Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 EG 4136/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 232/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.12.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld (ErzG) für die Zeit vom 12.11.2004 bis 11.11.2006 zusteht.
Die Klägerin und deren Ehemann sind Eltern des 2004 geborenen Kindes J. S ... Sie war als kaufmännische Angestellte beschäftigt und nahm nach der Geburt des Kindes Elternzeit bis zum 01.12.2007 in Anspruch. Die BKK Fahr zahlte der Klägerin vom 27.09.2004 bis 07.01.2005 Mutterschaftsgeld iHv kalendertäglich 42,64 EUR.
Am 04.08.2009 gab der Ehemann der Klägerin im Bürgerbüro der Stadt B. die unter dem 01.03.2005 unterschriebenen Anträge auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld ab und bat um Prüfung, ob diese Antragsunterlagen nicht bereits 2005 beim Bürgerbüro eingegangen sind. Hierauf antwortete das Bürgerbüro der Stadt B. den Eheleuten mit Schreiben vom 05.08.2009. Es teilte mit, eine Überprüfung der Listen aus den Jahren 2005 bis 2009 habe ergeben, dass der Antrag in keiner Listen erfasst sei und daher auch nicht im Bürgerbüro eingegangen sein könne. Zudem sei auf dem Antragsformular kein Eingangsstempel abgedruckt, welcher bei Abgabe im Bürgerbüro regelmäßig von den Mitarbeitern dort angebracht werde.
Am 20.10.2009 gingen bei der Beklagten der unter dem 01.03.2005 unterschriebene Antrag auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes sowie der ebenfalls unter dem Datum des 01.03.2005 unterschriebene Antrag der Klägerin auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld für das zweite Lebensjahr des Kindes ein. Die Klägerin beantragte jeweils die Zahlung des Erziehungsgeldes als Regelbetrag. Zu ihrem Antrag führte die Klägerin aus, ihr Ehemann habe vor vier Jahren - am 01.03.2005 - den Antrag auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld beim Bürgermeisteramt in B. abgegeben. Ihm sei gesagt worden, der Antrag werde sofort an die "LEG-Stelle" weiter geleitet und er erhalte baldmöglichst einen Rückruf. Anfang Juli 2009 hätten sie den Antrag mit einem aufgeklebten Zettel mit dem Vermerk "Rathaus" zurückerhalten. Sie hätten dann versucht, beim Bürgermeisteramt eine Bescheinigung über den rechtzeitigen Eingang des Antrags zu erhalten. Dies sei aber nicht gelungen. In einem den Anträgen beigefügten Schreiben des Bürgermeisteramtes der Stadt B. vom 12.10.09 wird ausgeführt, Anträge auf Bundeserziehungsgeld würden dort nur auf Vollständigkeit geprüft. Vollständige Anträge würden in eine Liste eingetragen und an die L-Bank weitergeleitet. Unvollständige Anträge würden zurückgegeben. So sei davon auszugehen, dass der Antrag auch bei einer früheren Vorlage wegen Unvollständigkeit nicht angenommen, sondern sofort an die Klägerin zur Vervollständigung zurückgegeben worden sei. Die Beklagte lehnte mit zwei Bescheiden vom 21.10.2009 die Gewährung von Bundeserziehungsgeld ab. Gemäß § 4 Abs 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) werde Erziehungsgeld rückwirkend höchstens für sechs Monate vor Antragstellung gewährt. Da die Antragstellung nicht fristgemäß erfolgt sei, könne kein Bundeserziehungsgeld gewährt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.11.2009 Widerspruch. Sie machte geltend, die Stadt B. habe 2005 pflichtwidrig die Entgegennahme der Anträge verhindert. Damit sei ihr das wichtigste Beweismittel für die Rechtzeitigkeit des Eingangs ihres Antrags - der Eingangsstempel sowie der Eintrag in die Jahresliste - vorenthalten worden. Jetzt sei es nicht mehr ihre Sache, den rechtzeitigen Eingang nachzuweisen. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 17.11.2009 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Klägerin habe die Antragsfrist versäumt. Nachdem ihr der Antrag im Jahr 2005 wieder mitgegeben worden sei, habe sie damals keinen wirksamen Antrag gestellt. Die Klägerin habe die Unterlagen später weder vervollständigt noch direkt bei der L- Bank eingereicht, was ebenfalls möglich gewesen wäre.
Am 14.12.09 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und ihr Begehren fortgeführt. Sie hat ausgeführt, ihr Ehemann habe den Antrag Anfang März 2005 beim Bürgermeisteramt in B. abgegeben. Die dort zuständige Dame habe den Antrag entgegen genommen und in eine Liste eingetragen. Diese habe darauf hingewiesen, dass der Antrag unvollständig sei und die Einkommensunterlagen fehlten. Etwa ein halbes Jahr später seien ihnen die Unterlagen wieder zugeschickt worden mit der Bitte, sie erneut abzugeben, sobald sie vollständig seien. Bereits 2006 seien die Unterlagen noch einmal bei der Stadt B. eingereicht worden. Man habe sie in den Briefkasten geworfen. Sie seien allerdings immer noch unvollständig gewesen, da die Unterlagen zur Erstellung der Einkommenssteuererklärung bei einem Einbruch im Oktober 2005 abhanden gekommen seien. Anfang des Jahres 2009 habe man die Unterlagen mit dem Vermerk "Rathaus" zurückbekommen. Die nochmalige Entgegennahme des Antrags habe eine Mitarbeiterin im Rathaus in B. abgelehnt, da der Antrag verspätet sei. Anschließend habe sie dann den Antrag direkt bei der Beklagten eingereicht. Dieser Antrag dürfe nicht wegen Verfristung zurückgewiesen werden. Denn auch unvollständige Anträge seien sofort an die zuständige Behörde weiterzuleiten und wahrten die Antragsfrist. Dass die Stadt B. ihren Antrag pflichtwidrig nicht weitergeleitet habe, können ihnen nicht entgegengehalten werden.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung von Bundeserziehungsgeld. Die Klägerin habe die Frist des § 4 Abs 2 Satz 3 BErzGG nicht eingehalten, da ihr Antrag erst im Oktober 2009 bei der Beklagten eingegangen sei. Dass der Antrag bereits früher bei der Stadt B. eingegangen sei, habe die Klägerin nicht darlegen können. Es spreche nichts dafür, dass sie oder ihr Ehemann den Antrag tatsächlich beim Bürgermeisteramt in B. abgegeben hätten und dieser dort behalten worden sei. Sie habe keinen Nachweis über die Entgegennahme des Antrags beibringen können. Auch die übrigen Umstände sprächen gegen die Entgegennahme eines Antrags. Denn es entspreche nicht der Lebenserfahrung, dass ein Antrag weder einen Eingangsstempel erhalte noch bearbeitet und ohne Begleitschreiben zurückgeschickt werde. Gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin spreche weiter, dass sie zunächst geltend machte, man habe ihrem Ehemann im Bürgermeisteramt gesagt, der Antrag werde sofort weitergeleitet. Später habe sie den Sachverhalt so dargestellt, dass der Antrag, obwohl er unvollständig gewesen sei, dabehalten worden sei. Dass die Unterlagen an die L-Bank weitergeleitet werden würden, habe sie nicht mehr vorgetragen. Vielmehr habe sie darauf verwiesen, man habe ihr die Unterlagen im Herbst 2005 zurückgeschickt und sie hätte diese dann 2006 nochmals eingereicht.
Gegen den ihr am 23.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19.01.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe den Sachverhalt nicht richtig erfasst. Es sei von Anfang an vorgebracht worden, dass der Antrag im Bürgermeisteramt dabehalten worden sei, um ihn weiterzuleiten, nicht um ihn einfach nur liegen zu lassen, bis die Unterlagen vollständig seien, was auch nicht zulässig gewesen wäre. Die Sachbearbeiterin, die den Antrag entgegen genommen habe, sei zum Sachverhalt nie gehört worden. Die Stadt B. sei daher gerichtlich aufzufordern, die Zeugin namentlich zu benennen. Ferner werde beantragt, ihren Ehemann persönlich zu befragen. Ihr Ehemann und sie seien davon ausgegangen, dass der Antrag auf Bundeserziehungsgeld ordnungsgemäß erfasst und weitergeleitet worden sei. Sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, sei nicht angezeigt gewesen, da der Antrag ja erst mit Eingang aller Unterlagen abschließend habe bearbeitet werden können und ihr der Steuerbescheid für das Jahr 2003 erst im Jahr 2009 vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.12.2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21.10.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 12.11.2004 bis zum 11.11.2006 Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat mit Schreiben vom 01.06.2011 ua darauf hingewiesen, dass es für eine wirksame Antragstellung nicht darauf ankomme, dass dem Antrag alle notwendigen weiteren Unterlagen beigefügt seien. Auch sei das Antragsverfahren nicht an eine bestimmte Form gebunden. Mit Schriftsatz vom 21.06.2011 hat die Beklagte ausgeführt, dass nicht nachgewiesen sei, dass überhaupt ein Antrag gestellt worden sei.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage erörtert. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses wird auf Blatt 52 bis 54 der Senatsakte Bezug genommen. In diesem Termin hat der Ehemann der Klägerin ua ausgeführt:
"Wir hatten damals eine sehr schwierige Geburt und meiner Frau ging es auch nicht so gut damals. Sie war schwach, deshalb habe ich mich um alles gekümmert. Wir waren damals auch finanziell etwas schwach. Ich konnte damals den Steuerberater nicht bezahlen, weshalb er damals Unterlagen auch nicht herausgegeben hat. Diese Unterlagen hätte ich aber für den vorliegenden Antrag gebraucht, deshalb war ich auf dem Rathaus und wollte den Antrag unvollständig abgeben. Die Dame dort hat mir gesagt, dass der Antrag unvollständig sei und sie ihn nicht nehmen würde. Sie hat ihn mir wieder zurückgegeben. Ich habe gesehen, dass die Mitarbeiterin meinen Antrag ebenso eingetragen hat, wo weiß ich nicht mehr. Ich weiß auch nicht, ob sie lediglich meine Anwesenheit eingetragen hat."
Auf Anfrage des Senats hat die Stadt B. die Namen der im März 2005 im Bürgerbüro beschäftigten Mitarbeiter mitgeteilt. Die Klägerin hat hierzu mit Schreiben vom 09.05.2012 mitgeteilt, Zeugen nicht benennen zu können, da sie von der Stadt B. keinerlei Angaben über den Wohnsitz der Zeugin erhalten habe. Eine Nachfrage des Senats bei der Klägerin, weshalb der Wohnsitz von Bedeutung sei, ist unbeantwortet geblieben. Der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.09.2012 ist die Klägerin ohne Begründung ferngeblieben, obwohl der Senat das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ErzG für ihr Kind J. S.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf ErzG sind die Vorschriften des BErzGG idF der Bekanntmachung vom 09.02.2004 (BGBl I S 206). Danach hat Anspruch auf Erziehungsgeld (§ 1 Abs 1 Satz 1 BErzGG), wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen bei Beginn des Leistungszeitraums vorliegen (§ 1 Abs 1 Sätze 1 und 2 BErzGG). ErzG wird unter Beachtung der Einkommensgrenzen des § 5 Abs 3 BErzGG vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats (Budget) oder bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats (Regelbetrag) gezahlt (§ 4 Abs 1 Satz 1 BErzGG). ErzG ist schriftlich für jeweils ein Lebensjahr zu beantragen (§ 4 Abs 2 Satz 1 BErzGG). Rückwirkend wird ErzG höchstens für sechs Monate vor der Antragstellung bewilligt (§ 4 Abs 2 Satz 2 BErzGG).
Der ErzG-Antrag iSd § 4 Abs 2 Satz 1 BerzGG ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anwendung finden (§§ 130 ff BGB). Mit der Willenserklärung des Antragstellenden muss mithin lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass ErzG-Leistungen begehrt werden. Bei der Beurteilung, ob und welche Leistungen beantragt werden sollen, ist dabei der wirkliche Wille des Antragstellers zu erforschen (so zum SGB II vgl BSG 28.10.2009, B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 1 = juris). § 4 Abs 2 BErzGG knüpft an den so verstandenen Antrag lediglich das formelle Erfordernis der Schriftlichkeit. Weitere Erfordernisse, zB die Beifügung von Nachwiesen, Bestätigungen, Unterlagen oder die Verwendung eines bestimmten Antragsformulars, sind sinnvoll aber im BErzGG nicht bestimmt. Daher darf bei einem Begehren nach ErzG-Leistungen eine wirksame Antragstellung nicht erst angenommen werden, wenn der schriftliche Antrag mit vollständigen Nachwiesen unter Verwendung der von der Beklagten ausgegebenen Vordrucke eingereicht wird. Ein wirksamer Antrag liegt vielmehr bereits dann vor, wenn sich aus dem wegen § 4 Abs 2 Satz 1 BErzGG schriftlichen Vorbringen entnehmen lässt, dass eine Sozialleistung - hier ErzG - begehrt wird. Damit darf auch die Antragsannahme nicht von der Vollständigkeit der vorgelegten Unterlagen, sondern nur von der Schriftlichkeit des ErzG-Begehrens abhängig gemacht werden. Auch soweit gemäß § 60 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die von der Beklagten vorgesehenen Vordrucke verwendet werden sollen, bedeutet dies nicht, dass Anträge, die diesem Erfordernis nicht entsprechen, nicht angenommen werden können. Vielmehr handelt es sich bei § 60 Abs 2 SGB I um eine als "Soll-Vorschrift" ausgestaltete Obliegenheit, die der Verwaltungsvereinfachung, aber nicht der Beschneidung von sozialen Rechten dient. Wird gegen die Obliegenheit verstoßen, bestimmen sich die Rechte der Verwaltung nach § 66 SGB I; ein Recht zur Verweigerung der Annahme unvollständiger Anträge ergibt daraus aber nicht.
Das von der Stadt B. selbst beschriebene Vorgehen, nur vollständige Anträge anzunehmen und bei Fehlen von Teilen des Antragsformulars bzw von ergänzenden Nachweisen den Antrag nicht zu erfassen, sondern zurückzugeben, steht damit nicht im Einklang mit dem Gesetz. Doch führt dies noch nicht dazu, den Eingang (Zugang) eines Antrages auf Leistungen nach dem BErzGG vor dem 04.08.2009 anzunehmen. Denn es steht nicht fest, ob die Klägerin oder ihr Ehemann bereits vor dem 04.08.2009 bei der Stadt B. einen Antrag auf BErzg gestellt hat. Diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Klägerin, da sie sich auf einen rechtzeitigen Zugang des Antrages beruft. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts war dem Senat nicht möglich, da die Klägerin trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens und der Ladung zur mündlichen Verhandlung zu diesem Termin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen ist. Der Senat war auch nicht verpflichtet, "ins Blaue hinein" alle im Jahr 2005 im Bürgerbüro der Stadt B. beschäftigten Mitarbeiter zu befragen bzw als Zeugen zu vernehmen, zumal die Stadt B. bereits mehrfach schriftlich mitgeteilt hatte, dass ein Eingang des Antrags vom 01.03.2005 nicht festgestellt werden könne. Bei dieser Sachlage ist durch eine Vernehmung der (früheren) Mitarbeiter im Bürgerbüro keine weitergehende Information zu erwarten.
Der Umstand, dass nicht mehr festgestellt werden kann, ob und wann die Klägerin einen Antrag auf ErzG bei der Stadt B. eingereicht hat, geht auch deshalb zu Lasten der Klägerin, weil diese wichtige Unterlagen, die ihre Version bestätigen könnten, nicht vorlegen kann. So trägt sie in ihrer Klagebegründung vor, die Stadt B. habe den - zunächst einbehaltenen - Antrag per Post wieder zurückgeschickt mit der Bitte, den Antrag beim Landratsamt B. erneut abzugeben, sobald die Unterlagen vollständig seien. Dieses Schreiben, an dessen Inhalt sich die Klägerin noch genau zu erinnern glaubt, konnte sie ebenso wenig vorlegen wie den Brief, mit dem die im Jahr 2006 angeblich erneut eingereichten Unterlagen im Jahr 2009 wiederum - dieses Mal mit dem Vermerk "Rathaus" - zurückgesandt worden sein sollen. Unverständlich ist das Vorbringen in der Klageschrift auch, soweit die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe, nachdem er den Steuerbescheid für das Jahr 2003 erhalten hatte, persönlich auf dem Rathaus in Weilstetten vorgesprochen, man habe aber die Entgegennahme des Antrags nach Rücksprache mit der Stadt B. "wegen Verspätung" abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Ehemann der Klägerin den Antrag vom 01.03.2005 gar nicht mehr abgeben können. Denn den Steuerbescheid für das Jahr 2003 hat er frühestens im Jahr 2007 erhalten; der Bescheid datiert vom 17.07.2007 (Bl 13 der Verwaltungsakte). Zu diesem Zeitpunkt befand sich der angebliche Antrag aber noch bei der Stadt B., denn der Ehemann der Klägerin soll den Antrag - wiederum nach dem Vorbringen der Klägerin - im Jahr 2006 noch einmal abgegeben und erst Anfang 2009 zurückerhalten haben.
Ausgehend von der bestätigten Vorsprache der Klägerin am 04.08.2009 war die Frist des § 4 Abs 2 Satz 2 BErzGG für das am 12.11.2004 geborene Kind längst abgelaufen. Innerhalb des vor dem 04.08.2009 liegenden Sechsmonatszeitraumes hatte die Klägerin keinen Anspruch auf ErzG. ErzG war daher nicht zu gewähren.
Zwar ist grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, einem Berechtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) zu gewähren, wenn dieser es unverschuldet versäumt hat, rechtzeitig ErzG zu beantragen. Nachdem die Klägerin von der Beklagten rechtzeitig - zB auch im Antragsformular für die ErzG-Leistungen und in den dazu ausgegebenen Hinweisen - darauf hingewiesen worden war, dass ErzG nur auf Antrag hin zu gewähren ist und der Antrag für das zweite Lebensjahr frühestens ab dem neunten Lebensmonat gestellt werden kann (vgl dazu Bl 32 der Verwaltungsakte) und auch sonst keine Umstände vorliegen, weshalb die Klägerin den Antrag für das erste und später für das zweite Lebensjahr unverschuldet nicht rechtzeitig gestellt hat, kommt auch eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist für Leistungen des zweiten Lebensjahres des Kindes gemäß § 27 SGB X nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld (ErzG) für die Zeit vom 12.11.2004 bis 11.11.2006 zusteht.
Die Klägerin und deren Ehemann sind Eltern des 2004 geborenen Kindes J. S ... Sie war als kaufmännische Angestellte beschäftigt und nahm nach der Geburt des Kindes Elternzeit bis zum 01.12.2007 in Anspruch. Die BKK Fahr zahlte der Klägerin vom 27.09.2004 bis 07.01.2005 Mutterschaftsgeld iHv kalendertäglich 42,64 EUR.
Am 04.08.2009 gab der Ehemann der Klägerin im Bürgerbüro der Stadt B. die unter dem 01.03.2005 unterschriebenen Anträge auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld ab und bat um Prüfung, ob diese Antragsunterlagen nicht bereits 2005 beim Bürgerbüro eingegangen sind. Hierauf antwortete das Bürgerbüro der Stadt B. den Eheleuten mit Schreiben vom 05.08.2009. Es teilte mit, eine Überprüfung der Listen aus den Jahren 2005 bis 2009 habe ergeben, dass der Antrag in keiner Listen erfasst sei und daher auch nicht im Bürgerbüro eingegangen sein könne. Zudem sei auf dem Antragsformular kein Eingangsstempel abgedruckt, welcher bei Abgabe im Bürgerbüro regelmäßig von den Mitarbeitern dort angebracht werde.
Am 20.10.2009 gingen bei der Beklagten der unter dem 01.03.2005 unterschriebene Antrag auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes sowie der ebenfalls unter dem Datum des 01.03.2005 unterschriebene Antrag der Klägerin auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld für das zweite Lebensjahr des Kindes ein. Die Klägerin beantragte jeweils die Zahlung des Erziehungsgeldes als Regelbetrag. Zu ihrem Antrag führte die Klägerin aus, ihr Ehemann habe vor vier Jahren - am 01.03.2005 - den Antrag auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld beim Bürgermeisteramt in B. abgegeben. Ihm sei gesagt worden, der Antrag werde sofort an die "LEG-Stelle" weiter geleitet und er erhalte baldmöglichst einen Rückruf. Anfang Juli 2009 hätten sie den Antrag mit einem aufgeklebten Zettel mit dem Vermerk "Rathaus" zurückerhalten. Sie hätten dann versucht, beim Bürgermeisteramt eine Bescheinigung über den rechtzeitigen Eingang des Antrags zu erhalten. Dies sei aber nicht gelungen. In einem den Anträgen beigefügten Schreiben des Bürgermeisteramtes der Stadt B. vom 12.10.09 wird ausgeführt, Anträge auf Bundeserziehungsgeld würden dort nur auf Vollständigkeit geprüft. Vollständige Anträge würden in eine Liste eingetragen und an die L-Bank weitergeleitet. Unvollständige Anträge würden zurückgegeben. So sei davon auszugehen, dass der Antrag auch bei einer früheren Vorlage wegen Unvollständigkeit nicht angenommen, sondern sofort an die Klägerin zur Vervollständigung zurückgegeben worden sei. Die Beklagte lehnte mit zwei Bescheiden vom 21.10.2009 die Gewährung von Bundeserziehungsgeld ab. Gemäß § 4 Abs 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) werde Erziehungsgeld rückwirkend höchstens für sechs Monate vor Antragstellung gewährt. Da die Antragstellung nicht fristgemäß erfolgt sei, könne kein Bundeserziehungsgeld gewährt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.11.2009 Widerspruch. Sie machte geltend, die Stadt B. habe 2005 pflichtwidrig die Entgegennahme der Anträge verhindert. Damit sei ihr das wichtigste Beweismittel für die Rechtzeitigkeit des Eingangs ihres Antrags - der Eingangsstempel sowie der Eintrag in die Jahresliste - vorenthalten worden. Jetzt sei es nicht mehr ihre Sache, den rechtzeitigen Eingang nachzuweisen. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 17.11.2009 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Klägerin habe die Antragsfrist versäumt. Nachdem ihr der Antrag im Jahr 2005 wieder mitgegeben worden sei, habe sie damals keinen wirksamen Antrag gestellt. Die Klägerin habe die Unterlagen später weder vervollständigt noch direkt bei der L- Bank eingereicht, was ebenfalls möglich gewesen wäre.
Am 14.12.09 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und ihr Begehren fortgeführt. Sie hat ausgeführt, ihr Ehemann habe den Antrag Anfang März 2005 beim Bürgermeisteramt in B. abgegeben. Die dort zuständige Dame habe den Antrag entgegen genommen und in eine Liste eingetragen. Diese habe darauf hingewiesen, dass der Antrag unvollständig sei und die Einkommensunterlagen fehlten. Etwa ein halbes Jahr später seien ihnen die Unterlagen wieder zugeschickt worden mit der Bitte, sie erneut abzugeben, sobald sie vollständig seien. Bereits 2006 seien die Unterlagen noch einmal bei der Stadt B. eingereicht worden. Man habe sie in den Briefkasten geworfen. Sie seien allerdings immer noch unvollständig gewesen, da die Unterlagen zur Erstellung der Einkommenssteuererklärung bei einem Einbruch im Oktober 2005 abhanden gekommen seien. Anfang des Jahres 2009 habe man die Unterlagen mit dem Vermerk "Rathaus" zurückbekommen. Die nochmalige Entgegennahme des Antrags habe eine Mitarbeiterin im Rathaus in B. abgelehnt, da der Antrag verspätet sei. Anschließend habe sie dann den Antrag direkt bei der Beklagten eingereicht. Dieser Antrag dürfe nicht wegen Verfristung zurückgewiesen werden. Denn auch unvollständige Anträge seien sofort an die zuständige Behörde weiterzuleiten und wahrten die Antragsfrist. Dass die Stadt B. ihren Antrag pflichtwidrig nicht weitergeleitet habe, können ihnen nicht entgegengehalten werden.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung von Bundeserziehungsgeld. Die Klägerin habe die Frist des § 4 Abs 2 Satz 3 BErzGG nicht eingehalten, da ihr Antrag erst im Oktober 2009 bei der Beklagten eingegangen sei. Dass der Antrag bereits früher bei der Stadt B. eingegangen sei, habe die Klägerin nicht darlegen können. Es spreche nichts dafür, dass sie oder ihr Ehemann den Antrag tatsächlich beim Bürgermeisteramt in B. abgegeben hätten und dieser dort behalten worden sei. Sie habe keinen Nachweis über die Entgegennahme des Antrags beibringen können. Auch die übrigen Umstände sprächen gegen die Entgegennahme eines Antrags. Denn es entspreche nicht der Lebenserfahrung, dass ein Antrag weder einen Eingangsstempel erhalte noch bearbeitet und ohne Begleitschreiben zurückgeschickt werde. Gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin spreche weiter, dass sie zunächst geltend machte, man habe ihrem Ehemann im Bürgermeisteramt gesagt, der Antrag werde sofort weitergeleitet. Später habe sie den Sachverhalt so dargestellt, dass der Antrag, obwohl er unvollständig gewesen sei, dabehalten worden sei. Dass die Unterlagen an die L-Bank weitergeleitet werden würden, habe sie nicht mehr vorgetragen. Vielmehr habe sie darauf verwiesen, man habe ihr die Unterlagen im Herbst 2005 zurückgeschickt und sie hätte diese dann 2006 nochmals eingereicht.
Gegen den ihr am 23.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19.01.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe den Sachverhalt nicht richtig erfasst. Es sei von Anfang an vorgebracht worden, dass der Antrag im Bürgermeisteramt dabehalten worden sei, um ihn weiterzuleiten, nicht um ihn einfach nur liegen zu lassen, bis die Unterlagen vollständig seien, was auch nicht zulässig gewesen wäre. Die Sachbearbeiterin, die den Antrag entgegen genommen habe, sei zum Sachverhalt nie gehört worden. Die Stadt B. sei daher gerichtlich aufzufordern, die Zeugin namentlich zu benennen. Ferner werde beantragt, ihren Ehemann persönlich zu befragen. Ihr Ehemann und sie seien davon ausgegangen, dass der Antrag auf Bundeserziehungsgeld ordnungsgemäß erfasst und weitergeleitet worden sei. Sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, sei nicht angezeigt gewesen, da der Antrag ja erst mit Eingang aller Unterlagen abschließend habe bearbeitet werden können und ihr der Steuerbescheid für das Jahr 2003 erst im Jahr 2009 vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.12.2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21.10.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 12.11.2004 bis zum 11.11.2006 Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat mit Schreiben vom 01.06.2011 ua darauf hingewiesen, dass es für eine wirksame Antragstellung nicht darauf ankomme, dass dem Antrag alle notwendigen weiteren Unterlagen beigefügt seien. Auch sei das Antragsverfahren nicht an eine bestimmte Form gebunden. Mit Schriftsatz vom 21.06.2011 hat die Beklagte ausgeführt, dass nicht nachgewiesen sei, dass überhaupt ein Antrag gestellt worden sei.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage erörtert. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses wird auf Blatt 52 bis 54 der Senatsakte Bezug genommen. In diesem Termin hat der Ehemann der Klägerin ua ausgeführt:
"Wir hatten damals eine sehr schwierige Geburt und meiner Frau ging es auch nicht so gut damals. Sie war schwach, deshalb habe ich mich um alles gekümmert. Wir waren damals auch finanziell etwas schwach. Ich konnte damals den Steuerberater nicht bezahlen, weshalb er damals Unterlagen auch nicht herausgegeben hat. Diese Unterlagen hätte ich aber für den vorliegenden Antrag gebraucht, deshalb war ich auf dem Rathaus und wollte den Antrag unvollständig abgeben. Die Dame dort hat mir gesagt, dass der Antrag unvollständig sei und sie ihn nicht nehmen würde. Sie hat ihn mir wieder zurückgegeben. Ich habe gesehen, dass die Mitarbeiterin meinen Antrag ebenso eingetragen hat, wo weiß ich nicht mehr. Ich weiß auch nicht, ob sie lediglich meine Anwesenheit eingetragen hat."
Auf Anfrage des Senats hat die Stadt B. die Namen der im März 2005 im Bürgerbüro beschäftigten Mitarbeiter mitgeteilt. Die Klägerin hat hierzu mit Schreiben vom 09.05.2012 mitgeteilt, Zeugen nicht benennen zu können, da sie von der Stadt B. keinerlei Angaben über den Wohnsitz der Zeugin erhalten habe. Eine Nachfrage des Senats bei der Klägerin, weshalb der Wohnsitz von Bedeutung sei, ist unbeantwortet geblieben. Der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.09.2012 ist die Klägerin ohne Begründung ferngeblieben, obwohl der Senat das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ErzG für ihr Kind J. S.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf ErzG sind die Vorschriften des BErzGG idF der Bekanntmachung vom 09.02.2004 (BGBl I S 206). Danach hat Anspruch auf Erziehungsgeld (§ 1 Abs 1 Satz 1 BErzGG), wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen bei Beginn des Leistungszeitraums vorliegen (§ 1 Abs 1 Sätze 1 und 2 BErzGG). ErzG wird unter Beachtung der Einkommensgrenzen des § 5 Abs 3 BErzGG vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats (Budget) oder bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats (Regelbetrag) gezahlt (§ 4 Abs 1 Satz 1 BErzGG). ErzG ist schriftlich für jeweils ein Lebensjahr zu beantragen (§ 4 Abs 2 Satz 1 BErzGG). Rückwirkend wird ErzG höchstens für sechs Monate vor der Antragstellung bewilligt (§ 4 Abs 2 Satz 2 BErzGG).
Der ErzG-Antrag iSd § 4 Abs 2 Satz 1 BerzGG ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anwendung finden (§§ 130 ff BGB). Mit der Willenserklärung des Antragstellenden muss mithin lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass ErzG-Leistungen begehrt werden. Bei der Beurteilung, ob und welche Leistungen beantragt werden sollen, ist dabei der wirkliche Wille des Antragstellers zu erforschen (so zum SGB II vgl BSG 28.10.2009, B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 1 = juris). § 4 Abs 2 BErzGG knüpft an den so verstandenen Antrag lediglich das formelle Erfordernis der Schriftlichkeit. Weitere Erfordernisse, zB die Beifügung von Nachwiesen, Bestätigungen, Unterlagen oder die Verwendung eines bestimmten Antragsformulars, sind sinnvoll aber im BErzGG nicht bestimmt. Daher darf bei einem Begehren nach ErzG-Leistungen eine wirksame Antragstellung nicht erst angenommen werden, wenn der schriftliche Antrag mit vollständigen Nachwiesen unter Verwendung der von der Beklagten ausgegebenen Vordrucke eingereicht wird. Ein wirksamer Antrag liegt vielmehr bereits dann vor, wenn sich aus dem wegen § 4 Abs 2 Satz 1 BErzGG schriftlichen Vorbringen entnehmen lässt, dass eine Sozialleistung - hier ErzG - begehrt wird. Damit darf auch die Antragsannahme nicht von der Vollständigkeit der vorgelegten Unterlagen, sondern nur von der Schriftlichkeit des ErzG-Begehrens abhängig gemacht werden. Auch soweit gemäß § 60 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die von der Beklagten vorgesehenen Vordrucke verwendet werden sollen, bedeutet dies nicht, dass Anträge, die diesem Erfordernis nicht entsprechen, nicht angenommen werden können. Vielmehr handelt es sich bei § 60 Abs 2 SGB I um eine als "Soll-Vorschrift" ausgestaltete Obliegenheit, die der Verwaltungsvereinfachung, aber nicht der Beschneidung von sozialen Rechten dient. Wird gegen die Obliegenheit verstoßen, bestimmen sich die Rechte der Verwaltung nach § 66 SGB I; ein Recht zur Verweigerung der Annahme unvollständiger Anträge ergibt daraus aber nicht.
Das von der Stadt B. selbst beschriebene Vorgehen, nur vollständige Anträge anzunehmen und bei Fehlen von Teilen des Antragsformulars bzw von ergänzenden Nachweisen den Antrag nicht zu erfassen, sondern zurückzugeben, steht damit nicht im Einklang mit dem Gesetz. Doch führt dies noch nicht dazu, den Eingang (Zugang) eines Antrages auf Leistungen nach dem BErzGG vor dem 04.08.2009 anzunehmen. Denn es steht nicht fest, ob die Klägerin oder ihr Ehemann bereits vor dem 04.08.2009 bei der Stadt B. einen Antrag auf BErzg gestellt hat. Diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Klägerin, da sie sich auf einen rechtzeitigen Zugang des Antrages beruft. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts war dem Senat nicht möglich, da die Klägerin trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens und der Ladung zur mündlichen Verhandlung zu diesem Termin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen ist. Der Senat war auch nicht verpflichtet, "ins Blaue hinein" alle im Jahr 2005 im Bürgerbüro der Stadt B. beschäftigten Mitarbeiter zu befragen bzw als Zeugen zu vernehmen, zumal die Stadt B. bereits mehrfach schriftlich mitgeteilt hatte, dass ein Eingang des Antrags vom 01.03.2005 nicht festgestellt werden könne. Bei dieser Sachlage ist durch eine Vernehmung der (früheren) Mitarbeiter im Bürgerbüro keine weitergehende Information zu erwarten.
Der Umstand, dass nicht mehr festgestellt werden kann, ob und wann die Klägerin einen Antrag auf ErzG bei der Stadt B. eingereicht hat, geht auch deshalb zu Lasten der Klägerin, weil diese wichtige Unterlagen, die ihre Version bestätigen könnten, nicht vorlegen kann. So trägt sie in ihrer Klagebegründung vor, die Stadt B. habe den - zunächst einbehaltenen - Antrag per Post wieder zurückgeschickt mit der Bitte, den Antrag beim Landratsamt B. erneut abzugeben, sobald die Unterlagen vollständig seien. Dieses Schreiben, an dessen Inhalt sich die Klägerin noch genau zu erinnern glaubt, konnte sie ebenso wenig vorlegen wie den Brief, mit dem die im Jahr 2006 angeblich erneut eingereichten Unterlagen im Jahr 2009 wiederum - dieses Mal mit dem Vermerk "Rathaus" - zurückgesandt worden sein sollen. Unverständlich ist das Vorbringen in der Klageschrift auch, soweit die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe, nachdem er den Steuerbescheid für das Jahr 2003 erhalten hatte, persönlich auf dem Rathaus in Weilstetten vorgesprochen, man habe aber die Entgegennahme des Antrags nach Rücksprache mit der Stadt B. "wegen Verspätung" abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Ehemann der Klägerin den Antrag vom 01.03.2005 gar nicht mehr abgeben können. Denn den Steuerbescheid für das Jahr 2003 hat er frühestens im Jahr 2007 erhalten; der Bescheid datiert vom 17.07.2007 (Bl 13 der Verwaltungsakte). Zu diesem Zeitpunkt befand sich der angebliche Antrag aber noch bei der Stadt B., denn der Ehemann der Klägerin soll den Antrag - wiederum nach dem Vorbringen der Klägerin - im Jahr 2006 noch einmal abgegeben und erst Anfang 2009 zurückerhalten haben.
Ausgehend von der bestätigten Vorsprache der Klägerin am 04.08.2009 war die Frist des § 4 Abs 2 Satz 2 BErzGG für das am 12.11.2004 geborene Kind längst abgelaufen. Innerhalb des vor dem 04.08.2009 liegenden Sechsmonatszeitraumes hatte die Klägerin keinen Anspruch auf ErzG. ErzG war daher nicht zu gewähren.
Zwar ist grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, einem Berechtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) zu gewähren, wenn dieser es unverschuldet versäumt hat, rechtzeitig ErzG zu beantragen. Nachdem die Klägerin von der Beklagten rechtzeitig - zB auch im Antragsformular für die ErzG-Leistungen und in den dazu ausgegebenen Hinweisen - darauf hingewiesen worden war, dass ErzG nur auf Antrag hin zu gewähren ist und der Antrag für das zweite Lebensjahr frühestens ab dem neunten Lebensmonat gestellt werden kann (vgl dazu Bl 32 der Verwaltungsakte) und auch sonst keine Umstände vorliegen, weshalb die Klägerin den Antrag für das erste und später für das zweite Lebensjahr unverschuldet nicht rechtzeitig gestellt hat, kommt auch eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist für Leistungen des zweiten Lebensjahres des Kindes gemäß § 27 SGB X nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved