L 5 RS 322/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 19 RS 415/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 322/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Jahresendprämie - Glaubhaftmachung - Zeugenaussagen

1. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen möglicherweise Jahresendprämien berücksichtigt worden sind - etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten -, genügen nicht, den Nachweis oder die
Glaubhaftmachung auch für die Zahlung von Jahresendprämien im konkreten Einzelfall zu erbringen.

2. Um zusätzliche Arbeitsentgelte in Form behaupteter Jahresendprämienzahlungen festzustellen, ist erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des geltend gemachten Gesamtzeitraums der Zufluss einer konkreten Jahresendprämie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, und zwar nicht nur hinsichtlich des
Zeitraums, sondern auch hinsichtlich der tatsächlichen Höhe.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. April 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Alterversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1979 bis 1990, vorrangig in Form jährlicher Jahresendprämien, festzustellen.

Der Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, war vom 1. September 1971 bis 30. Juni 1975 Mitglied der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), arbeitete vom 1. September 1979 bis 25. Mai 1983 als ingenieurtechnischer Mitarbeiter im Institut für Nachrichtentechnik B und war vom 1. Juni 1983 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Ingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Schnellflechter B beschäftigt.

Mit Bescheid vom 28. März 2000 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1971 bis 30. Juni 1975 als Zeiten der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates sowie die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1979 bis 27. Mai 1983 und vom 1. Juni 1983 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die während dieser Beschäftigungszeiten erzielten Arbeitsentgelte fest.

Den am 13. Dezember 2007 gestellten Antrag des Klägers auf Überprüfung der im Bescheid vom 28. März 2000 festgestellten Arbeitsentgelte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Januar 2008 unter Verweis auf die Datenfeststellungen, die sich aus den Arbeitsentgeltbescheinigungen der DISOS GmbH ergaben, ab. Hiergegen erhob der Kläger am 28. Januar 2008 Widerspruch, mit dem er weitere Arbeitsentgelte für den Zeitraum von 1979 bis 1983 begehrte, die sich aus der Entgelteingruppierung in seinen Arbeitsverträgen beim Institut für Nachrichtentechnik ergeben würden. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine neue Entgeltbescheinigung beim Rechtsnachfolger für die archivierten Unterlagen des Instituts für Nachrichtentechnik ein, die die Rhenus Office Systems GmbH am 20. Juni 2008 vorlegte und aus der geringfügig höhere Entgelte für vereinzelte Jahre hervorgingen. Der Kläger präzisierte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sein Begehren dahingehend, dass er auch die Anerkennung von Jahresendprämien für den Zeitraum von Juni 1983 bis Juni 1990, in der er im VEB Schnellflechter B gearbeitet habe, begehre und legte hierzu schriftliche Zeugenerklärungen von Frau A ..., Herrn R ... und Herrn L vor. Weiterhin legte er im Rahmen des Verwaltungsverfahrens schriftliche Dokumente zur Anerkennung von Prämien als Bestarbeiter in den Jahren 1985, 1986 und 1988 vor. Daraufhin ermittelte die Beklagte beim Rechtsnachfolger des VEB Schnellflechter B , der mit Schreiben vom 13. November 2008 mitteilte, dass Unterlagen zu Jahresendprämien der Beschäftigten nicht vorhanden seien und entsprechende Auskünfte nicht erteilt werden könnten. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 20. November 2008 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten vom 1. Juli 1971 bis 30. Juni 1975 als Zeiten der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung der hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates der DDR und die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1979 bis 27. Mai 1983 und 1. Juni 1983 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest, wobei sie für die Jahre 1979, 1981, 1985, 1986 und 1988 geringfügig höhere Entgelte, als im Feststellungsbescheid vom 28. März 2000 ausgewiesen, deklarierte. Im Neufeststellungsbescheid vom 20. November 2008 wies sie des Weiteren darauf hin, dass mit diesem Bescheid der Bescheid vom 23. Januar 2008 in der Fassung des Bescheides vom 28. März 2000 insoweit aufgehoben werde, soweit er dem Bescheid entgegenstehe. Die Anerkennung von Jahresendprämien hingegen könne nicht erfolgen, weil deren Zufluss weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Der Kläger habe keine Nachweise vorlegen können. Die eingereichten schriftlichen Zeugenerklärungen seien nicht geeignet einen hinreichenden Zufluss von konkreten Höhen der begehrten Jahresendprämien glaubhaft zu machen.

Gegen den Bescheid vom 20. November 2008 erhob der Kläger am 27. November 2008 erneut Widerspruch, mit dem er weiterhin höhere Entgelte für die Jahre 1979 bis 1983 geltend machte, weil die Verdienstbescheinigung der DISOS GmbH falsch sei, wie sich aus seinen Arbeits- und Änderungsverträgen ergebe, in denen seine Lohnbezüge ausgewiesen seien. Des Weiteren begehrte er die Anerkennung von Jahresendprämien für den Zeitraum vom 1. Juni 1983 bis 30. Juni 1990 im Rahmen seiner Beschäftigung beim VEB Schnellflechter B. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2009 zurück und führte zur Begründung aus: Die im Neufeststellungsbescheid vom 20. November 2008 ausgewiesenen Entgelte seien korrekt. Sie würden sich aus den Entgeltbescheinigungen der Rechtsnachfolger ergeben. Jahresendprämien hingegen seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden.

Gegen den am 24. Februar 2009 dem Kläger zugegangenen Widerspruchsbescheid erhob dieser am 18. März 2009 Klage, mit der er die Anerkennung der Jahresendprämien weiter begehrte. Mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2011 hat das Sozialgericht Chemnitz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Jahresendprämien seien nicht nachgewiesen und der Zufluss in bestimmter Höhe in einzelnen Beschäftigungsjahren vom Kläger nicht glaubhaft gemacht worden. Die Zeugenangaben würden hierzu nicht genügen. Im Übrigen seien die von der Beklagten festgestellten Entgelte gemäß den Entgeltbescheinigungen der Rechtsnachfolger korrekt.

Gegen den dem Kläger am 20. April 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13. Mai 2011 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die Jahresendprämien seien ihm zugeflossen, sodass er für sich die Anwendung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 reklamiere. Die Jahresendprämien seien erzieltes Arbeitsentgelt. Er habe dem Prämiensystem der DDR-Volkswirtschaft mit der Folge unterlegen, dass auch dieser Arbeitsentgeltanteil dem Jahresarbeitsentgelt zuzuschlagen sei. Er habe den Zufluss der Jahresendprämie glaubhaft gemacht, sodass durch Bildung von einem Zwölftel vom jeweiligen nachgewiesenen Jahresarbeitsentgelt und Berechnung von fünf Sechsteln des so gefundenen Betrages eine Berechnungsweise angestellt werden könne, die den Gesetzesvorschriften des AAÜG Genüge tue und Rechtsfrieden unter den Beschäftigten schaffe. Die von ihm im Verwaltungsverfahren beigebrachten Zeugenerklärungen hätten hinreichend zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen. Das Sozialgericht habe zu hohe Anforderungen an den Inhalt der Zeugenaussagen gestellt. Letztlich sei Kreativität gefragt, um zu zufriedenstellenden Lösungen zu kommen und die sozialen Rechte des Klägers zu wahren.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Ablehnungsbescheides vom 23. Januar 2008 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 28. März 2000 dahingehend abzuändern, dass höhere Arbeitsentgelte, insbesondere inklusive der Jahresendprämien in der Zeit von 1983 bis 1990, festgestellt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Mit Schriftsätzen vom 23. Juli 2012 und 3. August 2012 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat. Der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 23. Januar 2008 in der Fassung des Teilabhilfe- und Neufeststellungsbescheides vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2009 ist rechtmäßig, weil mit dem Feststellungsbescheid vom 28. März 2000, soweit er nicht durch den Teilabhilfe- und Neufeststellungsbescheid vom 20. November 2008 eine inhaltliche Abänderung erfuhr, weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Zeitraum von 1979 bis 1990 und zwar weder in Form höherer Entgelte unter Zugrundelegung von Gehaltszahlungen, die sich aus seinen Arbeits- und Änderungsverträgen vom 28. Juli 1978, 11. Oktober 1979 und 29. Juni 1981 ergeben (dazu nachfolgend unter 1.), noch in Form der begehrten Jahresendprämien für die Zeiten von 1983 bis 1990 (dazu nachfolgend unter 2.) im Rahmen der bereits anerkannten Beschäftigungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.

Zur Begründung und zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 153 Abs. 2 SGG). Zur Ergänzung ist lediglich Folgendes auszuführen:

Gemäß § 8 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 SGB VI) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit den Feststellungsbescheiden vom 28. März 2000 und 20. November 2008 unter anderem Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG).

1. Höhere Arbeitsentgelte, als die im zuletzt maßgeblichen Feststellungsbescheid vom 20. November 2008 ausgewiesenen, für die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. September 1979 bis 27. Mai 1983 im Institut für Nachrichtentechnik B sind nicht festzustellen. Die im Bescheid ausgewiesenen Entgelte beruhen (bis auf das Jahr 1982) auf der Entgeltbescheinigung der RHENUS Office Systems GmbH vom 20. Juni 2008 (Bl. 15-17 der Verwaltungsakte), die diese in Ergänzung der Entgeltbescheinigung der DISOS GmbH vom 13. März 2000 (Bl. 12a der Verwaltungsakte) erteilt hat. Soweit die Beklagte für das Jahr 1982 anstatt der, von der RHENUS Office Systems GmbH und der DISOS GmbH bescheinigten, 11.690,61 Mark der DDR, im Bescheid einen Betrag von 11.691 Mark der DDR festgestellt hat, musste dieser Unkorrektheit nicht weiter nachgegangen werden, weil sie sich zu Gunsten des Klägers auswirkt und dieser daher nicht beschwert ist. Soweit der Kläger unter Berufung auf die in seinen Arbeits- und Änderungsverträgen vom 28. Juli 1978, 11. Oktober 1979 und 29. Juni 1981 (Bl. 50-52 der Verwaltungsakte) enthaltenen Gehaltsangaben eine inhaltliche Abänderung der festgestellten Entgelte begehrt, kann dem aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden: Zum einen geht aus dem Arbeitsvertrag vom 28. Juli 1978 keine konkrete Gehaltshöhe hervor. Zum zweiten bestand das Arbeitsentgelt des Klägers seit 1. Oktober 1979 – neben dem Grundgehalt in Höhe von 880 Mark der DDR ab 1. Oktober 1979 bzw. 930 Mark der DDR ab 1. Juli 1981 – jeweils aus einem leistungsabhängigen Gehaltszuschlag in Höhe von maximal 75 Mark der DDR monatlich, der lediglich in Abhängigkeit von der Erfüllung der vereinbarten Leistungskennzahlen gewährt wurde. Um diesen Maximalbetrag monatlich zugrunde legen zu können, hätte der Kläger nachweisen müssen, dass er jeden Monat die vereinbarten Leistungskennzahlen erfüllt hätte. Nachweise über den Zufluss des leistungsabhängigen Gehaltszuschlags oder über die vollständige Erfüllung der Leistungskennzahlen hat der Kläger aber nicht vorgelegt. Und schließlich zum dritten ist der Kläger hinsichtlich der Entgeltfeststellungen für die Zeiträume vom 1. September bis 31. Dezember 1979 und vom 1. Januar 1983 bis 27. Mai 1983 auch nicht beschwert, weil für diese Zeiträume die Entgeltfeststellungen im Bescheid vom 20. November 2008 höher sind, als sie sich rechnerisch unter maximalen hypothetischen Annahmen aus den Arbeitsverträgen, wie sie der Kläger begehrt, ergeben würden: Festgestellt für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 1979 wurden im Bescheid 3.750 Mark der DDR, während sich aus den Angaben des Klägers lediglich 3.710 Mark der DDR ergeben würden; der Kläger ist also um 400 Mark der DDR besser gestellt. Festgestellt für den Zeitraum vom 1. Januar 1983 bis 27. Mai 1983 wurden im Bescheid 4.906 Mark der DDR, während sich aus den Angaben des Klägers lediglich 4.900 Mark der DDR ergeben würden; der Kläger ist im Ergebnis also um 6 Mark der DDR besser gestellt.

2. Jahresendprämien für die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Juni 1983 bis 30. Juni 1990 im VEB Schnellflechter B hat die Beklagte ebenfalls zu Recht nicht berücksichtigt. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Das Bundessozialgericht hat mit seiner Entscheidung vom 23. August 2007 (- B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.) festgestellt, dass auch die in der DDR an Arbeitnehmer damals rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG darstellen, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankomme, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besage, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen sei. Aus dem Wort "erzielt" folge im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln müsse, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden sei. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung". Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren).

Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist. Dies ist dem Kläger nach Auffassung des erkennenden Senats vorliegend nicht gelungen.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Nach Auffassung des Senats ist vorliegend neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben oder Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte dieser nicht vorlegen. Der Kläger selbst hatte bereits im Verwaltungsverfahren, unter anderem in seinen Schreiben vom 6. September 2008 (Bl. 19-21 der Verwaltungsakte) und 26. November 2008 (Bl. 48-49 der Verwaltungsakte) angegeben, über keine Unterlagen zu verfügen, mit denen er die Höhe der Jahresendprämie belegen könnte. Vielmehr führte er aus, dass Belege über die Auszahlung der Jahresendprämien nicht existieren bzw. sämtliche Unterlagen zu Jahresendprämienzahlungen nicht auffindbar sind. Der von der Beklagten mit Schreiben vom 5. März 2008 (Bl. 13 der Verwaltungsakte) und 2. Juli 2008 (Bl. 18 der Verwaltungsakte) um Auskunft ersuchte Rechtsnachfolger des VEB Schnellflechter B , die Schnellflechter B GmbH bzw. die Wardwell Europe GmbH B , hatte mit Schreiben vom 13. November 2008 mitgeteilt, dass über die Zahlung der Jahresendprämien keine Unterlagen vorliegen und daher keine entsprechende Bescheinigung ausgestellt werden kann.

Auch im Übrigen sind keine Prämienzahlungen hinreichend dokumentiert. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5)

Dies zu Grunde gelegt, ist festzustellen, dass weder vom Kläger noch vom Lohnarchiv des Rechtsnachfolgers des Beschäftigungsbetriebes irgendwelche Gehaltsunterlagen hinsichtlich der Zahlung von Jahresendprämien an den Kläger vorgelegt werden konnten. Entsprechende Nachforschungen der Beklagten und des Klägers selbst blieben, wie erwähnt, erfolglos. Entsprechend der Ansicht des Sozialgerichts Chemnitz sind auch die Angaben des Klägers und der Zeugen nicht geeignet, den Nachweis oder die Glaubhaftmachung über einen bestimmten, jährlich an den Kläger wiederkehrend als Jahresendprämie gezahlten Entgeltbestandteil zu erbringen. Den Angaben des Klägers und der Zeugen A (Bl. 22 der Verwaltungsakte), R (Bl. 23 der Verwaltungsakte) und L (Bl. 29 der Verwaltungsakte) kann lediglich entnommen werden, dass im Beschäftigungsbetrieb des Klägers regelmäßig jährlich eine Jahresendprämie an die Mitarbeiter im ersten Quartal des Jahres für das vorangegangene Jahr gezahlt wurde, deren Höhe jährlich schwankte, die von der Betriebsleitung jeweils jährlich neu entsprechend der Vorgaben der Betriebskollektivverträge und abhängig vom Grad der erreichten Planerfüllung festgelegt wurde und Dokumente über Prämienzahlungen nicht aufbewahrt wurden. Konkrete Angaben zur Höhe der in den einzelnen Jahren gezahlten Jahresendprämien konnten weder der Kläger, noch die Zeugen tätigen. Glaubhaft gemacht ist unter Würdigung der Zeugenaussagen damit allenfalls, dass regelmäßig im Betrieb Jahresendprämien gezahlt wurden

Welche konkrete Höhe an Jahresendprämien an den Kläger geflossen sind, ist zudem weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht worden. Die Zeugen konnten keine konkreten Beträge benennen. Weitergehende oder konkrete Angaben konnten die Zeugen im Übrigen ohnehin nicht tätigen, was in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufs auch nicht weiter verwunderlich ist. Auch werden durch die Zeugenaussagen lediglich allgemeine Hinweise zu einem allgemeinen Vorgang gegeben, die keinerlei Rückschluss auf die konkrete Höhe der in den einzelnen Jahren gewährten Jahresendprämien gerade an den Kläger geben. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen möglicherweise Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, den Nachweis oder die Glaubhaftmachung auch für die Zahlung einer bestimmten Summe von Jahresendprämien konkret an den Kläger zu erbringen. Berücksichtigt man diesen Aspekt in Kombination mit dem weiteren, dass sowohl nach den Angaben des Klägers, als auch der Zeugen die konkrete Höhe der Jahresendprämien jährlichen, nicht kalkulierbaren, von der Planerfüllung abhängigen Schwankungen unterlag, läuft die vom Kläger begehrte zusätzliche Feststellung von Arbeitsentgelt in Höhe von mindestens 100 Prozent der in den jeweils für das Vorjahr gezahlten Prämien zu fünf Sechsteln im Ergebnis nicht auf eine Berechenbarkeit, sondern auf eine "aus der Luft gegriffene" Schätzung hinaus. Auch der Hinweis auf die vom Kläger-Prozessbevollmächtigten eingeforderte Kreativität vermag hieran nichts zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Lübke Schanzenbach Dr. Schnell
Rechtskraft
Aus
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