L 15 SF 229/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 229/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Maßstab bei der Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist im Wesentlichen der Umfang der Ausführungen des berichtenden Arztes (vgl. Senatsbeschluss vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11).
2. Als außergewöhnlich umfangreich sieht der Senat einen Befundbericht grundsätzlich erst dann an, wenn er den Umfang von sechs vollen Seiten erreicht.
3. Ist der Umfang von sechs vollen Seiten nicht erreicht, ist nur dann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen, wenn es ohne weiteres und offenkundig auf der Hand liegt, dass der zeitliche Aufwand für die Erstellung außergewöhnlich groß gewesen ist. An die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind dabei nur vergleichweise geringe Anforderungen zu stellen.
4. Bei der Ermittlung der Seitenzahl ist von einer Standardseite mit 30 Zeilen je 60 Anschlägen pro Seite (= 1.800 Anschläge pro Seite) auszugehen.
5. Eine Erstattung von Schreibauslagen ist bei der Entschädigung von Befundberichten nicht möglich.
6. Umsatzsteuer kann für einen Befundbericht nicht erstattet werden
Die Entschädigung für die Abgabe des Befundberichts vom 06.08.2010 wird auf 23,45 EUR festgesetzt.



Gründe:


I.
Der Antragsteller begehrt die Entschädigung für die Abgabe eines Befundberichts nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In einem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) geführten Rechtsstreit in einer unfallversicherungsrechtlichen Streitigkeit erstellte der Antragsteller am 06.08.2010 auf Anfrage des Gerichts einen Befundbericht. Der Befundbericht umfasst etwas mehr als zwei Seiten.

Für den Befundbericht stellte der Antragsteller am 05.08.2010 einen Betrag in Höhe von 367,41 EUR (5 Stunden je 60,- EUR, Schreibgebühren: 3,75 EUR; Porto und Verpackung pauschal, Sachkosten: 5,- EUR; Umsatzsteuer: 58,66 EUR) in Rechnung.

Mit Schreiben vom 10.08.201 bewilligte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG unter Hinweis darauf, dass ein Gutachten nicht verlangt worden sei, eine Entschädigung in Höhe von 27,20 EUR, die sich wie folgt aufschlüsselt:

Entschädigung für Auskunft nach Nr. 200 der Anlage 2 zu
§ 10 Abs.1 JVEG 21,00 EUR
Schreibgebühren für Original für angefangene 1.000 Anschläge 0,75 EUR = 5.238 Anschläge 3,75 EUR
2 Kopien 1,00 EUR
Porto 1,45 EUR
Insgesamt 27,20 EUR

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 24.08.2010 gewandt. Zwar sei ein Gutachtensauftrag nicht erteilt worden, es sei aber eine Querschnittssymptomatik über 11 Jahre zu beschreiben gewesen. Er habe mehr als 100 Seiten Akten durchsehen müssen. Der Zeitaufwand sei außergewöhnlich umfangreich gewesen.

II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 24.08.2010 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Abgabe des Befundberichts vom 14.02.2011 ist auf 23,45 EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

Dieser Festsetzung liegen folgende Einzelpositionen zugrunde:

Entschädigung für Auskunft nach Nr. 200 der Anlage 2 zu
§ 10 Abs.1 JVEG 21,00 EUR
Schreibgebühren 0,00 EUR
2 Kopien 1,00 EUR
Porto 1,45 EUR
Umsatzsteuer 0,00 EUR
Insgesamt 23,45 EUR

Die Beträge begründen sich im Einzelnen wie folgt:

1. Erstellung des Befundberichts

Der Antragsteller ist als sachverständiger Zeuge im Sinne des § 414 Zivilprozessordnung tätig geworden. Er hat eigene Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen und Zuständen bekundet, für die eine besondere Sachkunde, hier die medizinisch-ärztliche, erforderlich ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 26.11.1991, Az.: 9a RV 25/90).

Für den sachverständigen Zeugen gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis einschließlich der Regelungen über deren Entschädigung nach § 19 JVEG sowie die Sonderregelung in § 10 Abs. 1 JVEG, wenn er in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG aufgeführte Leistungen erbringt.

Nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG wird die Erstellung eines Berichts über einen Befund wie folgt entschädigt:

Nr. 200 Ausstellung eines Befundscheins oder Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtliche Äußerung 21,00 EUR
Nr. 201 Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich bis zu 44,00 EUR
Nr. 202 Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern 38,00 EUR
Nr. 203 Die Leistung der in Nr. 202 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich bis zu 75,00 EUR

Der Entschädigung im hier zu entscheidenden Fall ist Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG zugrunde zu legen, nicht aber eine der Nrn. 201 bis 203.

Eine Entschädigung für den Befundbericht des Antragstellers nach Nrn. 202 bzw. 203 scheidet schon deshalb aus, weil der Antragsteller keine Fragen zu beantworten hatte, die eine gutachterliche Äußerung erfordert hätten. Vielmehr waren alle Fragen so gestaltet, dass eine Beantwortung allein mit der Wiedergabe von in den Behandlungsunterlagen des Antragsstellers enthaltenen Tatsachen möglich war. Der Antragsteller hat selbst zugestanden, dass eine gutachterliche Äußerung weder angefordert noch abgeliefert worden ist.

Eine Entschädigung nach Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG kommt nicht in Betracht, da es sich bei dem Befundbericht vom 06.08.2010 nicht um einen außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht, vom Gesetzgeber auch als Befundschein bezeichnet, handelt.

Ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ergibt sich im Regelfall ausschließlich aus dem Umfang der Äußerungen des berichtenden Arztes.

Mit der Frage, wann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen ist, hat sich der Senat eingehend im Beschluss vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, auseinandergesetzt und dabei sowohl die ältere Rechtsprechung des Bayer. LSG als auch die außerbayerische Rechtsprechung abgewogen. Er ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen:
- Maßstab bei der Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist im Wesentlichen der Umfang der Ausführungen des berichtenden Arztes. Damit wird ein Einklang mit der Rechtsprechung zur Honorierung von Sachverständigen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E) hergestellt.
- Als außergewöhnlich umfangreich sieht der Senat in Fortführung der früheren Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 26.11.1991, Az.: L 7 B 178/91.Vs, und vom 19.09.2007, Az.: L 3 U 239/06.Ko) einen Befundbericht grundsätzlich erst dann an, wenn er den Umfang von sechs vollen Seiten erreicht.
- Ist der Umfang von sechs vollen Seiten nicht erreicht, ist nur dann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen, wenn es ohne weiteres und offenkundig auf der Hand liegt, dass der zeitliche Aufwand für die Erstellung außergewöhnlich groß gewesen ist. An die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind dabei nur vergleichweise geringe Anforderungen zu stellen.
- Bei der Ermittlung der Seitenzahl geht der Senat - wie auch bei Gutachten (vgl. z.B. Beschluss vom 24.06.2009, Az.: L 15 SF 119/09) - von einer Standardseite mit 30 Zeilen je 60 Anschlägen pro Seite (= 1.800 Anschläge pro Seite) aus.

Im Rahmen dieser Entscheidung hat der Senat auch festgestellt, dass eine vorrangige Orientierung am Ausmaß der für die Erstellung des Befundberichts erforderlichen Arbeit, ohne dass dabei dem Umfang der Ausführungen große Bedeutung zugemessen würde (so das LSG Thüringen, Beschluss vom 27.02.2008, Az.: L 6 B 134/07 SF), nicht vertretbar sei. Er hat dies damit begründet, dass zum einen die Anforderungen an die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter überspannt würden, wenn dem Umfang der Ausführungen keine entscheidende Bedeutung zugemessen würde, zum anderen auch keine geeigneten Kriterien, die eine zuverlässige Beurteilung des Zeitaufwands im Rahmen der verwaltungsmäßigen Abwicklung von Befundberichten in der großen Zahl, wie sie bei der in vielen Gebieten stark medizinisch geprägten Sozialgerichtsbarkeit anfallen, ersichtlich seien. Dass bei dieser Handhabung, also der Orientierung am Umfang der Ausführungen nicht berücksichtigt wird, dass ein Arzt möglicherweise mehr Zeit investiert, wenn er seinen Bericht möglichst knapp, präzise und aussagekräftig formuliert, als wenn er seine Angaben in all ihrer Ausführlichkeit und, ohne auf eine besondere Präzisierung oder Strukturierung zu achten, umfassend zu Papier bringt, ist im Sinne einer zügigen Abrechnung und dem Ziel der Verhinderung einer Überlastung der Verwaltung hinzunehmen.

Maßstab für die Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist daher grundsätzlich allein der Umfang der Ausführungen. Allenfalls dann, wenn es auf der Hand liegt und ohne Weiteres erkennbar ist, dass der die für die Erstellung des Befundberichts erforderliche Zeitaufwand eine Bewertung des Befundberichts als außergewöhnlich umfangreich rechtfertigt, ohne dass dies im Umfang der Äußerungen zum Ausdruck käme, ist dies zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter dürfen dabei keinesfalls überspannt werden.

Im vorliegenden Fall ist der Befundbericht aufgrund des Umfangs der schriftlichen Ausführungen nicht als außergewöhnlich umfangreich zu bezeichnen. Er ist auf etwas mehr als zwei Seiten abgefasst. Mit unter 5.000 Anschlägen ist der Bericht weit entfernt vom Umfang von sechs Standardseiten, die 10.800 Anschläge erfordern würden. Irgendwelche Gesichtspunkte, warum für die Erstellung des Befundberichts außergewöhnlich viel Zeit erforderlich gewesen sein sollte, sind nicht offenkundig ersichtlich. Der Bericht weicht in seinem Inhalt und der Art der Darstellung nicht auffällig von vielen anderen Befundberichten ab. Dass der Aufwand für die Erstellung daher auffällig höher als im Regelfall sein sollte, liegt nicht auf der Hand. Die Tatsache, dass der Befundbericht einen Zeitraum von 11 Jahren umfasst, kann noch nicht einen besonders hohen Zeitaufwand begründen. Wäre der Zeitaufwand so viel höher als normal gewesen, wäre zu erwarten, dass sich dies auch im Umfang des Berichteten niederschlägt. Dies ist nicht der Fall. Auch mit der Erforderlichkeit der Auswertung umfangreicher Akten (hier angegeben mehr als 100 Seiten), lässt sich ein besonders hoher Zeitaufwand nicht begründen. Allein die Durchsicht von vielen Aktenblättern, die offenbar aber keinen besonders hohen Berichtsbedarf und -aufwand nach sich gezogen haben, kann noch keinen eklatant hohen Zeitbedarf begründen, zumal sich der Bericht hauptsächlich auf die Befunde und Angaben im Jahr 1999 beschränkt und Angaben zu der Zeit danach ausgesprochen knapp gehalten sind.

Dass die Vergütung von Befundberichten von Ärzten oft als nicht angemessen, da nicht kostendeckend und nicht dem Aufwand entsprechend, empfunden wird, ist dem Senat bekannt. Eine den Vorstellungen mancher Ärzte entsprechende Aufbesserung der Entschädigung kann jedoch nicht die Rechtsprechung - z.B. durch eine extensive und nicht mehr vom Wortlaut des Gesetzes gedeckte Auslegung der Nrn. 200 bis 203 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG - vornehmen, sondern einzig und allein der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenzen. Solange dieser keine entsprechende Initiative unternimmt, muss es bei den bisherigen Entschädigungssätzen verbleiben. Dass es bei der für Juli 2013 angestrebten Überarbeitung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz) zu einer Erhöhung der Entschädigung kommen wird, ist aufgrund des derzeit vorliegenden Referentenentwurfs nicht zu erwarten.

2. Schreibauslagen

Im Rahmen der Erstellung eines Befundberichts können Schreibgebühren nicht erstattet werden; es fehlt eine gesetzliche Grundlage (vgl. Senatsbeschluss vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11; BSG, Urteil vom 09.02.2000, Az.: B 9 SB 10/98; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 26.24).

3. Porto, Kopien

Eine Pauschale, wie sie in der Rechnung des Antragstellers enthalten ist, kennt das JVEG nicht. Es sind aber die erforderlichen Portokosten sowie zusätzlich die Kosten für die übersandten zwei Kopien, die der Antragsteller nicht explizit angesetzt hat, zu erstatten.

4. Umsatzsteuer

Umsatzsteuer kann für einen Befundbericht nicht erstattet werden.

Das Honorar für einen Befundbericht ist als Zeugenentschädigung zu werten, die mangels steuerbarem Umsatz nicht der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 02.10.2008, Az.: B 9 SB 7/07 R).

Insgesamt ist die Erstellung des Befundberichts mit 23,45 EUR zu entschädigen. Dass dieser gerichtlich festgesetzte Betrag unter dem von der Kostenbeamtin festgesetzten Betrag liegt, steht der Festsetzung nicht entgegen. Denn das Verbot der sogenannten "reformatio in peius" verbietet eine gerichtliche Feststellung auf einen Betrag unter der Festsetzung der Kostenbeamtin nicht. Dieses Verbot greift bei einer gerichtlichen Festsetzung, die von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung zu Lasten des Antragstellers abweicht, nicht ein, da die gerichtliche Festsetzung keine Abänderung der von der Kostenbeamtin vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG ist. Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 4.12 - m.w.N.).

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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