifel, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss iSd § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorliegen. Der ASt zu 1 ist nach ihrer Einreise nach Deutschland durch die Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt bescheinigt worden, sie halte sich berechtigterweise in Deutschland auf. Aufgrund der persönlichen Verfassung der ASt zu 1 (Flucht vor dem Ehemann; Erwerbsminderung; keinen Wunsch, eine Arbeit aufzunehmen) ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, das am 30.08.2011 bescheinigte Aufenthaltsrecht beruhe auf § 2 Abs 1 Nr. 1 FreizügG/EU, weil sich die ASt zu 1 als Unionsbürgerin zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Der Erteilung der Bescheinigung vom 30.08.2011 kann daher ein bisher nicht ermittelter Sachverhalt zugrunde liegen, der ein Aufenthaltsrecht - unabhängig von der Arbeitssuche - begründet haben kann, das, sofern es fortdauert, einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht zum Tragen kommen lassen würde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 138/11 R - Juris).
Die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, d.h. ein Anordnungsgrund, ist (zumindest) in Bezug auf die existenzsichernden Leistungen glaubhaft gemacht, denn es ist nicht ersichtlich, dass die ASt in der Lage wären, diese Bedürfnisse aus laufendem Einkommen oder Vermögen vollständig zu decken. Allein der Hinweis des Ag auf die Unterstützungsleistungen an die ASt aus der Slowakei sowie der Umstand, dass die Finanzierung des Lebensunterhaltes der ASt seit August 2011 unklar geblieben ist, rechtfertigt in diesem Zusammenhang nicht die Annahme, die ASt seien aktuell in der Lage, aus liquiden Mittel diese existenziellen Bedürfnisse zu decken, insbesondere nachdem es keinen Beleg dafür gibt, ob und in welcher Höhe die ASt Unterstützungsleistungen derzeit noch aus der Slowakei erhalten.
Lediglich hinsichtlich der Höhe der vom SG festgestellten (vorläufigen) Leistungsansprüche sieht der Senat Handlungsbedarf, der Beschwerde des Ag zumindest teilweise zu entsprechen. Es ist weder zu erkennen, wie das SG die von ihm festgestellten Zahlbeträge ermittelt hat, noch ob es den Grundsatz beachtet hat, die Hauptsache mit der vorläufigen Regelung nicht vorwegzunehmen. Diesem Erfordernis ist im Rahmen eines Eilverfahrens gegebenenfalls durch Abschläge vom Regelbedarf Rechnung zu tragen, wobei bei einem wahrscheinlichen (materiellen) Anspruch hiervon abzusehen ist (vgl. in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 86b Rn. 35 d). Zudem hat das SG (wohl) den Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende in vollem Umfang berücksichtigt, obwohl die ASt zu 1 keine Bedarfslage vorgetragen hat, die einem Zusammenhang mit den in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Bedarfen steht. Der diesbezügliche (materielle) Anspruch folgt im Hinblick auf die gesetzliche Regelung dem Anspruch auf den Regelbedarf. Mangels Erkennbarkeit einer entsprechenden Bedarfslage im Rahmen des Anordnungsgrundes erscheint insoweit ein deutlicher Abschlag jedoch geboten, um die nicht die Hauptsache vollständig vorwegzunehmen.
Im Rahmen der Abwägung ist daher zu beachten, dass Abschläge in Bezug auf (unstreitige) Unterkunftskosten regelmäßig nicht angezeigt sind, denn diese sind für Leistungsempfänger unausweichlich und führen im Falle einer Bedarfsunterdeckung zum Verlust des Wohnraumes. Darüber hinaus erscheint ein Abschlag bezüglich des Regelbedarfes der ASt zu 1 in Höhe von 10 vH gerechtfertigt, nachdem ihr materieller Anspruch lediglich als offen, nicht aber als wahrscheinlich anzusehen ist, denn bei kursorischer Prüfung des § 2 Abs 1 FreizügG ist für den Senat nicht zu erkennen, auf welche Überlegungen die Ausländerbehörde ihre Entscheidung gestützt hat, die ASt hielten sich bereits seit August 2011 berechtigterweise in Deutschland auf. Ein Abschlag in Bezug auf die Regelbedarfe der ASt zu 2 und 3 ist demgegenüber nicht geboten, denn diese besuchen derzeit eine Schule in A-Stadt, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass deren Bedarfe nach § 28 SGB II durch den Ag bislang gedeckt worden wären.
Allenfalls geringfügige Abschläge, wie im Rahmen des Regelbedarfes, mit dem existenzielle Bedürfnisse zu sichern sind, sind bei Mehrbedarfen regelmäßig angezeigt, wenn dem (gesetzlich vermuteten) Bedarf äquivalente Aufwendungen gegenüberstehen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn die Regelung des Mehrbedarfes für Alleinerziehende beruht auf einer Fortführung der Mehrbedarfsregelung der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für allein erziehende Personen, die mit einem oder mehreren jungen Kindern zusammenleben (BT- Drucks 15/1516 S 57). Inhaltlich umfasst der Mehrbedarfszuschlag insoweit vor allem die zusätzlichen Aufwendungen für Kontaktpflege, für Verteuerung des Einkaufes wegen mangelnder Beweglichkeit, für kleine Geschenke an Dritte, für gelegentliche Dienstleistungen, für erhöhte Bedarfe an Unterhaltung und Spielzeug (vgl. Schellhorn/ Jirasek/ Seipp, BSHG, 2.Aufl., § 23 Rn. 23). Dies zugrunde gelegt ist ersichtlich, dass ein Teil dieser Bedarfe nach den Regelungen des SGB II auch durch den Regelbedarf des Alleinerziehenden oder der betreuten Kinder abgedeckt wird, so dass ohne den Beleg äquivalenter Aufwendungen - wie vorliegend - im Rahmen eines Eilverfahrens (zumindest) ein hälftiger Abschlag im Zusammenhang mit der Ermittlung des Gesamtbedarfes gerechtfertigt erscheint.
Diese Überlegungen zugrunde gelegt, ergeben sich unter Beachtung der Regelbedarfe (Ast zu 1: 374.- EUR; ASt zu 2 und 3 jeweils 251.- EUR), der Unterkunftskosten (236,37 EUR), des Mehrdarfs für Alleinerziehende (135.- EUR) sowie der Einkünfte (ASt zu 1: Rente - 219,80 EUR; ASt zu 2 und 3: UVG- Leistungen - jeweils180.-) Zahlungsansprüche für die ASt zu 1 in Höhe von 365,76 EUR sowie für die ASt zu 2 und 3 in Höhe von jeweils 113,46 EUR (vgl. folgende Tabelle).
ASt zu 1 ASt zu 2 ASt zu 3
(1) RL/ SozG 336,60 EUR (= 90 vH aus 374.- EUR) 251,00 EUR 251,00 EUR
(2) MB 67,50 EUR (= 50 vH aus 135.- EUR)
(3) KdU 78,79 EUR (= 1/3 aus 236,37 EUR) 78,79 EUR 78,79 EUR
(4) Bedarf (Summe 1 bis 3) 482,89 EUR 329,79 EUR 329,79 EUR
(5) Unterhalt (UVG) 180,00 EUR 180,00 EUR
(6) Ber. Bedarf (4 abzgl. 5) 482,89 EUR
(a) 149,79 EUR (b) 149,79 EUR (c)
(7) EK (Rente) 219,80 EUR
(8) FB 30,00 EUR
(9) EK - Netto (7 abzgl. 8) 189,80 EUR
(10) Quote (Anteil am ber. Bedarf)
61,71% (= 6a: Summe aus 6a bis 6c) 19,14% 19,14%
(11) Anrechnung (Verteilung des EK- Netto) 117,13 EUR (=61,71 vH aus 189,90 EUR) 36,33 EUR 36,33 EUR
Anspruch 365,76 EUR 113,46 EUR 113,46 EUR
Dieser Berechung folgend war der Tenor der sozialgerichtlichen Entscheidung zumindest für die Zeit ab dem 01.10.2012 abzuändern. Für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2012 war eine Änderung des bereits vollzogenen Beschlusses des SG nicht angezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. und ergibt sich aus dem Umfang des Erfolges der ASt im Beschwerdeverfahren.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
II. Der Antragsgegner hat den Antragstellerinnen die außergerichtlichen Kosten zu 9/10 zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen (ASt) begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die ASt zu 1 (geb. 1974) sowie ihre beiden Töchter, die ASt zu 2 (geb. 2002) und zu 3 (geb. 2004), sind slowakische Staatsangehörige. Seit dem 29.11.2011 ist die ASt zu 1 geschieden und hat das alleinige Sorgerecht für die ASt zu 2 und 3. Sie halten sich seit August 2011 in Deutschland auf. Bereits am 30.08.2011 bescheinigte die Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt, dass sich die ASt nach Maßgabe des FreizügigkeitsgesetzesEU (FreizügG/EU) berechtigterweise in Deutschland aufhalten.
Am 26.01.2012 beantragten die ASt erstmals beim Antragsgegner (Ag) Leistungen nach dem SGB II. Sie seien vor dem gewalttätigen Ehemann der ASt zu 1 geflohen und auf Einladung einer Tante des Ehemannes nach A-Stadt gekommen. Verwandte in der Slowakei habe die ASt zu 1 nicht. Seit dem 01.01.2012 seien sie in der A.- Straße gemeldet gewesen. Ab dem 01.04.2012 sei eine Wohnung in der E.-R.- Straße in A-Stadt angemietet (Miete einschließlich kalter Nebenkosten: 236,37 EUR). Seit Mai 2010 habe die ASt zu 1 einen Anspruch auf eine Invalidenrente nach slowakischem Recht, weil die Erwerbsfähigkeit im Vergleich zu einer gesunden Person um mehr als 70 vH gesenkt sei. Der monatliche Anspruch ab Januar 2012 betrage 219,80 EUR. Für die ASt zu 2 und 3 erbringe die Stadt A-Stadt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von (jeweils) 180.- EUR monatlich. Kindergeld beziehe die ASt zu 1 nicht. Die ASt zu 2 und 3 gingen inzwischen in A-Stadt zur Schule.
Mit Bescheid vom 05.06.2012 lehnte der Ag die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Das Aufenthaltsrecht der ASt zu 1 ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche, so dass ihr Leistungsanspruch gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen sei. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist - soweit nach Lage der vorgelegten Akten - bislang nicht entschieden.
Am 11.07.2012 haben die ASt beim Sozialgericht Bayreuth beantragt, den Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II an sie zu erbringen. Die ASt zu 1 habe sich zunächst nicht um eine Arbeitsstelle bemüht. Zumindest bis zur Scheidung habe sie andere Probleme gehabt und sei nicht in der Lage gewesen zu arbeiten. Sie halte sich inzwischen jedoch grundsätzlich wieder für erwerbsfähig. Solange sie ihren Bedarf nicht decken könnten, würden sie von einer Tante aus der Slowakei finanziell unterstützt. Der Ag hat dem entgegengehalten, dass es bereits erhebliche Zweifel an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit gebe, nachdem ein schriftlicher Antrag der ASt erst nach mehrmaliger Aufforderung erfolgt sei. Zudem würden Familienleistungen der Slowakei, die dem deutschen Kindergeld entsprächen, nicht in Anspruch genommen. Die ASt zu 1 halte sich ausschließlich zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland auf, so dass Leistungen nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. SGB II ausgeschlossen seien.
Mit Beschluss vom 31.07.2012 hat das SG den Ag verpflichtet, an die ASt für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis längstens 31.12.2012 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 697, 51 EUR zu erbringen (ASt zu 1 - 397,73 EUR; ASt zu 2 und 3 (jeweils) - 149,89 EUR). Ein Anordnungsanspruch sei möglich, auch wenn die ASt zu 1 eine Invalidenrente beziehe, denn allein auf der Grundlage der Entscheidung des slowakischen Rentenversicherungsträgers sei die Erwerbsfähigkeit der ASt zu 1 nicht zweifelsfrei auszuschließen. Darüber hinaus seien die ASt auch nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, auch wenn sich das Aufenthaltsrecht der ASt zu 1 "offenkundig" allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vor dem Hintergrund des Art 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) europarechtskonform sei, sei höchst umstritten, und der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (VO (EG) Nr. 883/2004) stehe einem Leistungsausschluss von EU- Bürgern möglicherweise entgegen, so dass nicht auszuschließen sei, eine (spätere) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) werde den Leistungsausschluss für EU- Bürger als europarechtswidrig ansehen. Ein Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht, denn die ASt verfügten über kein bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen. Im Rahmen der Folgeabwägung habe das fiskalische Interesse des Ag gegenüber dem Interesse der ASt auf Sicherung ihrer existenziellen Bedürfnisse zurückzutreten. In Bezug auf die Höhe der Leistungen gebe es keinen Anlass, weniger als die gesetzlich vorgesehenen Leistungen - für die Dauer eines üblichen Bewilligungsabschnittes von sechs Monaten - zuzusprechen.
Gegen den Beschluss hat der Ag Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die ASt seien nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Das SG habe lediglich Zweifel in Bezug auf die Europarechtskonformität dieser Regelung geäußert. Dies genüge jedoch nicht, um sie unbeachtet zu lassen. Zudem orientiere sich § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II an Art 24 Abs 2 der Richtlinie 2004/38/EG, wobei Leistungen der Grundsicherung in diesem Zusammenhang ihrer Struktur nach als Sozialhilfeleistungen zu qualifizieren seien. Zuletzt stehe auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des VO Art 4 (EG) 883/2004 einer Anwendung des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Auch die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit sei zweifelhaft, nachdem sich die ASt seit August 2011 in Deutschland aufhielten, gleichwohl aber erst im Januar 2012 Leistungen nach dem SGB II beantragt hätten. Zudem habe die ASt zu 1 eingeräumt, Unterstützungsleistungen zu erhalten.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und in der Sache zum Teil begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist die Zahlung von Alg II für die Zeit ab dem 01.07.2012 bis längstens 31.12.2012, die in einem Hauptsacheverfahren im Wege einer Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen ist, so dass insoweit § 86 Abs 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darstellt. Vorliegend kann dahinstehen, dass Ausgangspunkt des Eilverfahrens lediglich der Ablehnungsbescheid vom 05.06.2012 in Bezug auf die ASt zu 1 ist, wohingegen nach Lage der Akten über die Ansprüche der ASt zu 2 und 3 bislang (wohl) nicht entschieden ist.
Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74), vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/ Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl., § 86b Rn. 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung.
An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Unter Beachtung dieser Überlegungen ist den ASt auf die Beschwerde des Ag hin einstweiliger Rechtsschutz - unter Abänderung des Beschlusses vom 31.07.2012 - lediglich im tenorierten Umfang zu gewähren. Hinsichtlich der Entscheidung dem Grunde nach und bezüglich der Dauer der Regelung ist die Entscheidung des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren sind noch als offen anzusehen.
Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, (Nr.1) die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB III noch nicht erreicht haben, (Nr. 2) erwerbsfähig sind, (Nr. 3) hilfebedürftig sind und (Nr. 4) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Das SG hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass allein die Entscheidung des slowakischen Rentenversicherungsträgers über die Bewilligung einer Invalidenrente nicht ausreicht, um die Erwerbsfähigkeit der ASt zu 1 iSd § 8 Abs 1 SGB II als Anspruchsvoraussetzung (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) zweifelsfrei ausschließen zu können. Dies bedarf weiterer medizinischer Sachaufklärung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht zu leisten ist. Darüber hinaus ist weder zu erkennen, auf welcher medizinischen Grundlage, die Invalidenrente zuerkannt wurde, noch ob eine Besserung des im Jahr 2010 maßgeblichen Gesundheitszustandes eingetreten ist, der eine andere Beurteilung der Erwerbsminderung der ASt zu 1 zulässt.
Vom Leistungsbezug nach dem SGB II sind zwar ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie deren Familienangehörige (§ 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Aber auch diesbezüglich ist ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, nachdem Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht offenkundig auszuschließen sind.
Diese Erfolgsaussichten ergeben sich jedoch nicht dadurch, dass sich der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als europarechtswidrig erweisen könnte, denn dieser beruht auf Art 24 Abs 2 der Richtlinie 2004/38/EG und die Leistungen der Grundsicherung dürften sich in diesem Zusammenhang - ihrer Struktur folgend - als Leistungen der Sozialhilfe erweisen (vgl. hierzu ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2012 - L 5 AS 1749/12 B ER; Beschluss vom 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B ER; Beschluss vom 05.03.2012 - L 29 AS 414/12 B ER; Beschluss vom 29.02.2012 - L 20 AS 2347/11 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2012 - L 9 AS 347/12 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2012 - L 3 AS 1477/11 alle zitiert nach Juris). Insoweit werden die Bedenken des SG nicht geteilt. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 4 VO (EG) 883/2004 steht einem Leistungsausschluss nicht zwingend entgegen, denn die VO (EG) 883/2004 schafft keine Rechtsgrundlage für innerstaatliche Ansprüche, sondern dient ausschließlich dem Zweck, Ansprüche oder Voraustatbestände für die Begründung von Ansprüchen mit grenzüberschreitendem Bezug zwischen den Systemen der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten der EU zu koordinieren, um somit ein höchstmögliches Maß an Mobilität für Wanderarbeitnehmer innerhalb der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu gewährleisten. Bereits die Rechtsprechung des EuGH zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 hatte im Wesentlichen zum Ziel, die Anwendung der in den einzelnen Mitgliedstaaten für Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geltenden Systeme der sozialen Sicherheit nach einheitlichen und gemeinschaftlichen Kriterien sicherzustellen. Zu diesem Zweck hat die Europäische Gemeinschaft eine Gesamtheit von Vorschriften aufgestellt, die sich insbesondere auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Aufenthaltsortes und daran anknüpfend die Aufrechterhaltung der Ansprüche gründen, die der Arbeitnehmer nach dem System oder den Systemen der sozialen Sicherheit, die für ihn gelten oder gegolten haben, erworben hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 11.10.2001 - C 95/99 (Rs. Khalil u.a.) - zitiert nach Juris). Hieraus ist zu schließen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Koordinierungsrichtlinie (Art 2 VO (EG) 883/2004) erst dann eröffnet ist, wenn zur Aufrechterhaltung oder Begründung von Ansprüchen die Koordinierung verschiedener Systeme sozialer Sicherung von mehr als einem Mitgliedstaat erforderlich ist, mithin ein grenzüberschreitender Sachverhalt zu koordinieren ist (vgl. Fuchs in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., VO (EG) 883/2004 Art 3 Rn. 15 mwN). Insofern dürfte sich die Problematik, ob Art 4 VO (EG) 883/2004 auf beitragsunabhängige Leistungen iSd Art 70 VO (EG) 883/2004 Anwendung zu finden hat, für die Frage, ob der Leistungssauschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 4 VO (EG) verstößt, vorliegend als bedeutungslos erweisen. Aufgrund des Umstandes, dass die Begründung eines Leistungsanspruches nach dem SGB II innerhalb Deutschlands in keiner Weise koordinationsrechtliche Bezüge zu anderen Mitgliedstaaten aufweist, ist nämlich der persönliche Geltungsbereich (Art 2 VO (EG) 883/2004) der Koordinierungsrichtlinie nicht eröffnet, soweit ein Arbeitssuchender zuwandert und innerhalb des deutschen Staatsgebietes seinen Wohnsitz nimmt, um Leistungen zu beantragen. Für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II kommt es in einem derartigen Zusammenhang allein auf die Erfüllung innerstaatlicher Tatbestandsvoraussetzungen an, die dem Regelungsgegenstand der VO (EG) 883/2004 nicht unterliegen.
Erfolgsaussichten der Hauptsache sind nach Auffassung des Senates jedoch aus tatsächlichen Gründen gegeben, denn die bisherigen Ermittlungen des Ag lassen keinen zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass sich das Aufenthaltsrecht der ASt zu 1 allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Insoweit bedarf es weitergehender Sachaufklärung, die der Ag im Rahmen des Widerspruchsverfahrens (bzw. Antragsverfahrens bezüglich der ASt zu 2 und 3) nachzuholen haben wird. Bislang bestehen erhebliche Zweifel, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss iSd § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorliegen. Der ASt zu 1 ist nach ihrer Einreise nach Deutschland durch die Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt bescheinigt worden, sie halte sich berechtigterweise in Deutschland auf. Aufgrund der persönlichen Verfassung der ASt zu 1 (Flucht vor dem Ehemann; Erwerbsminderung; keinen Wunsch, eine Arbeit aufzunehmen) ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, das am 30.08.2011 bescheinigte Aufenthaltsrecht beruhe auf § 2 Abs 1 Nr. 1 FreizügG/EU, weil sich die ASt zu 1 als Unionsbürgerin zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Der Erteilung der Bescheinigung vom 30.08.2011 kann daher ein bisher nicht ermittelter Sachverhalt zugrunde liegen, der ein Aufenthaltsrecht - unabhängig von der Arbeitssuche - begründet haben kann, das, sofern es fortdauert, einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht zum Tragen kommen lassen würde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 138/11 R - Juris).
Die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, d.h. ein Anordnungsgrund, ist (zumindest) in Bezug auf die existenzsichernden Leistungen glaubhaft gemacht, denn es ist nicht ersichtlich, dass die ASt in der Lage wären, diese Bedürfnisse aus laufendem Einkommen oder Vermögen vollständig zu decken. Allein der Hinweis des Ag auf die Unterstützungsleistungen an die ASt aus der Slowakei sowie der Umstand, dass die Finanzierung des Lebensunterhaltes der ASt seit August 2011 unklar geblieben ist, rechtfertigt in diesem Zusammenhang nicht die Annahme, die ASt seien aktuell in der Lage, aus liquiden Mittel diese existenziellen Bedürfnisse zu decken, insbesondere nachdem es keinen Beleg dafür gibt, ob und in welcher Höhe die ASt Unterstützungsleistungen derzeit noch aus der Slowakei erhalten.
Lediglich hinsichtlich der Höhe der vom SG festgestellten (vorläufigen) Leistungsansprüche sieht der Senat Handlungsbedarf, der Beschwerde des Ag zumindest teilweise zu entsprechen. Es ist weder zu erkennen, wie das SG die von ihm festgestellten Zahlbeträge ermittelt hat, noch ob es den Grundsatz beachtet hat, die Hauptsache mit der vorläufigen Regelung nicht vorwegzunehmen. Diesem Erfordernis ist im Rahmen eines Eilverfahrens gegebenenfalls durch Abschläge vom Regelbedarf Rechnung zu tragen, wobei bei einem wahrscheinlichen (materiellen) Anspruch hiervon abzusehen ist (vgl. in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 86b Rn. 35 d). Zudem hat das SG (wohl) den Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende in vollem Umfang berücksichtigt, obwohl die ASt zu 1 keine Bedarfslage vorgetragen hat, die einem Zusammenhang mit den in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Bedarfen steht. Der diesbezügliche (materielle) Anspruch folgt im Hinblick auf die gesetzliche Regelung dem Anspruch auf den Regelbedarf. Mangels Erkennbarkeit einer entsprechenden Bedarfslage im Rahmen des Anordnungsgrundes erscheint insoweit ein deutlicher Abschlag jedoch geboten, um die nicht die Hauptsache vollständig vorwegzunehmen.
Im Rahmen der Abwägung ist daher zu beachten, dass Abschläge in Bezug auf (unstreitige) Unterkunftskosten regelmäßig nicht angezeigt sind, denn diese sind für Leistungsempfänger unausweichlich und führen im Falle einer Bedarfsunterdeckung zum Verlust des Wohnraumes. Darüber hinaus erscheint ein Abschlag bezüglich des Regelbedarfes der ASt zu 1 in Höhe von 10 vH gerechtfertigt, nachdem ihr materieller Anspruch lediglich als offen, nicht aber als wahrscheinlich anzusehen ist, denn bei kursorischer Prüfung des § 2 Abs 1 FreizügG ist für den Senat nicht zu erkennen, auf welche Überlegungen die Ausländerbehörde ihre Entscheidung gestützt hat, die ASt hielten sich bereits seit August 2011 berechtigterweise in Deutschland auf. Ein Abschlag in Bezug auf die Regelbedarfe der ASt zu 2 und 3 ist demgegenüber nicht geboten, denn diese besuchen derzeit eine Schule in A-Stadt, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass deren Bedarfe nach § 28 SGB II durch den Ag bislang gedeckt worden wären.
Allenfalls geringfügige Abschläge, wie im Rahmen des Regelbedarfes, mit dem existenzielle Bedürfnisse zu sichern sind, sind bei Mehrbedarfen regelmäßig angezeigt, wenn dem (gesetzlich vermuteten) Bedarf äquivalente Aufwendungen gegenüberstehen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn die Regelung des Mehrbedarfes für Alleinerziehende beruht auf einer Fortführung der Mehrbedarfsregelung der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für allein erziehende Personen, die mit einem oder mehreren jungen Kindern zusammenleben (BT- Drucks 15/1516 S 57). Inhaltlich umfasst der Mehrbedarfszuschlag insoweit vor allem die zusätzlichen Aufwendungen für Kontaktpflege, für Verteuerung des Einkaufes wegen mangelnder Beweglichkeit, für kleine Geschenke an Dritte, für gelegentliche Dienstleistungen, für erhöhte Bedarfe an Unterhaltung und Spielzeug (vgl. Schellhorn/ Jirasek/ Seipp, BSHG, 2.Aufl., § 23 Rn. 23). Dies zugrunde gelegt ist ersichtlich, dass ein Teil dieser Bedarfe nach den Regelungen des SGB II auch durch den Regelbedarf des Alleinerziehenden oder der betreuten Kinder abgedeckt wird, so dass ohne den Beleg äquivalenter Aufwendungen - wie vorliegend - im Rahmen eines Eilverfahrens (zumindest) ein hälftiger Abschlag im Zusammenhang mit der Ermittlung des Gesamtbedarfes gerechtfertigt erscheint.
Diese Überlegungen zugrunde gelegt, ergeben sich unter Beachtung der Regelbedarfe (Ast zu 1: 374.- EUR; ASt zu 2 und 3 jeweils 251.- EUR), der Unterkunftskosten (236,37 EUR), des Mehrdarfs für Alleinerziehende (135.- EUR) sowie der Einkünfte (ASt zu 1: Rente - 219,80 EUR; ASt zu 2 und 3: UVG- Leistungen - jeweils180.-) Zahlungsansprüche für die ASt zu 1 in Höhe von 365,76 EUR sowie für die ASt zu 2 und 3 in Höhe von jeweils 113,46 EUR (vgl. folgende Tabelle).
ASt zu 1 ASt zu 2 ASt zu 3
(1) RL/ SozG 336,60 EUR (= 90 vH aus 374.- EUR) 251,00 EUR 251,00 EUR
(2) MB 67,50 EUR (= 50 vH aus 135.- EUR)
(3) KdU 78,79 EUR (= 1/3 aus 236,37 EUR) 78,79 EUR 78,79 EUR
(4) Bedarf (Summe 1 bis 3) 482,89 EUR 329,79 EUR 329,79 EUR
(5) Unterhalt (UVG) 180,00 EUR 180,00 EUR
(6) Ber. Bedarf (4 abzgl. 5) 482,89 EUR
(a) 149,79 EUR (b) 149,79 EUR (c)
(7) EK (Rente) 219,80 EUR
(8) FB 30,00 EUR
(9) EK - Netto (7 abzgl. 8) 189,80 EUR
(10) Quote (Anteil am ber. Bedarf)
61,71% (= 6a: Summe aus 6a bis 6c) 19,14% 19,14%
(11) Anrechnung (Verteilung des EK- Netto) 117,13 EUR (=61,71 vH aus 189,90 EUR) 36,33 EUR 36,33 EUR
Anspruch 365,76 EUR 113,46 EUR 113,46 EUR
Dieser Berechung folgend war der Tenor der sozialgerichtlichen Entscheidung zumindest für die Zeit ab dem 01.10.2012 abzuändern. Für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2012 war eine Änderung des bereits vollzogenen Beschlusses des SG nicht angezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. und ergibt sich aus dem Umfang des Erfolges der ASt im Beschwerdeverfahren.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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