L 8 SB 1125/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 5050/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1125/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.02.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt noch die Neufeststellung seiner Behinderung mit einem GdB von wenigstens 40.

Der 1956 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Für ihn wurde zuletzt mit Bescheid vom 12.05.2004 ein GdB von 30 wegen einer seelischen Störung, Depression, eines Bluthochdrucks, und einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule festgestellt. Der dagegen gerichtete Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 21.07.2004) hatte keinen Erfolg. Die Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (S 10 SB 3461/04) nahm der Kläger zurück.

Am 01.12.2009 beantragte der Kläger eine Änderung der bisherigen Entscheidung. Dazu gab er an, unter einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom, einer Hypertonie und einer neurotischen Depression/Angstsyndrom zu leiden.

Der Beklagte zog Arztunterlagen beim Hausarzt des Klägers bei. Der Chirurg Dr. P. diagnostizierte in einem Arztbrief vom 27.12.2004 eine arterielle Verschlusskrankheit I. Grades. Der Kläger beklagte nächtliche Wadenkrämpfe. Der Puls am rechten Fußrücken sei nicht tastbar. Die Perfusionsdrucke seien ausreichend, Plaques könnten nicht nachgewiesen werden, so dass weitere Diagnostik nicht notwendig sei. Die venöse Funktionslage sei regelrecht. Am 02.02.2007 behandelte Dr. P. den Kläger operativ wegen eines schnellenden Zeigefingers rechts.

Der Orthopäde Dr. B. berichtete in einem Arztbrief von 15.02.2005 über eine Behandlung des Klägers wegen Schmerzen in der Halswirbelsäule (HWS). Es bestehe eine Bewegungseinschränkung mit Blockierung mehrerer Halswirbel, die chirotherapeutisch gelöst worden sei. Am 19.10.2007 stellte der Kläger sich nach einem Verhebetrauma mit Beschwerden in der Brustwirbelsäule (BWS) bei Dr. B. vor. Dieser stellte die Diagnose einer Dorsalgie bei Blockierungen und degenerativen Veränderungen sowie einen Hohlrundrücken fest. Auch diese behandelte er chirotherapeutisch. Am 17.07.2009 erfolgte eine Behandlung wegen einer Distorsion des linken Fußes.

Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. stellte in einem Brief vom 13.07.2005 Hinweise auf ein leichtgradiges Schlaf-Apnoe-Syndrom fest und verordnete Medikamente zur Nacht.

Der Kläger war am 10.11.2006 zur Untersuchung bei dem HNO-Arzt Dr. B. wegen Halsproblemen. Es bestand eine akute Pharyngitis, HWS-Beschwerden im Sinne von Muskelverspannungen, eine Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit beidseits und ein Schnarchen. Am 10.03.2008 behandelte Dr. B. ihn wegen Aphten im Mund.

Schließlich war der Kläger beim Psychiater Dr. G. in Behandlung. Dieser berichtete am 11.10.2007 über eine depressive Episode. Der Kläger sei ängstlich, depressiv und berichte über Schlafprobleme. Unter der Behandlung mit Medikamenten und stützenden Gesprächen sei es in der Folge zu einer Besserung der Symptomatik gekommen (Arztbrief vom 09.01.2008).

In der Zeit vom 30.03.2008 bis 03.04.2008 war der Kläger in stationärer Behandlung in der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses N. wegen einer Sigmadivertikulitis (Entlassungsbericht vom 31.03.2008). Es bestand eine erektile Dysfunktion aufgrund der Blutdruckmedikamente.

Der Urologe Dr. S. äußerte in einem Bericht vom 20.04.2009 den Verdacht auf eine Prostatitis. Der Kläger habe vermehrten Harndrang in ein- bis zweistündlichen Intervallen und ein gelegentliches leichtes Brennen beim Wasserlassen. Dr. S. empfahl eine Behandlung mit Antibiotika.

Der Beklagte holte einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 13.04.2010 ein. Er teilte mit, dass er den Kläger mehr oder weniger ständig alle drei bis vier Monate wegen einer Somatisierungsstörung und Hypochondrie behandele. Er klage immer wieder über starke Kopfschmerzen, habe Angst vor Krebs und verspüre am gesamten Körper vielfältige Schmerzen. Darüber hinaus bestünden Ein- und Durchschlafstörungen und eine innere Unruhe.

Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. Z., 01.05.2010) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2010 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Die Behinderungen bezeichnete er nunmehr wie folgt: Depression, seelische Störung, Psychovegetative Störungen, Bluthochdruck, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Prostatavergrößerung, Entleerungsstörung der Harnblase, Divertikulose, Schlafapnoe-Syndrom, Krampfadern, Arterielle Verschlusskrankheit des rechten Beines.

Dagegen erhob der Kläger am 28.06.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung er auf ein Attest von Dr. S. vom 19.07.2010 verwies.

Nach erneuter Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. K.-E. H., 04.10.2010) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 29.11.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung er vortrug, sein gesundheitlicher Zustand rechtfertige einen GdB von 50. Die bekannten Funktionsstörungen hätten sich nach Ausmaß und Schwere der Krankheit deutlich verschlechtert und es seien neue Funktionsbeeinträchtigungen hinzugekommen. Insbesondere ein "Weichteiltumor" in der Mundschleimhaut sei nicht berücksichtigt worden. Auch die Mundschleimhautzyste sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Es müsse eine Gesamtbetrachtung seines Gesundheitszustands erfolgen.

Das SG befragte erneut die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. teilte mit, dass der Kläger seit November 2009 nicht mehr bei ihm in Behandlung gewesen sei (Schreiben vom 08.03.2011). Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. schrieb am 06.03.2011, dass er den Kläger in Vertretung von dessen Hausarzt am 01.06.2010 wegen einer Mundschleimhautzyste rechts und am 04.06.2010 wegen einer oberflächlichen Schnittwunde am linken Kleinfinger behandelt habe.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. U. gab mit Datum vom 10.03.2011 an, er habe den Kläger am 02.08.2010 nach einer Herniotomie gesehen und die Arbeitsunfähigkeit beendet. Am 19.10.2010 habe der Kläger eine Quetschung des rechten Daumens erlitten. Im November 2010 habe er eine Angstreaktion wegen einer festgestellten Microhämaturie festgestellt. Die urologische Abklärung habe keinen pathologischen Befund erbracht. Der Kläger habe sich im Übrigen zur Blutdruckkontrolle und zur Behandlung einer kleineren äußeren Hämorrhoiden-Thrombose vorgestellt. Dazu legte Dr. U. einen Arztbrief des Urologen S. vom 10.12.2010, des Radiologen Dr. M. vom 23.07.2009 und einen Durchgangsarztbericht des Dr. S. vom 19.10.2010 vor. Aus einem Entlassungsbericht des Bauchzentrums des Klinikums C.-N. vom 23.07.2010 ergab sich, dass der Kläger wegen einer lateralen Leistenhernie rechts vom 23.07.2010 bis 26.07.2010 in stationärer Behandlung war. Die Leistenhernie wurde mittels einer Hernioplastik operativ behandelt.

Der Psychiater und Psychotherapeut Dr. S. beantwortete die Anfrage am 02.05.2011. Er teilte mit, der Kläger sei im Jahr 2010 zweimal bei ihm in Behandlung gewesen, danach nicht mehr. Er berichte immer über die gleiche Symptomatik in Form von starken Kopfschmerzen, frontal betont, Angst vor Krebs und anderen ähnlichen Krankheiten sowie vielfältige Schmerzen am gesamten Körper. Darüber hinaus bestünden Ein- und Durchschlafstörungen und innere Unruhe. Die Mimik und Gestik stelle sich deutlich demonstrativ schmerzbetont dar. Der Gedankengang sei inhaltlich eingeengt auf Hypochondrismen und die daraus resultierenden Angstzustände. Es bestehe eine erhöhte Affektlabilität mit Neigung zur Somatisierung. Die Behandlung erfolge sporadisch alle drei bis vier Monate mit stützenden Gespräche und kurzfristigen Krankmeldungen. Wegen der hartnäckigen Schlafstörungen erhalte der Kläger Anafranil 50 mg. Eine wesentliche Änderung des Zustandes habe sich nicht ergeben.

Der Urologe S. teilte am 09.05.2011 mit, der Kläger sei seit November 2009 nur einmal zur Abklärung der aufgefallenen Mikrohämaturie bei ihm in Behandlung gewesen. Er verwies auf einen Arztbrief vom 10.12.2010. Darin wurden neben einer mäßiggradigen Mikrohämaturie keine auffälligen Befunde beschrieben, eine Behandlung auf urologischem Fachgebiet sei nicht erforderlich.

Mit Urteil vom 09.02.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Mundschleimhautzyste bedinge keinen GdB von wenigstens 10. Funktionsbeeinträchtigungen seien insofern weder von Dr. K. noch vom Kläger selbst mitgeteilt worden. Auch die kleinere äußere Hämorrhoiden-Thrombose, die Microhämaturie und das Prostataadenom bedingten keinen messbaren GdB. Das gelte auch für die operierte Leistenhernie. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine Somatisierungsstörung und eine Hypochondrie, die mit einem Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen seien. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe kein GdB von 10. Weder der Kläger noch seine Ärzte hätten hier irgendwelche Funktionsbeeinträchtigungen mitgeteilt. Der schnellende Finger sei operativ behandelt, weder er noch die Distorsion des Fußgelenks bedinge einen GdB von wenigstens 10. Hinsichtlich des Schlaf-Apnoe-Syndroms liege kein höherer GdB als 10 vor. Es sei lediglich eine medikamentöse Behandlung notwendig. Der Blutdruck bedinge keinen GdB von wenigstens 10. Dr. U. habe lediglich Blutdruckkontrollen und die Gabe von Medikamenten berichtet, Funktionsbeeinträchtigungen seien insofern nicht aufgetreten. Auch die Befunde betreffend die Krampfadern und arterielle Verschlusskrankheit am rechten Bein zeigten keine Befunde, die einen GdB von 10 rechtfertigten. Der Gesamt-GdB sei mit 30 zutreffend festgestellt.

Gegen das ihm am 08.03.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.03.2012 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei zwar zutreffend, dass für seine Depression ein GdB von 30 festzustellen sei. Dazu komme aber die Hypochondrie, die zusätzlich zu bewerten sei. Auch bestünden Bluthochdruck und Beschwerden in der Wirbelsäule mit einem GdB von jeweils 10. Es sei auch unverständlich, warum das SG die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen Prostatavergrößerung, Entleerungsstörung der Harnblase, Divertikulose, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Krampfadern, Arterienverkalkung sowie schnellender Finger nicht mit einem GdB berücksichtigt habe. Diese auch vom Sozialgericht erfassten, aber nicht hinreichend bewerteten Krankheitsbilder führten zu einer Lebensunlust, mangelnder Willensfähigkeit und nachlassender sexueller Begierde. Deshalb fühle er sich als Versager. Das wiederum führe zu einer verstärkten Leidensspirale. Es könne zwar zutreffend sein, dass die Hämorrhoiden-Thrombose keinen GdB von wenigstens 10 bedinge. Er habe aber aufgrund seiner psychischen Verfassung dieselbe als Darmkrebs interpretiert und leide deshalb auch wie ein Darmkrebspatient psychisch. Zutreffend seien die Teil-GdB-Werte wie folgt anzunehmen: seelische Störung, Depression 30, Bluthochdruck 10, Wirbelsäule 20, Hypochondrie 20, Mundschleimhautzyste 10, Hämorrhoiden-Thrombose 10, Leistenhernie 10, schnellender Finger 10, Hypertonie 10, Sigmadivertikulitis 10, Krampfadern 10. Das rechtfertige einen GdB von wenigstens 50. Man müsse die Beschwerden wenigstens auf 40 zusammen ziehen.

Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.02.2012 und der Bescheid des Beklagten vom 27.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2010 werden aufgehoben und der Beklagte verurteilt, einen GdB von mindestens 40 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide und eine im Verfahren vor dem Sozialgericht vorgelegte Stellungnahme von Dr. K. vom 04.08.2011. Er schließt sich der angefochtenen Entscheidung an. Er hat darauf hingewiesen, dass für die psychischen Beschwerden nur ein GdB zu berücksichtigen sei.

Die Beteiligten sind mit richterlichem Hinweisschreiben vom 26.07.2012 auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens des Klägers wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gerichtsakten des SG und die beim Senat angefallene Akte Bezug genommen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 26.07.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.

Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG ), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 28. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2153), heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).

Hiervon ausgehend begründen die durch die vom Beklagten und vom SG durchgeführten Ermittlungen nachgewiesenen Behinderungen des Klägers zur Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 30.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorträgt, neben seiner Depression und seelischen Störung sei ein weiterer GdB von 20 für die Hypochondrie und ein GdB von 10 für die psychischen Leiden aufgrund der Hämorrhoiden-Thrombose anzuerkennen, übersieht er, dass es sich bei diesen Beschwerden ebenfalls um psychische Leiden im Sinne der Nr. 3.7 Teil B VG (Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen) handelt. Eine manifeste Depression hat Dr. S. gerade nicht bestätigt. Die vom Kläger als "allgemeine Lebensunlust, mangelnde Willensfähigkeit und nachlassende sexuelle Begierde" bezeichneten Beeinträchtigungen sind Auswirkungen der depressiven Entwicklung, die mit der Anerkennung einer Depression als Behinderung schon berücksichtigt ist. Daneben haben der Beklagte und das SG eine seelische Störung berücksichtigt, mit der bereits die Beeinträchtigung durch die Hypochondrie erfasst und gewürdigt wurde und die sich vor allem durch eine Angst vor einem Krebsleiden ausdrückt. Insofern kann die durch die Hämorrhoiden-Thrombose nach Vortrag des Klägers wieder aktuell gewordene Angst nicht noch einmal berücksichtigt werden. Ein höherer GdB als 30 ergibt sich daraus nicht.

Ob die Mundschleimhautzyste, die nichts anderes ist als der "Weichteiltumor", den der Kläger zusätzlich berücksichtigt habe möchte, einen GdB von wenigstens 10 bedingt, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls wirkt sich diese Beeinträchtigung nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB aus, denn eine besondere wechselseitige Beziehung mit der psychischen Beeinträchtigung ist insofern nicht erkennbar.

Leistenhernie und schnellender Finger sind inzwischen operativ beseitigt, so dass schon deshalb die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt sind. Sie bestehen nicht mindestens sechs Monate.

Seine Ansicht, dass die Wirbelsäulenbeschwerden, die zuletzt 2007 behandlungsbedürftig gewesen sind, mit einem GdB von 20 zu berücksichtigen sein sollen, hat der Kläger nicht begründet. Das gleiche gilt für seine Ansicht, dass mit Bluthochdruck und Hypertonie zweimal dieselbe Erkrankung, die darüber hinaus offenbar gut eingestellt ist, zu berücksichtigen ist. Der Senat hat insofern keine Anhaltspunkte, dass hier Funktionseinschränkungen nicht hinreichend bewertet worden sind.

Im Bezug auf die weiteren geltend gemachten Behinderungen und die Bildung des Gesamt-GdB nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil Bezug, § 153 Abs. 2 SGG. Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für geklärt.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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