L 11 R 3707/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1675/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3707/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.07.2012 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2012 anzuordnen, abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren wird auf je 4.461,19 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2012 über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nach einer Betriebsprüfung.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist der Entwurf, die Veredelung und der Vertrieb von Knöpfen aller Art, sonstigem Bekleidungszubehör und Modeschmuck. Einer der beiden Gesellschafter im hier entscheidungserheblichen Zeitraum von Dezember 2007 bis Juni 2008 war Herr B. S. (S), der mit einem Anteil von 40 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war. Der andere Gesellschafter war Dr. S. M. (M). Beide Gesellschafter waren zugleich alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Grundlage der Geschäftsführertätigkeit von S war der am 15.12.2004 geschlossene Geschäftsführervertrag (Bl 28 bis 36 der SG-Akte). Nach diesem Geschäftsführervertrag (GV) hatte S Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen, soweit Vereinbarungen in dem Geschäftsführervertrag nicht entgegenstehen (§ 1 Abs 1 Satz 2 GV). Ferner bedurfte er für zahlreiche Geschäfte und Maßnahmen der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung (§ 3 GV). Auf der Gesellschafterversammlung am 05.12.2007 wurde mit den Stimmen von M beschlossen, dass S mit sofortiger Wirkung als Gesellschafter abberufen und sein Dienstvertrag als Geschäftsführer mit Wirkung zum 30.06.2008 gekündigt wird.

Die Antragsgegnerin führte in der Zeit vom 29.06.2010 bis zum 24.11.2011 eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Mit Bescheid vom 09.03.2012 forderte sie für S für die Zeit vom 05.12.2007 bis zum 30.06.2008 Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen in Höhe von insgesamt 8.922,38 EUR von der Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, S sei auf der Gesellschafterversammlung am 05.12.2007 als Geschäftsführer abberufen worden und bis 30.06.2008 bei der Gesellschaft beschäftigt gewesen. Mit der Abberufung als Geschäftsführer sei eine wesentliche Änderung eingetreten, die eine neue versicherungsrechtliche Beurteilung erforderlich mache. S habe nach seiner Abberufung als Geschäftsführer bis zur Kündigung seines Dienstvertrages in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH gestanden. Im Einzelnen wurden die Beiträge wie folgt festgesetzt:

Krankenversicherung 3233,49 EUR Pflegeversicherung 409,43 EUR Rentenversicherung 4178,32 EUR Arbeitsförderung 717,54 EUR Umlagen U 1 und U 2 383,60 EUR Gesamt 8922,38 EUR

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 12.04.2012 Widerspruch ein; gleichzeitig forderte sie die Antragsgegnerin auf, die Forderung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen. Sie machte geltend, das Protokoll vom 05.12.2007 sei nie umgesetzt worden. S bestreite eine einvernehmliche Aufhebung oder sonstige Inhaltsänderung des bestehenden Geschäftsführervertrages. Auch mache S sein Gehalt in Höhe von 5.000 EUR monatlich geltend. S sei weiterhin mit 40 % an der Gesellschaft und damit am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens beteiligt gewesen. Wie die Antragsgegnerin zu der Aussage gelange, S habe Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten, sei völlig schleierhaft. Mit Schreiben vom 23.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag, die Vollziehung des Bescheides vom 09.03.2012 auszusetzen, ab. Eine Entscheidung über den Widerspruch ist noch nicht ergangen.

Am 18.06.2012 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG), die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2012 anzuordnen. Die Kündigung habe an dem Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 15.12.2004 nichts geändert, da S massiv gegen die Kündigung vorgegangen sei, um bis zu seinem tatsächlichen Ausscheiden aus der Firma seine Stellung als Geschäftsführer unter allen Umständen zu behalten. Eine Änderung der Verhältnisse sei damit gerade nicht eingetreten. S sei deshalb bei gleichbleibendem Gehalt weiterhin in alleiniger Verantwortung für den Einkauf zuständig gewesen. Die Antragstellerin sei nicht mehr operativ am Markt tätig, sie habe ihren Geschäftsbetrieb eingestellt.

Mit Beschluss vom 24.07.2012 hat das SG dem Antrag stattgegeben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 09.03.2012 angeordnet und den Streitwert auf 2.230,60 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, S sei bis zum 04.12.2007 unstreitig nicht abhängig beschäftigt gewesen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin habe er seine Tätigkeit als Geschäftsführer trotz erfolgter Kündigung wie zuvor fortgeführt. Auch die Eintragung der Abberufung als Geschäftsführer im Handelsregister sei erst zum 25.07.2008 erfolgt. Der Vortrag der Antragstellerin sei durch die Ausführungen von S im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht widerlegt.

Am 23.08.2012 hat die Antragsgegenerin beim SG Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt und diese mit der Beschwerdeschrift vom 23.08.2012 begründet; hierauf wird verwiesen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.07.2012 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hat ihre Auffassung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2012 näher dargelegt; hierauf wird verwiesen.

II.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da Gegenstand des Verfahrens die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 8.922,38 EUR ist. Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2012 angeordnet.

Widerspruch und Anfechtungsklage haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Zu den Entscheidungen, die unter § 86a Abs 2 Nr 1 SGG fallen, gehören auch Bescheide des Rentenversicherungsträgers, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p SGB IV nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (st Rspr des Senats, vgl ua Beschlüsse des Senats vom 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, mwN und vom 29.07.2010, L 11 R 2595/10 ER-B, beide veröffentlicht in juris). Die Antragsgegnerin hat die nach § 86 a Abs 3 SGG mögliche Aussetzung der sofortigen Vollziehung mit Schreiben vom 23.05.2012 abgelehnt.

Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache - auch schon vor Klageerhebung, § 86 b Abs 3 SGG - auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides im Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.

Nach im Eilverfahren gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung ist es für den Senat beim gegenwärtigen Stand der Sachlage nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 09.03.2012 Erfolg haben wird.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (st Rspr BSG 27.07.2011, B 12 KR 10/09, SozR 4-2400 § 28 e Nr 4).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4). In diesem Sinn gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56; mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN).

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Dies bedeutet, dass die Versicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, davon abhängt, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein solcher Geschäftsführer aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so fehlt die das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis wesentlich kennzeichnende persönliche Abhängigkeit (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, GmbHR 2000, 313). Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt, und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt. Unter Umständen genügt auch schon ein geringerer Kapitalanteil, insbesondere wenn er über eine Sperrminorität verfügt, die sich ua darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern (BSG 24.01.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr 8).

Der Umkehrschluss, dass mangels eines durch die Kapitalbeteiligung hervorgerufenen beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft regelmäßig ein Abhängigkeitsverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers anzunehmen ist, ist allerdings von der Rechtsprechung des BSG nicht gebilligt worden (BSG 13.12.1960, 3 RK 2/56, BSGE 13, 196, 200). In solchen Fällen hängt das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon ab, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem seine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Denn auch wenn der geschäftsführende Gesellschafter über keine Mehrheit am Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung weiter dann ausgeschlossen sein, wenn es ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindern (BSG 23.09.1982, 10 RAr 10/81, SozR 2100 § 7 Nr 7; 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4). Dies kann zB der Fall sein, wenn er auch als externer (angestellter) Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig sind (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, GmbHR 2000, 313 mwN). Insbesondere kommt bei einem Geschäftsführer einer Familiengesellschaft, sofern dieser mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine selbständige Tätigkeit in Betracht. Die in einer derartigen Familiengesellschaft vorliegende Verbundenheit zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer kann zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung füreinander schaffen und einen Einklang der Interessen bewirken (Urteil des Senats vom 26.06.2012, L 11 KR 2769/11, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Gemessen an diesen Maßstäben war S trotz seiner Stellung als Gesellschafter und seiner Bestellung zum Geschäftsführer bei der Antragsgegnerin abhängig beschäftigt. Auf die Frage, ob es durch die Abberufung des S als Gesellschafter am 05.12.2007 zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gekommen ist, kommt es insoweit nicht an. S verfügte weder über eine Mehrheit am Stammkapital noch über eine Sperrminorität. Zudem war er bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nach § 3 GV in erheblichem Maße von den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung abhängig. So bedurfte er der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung ua für folgende Geschäfte

• alle Verfügungen über Grundstücke und Rechte an einem Grundstück • Anschaffungen und Investitionen, einschließlich der Vornahme von Baumaßnahmen, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten 2000 EUR im Einzelfall oder 10.000 EUR im Geschäftsjahr übersteigen • die Inanspruchnahme oder die Gewährung von Sicherheiten oder Krediten sowie die Übernahme fremder Verbindlichkeiten; ausgenommen waren Kunden- und Lieferantenkredite, soweit sie im Einzelfall 10.000 EUR nicht übersteigen • der Abschluss und die Kündigung von Dauerschuldverträgen • die Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern • die Erteilung von Prokuren und Generalvollmachten • die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten

Angesichts dieser Beschränkungen ist nicht erkennbar, inwiefern S den anderen Gesellschafter persönlich dominiert haben könnte.

Die Höhe der geforderten Beiträge resultiert aus den bei der Betriebsprüfung vorgefundenen Lohnabrechnungen. Auf die im GV mit S vereinbarten 5.000 EUR Monatsgehalt muss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abgestellt werden, da sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin einen derartigen Anspruch von S nicht annehmen.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Der Senat war auch nicht verpflichtet, die Antragstellerin hierzu trotz der von dieser geäußerten Bitte gesondert anzuhören. Gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann erwartet werden, dass von Seiten dessen, der um einstweiligen Rechtsschutz nachsucht, alles was aus seiner Sicht von Bedeutung ist, auch vorgetragen wird. Eine Verpflichtung des Gerichts, zunächst zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bestehen, und dann, wenn dies nicht der Fall ist, der Antragstellerin einen entsprechenden Hinweis zu erteilen, damit diese sich noch zur Frage der unbilligen Härte äußern kann, sieht das Gesetz nicht vor und ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch nicht geboten. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag inzwischen ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat, belegt das öffentliche Interesse an einer Vollziehung der Beitragsforderung. Gerade in einer solchen Situation ist die Antragsgegnerin gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sicherzustellen. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist in einem solchen Fall regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Zerstörung seiner Lebensgrundlage zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zur Zeit (so zum Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit LSG Nordrhein-Westfalen 10.01.2012, L 8 R 774/11 B ER, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der ständigen Praxis des Senats auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung - vorliegend also 1/2 aus 8.922,38 EUR, mithin 4.461,19 EUR - festgesetzt. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz (bisher: 2230,60 EUR) von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved