Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 31 AL 1073/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 98/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Vorliegen von zwei Teilzeitbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, wenn sich die beiden
Beschäftigungsverhältnisse (ein unbefristetes und ein befristetes) zum einen hinsichtlich der qualitativen
Anforderungen, die sich aus den Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen ergeben, sowie zum anderen insbesondere dadurch, dass die befristeten Beschäftigungsverhältnisse stark von einem drittmittelfinanzierten Projekt abhängig und auf dieses Projekt bezogen ausgestaltet waren, unterscheiden.
Beschäftigungsverhältnisse (ein unbefristetes und ein befristetes) zum einen hinsichtlich der qualitativen
Anforderungen, die sich aus den Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen ergeben, sowie zum anderen insbesondere dadurch, dass die befristeten Beschäftigungsverhältnisse stark von einem drittmittelfinanzierten Projekt abhängig und auf dieses Projekt bezogen ausgestaltet waren, unterscheiden.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Teilarbeits-losengeld für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 14. August 2009.
Die 1978 geborene Klägerin ist seit dem 15. Juli 1998 als Fremdsprachensekretärin an der Technischen Universität D unbefristet zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde zuletzt geregelt durch den Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 zwischen der Klägerin und dem Freistaat Sachsen, wonach die Klägerin ab dem 1. Januar 2006 unbefristet als Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten an der Technischen Universität D weiterbeschäftigt wurde.
Des Weiteren schlossen die Klägerin und der Freistaat Sachsen am 6. April 2006 im Rahmen eines Drittmittelprojektes einen "Arbeitsvertrag für befristet Angestellte (über Drittmittel)". Nach § 1 Satz 1 dieses Vertrages war die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis einschließlich 30. April 2009 als Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Ziffer 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 beschäftigt. Als Befristungsgrund wurde in § 2 des Vertrages angegeben, dass die Klägerin "aus Mitteln Dritter aus dem Projekt ‚Wissensbasierte Suchtechnologien für die Life Sciences’ (Projektbeschäftigung) vergütet" werde; die Drittmittelnummer war angegeben. Unter § 6 Satz 1 dieses Vertrages war geregelt, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, den befristeten Arbeitsvertrag zu kündigen, wenn feststehe, dass die Drittmittel wegfallen würden.
Im Anschluss daran schlossen am 10. Juni 2009 die Technische Universität D als Auftraggeber und die Klägerin als Auftragnehmerin einen Honorarvertrag. Das Honorarverhältnis begann am 1. Mai 2009 und endete mit Ablauf des 30. Juni 2009 (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrages). Die Klägerin übernahm die finanztechnische Verwaltung des Projektes Sealife inklusive Kostenkalkulation und Abrechnung der Drittmittel aller Partner überwiegend in englischer Sprache (vgl. § 1 Abs. 1 des Honorarvertrages). Dem vereinbarten Honorar lag ein Stundensatz von 16,00 EUR und eine Höchststundenzahl von 165 Stunden zugrunde (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrages). Des Weiteren war in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrages geregelt, dass die Lage der Arbeitszeit zwischen den Vertragsparteien vereinbart werde. Als Ort der Tätigkeit wurde der Sitz des Auftraggebers vereinbart (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrages).
Sowohl im Rahmen des unbefristeten als auch des befristeten, drittmittelfinanzierten Arbeitsvertrages und des sich anschließenden Honorarvertrages oblag der Klägerin die Leitung des Sekretariats der Professur sowie die finanztechnische Verwaltung der Haushaltsmittel und Drittmittel. Im streitigen Zeitraum war die Klägerin ausschließlich in der Professur "Bioinformatik" der TU D beschäftigt. Allerdings deckten sich die Anforderungen nicht gänzlich.
Am 30. März 2009 und am 6. Mai 2009 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 1. Juli 2009 teilarbeitslos und beantragte die Gewährung von Teilarbeitslosengeld.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2009 ab. Die Klägerin arbeite 15 Stunden und mehr pro Woche beim gleichen Arbeitgeber. Diese zwei Beschäftigungen würden grundsätzlich als eine Beschäftigung geführt. Somit bestehe kein Anspruch auf Teilarbeitslosengeld.
In dem hiergegen am 20. August 2009 eingelegten Widerspruch führte die Klägerin unter anderem aus, dass die beiden Beschäftigungsverhältnisse immer als einzelne Beschäftigungsverhältnisse gewertet worden seien, zumal sie völlig unterschiedliche Aufgaben umfasst hätten. Dies ergebe sich insbesondere aus der Aufgabenbeschreibung. Es lägen zwei unterschiedliche Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Geldgebern vor.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2009 zurück. Die Klägerin sei nicht teilarbeitslos. Beide Beschäftigungen seien als einheitliches Beschäftigungsverhältnis zu werten, da die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber erfolgt sei. Sie sei insbesondere nicht in unterschiedliche Dienststellen ihres Arbeitgebers eingegliedert.
In der am 11. Dezember 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. Juni 2001, Az.: B 7 AL 54/00 R) zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen nebeneinander bestehen könnten. Dabei käme es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei auch die Frage der Finanzierung der beiden Teilzeitbeschäftigungen sowie der Aufgabenstellung aus beiden Arbeitsverträgen eine Rolle spiele. Sie, die Klägerin, habe zwei Arbeitsverträge geschlossen. Die Finanzierung der befristeten Stelle sei durch Drittmittel für das EU-Projekt Sealife erfolgt. Das unbefristete Beschäftigungsverhältnis werde durch Haushaltsmittel des Freistaates finanziert. Nach dem Verbrauch der Drittmittel sei die befristete Stelle ganz weggefallen. Keinesfalls sei nur die Arbeitszeit durch den Arbeitgeber reduziert worden.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 16. Juni 2011 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 14. August 2009 Teilarbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis einschließlich 30. Juni 2009 in zwei voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse gestanden. Dem stünde nicht entgegen, dass die Klägerin bis zum 30. April 2009 in beiden Beschäftigungsverhältnissen den gleichen Arbeitgeber gehabt habe. Sie habe mit dem Freistaat Sachsen zwei Arbeitsverträge geschlossen, in denen für die jeweils vereinbarte Tätigkeit die wöchentliche Arbeitszeit gesondert geregelt gewesen sei. Zudem sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die tägliche Stundenzahl, die sie im Rahmen des Sealife Projektes aufgewandt habe, in so genannten Timesheets täglich zu dokumentieren. Zwar sei die Klägerin in der gleichen Dienststelle mit dem gleichen Dienstvorgesetzten eingesetzt gewesen. Die Arbeitsverträge seien jedoch aus unterschiedlichen Quellen, nämlich einmal dem Freistaat Sachsen und einmal von der Europäischen Union, finanziert worden.
Gegen das ihr am 29. Juni 2911 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juli 2011 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass sich die zwei nebeneinander bestehenden Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin nicht nach räumlichen oder funktionalen Kriterien abgrenzen ließen. So sei sie bei beiden Beschäftigungsverhältnissen in den Dienstbetrieb der Professur Bioinformatik eingegliedert gewesen. Lediglich die unterschiedliche Finanzierung spräche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für zwei Beschäftigungsverhältnisse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung unter anderem vorgetragen, dass für zwei Beschäftigungsverhältnisse insbesondere die unterschiedliche Finanzierung derselben spräche. Sowohl der befristete, drittmittelfinanzierte Arbeits- als auch der sich anschließende Honorarvertrag enthielten ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass Drittmittel verbraucht seien. Nach dem Ende des EU-Projekts am 30. April 2009 habe sie nahtlos für den endgültigen Abschluss und die Revision weitergearbeitet. Da dies für die Beendigung des Projekts (noch) notwendig gewesen sei, habe der Honorarvertrag mit der Technischen Universität D geschlossen werden müssen. Auch dieser sei aus den Drittmitteln des EU-Projekts finanziert worden. In der Regel würden derartige Projekte finanzielle Mittel im Umfang von 20 Prozent für "Overhead" vorsehen. Daraus würde in der Regel alles bezahlt, wofür es an anderer Stelle in der Projektfinanzierung keine Grundlage gäbe, so zum Beispiel ihre Verwaltungstätigkeit.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, da der Ablehnungsbescheid vom 22. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2009 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch aus Teilarbeitslosengeld finden sich in § 150 des Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 83 Buchst. a des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]).
Gemäß § 150 Abs. 1 SGB III hatte Anspruch auf Teilarbeitslosengeld ein Arbeitnehmer, der 1. teilarbeitslos war, 2. sich teilarbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld erfüllt hatte. Nach § 150 Abs. 2 SGB III galten die Vorschriften über das Arbeitslosengeld und für Empfänger dieser Leistung entsprechend, soweit sich aus den Besonderheiten des Teilarbeitslosengeldes nichts anderes ergab, unter anderem mit folgenden Maßgaben: 1. Teilarbeitslos war, wer eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren hatte, die er neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hatte, und eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchte. 2. Die Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld hatte erfüllt, wer in der Teilarbeits-losengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiteren ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate eine weitere versicherungspflich-tige Beschäftigung ausgeübt hatte. Für die Teilarbeitslosengeldrahmenfrist galten die Regelungen zum Arbeitslosengeld über die Rahmenfrist entsprechend.
Die Klägerin war ab dem 1. Juli 2009 teilarbeitslos im Sinne von § 150 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, da sie mit Ablauf des 30. Juni 2009 eine versicherungspflichtige Beschäftigung verlor und ihre Arbeitszeit nicht etwa nur auf 20 Stunden reduziert wurde. Dabei ist entscheidend, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2009 zwei voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse ausübte und eines davon verloren hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. April 2009 diese beiden Beschäftigungsverhältnisse bei einem Arbeitgeber, hier dem Freistaat Sachsen, ausgeübt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht können durchaus mehrere Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [271] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 7 = Juris-Dokument Rdnr. 15). Dies entspricht dem Schutzgedanken der Vorschrift, wonach der Verlust einer von mehreren Teilzeitbeschäftigungen überhaupt den Regelungsmechanismen der Arbeitslosenversicherung unterliegen soll. Auch ist aus dem Vorhandensein von zwei schriftlich fixierten Arbeitsverträgen nicht per se auf zwei Teilzeitvereinbarungen im Sinne von § 150 SGB III zu schließen. Ob es sich um ein einheitliches oder mehrere Beschäftigungsverhältnisse handelt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände konkret zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 7 = Juris-Dokument Rdnr. 15).
Bei der Ermittlung, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis oder mehrere Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, kommt der formalen arbeitsvertraglichen Ausgestaltung lediglich eine Indizfunktion zu. Weder schließt das Vorhandensein nur eines schriftlichen Arbeitsvertrags mit demselben Arbeitgeber aus, dass zwei Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, noch vermag die formale arbeitsvertragliche Aufspaltung eines letztlich einheit-lichen Beschäftigungsverhältnisses zwei Teilzeitbeschäftigungen im Sinne des § 150 SGB III zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob in der Sache mindestens zwei Teilzeitvereinbarungen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 8 = Juris-Dokument Rdnr. 16).
Teilzeitarbeitsvereinbarungen setzen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst abgrenzbare Absprachen der Vertragsparteien über den Umfang (Stundenzahl) der jeweiligen Teilzeittätigkeit voraus (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 17).
Diesen formalen Anforderungen entsprechen die Arbeitsverträge der Klägerin. Denn sie sehen für unterschiedliche Aufgabengebiete oder Projekte jeweils 20 Wochenstunden an Arbeitszeit vor.
Maßgebender Anknüpfungspunkt für die vorzunehmende Differenzierung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes dann aber, ob der Arbeitnehmer in mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat (vgl. BSG, a. a. O.,). Kernbestand eines Beschäftigungsverhältnisses ist eine Beziehung, die die Leistung von Arbeit unter persönlicher Abhängigkeit einer Person von einer anderen zum Inhalt hat. Eine solche persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer in einen Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeit-gebers unterliegt (vgl. BSG, a. a. O.). Bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist gegebenenfalls statt auf den Betrieb auf die Dienststelle abzustellen. Dienststellen sind – in Anlehnung an die personalvertretungsrechtliche Terminologie – die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe (in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes) sowie die Gerichte selbst (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272 f.] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 17). Für die Streit entscheidende Frage des Vorhandenseins von (zwei) abhängigen Beschäftigungsverhältnissen eigenen sich die Kriterien, welche die Rechtsprechung für die Frage der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung zu selbständigen Tätigkeiten entwickelt hat (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [273] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 10 = Juris-Dokument Rdnr. 18). Ist ein Arbeitnehmer in unterschiedliche Betriebe oder Dienststellen eingegliedert, liegen im Falle einer abgrenzbaren Teilzeitvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehrere Beschäftigungsverhältnisse vor, auch wenn der Arbeitgeber identisch ist. Daneben ist allerdings die Annahme von Teilarbeitslosigkeit auch denkbar, wenn der Arbeitnehmer in mehreren Betriebsabteilungen oder selbstständigen Teilen einer Dienststelle beschäftigt war, also in einem Betriebsteil oder Dienststellenteil, der personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb oder von der Gesamtdienststelle abgegrenzt sowie mit eigenen technischen Betriebsmitteln ausgestattet ist. Auch unter räumlichen oder qualitativen Gesichtspunkten ist die Annahme einer eigenständigen Betriebsabteilung oder eines Teils einer Dienststelle denkbar. Dies kommt bei unterschiedlichen Arbeitsvorgängen oder Aufgabenbereichen unter jeweils einer eigenständigen technischen Leitung in Betracht (vgl. BSG, a. a. O.).
Von Bedeutung sei danach weiterhin, ob der Inhaber der Direktionsbefugnis in beiden Beschäftigungsverhältnissen identisch ist oder ob die Teilzeittätigkeiten aus unterschiedlichen Quellen finanziert werden (BSG, Urteil vom 21. Juni 2001 – B 7 AL 54/00 R – BSGE 88, 180 [187] = SozR 3-4300 § 150 Nr. 1 S. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 23).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen stand die Klägerin in zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Zwar war die Klägerin in Erfüllung der verschiedenen Arbeitsverträge in der maßgebenden Zeit in einer "Dienststelle", nämlich der Technischen Universität D und dort durchgängig in der Fakultät für Informatik in der Professur für Bioinformatik bei Prof. S , beschäftigt. Sie verrichtete sämtliche Tätigkeiten an demselben Arbeitsplatz mit denselben Arbeitsmitteln und unter dem einheitlichen Weisungsrecht von Prof. S. Bei der Erledigung ihrer Aufgaben aus den beiden Teilbereichen setzte die Klägerin zwar zeitliche Schwerpunkte; eine klare zeitliche Trennung war nach ihren Angaben jedoch nicht möglich.
Die grundsätzlichen Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen für die beiden Beschäftigungen, die jeweils in die Vergütungsgruppe VII des Bundes-Angestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) eingruppiert waren, waren im Wesentlichen vergleichbar. Es gab allerdings auch qualitative Unterschiede in Bezug auf die an die Klägerin gestellten Anorderungen bei den ihr obliegenden Aufgaben, Haushaltsmittel finanztechnisch zu verwalten und die jeweils anfallenden Abrechnungen zuzuordnen oder abzurechnen. So erledigte sie die Arbeiten auf der Haushaltsstelle in erster Linie in deutscher Sprache und im Kontakt mit Stellen innerhalb der Hochschule. Demgegenüber waren die Arbeiten auf der drittmittelfinanzierten Stelle überwiegend in englischer Sprache zu erledigen, weil viele Kontakte mit EU-Stellen zu pflegen waren.
Diese Feststellungen ergeben sich aus den Einlassungen der Klägerin sowie den von ihr zur Akte gereichten Stellenbeschreibungen für den Teil der Beschäftigung als Angestellte der Technischen Universität D , die aus Haushaltsmitteln finanziert wird, und für den Teil der Beschäftigung, der aus Drittmitteln finanziert wurde.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senates aber der Abschluss verschiedener Arbeitsverträge für die verschiedenen Beschäftigungen, die unterschiedlichen Ausgestaltungen dieser Verträge sowie die unterschiedlichen Quellen für die Finanzierung der beiden Stellen.
Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 ist mit "Arbeitsvertrag für Angestellte nach BAT-O" überschrieben. Demgegenüber ist der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 mit "Arbeitsvertrag für befristete Angestellte (über Drittmittel)" überschrieben. Der Vertrag vom 10. Juni 2009, der sich an den Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 anschloss, ist zudem als Honorarvertrag bezeichnet und ausgestaltet.
Sowohl der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 als auch der Honorarvertrag enthalten einen starken Bezug zu dem drittmittelfinanzierten Projekt. Im Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 ist in § 2 zum Befristungsgrund das konkrete Projekt bezeichnet und die Drittmittelnummer angegeben. Im Honorarvertrag sind ähnliche Angaben in § 1 Abs. 1 im Zusammenhang mit der Tätigkeitsbeschreibung aufgeführt.
Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 wurde unbefristet geschlossen (dort § 1). Hingegen enthalten sowohl der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 (§ 1 Satz 1) als auch der Honorarvertrag vom 10. Juni 2009 (§ 3 Abs. 1) Befristungsregelungen. Unterschiede bestehen zudem in Bezug auf Kündigungsmöglichkeiten. Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 enthält keine Kündigungsregelungen, sodass es bei den allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften verbleibt. Anders ist die Vertragslage bei den beiden befristeten Verträgen. In § 6 des Arbeitsvertrages vom 6. April 2006 ist ein Sonderkündigungsrecht zugunsten des Arbeitgebers für den Fall vorgesehen, dass der Wegfall der Drittmittel feststeht. In § 6 Abs. 5 Satz 1 des Honorarvertrages ist ein Recht zur fristlosen Kündigung für den Auftraggeber, die Technische Universität D , enthalten.
Die unbefristete Stelle im Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 wird aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Freistaates Sachsen finanziert. Hingegen wurden die befristeten Beschäftigungsverhältnisse über Drittmittel finanziert, die wiederum projektabhängig waren.
Die beiden Beschäftigungsverhältnisse unterscheiden sich nach alledem zum einen hinsichtlich der qualitativen Anforderungen, die sich aus den Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen ergeben, sowie zum anderen insbesondere dadurch, dass die befristeten Beschäftigungsverhältnisses stark von dem drittmittelfinanzierten Projekt abhängig und auf dieses Projekt bezogen ausgestaltet waren.
Aus den oben genannten Gründen hat die Klägerin in der Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren auch die Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld erfüllt (vgl. § 150 Abs. 2 Nr. 2 SGB III), da sie in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2009 mindestens für zwölf Monate in zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stand.
Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, nämlich die Meldung als teilarbeitslos und die Erfüllung der Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld sind, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, erfüllt. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichtes vom 16. Juni 2011 verwiesen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
III. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) im Hinblick auf Besonderheiten bei drittmittelfinanzierten Beschäftigungsverhältnissen zuzulassen.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Teilarbeits-losengeld für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 14. August 2009.
Die 1978 geborene Klägerin ist seit dem 15. Juli 1998 als Fremdsprachensekretärin an der Technischen Universität D unbefristet zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde zuletzt geregelt durch den Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 zwischen der Klägerin und dem Freistaat Sachsen, wonach die Klägerin ab dem 1. Januar 2006 unbefristet als Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten an der Technischen Universität D weiterbeschäftigt wurde.
Des Weiteren schlossen die Klägerin und der Freistaat Sachsen am 6. April 2006 im Rahmen eines Drittmittelprojektes einen "Arbeitsvertrag für befristet Angestellte (über Drittmittel)". Nach § 1 Satz 1 dieses Vertrages war die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis einschließlich 30. April 2009 als Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Ziffer 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 beschäftigt. Als Befristungsgrund wurde in § 2 des Vertrages angegeben, dass die Klägerin "aus Mitteln Dritter aus dem Projekt ‚Wissensbasierte Suchtechnologien für die Life Sciences’ (Projektbeschäftigung) vergütet" werde; die Drittmittelnummer war angegeben. Unter § 6 Satz 1 dieses Vertrages war geregelt, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, den befristeten Arbeitsvertrag zu kündigen, wenn feststehe, dass die Drittmittel wegfallen würden.
Im Anschluss daran schlossen am 10. Juni 2009 die Technische Universität D als Auftraggeber und die Klägerin als Auftragnehmerin einen Honorarvertrag. Das Honorarverhältnis begann am 1. Mai 2009 und endete mit Ablauf des 30. Juni 2009 (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrages). Die Klägerin übernahm die finanztechnische Verwaltung des Projektes Sealife inklusive Kostenkalkulation und Abrechnung der Drittmittel aller Partner überwiegend in englischer Sprache (vgl. § 1 Abs. 1 des Honorarvertrages). Dem vereinbarten Honorar lag ein Stundensatz von 16,00 EUR und eine Höchststundenzahl von 165 Stunden zugrunde (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrages). Des Weiteren war in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrages geregelt, dass die Lage der Arbeitszeit zwischen den Vertragsparteien vereinbart werde. Als Ort der Tätigkeit wurde der Sitz des Auftraggebers vereinbart (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrages).
Sowohl im Rahmen des unbefristeten als auch des befristeten, drittmittelfinanzierten Arbeitsvertrages und des sich anschließenden Honorarvertrages oblag der Klägerin die Leitung des Sekretariats der Professur sowie die finanztechnische Verwaltung der Haushaltsmittel und Drittmittel. Im streitigen Zeitraum war die Klägerin ausschließlich in der Professur "Bioinformatik" der TU D beschäftigt. Allerdings deckten sich die Anforderungen nicht gänzlich.
Am 30. März 2009 und am 6. Mai 2009 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 1. Juli 2009 teilarbeitslos und beantragte die Gewährung von Teilarbeitslosengeld.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2009 ab. Die Klägerin arbeite 15 Stunden und mehr pro Woche beim gleichen Arbeitgeber. Diese zwei Beschäftigungen würden grundsätzlich als eine Beschäftigung geführt. Somit bestehe kein Anspruch auf Teilarbeitslosengeld.
In dem hiergegen am 20. August 2009 eingelegten Widerspruch führte die Klägerin unter anderem aus, dass die beiden Beschäftigungsverhältnisse immer als einzelne Beschäftigungsverhältnisse gewertet worden seien, zumal sie völlig unterschiedliche Aufgaben umfasst hätten. Dies ergebe sich insbesondere aus der Aufgabenbeschreibung. Es lägen zwei unterschiedliche Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Geldgebern vor.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2009 zurück. Die Klägerin sei nicht teilarbeitslos. Beide Beschäftigungen seien als einheitliches Beschäftigungsverhältnis zu werten, da die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber erfolgt sei. Sie sei insbesondere nicht in unterschiedliche Dienststellen ihres Arbeitgebers eingegliedert.
In der am 11. Dezember 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. Juni 2001, Az.: B 7 AL 54/00 R) zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen nebeneinander bestehen könnten. Dabei käme es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei auch die Frage der Finanzierung der beiden Teilzeitbeschäftigungen sowie der Aufgabenstellung aus beiden Arbeitsverträgen eine Rolle spiele. Sie, die Klägerin, habe zwei Arbeitsverträge geschlossen. Die Finanzierung der befristeten Stelle sei durch Drittmittel für das EU-Projekt Sealife erfolgt. Das unbefristete Beschäftigungsverhältnis werde durch Haushaltsmittel des Freistaates finanziert. Nach dem Verbrauch der Drittmittel sei die befristete Stelle ganz weggefallen. Keinesfalls sei nur die Arbeitszeit durch den Arbeitgeber reduziert worden.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 16. Juni 2011 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 14. August 2009 Teilarbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis einschließlich 30. Juni 2009 in zwei voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse gestanden. Dem stünde nicht entgegen, dass die Klägerin bis zum 30. April 2009 in beiden Beschäftigungsverhältnissen den gleichen Arbeitgeber gehabt habe. Sie habe mit dem Freistaat Sachsen zwei Arbeitsverträge geschlossen, in denen für die jeweils vereinbarte Tätigkeit die wöchentliche Arbeitszeit gesondert geregelt gewesen sei. Zudem sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die tägliche Stundenzahl, die sie im Rahmen des Sealife Projektes aufgewandt habe, in so genannten Timesheets täglich zu dokumentieren. Zwar sei die Klägerin in der gleichen Dienststelle mit dem gleichen Dienstvorgesetzten eingesetzt gewesen. Die Arbeitsverträge seien jedoch aus unterschiedlichen Quellen, nämlich einmal dem Freistaat Sachsen und einmal von der Europäischen Union, finanziert worden.
Gegen das ihr am 29. Juni 2911 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juli 2011 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass sich die zwei nebeneinander bestehenden Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin nicht nach räumlichen oder funktionalen Kriterien abgrenzen ließen. So sei sie bei beiden Beschäftigungsverhältnissen in den Dienstbetrieb der Professur Bioinformatik eingegliedert gewesen. Lediglich die unterschiedliche Finanzierung spräche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für zwei Beschäftigungsverhältnisse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung unter anderem vorgetragen, dass für zwei Beschäftigungsverhältnisse insbesondere die unterschiedliche Finanzierung derselben spräche. Sowohl der befristete, drittmittelfinanzierte Arbeits- als auch der sich anschließende Honorarvertrag enthielten ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass Drittmittel verbraucht seien. Nach dem Ende des EU-Projekts am 30. April 2009 habe sie nahtlos für den endgültigen Abschluss und die Revision weitergearbeitet. Da dies für die Beendigung des Projekts (noch) notwendig gewesen sei, habe der Honorarvertrag mit der Technischen Universität D geschlossen werden müssen. Auch dieser sei aus den Drittmitteln des EU-Projekts finanziert worden. In der Regel würden derartige Projekte finanzielle Mittel im Umfang von 20 Prozent für "Overhead" vorsehen. Daraus würde in der Regel alles bezahlt, wofür es an anderer Stelle in der Projektfinanzierung keine Grundlage gäbe, so zum Beispiel ihre Verwaltungstätigkeit.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, da der Ablehnungsbescheid vom 22. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2009 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch aus Teilarbeitslosengeld finden sich in § 150 des Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 83 Buchst. a des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]).
Gemäß § 150 Abs. 1 SGB III hatte Anspruch auf Teilarbeitslosengeld ein Arbeitnehmer, der 1. teilarbeitslos war, 2. sich teilarbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld erfüllt hatte. Nach § 150 Abs. 2 SGB III galten die Vorschriften über das Arbeitslosengeld und für Empfänger dieser Leistung entsprechend, soweit sich aus den Besonderheiten des Teilarbeitslosengeldes nichts anderes ergab, unter anderem mit folgenden Maßgaben: 1. Teilarbeitslos war, wer eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren hatte, die er neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hatte, und eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchte. 2. Die Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld hatte erfüllt, wer in der Teilarbeits-losengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiteren ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate eine weitere versicherungspflich-tige Beschäftigung ausgeübt hatte. Für die Teilarbeitslosengeldrahmenfrist galten die Regelungen zum Arbeitslosengeld über die Rahmenfrist entsprechend.
Die Klägerin war ab dem 1. Juli 2009 teilarbeitslos im Sinne von § 150 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, da sie mit Ablauf des 30. Juni 2009 eine versicherungspflichtige Beschäftigung verlor und ihre Arbeitszeit nicht etwa nur auf 20 Stunden reduziert wurde. Dabei ist entscheidend, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2009 zwei voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse ausübte und eines davon verloren hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. April 2009 diese beiden Beschäftigungsverhältnisse bei einem Arbeitgeber, hier dem Freistaat Sachsen, ausgeübt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht können durchaus mehrere Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [271] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 7 = Juris-Dokument Rdnr. 15). Dies entspricht dem Schutzgedanken der Vorschrift, wonach der Verlust einer von mehreren Teilzeitbeschäftigungen überhaupt den Regelungsmechanismen der Arbeitslosenversicherung unterliegen soll. Auch ist aus dem Vorhandensein von zwei schriftlich fixierten Arbeitsverträgen nicht per se auf zwei Teilzeitvereinbarungen im Sinne von § 150 SGB III zu schließen. Ob es sich um ein einheitliches oder mehrere Beschäftigungsverhältnisse handelt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände konkret zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 7 = Juris-Dokument Rdnr. 15).
Bei der Ermittlung, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis oder mehrere Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, kommt der formalen arbeitsvertraglichen Ausgestaltung lediglich eine Indizfunktion zu. Weder schließt das Vorhandensein nur eines schriftlichen Arbeitsvertrags mit demselben Arbeitgeber aus, dass zwei Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, noch vermag die formale arbeitsvertragliche Aufspaltung eines letztlich einheit-lichen Beschäftigungsverhältnisses zwei Teilzeitbeschäftigungen im Sinne des § 150 SGB III zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob in der Sache mindestens zwei Teilzeitvereinbarungen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 8 = Juris-Dokument Rdnr. 16).
Teilzeitarbeitsvereinbarungen setzen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst abgrenzbare Absprachen der Vertragsparteien über den Umfang (Stundenzahl) der jeweiligen Teilzeittätigkeit voraus (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 17).
Diesen formalen Anforderungen entsprechen die Arbeitsverträge der Klägerin. Denn sie sehen für unterschiedliche Aufgabengebiete oder Projekte jeweils 20 Wochenstunden an Arbeitszeit vor.
Maßgebender Anknüpfungspunkt für die vorzunehmende Differenzierung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes dann aber, ob der Arbeitnehmer in mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat (vgl. BSG, a. a. O.,). Kernbestand eines Beschäftigungsverhältnisses ist eine Beziehung, die die Leistung von Arbeit unter persönlicher Abhängigkeit einer Person von einer anderen zum Inhalt hat. Eine solche persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer in einen Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeit-gebers unterliegt (vgl. BSG, a. a. O.). Bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist gegebenenfalls statt auf den Betrieb auf die Dienststelle abzustellen. Dienststellen sind – in Anlehnung an die personalvertretungsrechtliche Terminologie – die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe (in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes) sowie die Gerichte selbst (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [272 f.] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 17). Für die Streit entscheidende Frage des Vorhandenseins von (zwei) abhängigen Beschäftigungsverhältnissen eigenen sich die Kriterien, welche die Rechtsprechung für die Frage der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung zu selbständigen Tätigkeiten entwickelt hat (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 12/01 R – BSGE 90, 270 [273] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 10 = Juris-Dokument Rdnr. 18). Ist ein Arbeitnehmer in unterschiedliche Betriebe oder Dienststellen eingegliedert, liegen im Falle einer abgrenzbaren Teilzeitvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehrere Beschäftigungsverhältnisse vor, auch wenn der Arbeitgeber identisch ist. Daneben ist allerdings die Annahme von Teilarbeitslosigkeit auch denkbar, wenn der Arbeitnehmer in mehreren Betriebsabteilungen oder selbstständigen Teilen einer Dienststelle beschäftigt war, also in einem Betriebsteil oder Dienststellenteil, der personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb oder von der Gesamtdienststelle abgegrenzt sowie mit eigenen technischen Betriebsmitteln ausgestattet ist. Auch unter räumlichen oder qualitativen Gesichtspunkten ist die Annahme einer eigenständigen Betriebsabteilung oder eines Teils einer Dienststelle denkbar. Dies kommt bei unterschiedlichen Arbeitsvorgängen oder Aufgabenbereichen unter jeweils einer eigenständigen technischen Leitung in Betracht (vgl. BSG, a. a. O.).
Von Bedeutung sei danach weiterhin, ob der Inhaber der Direktionsbefugnis in beiden Beschäftigungsverhältnissen identisch ist oder ob die Teilzeittätigkeiten aus unterschiedlichen Quellen finanziert werden (BSG, Urteil vom 21. Juni 2001 – B 7 AL 54/00 R – BSGE 88, 180 [187] = SozR 3-4300 § 150 Nr. 1 S. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 23).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen stand die Klägerin in zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Zwar war die Klägerin in Erfüllung der verschiedenen Arbeitsverträge in der maßgebenden Zeit in einer "Dienststelle", nämlich der Technischen Universität D und dort durchgängig in der Fakultät für Informatik in der Professur für Bioinformatik bei Prof. S , beschäftigt. Sie verrichtete sämtliche Tätigkeiten an demselben Arbeitsplatz mit denselben Arbeitsmitteln und unter dem einheitlichen Weisungsrecht von Prof. S. Bei der Erledigung ihrer Aufgaben aus den beiden Teilbereichen setzte die Klägerin zwar zeitliche Schwerpunkte; eine klare zeitliche Trennung war nach ihren Angaben jedoch nicht möglich.
Die grundsätzlichen Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen für die beiden Beschäftigungen, die jeweils in die Vergütungsgruppe VII des Bundes-Angestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) eingruppiert waren, waren im Wesentlichen vergleichbar. Es gab allerdings auch qualitative Unterschiede in Bezug auf die an die Klägerin gestellten Anorderungen bei den ihr obliegenden Aufgaben, Haushaltsmittel finanztechnisch zu verwalten und die jeweils anfallenden Abrechnungen zuzuordnen oder abzurechnen. So erledigte sie die Arbeiten auf der Haushaltsstelle in erster Linie in deutscher Sprache und im Kontakt mit Stellen innerhalb der Hochschule. Demgegenüber waren die Arbeiten auf der drittmittelfinanzierten Stelle überwiegend in englischer Sprache zu erledigen, weil viele Kontakte mit EU-Stellen zu pflegen waren.
Diese Feststellungen ergeben sich aus den Einlassungen der Klägerin sowie den von ihr zur Akte gereichten Stellenbeschreibungen für den Teil der Beschäftigung als Angestellte der Technischen Universität D , die aus Haushaltsmitteln finanziert wird, und für den Teil der Beschäftigung, der aus Drittmitteln finanziert wurde.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senates aber der Abschluss verschiedener Arbeitsverträge für die verschiedenen Beschäftigungen, die unterschiedlichen Ausgestaltungen dieser Verträge sowie die unterschiedlichen Quellen für die Finanzierung der beiden Stellen.
Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 ist mit "Arbeitsvertrag für Angestellte nach BAT-O" überschrieben. Demgegenüber ist der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 mit "Arbeitsvertrag für befristete Angestellte (über Drittmittel)" überschrieben. Der Vertrag vom 10. Juni 2009, der sich an den Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 anschloss, ist zudem als Honorarvertrag bezeichnet und ausgestaltet.
Sowohl der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 als auch der Honorarvertrag enthalten einen starken Bezug zu dem drittmittelfinanzierten Projekt. Im Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 ist in § 2 zum Befristungsgrund das konkrete Projekt bezeichnet und die Drittmittelnummer angegeben. Im Honorarvertrag sind ähnliche Angaben in § 1 Abs. 1 im Zusammenhang mit der Tätigkeitsbeschreibung aufgeführt.
Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 wurde unbefristet geschlossen (dort § 1). Hingegen enthalten sowohl der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 (§ 1 Satz 1) als auch der Honorarvertrag vom 10. Juni 2009 (§ 3 Abs. 1) Befristungsregelungen. Unterschiede bestehen zudem in Bezug auf Kündigungsmöglichkeiten. Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 enthält keine Kündigungsregelungen, sodass es bei den allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften verbleibt. Anders ist die Vertragslage bei den beiden befristeten Verträgen. In § 6 des Arbeitsvertrages vom 6. April 2006 ist ein Sonderkündigungsrecht zugunsten des Arbeitgebers für den Fall vorgesehen, dass der Wegfall der Drittmittel feststeht. In § 6 Abs. 5 Satz 1 des Honorarvertrages ist ein Recht zur fristlosen Kündigung für den Auftraggeber, die Technische Universität D , enthalten.
Die unbefristete Stelle im Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 wird aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Freistaates Sachsen finanziert. Hingegen wurden die befristeten Beschäftigungsverhältnisse über Drittmittel finanziert, die wiederum projektabhängig waren.
Die beiden Beschäftigungsverhältnisse unterscheiden sich nach alledem zum einen hinsichtlich der qualitativen Anforderungen, die sich aus den Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen ergeben, sowie zum anderen insbesondere dadurch, dass die befristeten Beschäftigungsverhältnisses stark von dem drittmittelfinanzierten Projekt abhängig und auf dieses Projekt bezogen ausgestaltet waren.
Aus den oben genannten Gründen hat die Klägerin in der Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren auch die Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld erfüllt (vgl. § 150 Abs. 2 Nr. 2 SGB III), da sie in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2009 mindestens für zwölf Monate in zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stand.
Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, nämlich die Meldung als teilarbeitslos und die Erfüllung der Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld sind, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, erfüllt. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichtes vom 16. Juni 2011 verwiesen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
III. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) im Hinblick auf Besonderheiten bei drittmittelfinanzierten Beschäftigungsverhältnissen zuzulassen.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved