Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 5113/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 157/12 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2009 geändert. Der Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verrechnung von Forderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungen der Beklagten.
Der 1939 geborene, sich in I aufhaltende Kläger bezieht von der Beklagten seit 1. November 2005 Regelaltersrente (RAR; Bescheid vom 1. Februar 2006; Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. März 2006 = 4.693,75 EUR). Die Beigeladene hatte die Beklagte bereits mit Ersuchen vom 8. April 1987 schriftlich zur Verrechnung rückständiger Gesamtsozi-alversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 1984 bis 30. April 1985 nebst Säumniszuschlagen und Kosten iHv insgesamt 6.434,10 DM ermächtigt. Auf Nachfrage der Beklagten nach Bewilligung der RAR teilte die Beigeladene mit, die dem Verrechnungsersuchen zugrunde liegende Forderung bestehe noch iHv "gegenwärtig" 7.162,76 EUR zuzüglich weiterer Säum-niszuschläge iHv monatlich 24,- EUR ab 16. Februar 2006 und beruhe auf dem öffentlich zugestellten und vollstreckbaren Bescheid vom 14. Mai 1999 (Schreiben vom 1. Februar 2006).
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 9. Februar 2006) erklärte die Beklagte diesem gegenüber, die Forderung der Beigeladenen werde mit der Hälfte der sich aus dem Bescheid vom 1. Februar 2006 ergebenden Rentennachzahlung iHv 2.346,87 EUR verrechnet. Ferner werde aus der laufenden Rentenzahlung ab 1. Mai 2006 (= 938,75 EUR monatlich) ein monatlicher Betrag iHv 220,- EUR im Verrechnungswege einbehalten (Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006). Die letzte Verrechnung erfolgte mit der Rentenzahlung für April 2008. Seit Mai 2008 zahlt die Beklagte dem Kläger die laufende Rente ungekürzt. An die Beigeladene überwies sie am 1. Juli 2009 den – verrechneten - Gesamtbetrag iHv 7.626,87 EUR (einbehaltene Nachzahlung iHv 2.346,87 EUR zzgl 24 Monatsbeträge à 220,- EUR von Mai 2006 bis April 2008).
Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, er werde durch die Verrechnung hilfebedürftig. Er legt eine Auskunft des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in M vom 31. Mai 2007 nebst Anlagen vor; hierauf wird Bezug genommen. Das Sozialgericht (SG) hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 und Erstattung der einbehaltenen Beträge bzw ungeschmälerte Auszahlung der RAR gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2009). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte sei gemäß § 52 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) iVm § 51 Abs. 2 SGB I berechtigt, die bezeichneten Forderungen der Beigeladenen mit der hälftigen RAR-Nachzahlung und iHv 220,- EUR mit den laufenden Rentenzahlungen zu verrechnen. Es habe eine Verrechnungslage vorgelegen. Die Beklagte habe die Verrechnung auch wirksam erklärt. Hil-febedürftigkeit des Klägers habe nicht vorgelegen bzw sei nicht eingetreten. Denn seine RAR habe auch nach Verrechnung weit über dem italienischen Existenzminimum gelegen bzw liege weit darüber. Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Berufungsschrift vom 20. April 2009 wird Bezug genommen.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die einbehaltenen Rentenbeträge in Höhe von 7.626,87 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Auf ihre Forderungsaufstellung vom 17. Juli 2012 wird Bezug genommen.
Die Rentenakten der Beklagten (3 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist, soweit er seine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 weiter verfolgt, begründet; im Übrigen, dh soweit der Kläger Leistungsklage auf Zahlung der einbehaltenen Rentenbeträge erhoben hat, ist die Berufung nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die Anfechtungsklage ist zulässig. Sie hat sich insbesondere nicht mit Abschluss der Verrechnung bereits erledigt, und zwar auf andere Weise iSv § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozial-verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Das Bundessozialgericht (BSG), dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat zwar im Urteil vom 27. März 2007 (– B 13 RJ 43/05 R – juris – mwN) die Auffassung vertreten, die Anfechtungsklage werde mit Abschluss der Verrechnung unzulässig. Zu prüfen wäre dann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für eine etwaige diesbezüglich zu betreibende Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers. Im dortigen Fall war aber die Leistungsklage auf Erstattung der einbehaltenen Beträge bereits rechtskräftig abgewiesen worden, und das BSG hatte nur noch über die Anfech-tungsklage zu entscheiden. Im Urteil vom 7. Februar 2012 (- B 13 R 85/09 R – juris) hat das BSG demgegenüber klargestellt, dass in Verrechnungsfällen "richtige Klageart die reine Anfechtungsklage" iSv § 54 Abs. 1 Alt. 1 SGG ist. Denn mit der Aufhebung des Verrech-nungsverwaltungsakts stehe fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen seien. So liegt der Fall auch vorliegend. Die neben der statthaften Anfechtungsklage vom Kläger erhobene Leistungsklage auf Rückzahlung der einbehaltenen Rentenbeträge ist somit unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür nicht ersichtlich ist. Die Pflicht der Beklagten zur Zahlung der verrechneten Rentenbeträge iHv 7.626,87 EUR folgt nämlich aus der insoweit wieder auflebenden – bestandskräftigen - Rentenbewilligung vom 1. Februar 2006.
In der Sache hat die zulässige Anfechtungsklage Erfolg.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31. Dezember 2004); ab 1. Januar 2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe – (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) wird (§ 51 Abs. 2 SGBI in der jeweiligen Fassung)
Der angefochtene Bescheid ist aber nicht deshalb aufzuheben, weil die Beklagte in Gestalt eines Verwaltungsakts entschieden hat. Die Beklagte durfte vielmehr einseitig die Verrechnung nur durch Verwaltungsakt erklären (vgl BSG (GS), Beschluss vom 31. August 2011 – GS 2/10 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4; anschließend BSG, Urteile vom 7. Februar 2012 – B 13 R 109/11 R – juris – und – B 13 R 85/09 R -). Der Bescheid vom 24. März 2006 ist auch hinreichend bestimmt iSv § 33 Abs. 1 SGB X.
Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Ver-fügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückge-griffen werden muss (vgl BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 2, Rn 13 mwN, stRspr). Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Verrechnungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn er verlautbart die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 7.162,76 EUR (vgl BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R -). Dass die Beklagte letztlich tatsächlich einen höheren Gesamtbetrag (7.626,87 EUR) verrechnet hat, ändert hieran nichts, sondern führt lediglich dazu, dass es iH des Differenzbetrags zu dem in den angefochtenen Bescheiden bezeichneten Gesamt-Verrechnungsbetrags bereits an einer Verwaltungsentscheidung über die Verrechnung fehlt und insoweit der Kläger ohnehin einen (Rück-)Zahlungsanspruch aus der zugrunde lie-genden Rentenbewilligung hat. Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger indes ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren. Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BSG aaO mwN).
Der Verrechnungsbescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerpruchsbescheides vom 2. August 2006 ist aber deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil nicht im erforderlichen Vollbeweis feststellbar ist, ob ab 1. November 2005 eine Verrechnungslage bestand. Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der RAR gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG aaO; BSG SozR 4-2500 § 255 Nr 1, Rn 26).
Ob die von der Beigeladenen zuletzt mit Schriftsatz vom 17. Juli 2012 bezifferte Forderung, die im Übrigen hinsichtlich der aufgelaufenen Säumniszuschläge nicht konkretisiert worden ist, ab dem oben genannten Zeitpunkt entstanden und fällig war, ist nicht ersichtlich. Der der Beitragsforderung ausweislich des Schreibens der Beigeladenen vom 1. Februar 2006 zugrunde liegende "Leistungsbescheid" vom 14. Mai 1999 liegt nicht vor und konnte von der Beigeladenen auch auf gerichtliche Nachfrage hin nicht vorgelegt werden. Es ist für das Gericht auch nicht nachprüfbar, ob ein Bescheid dieses Datums dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden wäre. Dies gilt schon deshalb, weil weder der Bescheid vorliegt noch überprüfbar wäre, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung, auf die sich die Beigeladene beruft, seinerzeit vorlagen. Auch aus dem Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vom 8. April 1987, das weit vor der Erstellung des von der Beigeladenen in Bezug genommenen Bescheides vom 14. Mai 1999 datiert, erhellt nichts Substantielles dazu, ob die dort bezeichnete(n) Forderung(en) entstanden und fällig waren. Letzteres lässt sich auch anhand des sich aus den Verwaltungsakten der Beklagten und den von der Beigeladenen übersandten Dokumenten ergebenden Sachverhalts nicht zweifelsfrei feststellen. Hinsichtlich des Verwaltungsvorgangs hat die Beigela-dene lediglich darauf verwiesen, dass dieser "derzeit nicht auffindbar" sei. Dies geht nach Ausschöpfung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Amtsermittlungsmöglichkeiten aber zu ihren Lasten bzw zu Lasten der die Verrechnungsentscheidung verlautbarenden Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verrechnung von Forderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungen der Beklagten.
Der 1939 geborene, sich in I aufhaltende Kläger bezieht von der Beklagten seit 1. November 2005 Regelaltersrente (RAR; Bescheid vom 1. Februar 2006; Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. März 2006 = 4.693,75 EUR). Die Beigeladene hatte die Beklagte bereits mit Ersuchen vom 8. April 1987 schriftlich zur Verrechnung rückständiger Gesamtsozi-alversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 1984 bis 30. April 1985 nebst Säumniszuschlagen und Kosten iHv insgesamt 6.434,10 DM ermächtigt. Auf Nachfrage der Beklagten nach Bewilligung der RAR teilte die Beigeladene mit, die dem Verrechnungsersuchen zugrunde liegende Forderung bestehe noch iHv "gegenwärtig" 7.162,76 EUR zuzüglich weiterer Säum-niszuschläge iHv monatlich 24,- EUR ab 16. Februar 2006 und beruhe auf dem öffentlich zugestellten und vollstreckbaren Bescheid vom 14. Mai 1999 (Schreiben vom 1. Februar 2006).
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 9. Februar 2006) erklärte die Beklagte diesem gegenüber, die Forderung der Beigeladenen werde mit der Hälfte der sich aus dem Bescheid vom 1. Februar 2006 ergebenden Rentennachzahlung iHv 2.346,87 EUR verrechnet. Ferner werde aus der laufenden Rentenzahlung ab 1. Mai 2006 (= 938,75 EUR monatlich) ein monatlicher Betrag iHv 220,- EUR im Verrechnungswege einbehalten (Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006). Die letzte Verrechnung erfolgte mit der Rentenzahlung für April 2008. Seit Mai 2008 zahlt die Beklagte dem Kläger die laufende Rente ungekürzt. An die Beigeladene überwies sie am 1. Juli 2009 den – verrechneten - Gesamtbetrag iHv 7.626,87 EUR (einbehaltene Nachzahlung iHv 2.346,87 EUR zzgl 24 Monatsbeträge à 220,- EUR von Mai 2006 bis April 2008).
Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, er werde durch die Verrechnung hilfebedürftig. Er legt eine Auskunft des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in M vom 31. Mai 2007 nebst Anlagen vor; hierauf wird Bezug genommen. Das Sozialgericht (SG) hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 und Erstattung der einbehaltenen Beträge bzw ungeschmälerte Auszahlung der RAR gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2009). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte sei gemäß § 52 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) iVm § 51 Abs. 2 SGB I berechtigt, die bezeichneten Forderungen der Beigeladenen mit der hälftigen RAR-Nachzahlung und iHv 220,- EUR mit den laufenden Rentenzahlungen zu verrechnen. Es habe eine Verrechnungslage vorgelegen. Die Beklagte habe die Verrechnung auch wirksam erklärt. Hil-febedürftigkeit des Klägers habe nicht vorgelegen bzw sei nicht eingetreten. Denn seine RAR habe auch nach Verrechnung weit über dem italienischen Existenzminimum gelegen bzw liege weit darüber. Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Berufungsschrift vom 20. April 2009 wird Bezug genommen.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die einbehaltenen Rentenbeträge in Höhe von 7.626,87 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Auf ihre Forderungsaufstellung vom 17. Juli 2012 wird Bezug genommen.
Die Rentenakten der Beklagten (3 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist, soweit er seine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 weiter verfolgt, begründet; im Übrigen, dh soweit der Kläger Leistungsklage auf Zahlung der einbehaltenen Rentenbeträge erhoben hat, ist die Berufung nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die Anfechtungsklage ist zulässig. Sie hat sich insbesondere nicht mit Abschluss der Verrechnung bereits erledigt, und zwar auf andere Weise iSv § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozial-verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Das Bundessozialgericht (BSG), dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat zwar im Urteil vom 27. März 2007 (– B 13 RJ 43/05 R – juris – mwN) die Auffassung vertreten, die Anfechtungsklage werde mit Abschluss der Verrechnung unzulässig. Zu prüfen wäre dann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für eine etwaige diesbezüglich zu betreibende Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers. Im dortigen Fall war aber die Leistungsklage auf Erstattung der einbehaltenen Beträge bereits rechtskräftig abgewiesen worden, und das BSG hatte nur noch über die Anfech-tungsklage zu entscheiden. Im Urteil vom 7. Februar 2012 (- B 13 R 85/09 R – juris) hat das BSG demgegenüber klargestellt, dass in Verrechnungsfällen "richtige Klageart die reine Anfechtungsklage" iSv § 54 Abs. 1 Alt. 1 SGG ist. Denn mit der Aufhebung des Verrech-nungsverwaltungsakts stehe fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen seien. So liegt der Fall auch vorliegend. Die neben der statthaften Anfechtungsklage vom Kläger erhobene Leistungsklage auf Rückzahlung der einbehaltenen Rentenbeträge ist somit unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür nicht ersichtlich ist. Die Pflicht der Beklagten zur Zahlung der verrechneten Rentenbeträge iHv 7.626,87 EUR folgt nämlich aus der insoweit wieder auflebenden – bestandskräftigen - Rentenbewilligung vom 1. Februar 2006.
In der Sache hat die zulässige Anfechtungsklage Erfolg.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31. Dezember 2004); ab 1. Januar 2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe – (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) wird (§ 51 Abs. 2 SGBI in der jeweiligen Fassung)
Der angefochtene Bescheid ist aber nicht deshalb aufzuheben, weil die Beklagte in Gestalt eines Verwaltungsakts entschieden hat. Die Beklagte durfte vielmehr einseitig die Verrechnung nur durch Verwaltungsakt erklären (vgl BSG (GS), Beschluss vom 31. August 2011 – GS 2/10 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4; anschließend BSG, Urteile vom 7. Februar 2012 – B 13 R 109/11 R – juris – und – B 13 R 85/09 R -). Der Bescheid vom 24. März 2006 ist auch hinreichend bestimmt iSv § 33 Abs. 1 SGB X.
Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Ver-fügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückge-griffen werden muss (vgl BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 2, Rn 13 mwN, stRspr). Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Verrechnungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn er verlautbart die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 7.162,76 EUR (vgl BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R -). Dass die Beklagte letztlich tatsächlich einen höheren Gesamtbetrag (7.626,87 EUR) verrechnet hat, ändert hieran nichts, sondern führt lediglich dazu, dass es iH des Differenzbetrags zu dem in den angefochtenen Bescheiden bezeichneten Gesamt-Verrechnungsbetrags bereits an einer Verwaltungsentscheidung über die Verrechnung fehlt und insoweit der Kläger ohnehin einen (Rück-)Zahlungsanspruch aus der zugrunde lie-genden Rentenbewilligung hat. Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger indes ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren. Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BSG aaO mwN).
Der Verrechnungsbescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerpruchsbescheides vom 2. August 2006 ist aber deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil nicht im erforderlichen Vollbeweis feststellbar ist, ob ab 1. November 2005 eine Verrechnungslage bestand. Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der RAR gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG aaO; BSG SozR 4-2500 § 255 Nr 1, Rn 26).
Ob die von der Beigeladenen zuletzt mit Schriftsatz vom 17. Juli 2012 bezifferte Forderung, die im Übrigen hinsichtlich der aufgelaufenen Säumniszuschläge nicht konkretisiert worden ist, ab dem oben genannten Zeitpunkt entstanden und fällig war, ist nicht ersichtlich. Der der Beitragsforderung ausweislich des Schreibens der Beigeladenen vom 1. Februar 2006 zugrunde liegende "Leistungsbescheid" vom 14. Mai 1999 liegt nicht vor und konnte von der Beigeladenen auch auf gerichtliche Nachfrage hin nicht vorgelegt werden. Es ist für das Gericht auch nicht nachprüfbar, ob ein Bescheid dieses Datums dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden wäre. Dies gilt schon deshalb, weil weder der Bescheid vorliegt noch überprüfbar wäre, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung, auf die sich die Beigeladene beruft, seinerzeit vorlagen. Auch aus dem Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vom 8. April 1987, das weit vor der Erstellung des von der Beigeladenen in Bezug genommenen Bescheides vom 14. Mai 1999 datiert, erhellt nichts Substantielles dazu, ob die dort bezeichnete(n) Forderung(en) entstanden und fällig waren. Letzteres lässt sich auch anhand des sich aus den Verwaltungsakten der Beklagten und den von der Beigeladenen übersandten Dokumenten ergebenden Sachverhalts nicht zweifelsfrei feststellen. Hinsichtlich des Verwaltungsvorgangs hat die Beigela-dene lediglich darauf verwiesen, dass dieser "derzeit nicht auffindbar" sei. Dies geht nach Ausschöpfung der dem Gericht zur Verfügung stehenden Amtsermittlungsmöglichkeiten aber zu ihren Lasten bzw zu Lasten der die Verrechnungsentscheidung verlautbarenden Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
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