L 1 U 1732/11 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 17 U 4847/11 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1732/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. September 2011 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert beträgt 57,85 EUR.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallver-sicherung.

Der Beschwerdeführer hielt zumindest bis zum Jahre 2002 einen Tierbestand von 200 bis 300 Schafen. Auch in der Zeit danach hielt er - wenn auch in geringerem Umfang - Schafe. Auf eine Meldung der Tierhaltung an die Beklagte verzichtete er, ebenso auf eine Meldung der von ihm und seiner Ehefrau genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Die Beschwerde-gegnerin ermittelte durch Auskünfte bei der Verwaltungsgemeinschaft "O. F.", Ordnungs-amt und der Agrargenossenschaft K. die von dem Kläger genutzten landwirtschaftlichen Flächen und die Größe des Tierbestandes.

Mit Bescheid vom 28. April 1998 stellte sie ihre Zuständigkeit als gesetzlicher Unfallver-sicherungsträger fest. Sie erhob Beiträge für die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen ab 1993. Gegen diesen Bescheid und weitere legte der Beschwerdeführer erfolglos Wider-spruch ein (Widerspruchsbescheid vom 6. März 2003). Das Sozialgericht Gotha wies seine Klage mit Urteilt vom 7. Juli 2004 ab. Das Thüringer Landessozialgericht wies mit Be-schluss vom 25. November 2008 die Berufung des Beschwerdeführers dagegen zurück (Az.: L 3 U 991/04). Auch eine Nichtzulassungsbeschwerde zu dem Bundessozialgericht (BSG, Beschluss vom 12. März 2009, Az.: B 2 U 342/08) blieb erfolglos.

In den Folgejahren erließ die Beschwerdegegnerin jeweils Beitragsbescheide; ihre Forde-rungen konnte sie auch im Wege von Vollstreckungsverfahren nicht eintreiben. Der Be-schwerdeführer selbst äußerte sich nicht zu den von ihm bewirtschafteten Flächen. Die Beklagte erlangte im Wege von Amtshilfeersuchen Kenntnis von weiteren hinzugepachte-ten Flächen. Mit Anhörungsschreiben vom 27. April 2010 teilte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau mit, dass bisher die Betriebsverhältnisse des gemeinsamen Unternehmens der Eheleute nicht richtig erfasst worden seien. Sie bat die Eheleute auf Überprüfung der Richtigkeit und Mitteilung von zwischenzeitlichen Verände-rungen. Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu nicht.

Mit Beitragsbescheid vom 19. Mai 2011 stellte die Beklagte eine Beitragsforderung von 231,40 EUR für das Jahr 2010 fest. Der Rückstand des Beschwerdeführers (aus den bisherigen Forderungen) betrage 4.119,93 EUR. Der Zahlbetrag wurde mit 4.351,33 EUR angegeben. Dem Bescheid beigefügt waren die Berechnungsgrundlagen für das Unternehmen für das Jahr 2010, entsprechend den bereits in der Anhörung genannten Größen. Eine zusätzliche Be-lastung gegenüber früheren Jahren ergab sich für den Beschwerdeführer durch die Erhö-hung des Bruttohebesatzes um 28,34%.

Dagegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung aus dem Bescheid. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 29. Juni 2011 ab.

Im Juli 2011 hat der Beschwerdeführer bei dem Sozialgericht Gotha "Antrag auf Vollstre-ckungsschutz" gestellt (Az.: S 17 U 4847/11 ER). Seit Jahren richte die Beschwerdegegne-rin unverständliche und unrechtmäßige beträchtliche finanzielle Forderungen an ihn. Of-fensichtlich wolle sie ihn ruinieren und sich sanieren. Seine Einwände dagegen seien bis-her nicht sachlich korrekt durch die Beschwerdegegnerin behandelt worden. Zur Aufklä-rung des Sachverhaltes habe diese nichts Entscheidendes beigetragen und ignoriere seine Angaben ständig. Statt einer bereits vor Jahrzehnten angeforderten sachlichen Betriebsbe-ratung seien "inoffizielle Kontrolleure im Stil der DDR-Stasi" auf ihn angesetzt worden, die außer ungebührlichem Aufwand nur stümperhafte "eben stasimäßige Ermittlungen" geführt hätten. Daneben seien zahlreiche erfolglose Einsätze der Zollorgane zur Beitrei-bung illusionärer Forderungen veranlasst worden. Dabei sei es auch zu einem rechtswidri-gen Einbruch in sein Wohnhaus gekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2011 hat die Beklagte auch den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid zurückgewiesen. Dagegen hat der Beschwerdeführer im Sep-tember bei dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Verfahren wurde in einer anderen Kammer des Sozialgerichtes geführt (Az.: S 18 U 6840/11).

Das Sozialgericht Gotha hat mit Beschluss vom 20. September 2011 den Antrag auf An-ordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Es lasse sich bei sum-marischer Prüfung nicht feststellen, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig sei. In dem Beschluss werden weder der Widerspruchsbescheid vom 9. August 2011 noch der Klageeingang im Hauptsacheverfahren erwähnt. In der Rechtsmittelbelehrung wird ausgeführt, die Beschwerde gegen den Beschluss sei zulässig.

Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 16. Januar 2012 die Klage gegen den Beitrags-bescheid abgewiesen. Die Berufung hat es, ausgehend von einem Streitwert von 235,50 EUR (Beitragsforderung zzgl. der Säumniszuschläge), nicht zugelassen. Dagegen hat der Be-schwerdeführer Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Thüringer Landessozialgericht einge-legt (Az.: L 1 U 448/12 NZB), eine Entscheidung steht noch aus.

Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein Begehren weiter. Der Beschluss des Sozialgerichts Gotha erweitere die gestellten Forderungen der Beklagten unrechtmäßig auf einen Betrag von 4.351,33 EUR. Der Beschluss berücksichtige nicht seine soziale Lage. Der Beschluss sei ohne mündliche Verhandlung erfolgt.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. September 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2011 anzuordnen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie wolle ihren Antrag nach Vorlage einer Stellungnahme des Beschwerdeführers begrün-den.

Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Prozessakten bei Ge-richt gegeben. Er hat davon keinen Gebrauch gemacht. Eine weitere Begründung seiner Beschwerde ist durch ihn nicht erfolgt.

Ergänzend wird auf den wesentlichen Inhalt der Gerichtsakten zu dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren sowie zu den Verfahren des Beschwerdeführers mit den Aktenzei-chen L 1 U 447/12 NZB und L 1 U 448/12 NZB und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.

II.

Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. September 2011 erhobene Be-schwerde ist nicht statthaft. Nach § 172 Abs. Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sach-leistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Mit dem angefochtenen Bescheid aber hat die Beschwerdegegnerin eine Beitragsforderung unter 750 EUR allein für das Jahr 2010 festge-stellt. Das ergibt sich bereits aus der Überschrift des Bescheides " Beitrag für das Jahr 2010". Für die bereits fälligen Beitragszahlungen aus der Vergangenheit wollte sie keine erneute Regelung treffen, vielmehr hat sie den Beschwerdeführer über die Gesamtforde-rung und die Fälligkeiten informiert. Bescheide zu den Forderungen für die Jahre vor 2010 hatte der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit erhalten (vgl. Engelmann in v. Wulffen, SGB X, 5. A., § 31, Rdnr. 32). Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwen-dung der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe. Das SGG sieht für die Be-schwerde weder eine Zulassung der Beschwerde durch die Sozialgerichte noch eine Nicht-zulassungsbeschwerde vor, über die die Landessozialgerichte zu entscheiden hätten. Eine fiktive Prüfung, ob eine Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG zu erfolgen hätte, wenn es sich nicht um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern um ein Hauptsachever-fahren handeln würde, scheidet aus. Bereits der Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG deutet darauf hin, dass eine Beschwerde nur dann zulässig sein soll, wenn in der Hauptsache die Berufung kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 SGG – und nicht erst nach ausdrücklicher Zulassung – zulässig wäre. Denn in einem Hauptsacheverfahren wäre die Berufung bei Vorliegen eines der in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe nicht "zulässig", sondern "zuzulassen". Die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt (BT-Drs. 16/7716 S. 22 zu Art.1 Nr. 29 Buchstabe b). Der Gesetzgeber hat deswegen den Schwellenwert für die Berufung für natürliche Personen auf 750 EUR angehoben und die Be-schwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Haupt-sache eine Berufung nicht zulässig wäre. Eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe widerspräche dem beabsichtigten Entlastungseffekt. Hinzu kommt, dass die in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe erkennbar auf das Hauptsacheverfahren zugeschnitten und auf das Verfahren des einstweiligen Rechts-schutzes nicht übertragbar sind. Eine fiktive Prüfung in dem Sinne, ob in einem Hauptsa-cheverfahren mit gleichem Streitgegenstand ein Zulassungsgrund gegeben wäre, ist schon deshalb nicht sinnvoll, weil oft nicht klar sein wird, ob es überhaupt ein Hauptsacheverfah-ren geben wird und welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen einer dort ergehenden Entscheidung zugrunde gelegt würden (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 16. Januar 2009, L 5 B 1136/08 ER, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die Beschwerde wird auch nicht durch die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Be-schlusses zulässig, weil eine unrichtige Belehrung einen nach dem Gesetz nicht gegebenen Rechtsbehelf nicht eröffnen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 66 Rndr. 12 a; LSG Hamburg, ebenda).

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 197a Abs. 1, 183 Satz 1 SGG und §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert wird nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 57,85 EUR festgesetzt. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist grundsätzlich ein geringerer Streitwert als im Hauptsacheverfahren anzusetzen, weil es sich um eine vorläufige Regelung ohne Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Der Streitwert für das Hauptsacheverfahren ist nach § 52 Abs. 3 GKG die Höhe der im Verwaltungsakt bezifferten Geldleistung, vorliegend also der Betrag von 231,40 EUR. Hiervon ein Viertel, 57,85 EUR, trägt dem vorläufigen Charakter des Verfahrens angemessen Rechnung.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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