L 5 RS 716/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 24 R 667/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 716/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Jahresendprämie - Glaubhaftmachung - Zeugenaussagen

1. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen möglicherweise Jahresendprämien berücksichtigt worden sind - etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten -, genügen nicht, den Nachweis oder die
Glaubhaftmachung auch für die Zahlung von Jahresendprämien im konkreten Einzelfall zu erbringen.

2. Um zusätzliche Arbeitsentgelte in Form behaupteter Jahresendprämienzahlungen festzustellen, ist erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des geltend gemachten Gesamtzeitraums der Zufluss einer konkreten Jahresendprämie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, und zwar nicht nur hinsichtlich des
Zeitraums, sondern auch hinsichtlich der tatsächlichen Höhe.

3. Wenn die Zahlung einer Jahresendprämie von Voraussetzungen wie der Vorbildlichkeit im Kollegenkreis
oder der Einhaltung der sozialistischen Arbeitsdisziplin abhing, können diese rückblickend nicht beurteilt werden und Grundlage einer Feststellung von zusätzlichem, glaubhaft gemachtem Arbeitsentgelt im Rahmen des fingierten Anspruchs auf eine zusätzliche Versorgungszusage sein. Denn Regelungen, die eine bewertende oder Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors oder einer staatlichen Stelle der DDR vorsahen, sind weder Bundesrecht geworden, noch bundesrechtlich überprüfbar oder nachholbar, weil die
dafür erforderlichen Entscheidungen nur auf der Grundlage des von der SED-Ideologie geprägten Systems getroffen werden könnten.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11. Oktober 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1979 bis 1989 in Form jährlicher Jahresendprämien festzustellen.

Der Kläger ist seit 19. November 1975 berechtigt, den akademischen Grad "Diplomingenieur" zu führen. Er war vom 1. August 1975 bis 28. Februar 1979 als Ingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Projektierungsbüro Süd und vom 1. März 1979 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Ingenieur für Messtechnik im VEB wissenschaftlich-technisches Zentrum (WTZ) Baumechanisierung D bzw. im VEB Institut für Baumechanisierung bzw. im VEB Baumechanisierung D - Stammbetrieb - beschäftigt. Er war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

In Ausführung eines, im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens geschlossenen, Vergleiches, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Februar 2005 das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG sowie die Beschäftigungszeiten vom 1. März 1979 bis 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben der DDR sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte fest.

Am 16. November 2007 beantragte der Kläger eine Überprüfung der im Bescheid vom 3. Februar 2005 festgestellten Arbeitsentgelte mit dem Begehren, die ihm jährlich gezahlten Jahresendprämien einzubeziehen. Er fügte hinzu, über keine Nachweise über gezahlte Jahresendprämien zu verfügen, und legte dem Antrag Belege der an seinen Kollegen H gezahlten Jahresendprämien für die Jahre 1978 bis 1986 bei und fügte hinzu, dass er in der gleichen Abteilung gearbeitet und das gleiche Gehalt wie dieser Kollege erhalten habe. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 2008 mit der Begründung ab, Jahresendprämien seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Mit dem hiergegen am 15. Mai 2008 eingelegten Widerspruch reichte der Kläger verschiedene Lohnstammkarten seiner Beschäftigungszeiten ein, die Jahresendprämien nicht auswiesen. In Auswertung der Lohnstammkarten erließ die Beklagte am 11. August 2008 einen neuen Bescheid, mit dem sie erneut das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten vom 1. März 1979 bis 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, unter Berücksichtigung höherer Entgelte für die Jahre 1980, 1982 und 1983 feststellte. Im Übrigen, bezüglich der Jahresendprämien, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 11. August 2008 abgeholfen worden sei, zurück, nachdem eine Anfrage bei der Rhenus Office Systems GmbH, bei der die Unterlagen des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes des Klägers archiviert sind, erfolglos geblieben war. Die vorgelegten Unterlagen seien lediglich geeignet, die Zahlung von Jahresendprämien im Betrieb allgemein, nicht aber in einer bestimmten Höhe gerade an den Kläger glaubhaft zu machen.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. April 2009 Klage und legte ergänzend drei eidesstattliche Versicherungen weiterer Kollegen seiner Abteilung, insbesondere seines damaligen Gruppenleiters, der eigene Jahresendprämiennachweise für die Jahre 1981 bis 1986 beigefügt waren, vor, und führte aus, dass im Beschäftigungsbetrieb für die Jahre 1979 bis 1989 stets Jahresendprämien gezahlt worden seien, die durchschnittlich etwa 86 Prozent des Bruttomonatslohnes betragen hätten, ohne das Gründe für eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie an den Kläger bekannt geworden seien. Das Sozialgericht Dresden hat mit Urteil vom 11. Oktober 2010, nachdem es im Rahmen der mündlichen Verhandlungen die Zeugen F und H vernommen hatte, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. Mai 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 11. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 verpflichtet, unter Abänderung des Bescheides vom 3. Februar 2005 auch die in den Jahren 1980 bis 30. Juni 1990 jeweils für das Vorjahr gezahlte Jahresendprämie in Höhe von 80 Prozent des in den angefochtenen Bescheiden bereits festgestellten Bruttomonatsverdienstes des Vorjahres als zusätzlichen Verdienst nach dem AAÜG jeweils zu fünf Sechsteln festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe Anspruch auf die in den Jahren 1980 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämien zu fünf Sechsteln, da er den Zufluss glaubhaft gemacht habe. Aus den Angaben des Klägers und der Zeugen gehe hervor, dass an ihn in jedem Jahr seiner Betriebszugehörigkeit Jahresendprämien gezahlt worden seien, weil er nie länger ausgefallen und ein vorbildlicher Kollege gewesen sei. Zwar sei die konkrete Höhe nicht nachgewiesen, aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei wahrscheinlich, dass jährlich wenigstens 80 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes des Vorjahres als Jahresendprämie gezahlt worden sei, weil keiner der Kollegen des Klägers – die nur aus der Kenntnis der an sie selbst gezahlten Jahresendprämie auf den an den Kläger gezahlten Betrag haben schließen können – einen tatsächlich niedrigeren Betrag erhalten hätten, sofern er nicht längere Zeit ausgefallen gewesen sei. Sondertatbestände, wie ein längerfristiger Ausfall des Klägers, der eine geringere Zahlung als 80 Prozent hätte belegen können, seien – abgesehen davon, dass der Kläger ab März 1979 im VEB gearbeitet habe, also 1980 eine entsprechend niedrigere Jahresendprämie für 1979 erhalten habe müssen – weder ersichtlich, noch von den Zeugen mitgeteilt worden, sodass deren Schluss von der eigenen auf die Prämie des Klägers grundsätzlich nachvollziehbar sei. Den verbleibenden Unsicherheiten sei hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass von dem auf dieser Basis ermittelten Betrag der Jahresendprämie noch ein Sechstel gemäß § 6 Abs. 6 AAÜG abgezogen werde. Nach den Angaben der Zeugen habe die Jahresendprämie zwar im Bereich zwischen 80 Prozent und sogar etwa 98 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes geschwankt. Auch der Kläger selbst habe konkrete Beträge nicht nennen können. Die Höhe der Jahresendprämie sei in jedem Betrieb und für jeden Beschäftigten auch variabel gewesen, sodass heute ohne konkrete schriftliche Nachweise rückschauend unmöglich die tatsächliche Höhe der im jeweiligen Jahr an den Kläger gezahlten Prämie bestimmt werden könne. Andererseits sei es mit Sicherheit unzutreffend, anzunehmen, es sei überhaupt keine Jahresendprämie gezahlt worden, weil feststehe, dass dies der Fall gewesen sei.

Gegen das ihr am 26. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. November 2010 Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage weiterverfolgt. Das Urteil sei fehlerhaft, da Aussagen allgemeiner Art, dass Prämien im Betrieb gezahlt worden seien, dass diese etwa einem Monatslohn entsprochen hätten und dass der Kläger diese Prämie enthalten habe, weil auch die Zeugen eine Prämie erhalten hätten, nicht geeignet seien, die Zahlung einer Prämie nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Denn mit derartigen Aussagen werde eine Prämienzahlung an den Kläger allenfalls dem Grunde nach glaubhaft gemacht, jedoch nicht der Höhe nach. Für die Berücksichtigung von Prämien seien diese im Rahmen der objektiven Beweislast des Klägers jedoch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nachzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil, die er für zutreffend hält.

Mit Schriftsätzen vom 11. und 16. Juli 2012 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreites durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung der Beklagten ist begründet, weil das Sozialgericht Dresden der Klage zu Unrecht stattgegeben hat. Der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 8. Mai 2008 in der Fassung des Teilabhilfe- und Neufeststellungsbescheides vom 11. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 ist rechtmäßig, weil mit dem Feststellungsbescheid vom 3. Februar 2005, soweit er nicht durch den Teilabhilfe- und Neufeststellungsbescheid vom 11. August 2008 eine inhaltliche Abänderung erfuhr, weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Zeitraum von 1980 bis 1990 in Form der begehrten Jahresendprämien im Rahmen der bereits anerkannten Beschäftigungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.

Gemäß § 8 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 SGB VI) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit den Feststellungsbescheiden vom 3. Februar 2005 und 11. August 2008 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Recht nicht berücksichtigt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Das Bundessozialgericht hat mit seiner Entscheidung vom 23. August 2007 (- B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.) festgestellt, dass auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG darstellen, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankomme, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besage, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen sei. Aus dem Wort "erzielt" folge im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln müsse, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden sei. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung". Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren).

Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist. Dies ist dem Kläger nach Auffassung des erkennenden Senats vorliegend nicht gelungen.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Nach Auffassung des Senats ist vorliegend neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben oder Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte dieser nicht vorlegen. Der Kläger selbst hatte bereits im Überprüfungsantrag vom 16. November 2007 angegeben, über keine Unterlagen zu verfügen, mit denen er die Höhe der Jahresendprämie belegen könnte. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dresden am 11. Oktober 2010 hatte er zudem angegeben, dass er die in seiner Abteilung im Beschäftigungsbetrieb geführten "Brigadetagebücher", die im Rahmen der Teilnahme am Wettbewerb "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" geführt worden sind, durchgesehen hatte und in diesen ebenfalls keine Hinweise auf die Zahlung oder die Höhe der Jahresendprämie gefunden hatte. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 um Auskunft ersuchte Rhenus Office Systems GmbH hatte mit Schreiben vom 19. Januar 2009 mitgeteilt, dass sich in den Archivunterlagen des Rechtsnachfolgers des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes des Klägers keine Unterlagen mit Hinwiesen auf gezahlte Jahresendprämien befinden. Der Zeuge F. hatte anlässlich seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dresden am 11. Oktober 2010 unter anderem auch angegeben, dass die Betriebskollektivverträge, die für das jeweilige Jahr als Vorgabe formuliert worden waren, keine konkreten Höhen für Jahresendprämien enthielten, schon gar nicht für einzelne Mitarbeiter. Die vom Kläger eingereichten Quittungen über Jahresendprämien betreffen nicht ihn selbst, sondern ehemalige Kollegen von ihm (Herr H: Jahresendprämienquittungen für die Jahre 1976 bzw. 1978 bis 1986, jeweils ausgestellt im Februar des Folgejahres, Bl. 5-9 der Verwaltungsakte und Bl. 35-41 der Gerichtsakte; Herr F: Jahresendprämienquittungen für die Jahre 1975 bis 1978 und 1981 bis 1986, jeweils ausgestellt im Februar des Folgejahres, Bl. 26-31 der Gerichtsakte).

Auch im Übrigen sind keine Prämienzahlungen hinreichend dokumentiert. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5)

Dies zu Grunde gelegt, ist festzustellen, dass weder vom Kläger noch vom Lohnarchiv irgendwelche Gehaltsunterlagen hinsichtlich der Zahlung von Jahresendprämien an den Kläger vorgelegt werden konnten. Entsprechende Nachforschungen der Beklagten und des Klägers selbst blieben, wie erwähnt, erfolglos. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Dresden sind auch die Angaben des Klägers und der Zeugen nicht geeignet, den Nachweis oder die Glaubhaftmachung über einen bestimmten, jährlich an den Kläger wiederkehrend als Jahresendprämie gezahlten Entgeltbestandteil zu erbringen. Den Angaben der vom Sozialgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2010 einvernommenen Zeugen F und H kann ebenso wie den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der ehemaligen Kollegen des Klägers, F (Bl. 25 der Gerichtsakte), A (Bl. 33 der Gerichtsakte) und H (Bl. 34 der Gerichtsakte), nur entnommen werden, dass im Beschäftigungsbetrieb des Klägers regelmäßig jährlich eine Jahresendprämie an die Mitarbeiter Anfang des Jahres für das vorangegangene Jahr gezahlt wurde, deren Höhe jährlich schwankte, die von der Betriebsleitung jeweils jährlich neu entsprechend der Vorgaben der Betriebskollektivverträge und abhängig vom Grad der erreichten Planerfüllung festgelegt wurde und individuelle Gründe, wie längere Krankheitszeiten oder Verfehlungen der sozialistischen Arbeitsdisziplin, zu Kürzungen und Streichungen der Jahresendprämienhöhe gegenüber einzelnen Mitarbeitern führten. Weiterhin ergibt sich aus der Aussage des Zeugen F auch, dass die konkrete Höhe der Jahresendprämie für jeden einzelnen Mitarbeiter jährlich individuell nach Beratungen zwischen den Gruppen- und Abteilungsleitern festgelegt wurde, weshalb eine einheitliche und an die Beschäftigten in gleicher Höhe gezahlte Prämie nicht plausibel ist. Aus diesem Grund kann beispielsweise der Einwand des Klägers, es könnten die durch Belege des Kollegen H nachgewiesenen Prämien auch bei ihm selbst angenommen werden, weil er das gleiche Gehalt bezogen und in derselben Abteilung gearbeitet habe (so im Schriftsatz vom 16. November 2007), keine Berücksichtigung finden. Glaubhaft gemacht ist unter Würdigung der Zeugenaussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dresden am 11. Oktober 2010 damit allenfalls, dass regelmäßig im Betrieb Jahresendprämien gezahlt wurden, obwohl auch diesbezüglich erheblich Zweifel verbleiben. Denn im Ergebnis der Gesamtwürdigung der pauschalen Zeugenaussagen in Kombination mit den schriftlich vorgelegten Jahresendprämienquittungen ergeben sich insofern erhebliche Zweifel an der behaupteten jeweils jährlichen, also durchgängig die Zeiträume aller vom Kläger geltend gemachten Beschäftigungsjahre (1979 bis 1990) betreffenden, Zahlung deshalb, da von den Kollegen H und F ... ausgerechnet und übereinstimmend jeweils für die Jahre 1987 bis 1989 gerade keine Quittungen der Folgejahre 1988 bis 1990 vorgelegt werden konnten, obwohl diese Quittungen standardisiert als Formular, das regelmäßig jedes Jahr wieder verwendet werden konnte, abgefasst waren und jeweils nur individuell der konkrete Betrag und der konkrete Mitarbeitername handschriftlich nachgetragen werden mussten.

Welche konkrete Höhe an Jahresendprämien an den Kläger geflossen sind, ist zudem weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht worden. Die Zeugen selbst konnten, selbst soweit es ihre eigenen Prämien betraf, nur ungefähre Angaben tätigen, die zudem schwankten. Der Zeuge F berichtete von einer Schwankung zwischen 98,3 Prozent und 81,5 Prozent, im Jahr 1985 wegen längerer Krankheit sogar nur 75 Prozent, eines Bruttomonatslohnes. Der Zeuge H sprach von grob 83 Prozent eine Nettomonatsgehaltes, versicherte in der eidesstattlichen Versicherung hingegen durchschnittlich 86 Prozent des monatlichen Bruttolohnes, was insofern bereits eine nicht unerhebliche Schwankungsbreite bedeutet. Weitergehende oder konkrete Angaben konnten die Zeugen im Übrigen ohnehin nicht tätigen, was in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufs auch nicht weiter verwunderlich ist. Auch werden durch die Zeugenaussagen und die eidesstattlichen Versicherungen lediglich allgemeine Hinweise zu einem allgemeinen Vorgang gegeben, die keinerlei Rückschluss auf die konkrete Höhe der in den einzelnen Jahren gewährten Jahresendprämien gerade an den Kläger geben. Berücksichtigt man diesen Aspekt in Kombination mit dem weiteren, dass sowohl nach den Angaben des Klägers, als auch der Zeugen die konkrete Höhe der Jahresendprämien jährlichen, nicht kalkulierbaren Schwankungen unterlag, läuft die vom Sozialgericht Dresden im angefochtenen Urteil ausgeurteilte zusätzliche Feststellung von Arbeitsentgelt in Höhe von 80 Prozent des in den jeweils für das Vorjahr gezahlten Prämien zu fünf Sechsteln im Ergebnis nicht auf eine Berechenbarkeit, sondern auf eine "aus der Luft gegriffene" Schätzung hinaus.

Hinzu kommt, dass die vom Sozialgericht vorgenommene Wertung, weil "sich die Zeugen glaubhaft darin einig gewesen [seien], dass an den Kläger in jedem Jahr seiner Betriebszugehörigkeit Jahresendprämie gezahlt worden sein [müsse], weil er nie länger ausgefallen und ein vorbildlicher Kollegen gewesen sei", aus bundesrepublikanischer Sicht nicht justiziabel ist. Gleiches gilt im Übrigen für den Vortrag des Kläger-Prozessbevollmächtigten (im Schriftsatz vom 8. Juni 2011), die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung seien erfüllt, weil "eine Kürzung der Jahresendprämie nur in wenigen Ausnahmefällen, insbesondere bei schwerwiegenden Verletzungen der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten erfolgt" sei, wofür die Sachverhaltsermittlungen keine Anhaltspunkte ergeben hätten. Wenn die Zahlung der Jahresendprämie, wie vorgetragen wurde, von Voraussetzungen wie der Vorbildlichkeit im Kollegenkreis oder der Einhaltung der sozialistischen Arbeitsdisziplin abhing, können diese rückblickend nicht beurteilt werden und Grundlage einer Feststellung von zusätzlichem Arbeitsentgelt im Rahmen des fingierten Anspruchs auf eine zusätzliche Versorgungszusage sein. Denn Regelungen, die eine bewertende oder Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors oder einer staatlichen Stelle der DDR vorsahen, sind weder Bundesrecht geworden, noch bundesrechtlich überprüfbar oder nachholbar, weil die dafür erforderlichen Entscheidungen nur auf der Grundlage des von der SED-Ideologie geprägten Systems getroffen werden könnten (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 = JURIS-Dokument, RdNr. 23).

Die Kriterien, nach denen der Beweis oder eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen möglicherweise Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, den Nachweis oder die Glaubhaftmachung auch für die Zahlung einer bestimmten Summe von Jahresendprämien konkret an den Kläger zu erbringen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der tatsächlichen Höhe.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Lübke Schanzenbach Dr. Schnell
Rechtskraft
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