Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 6529/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1977/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. März 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Regelaltersrente ohne Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte um 40 vom Hundert zusteht.
Die 1941 in R. geborene Klägerin war dort ab 1. April 1958, unterbrochen nur durch die Geburt ihres ersten Kindes am 13. September 1966, versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland am 1. September 1970 wurde sie als Vertriebene i.S.d. § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. In der Folgezeit hat sie bis zum 15. März 1991 im Bundesgebiet Beitragszeiten wegen Kindererziehung und Beschäftigung zurückgelegt; die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. Mai 1989 ist als Zeit der Arbeitslosigkeit berücksichtigt.
Auf ihren Antrag vom 5. September 2006 bewilligte die Beklagte (noch unter der Bezeichnung Deutsche Rentenversicherung Unterfranken) der Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2006 i.H.v. EUR 249,36 monatlich brutto (EUR 226,05 nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Für die nach dem FRG anerkannten Zeiten wurden dabei nur 60% der maßgeblichen Entgeltpunkte berücksichtigt (Faktor 0,6); dies galt nicht für Ausbildungszeiten. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin an, die Kürzung der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 sei verfassungswidrig, die der Kindererziehungszeiten in jedem Fall rechtswidrig. Wegen des Beitrittes R.s zur Europäischen Gemeinschaft stellte die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 1. Januar 2007 durch Bescheid vom 26. September 2007 neu fest. Für die zwischenstaatliche Berechnung wurden 65 Monate r. Rentenzeiten vom 9. Februar 1958 bis zum 30. Juni 1963 (davon 63 Monate verdrängt) sowie 86 Monate für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis zum 31. August 1970 (davon 83 Monate verdrängt) berücksichtigt. An den nach dem FRG festgestellten Zeiten und deren Bewertung wurde keine Änderung vorgenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2006, in der Fassung des Bescheides vom 26. September 2007, als unbegründet zurück. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Beschluss vom 13. Juni 2006 die durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 eingeführte Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar erklärt und lediglich das Fehlen einer Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge beanstandet, die ihren gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1991 genommen hätten. Diese Regelung sei durch Art. 6 § 4c Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 30. April 2007 mit Wirkung zum 1. Oktober 1996 erfolgt. Die Anwendung dieser Regelung führe jedoch im Falle der Klägerin nicht zu einer höheren Rente. Der Widerspruchsbescheid wurde am 13. November 2007 zur Post gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin mit einem an das Sozialgericht Freiburg (SG) gerichteten Schriftsatz, der am 17. Dezember 2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg per Fax eingegangen und nach Weiterleitung am 20. Dezember 2007 ans SG gelangt ist, Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie falle nicht unter die vom BVerfG entschiedenen Fallgestaltungen, da sie den Zeitpunkt ihres Zuzuges nach Deutschland aufgrund ihrer Vertreibung nicht habe selbst bestimmen können. Die von ihr an den Versicherungsträger im Herkunftsland geleisteten Rentenversicherungsbeiträge seien durch den Gesetzgeber den Beiträgen an deutsche Rentenversicherungsträger gleichgestellt. Es handle sich um eine Schuldübernahme des Gesetzgebers aus historischen Gründen, weshalb eine Kürzung auf 60% gegen das Eigentumsgrundrecht und den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 22 Abs. 4 FRG und Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG richtig angewandt. Die Regelungen seien nach der Rechtsprechung des BVerfG auch nicht verfassungswidrig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die am 15. April 2010 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin.
Mit Bescheid vom 18. August 2011 hat die Beklagte das Ruhen des monatlichen Zahlbetrages der deutschen Rente in Höhe des Bruttobetrages der nun tatsächlich gewährten Leistung aus der r. Rentenversicherung angeordnet und den Bescheid vom 23. Oktober 2006 sowie die hierzu ergangenen Folgebescheide insoweit ab dem 1. Mai 2011 aufgehoben.
Die Klägerin hat zur Begründung der Berufung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgebracht, weder das BVerfG noch das Bundessozialgericht (BSG) hätten bislang die Problematik einer freiwilligen oder unfreiwilligen Wohnsitzverlegung beachtet, also die Möglichkeit, Einfluss auf den Zeitpunkt der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Die Entscheidung des BVerfG beziehe sich nur auf "Migranten" ohne Vertreibungsschicksal, während die Klägerin in einem kommunistischen Staat festgehalten worden sei, weil sie Deutsche sei. Sie sei daher gezwungen gewesen, Rentenversicherungsbeiträge an den Träger des Herkunftslandes statt an einen deutschen zu leisten. Aufgrund des ihr auferlegten Sonderopfers, das sie stellvertretend für die Nichtvertriebenen trage, müsse dies als Eigenleistung gesehen werden, die die Annahme einer grundrechtlich geschützten Eigentumsposition rechtfertige. Der Ansatz des BVerfG, FRG-Renten stellten besondere Akte der staatlichen Fürsorge dar, nicht aber grundrechtlich geschützte Rentenrechte und -anwartschaften, sei durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) überholt. Dieser habe entschieden, dass die Leistungen nach dem FRG Renten seien und keine Leistungen zum Ausgleich für Sonderopfer des Krieges. Darüber hinaus habe das BVerfG in seinen bisherigen Entscheidungen selbst klargestellt, dass in den Fällen, in denen Personen sowohl Entgeltpunkte nach Fremdrentenrecht als auch in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben, eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG noch erfolgen müsse. Die Fortgeltung des alten Fremdrentenrechts ohne die Kürzung auf 60% ergebe sich für die Klägerin auch aus § 100 Abs. 1 BVFG. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 19/23 und 32/35 der Senatsakten Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 23. Oktober 2006 und 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2007 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Dezember 2006 Regelaltersrente ohne Vervielfältigung der nach dem Fremdrentengesetz ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat auf die Entscheidungen des BVerfG verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Anspruch der Klägerin auf die Zuerkennung eines höheren Wertes ihres Rentenstammrechts, nicht aber die Gewährung eines höheren Auszahlungsbetrages überhaupt. Ein "Rentenbescheid" enthält grundsätzlich mehrere Verwaltungsakte i.S.d. § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), die jeweils selbständig angefochten bzw. in Bindung erwachsen können; dies sind die Entscheidungen über Rentenart, Rentenhöhe und Rentendauer (BSG SozR 3-3600 § 300 Nr. 7). Der Widerspruch gegen den ursprünglichen Rentenbescheid betraf die Regelung der Rentenhöhe i.S.d. des Wertes des Rentenstammrechts. Die im Bescheid vom 18. August 2011 getroffene Anordnung, dass der Zahlbetrag der Rente in Höhe des Bruttobetrages der r. Rente ruhe, stellt ebenso wie die damit einhergehende Neuberechnung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge eine eigenständige Regelung und damit einen gesondert anfechtbaren Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X (BSG SozR 4-5050 § 31 Nr. 1) dar. Da die streitgegenständliche Regelung durch im Bescheid vom 18. August 2011 getroffene somit weder geändert noch ersetzt wird, wird dieser auch nicht gem. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Jedenfalls hat die Beklagte im Bescheid vom 18. August 2011 (Bl. 74 der Senatsakte) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rente unter Außerachtlassung der im Verfahren gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2006 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden sei und neu festgestellt werde, wenn und soweit dieses Verfahren zugunsten der Klägerin beendet werde.
Die Klage ist nicht bereits unzulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 SGG erhoben. Der Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wurde nach dem Absendevermerk Bl. 39 der Widerspruchsakten am 13. November 2007 zur Post gegeben und gilt daher gem. § 37 Abs. 2 SGB X als am 16. November 2007 bekanntgegeben. Die am 17. Dezember 2007 (Montag) beim Verwaltungsgericht Freiburg eingegangene, an das SG gerichtete Klage hat daher die Klagefrist gewahrt (§ 91 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren Wertes ihres Rentenstammrechtes hat. Es hat die für den geltend gemachten Anspruch maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend benannt und korrekt subsumiert. Der Senat nimmt auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Gerichtsbescheid nach eigener Prüfung mit der Maßgabe Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), dass die Entgeltpunkte auf, nicht um 60% gekürzt werden. Nach § 22 Abs. 4 FRG werden die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt. Zu Recht sind die Beklagte und ihr folgend das SG davon ausgegangen, dass sich die Kürzung auch auf Beitragszeiten wegen Kindererziehung (§ 22 Abs. 1 Satz 9 FRG) bezieht. Denn die Absenkungsvorschrift des Abs. 4 erfasst den gesamten § 22 Abs. 1 FRG. Dass Ausbildungszeiten nicht der Kürzung unterliegen, hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt (vgl. Anlage 10 Seite 2 des Bescheides vom 23. Oktober 2006). Die anderweitige Behauptung der Klägerin, die hierin auch noch einen Grund für die Verfassungswidrigkeit sehen will, geht daher in Leere.
Die Vorschrift des § 22 Abs. 4 FRG ist sowohl hinsichtlich ihres Inhaltes als auch des Zeitpunktes ihres Inkrafttretens verfassungskonform; sie verletzt insbesondere nicht das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG. Dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. - BVerfGE 116, 96) ausdrücklich klargestellt. Soweit darin wegen des Fehlens einer Übergangsregelung für bei Einführung rentennahe Jahrgänge eine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz gesehen worden war, ist dieser Mangel durch die Neuregelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) in verfassungsrechtlich ausreichendem Umfange (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 1 BvR 1201/10 - SozR 4-5050 § 22 Nr. 11) beseitigt worden (dazu unten).
Soweit die Klägerin meint, sie könne allein deshalb eine ungekürzte Altersrente beanspruchen, weil sie bereits vor 1991 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und schon zu diesem Zeitpunkt Ansprüche nach dem FRG erworben habe, die der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht mehr zu ihren Ungunsten habe ändern dürfen, geht diese Ansicht fehl. Das BVerfG hat ausdrücklich entschieden, dass der Personenkreis, der bereits vor diesem Datum zugezogen war, nicht allgemein von der Kürzung der Entgeltpunkte um 40 v.H. ausgeschlossen ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass allein die nach dem 1. Januar 1991 in die Bundesrepublik zugezogenen, nach dem FRG Berechtigten die Last der Sanierung der Rentenversicherungsträger auf Dauer zu tragen hätten, habe sich nicht bilden können (BVerfGE 116, 96).
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, sie falle nicht unter die Fallgestaltungen, zu denen die Entscheidungen des BVerfG ergangen sind. Ihre Auffassung, das BVerfG habe darin klargestellt, dass in den Fällen, in denen Personen sowohl Entgeltpunkte nach Fremdrentenrecht als auch in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben, eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG noch erfolgen müsse, geht fehl. Vielmehr hat das BVerfG klargestellt, dass die damaligen Vorlagen keine Entscheidung der Frage erforderlich machten, ob die aus dem FRG abgeleiteten Anwartschaften dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG dann unterlägen, wenn sie sich zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Gesamtrechtsposition verbänden. Selbst wenn man die Gesamtheit der erworbenen Anwartschaften als rentenrechtliche Einheit dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs. 1 GG unterstellen würde, hätte der Gesetzgeber durch § 22 Abs. 4 FRG von seiner Befugnis zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht. Das Ergebnis sei daher kein anderes als wenn im zugrundeliegenden Fall der Eigentumsschutz auf die Anteile der rentenrechtlichen Position beschränkt wäre, denen in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten zugrunde lägen (BVerfGE 116, 96). Die diesbezüglichen Ausführungen des BVerfG sind nicht bloß "obiter dicta", die nicht ohne Weiteres zur Klärung der Rechtslage führen. Vielmehr waren in vier von fünf Fällen, die der Entscheidung des BVerfG vom 13. Juni 2006 (a.a.O.) zugrunde lagen, die Versicherten sowohl im Ausland (R.) als auch - nach Übersiedlung - in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, ehe sie Altersrente bezogen (vgl. a. BSG SozR 4-5050 § 22 Nr. 12).
Die weiteren Einwände der Klägerin zielen auf Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG, der sie nicht folgen will. Sie verkennt dabei aber die maßgeblichen Kriterien, die das BVerfG in diesen Entscheidungen zu den Anforderungen an eine grundrechtlich geschützte Eigentumsposition i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG aufgestellt und bestätigt hat. Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die gerade der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren rentenversicherungsrechtliche Anwartschaften überhaupt erst den Schutz des Art. 14 Ab. 1 Satz 1 GG. Die eigene Leistung findet im Rentenversicherungsrecht vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen Ausdruck (so bereits BVerfGE 53, 257). Im Falle der durch das FRG begründeten Rechte fehlt es an dem Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung (so schon BVerfGE 29, 22; bestätigt in BVerfGE 116, 96). Die im Herkunftsland erbrachte Arbeitsleistung ist eine Wertschöpfung, die nicht innerhalb der zur (Renten-)Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgt und ihr auch nicht zugutegekommen ist (BVerfG, a.a.O.). Damit kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin aus verfassungsrechtlicher Sicht gerade nicht darauf an, dass sie Beiträge zu einem ausländischen Rentenversicherungsträger, dem Träger des Herkunftslandes, abgeführt hat und ihr anderes auch nicht möglich war. Ebenso stellt das von der Klägerin angeführte "besondere Vertriebenenschicksal", das sie gegenüber den anderen Mitgliedern des deutschen Staatsvolkes erbracht habe (nämlich die gezwungenermaßen im Herkunftsland statt der Bundesrepublik Deutschland erbrachte Beitragsleistung), eben gerade keine Eigenleistung zu einem deutschen Rentenversicherungsträger dar. Die Klägerin vermischt unzulässig die Voraussetzungen einer grundrechtlich geschützten Eigentumsposition und den Gedanken des Sonderopfers, dessen Ausgleich eine Aufgabe der staatlichen Fürsorge ist. Daher geht auch die von ihr vorgenommene Unterscheidung von "Migranten ohne Verschleppungsschicksal" und Vertriebenen mit einem solchen ins Leere, wobei von ihr ohnehin der personelle Anwendungsbereich gem. § 1 FRG unzureichend gewürdigt wurde.
Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf die Rechtsprechung des EuGH stützen. Sie führt aus, dieser habe festgestellt, dass die nach dem FRG gewährten Renten keine Leistungen für Sonderopfer des Krieges darstellten, sondern Renten seien; wenn es sich um Renten handle, beruhten sie auch auf Betragszeiten. Die Klägerin bezieht sich hierbei offenbar auf das Urteil des EuGH vom 18. Dezember 2007 (C-396/05, C-419/05, C-450/05 - Slg. 2007, I-11948 (Habelt, Möser, Wachter)). Mit der Rente nach dem FRG, der nach 1945 in R. geleistete Beiträge zugrunde liegen, befasst sich die Sache Wachter (C-450/05). Die Entscheidung des EuGH betraf die Frage der Exportierbarkeit der FRG-Rente, also ob diese auch dann gezahlt werden muss, wenn der Berechtigte seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat als der Bundesrepublik Deutschland hat. Maßstab war das europäische Verordnungsrecht, dass die Freizügigkeit von Arbeitnehmern (auch später als Rentner) sicherstellen soll, konkret die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO 1408/71). Entscheidend war dabei, ob die FRG-Rente eine (exportfähige) Leistung der sozialen Sicherung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 VO 1408/71 darstellte oder einem Leistungssystem für Opfer des Krieges und seiner Folgen i.S.d. Art. 4 Abs. 4 VO 1408/71 zuzuordnen war (mit der Folge der Möglichkeit, den Export zu beschränken). Maßstab war daher der im Sinne der Sicherstellung der Freizügigkeit weit auszulegende Begriff der Leistung der sozialen Sicherung in Abgrenzung zur - eng auszulegenden - Ausnahmevorschrift über Kriegsopferfolgen. Angeknüpft hat der EuGH in seiner Entscheidung an die - einfachgesetzliche - Regelung des deutschen Rechts über die Gleichstellung von Beitragszeiten im Herkunftsland mit solchen im Bundesgebiet (Slg. I-11948, 11987 Rdnr. 109 f.). Dass diese Beiträge an Versicherungsträger eines Drittstaates gezahlt wurden, hat er danach - europarechtlich - für unbeachtlich gehalten (Slg. I-11948, 11988 Rdnr. 113). Abgesehen davon, dass dem EuGH keine Kompetenz in der Auslegung deutschen Verfassungsrechts zukäme, betrifft die genannte Entscheidung allein die Frage der Zuordnung einer deutschen Sozialleistung unter Vorschriften des europäischen koordinierenden Sozialrechts. Die Frage, ob diese Sozialleistung dem Eigentumsgrundrecht des deutschen Verfassungsrechts unterfällt, folgt anderen rechtlichen Kriterien. Der europarechtlich unbeachtliche Umstand, dass Beiträge nicht an einen deutschen Rentenversicherungsträger, sondern an einen Versicherungsträger des Herkunftslandes gezahlt wurden, ist für den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hingegen gerade von entscheidender Bedeutung. Denn hiervon hängt es, wie oben bereits dargestellt, ab, ob eine nicht unerhebliche Eigenleistung des Berechtigten vorliegt, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist (BVerfG a.a.O.).
Die weiteren Einwände der Klägerin sind durch die Rechtsprechung des BVerfG bereits ausdrücklich geklärt. Dies gilt auch für die durch Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG bewirkte Herausnahme der Inhaber von Ansprüchen oder Anwartschaften, die dem Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommen unterfallen, aus der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG. Sie beruht auf dem völkerrechtlichen Grundsatz der Gegenseitigkeit und knüpft insoweit an das bei Schaffung der gesetzlichen Regelung bereits geltende Sozialversicherungsabkommen an. Damit liegt ein die unterschiedliche Behandlung rechtfertigender sachlicher Grund vor, der einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG ausschließt (BVerfGE 116, 96). Ein solches Abkommen bestand zu diesem Zeitpunkt mit R. gerade nicht.
Die Klägerin kann sich des Weiteren nicht auf § 100 Abs. 1 BVFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2094) stützen. Danach finden für Personen i.S.d. §§ 1 bis 3 BVFG die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 Anwendung. Damit hat der Gesetzgeber lediglich die Fortgeltung des bisherigen Vertriebenenrechts angeordnet (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 12/3212 S. 27 - Zu § 100), nicht aber des damaligen Fremdrenten- oder anderen Sozialrechts. Dies zeigt auch die Sonderregelung des § 100 Abs. 7 BVFG über die Arbeitslosenhilfe, die andernfalls überflüssig gewesen wäre (BSG SozR 4-5050 § 22 Nr. 12).
Schließlich profitiert die Klägerin auch nicht von der Übergangsvorschrift des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in der Fassung vom 20. April 2007. Nach dessen Satz 1 wird für näher bestimmte Berechtigte, die wie die Klägerin vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges längstens bis zum 30. Juni 2000 gezahlt (Satz 3). Da die Rente der Klägerin erst später begonnen hat, ergeben sich für sie hieraus keine Ansprüche mehr. Dies ist gesetzlich so gewollt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010, a.a.O.).
Soweit die Klägerin eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung gegenüber Personen sieht, die früher nach Deutschland zurückgekehrt sind bzw. zurückkehren konnten, berücksichtigt sie dabei nicht, dass § 22 Abs. 4 FRG nicht wegen ihres späteren Zuzugs, sondern wegen des späteren Rentenbeginns (nach Inkrafttreten der Kürzungsregelung) Anwendung findet. Entgegen ihrem ursprünglichen Vortrag ist die Klägerin auch nicht Spätaussiedlerin, wie sie mittlerweile selbst eingeräumt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Regelaltersrente ohne Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte um 40 vom Hundert zusteht.
Die 1941 in R. geborene Klägerin war dort ab 1. April 1958, unterbrochen nur durch die Geburt ihres ersten Kindes am 13. September 1966, versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland am 1. September 1970 wurde sie als Vertriebene i.S.d. § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. In der Folgezeit hat sie bis zum 15. März 1991 im Bundesgebiet Beitragszeiten wegen Kindererziehung und Beschäftigung zurückgelegt; die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. Mai 1989 ist als Zeit der Arbeitslosigkeit berücksichtigt.
Auf ihren Antrag vom 5. September 2006 bewilligte die Beklagte (noch unter der Bezeichnung Deutsche Rentenversicherung Unterfranken) der Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2006 i.H.v. EUR 249,36 monatlich brutto (EUR 226,05 nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Für die nach dem FRG anerkannten Zeiten wurden dabei nur 60% der maßgeblichen Entgeltpunkte berücksichtigt (Faktor 0,6); dies galt nicht für Ausbildungszeiten. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin an, die Kürzung der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 sei verfassungswidrig, die der Kindererziehungszeiten in jedem Fall rechtswidrig. Wegen des Beitrittes R.s zur Europäischen Gemeinschaft stellte die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 1. Januar 2007 durch Bescheid vom 26. September 2007 neu fest. Für die zwischenstaatliche Berechnung wurden 65 Monate r. Rentenzeiten vom 9. Februar 1958 bis zum 30. Juni 1963 (davon 63 Monate verdrängt) sowie 86 Monate für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis zum 31. August 1970 (davon 83 Monate verdrängt) berücksichtigt. An den nach dem FRG festgestellten Zeiten und deren Bewertung wurde keine Änderung vorgenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2006, in der Fassung des Bescheides vom 26. September 2007, als unbegründet zurück. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Beschluss vom 13. Juni 2006 die durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 eingeführte Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar erklärt und lediglich das Fehlen einer Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge beanstandet, die ihren gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1991 genommen hätten. Diese Regelung sei durch Art. 6 § 4c Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 30. April 2007 mit Wirkung zum 1. Oktober 1996 erfolgt. Die Anwendung dieser Regelung führe jedoch im Falle der Klägerin nicht zu einer höheren Rente. Der Widerspruchsbescheid wurde am 13. November 2007 zur Post gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin mit einem an das Sozialgericht Freiburg (SG) gerichteten Schriftsatz, der am 17. Dezember 2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg per Fax eingegangen und nach Weiterleitung am 20. Dezember 2007 ans SG gelangt ist, Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie falle nicht unter die vom BVerfG entschiedenen Fallgestaltungen, da sie den Zeitpunkt ihres Zuzuges nach Deutschland aufgrund ihrer Vertreibung nicht habe selbst bestimmen können. Die von ihr an den Versicherungsträger im Herkunftsland geleisteten Rentenversicherungsbeiträge seien durch den Gesetzgeber den Beiträgen an deutsche Rentenversicherungsträger gleichgestellt. Es handle sich um eine Schuldübernahme des Gesetzgebers aus historischen Gründen, weshalb eine Kürzung auf 60% gegen das Eigentumsgrundrecht und den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 22 Abs. 4 FRG und Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG richtig angewandt. Die Regelungen seien nach der Rechtsprechung des BVerfG auch nicht verfassungswidrig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die am 15. April 2010 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin.
Mit Bescheid vom 18. August 2011 hat die Beklagte das Ruhen des monatlichen Zahlbetrages der deutschen Rente in Höhe des Bruttobetrages der nun tatsächlich gewährten Leistung aus der r. Rentenversicherung angeordnet und den Bescheid vom 23. Oktober 2006 sowie die hierzu ergangenen Folgebescheide insoweit ab dem 1. Mai 2011 aufgehoben.
Die Klägerin hat zur Begründung der Berufung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgebracht, weder das BVerfG noch das Bundessozialgericht (BSG) hätten bislang die Problematik einer freiwilligen oder unfreiwilligen Wohnsitzverlegung beachtet, also die Möglichkeit, Einfluss auf den Zeitpunkt der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Die Entscheidung des BVerfG beziehe sich nur auf "Migranten" ohne Vertreibungsschicksal, während die Klägerin in einem kommunistischen Staat festgehalten worden sei, weil sie Deutsche sei. Sie sei daher gezwungen gewesen, Rentenversicherungsbeiträge an den Träger des Herkunftslandes statt an einen deutschen zu leisten. Aufgrund des ihr auferlegten Sonderopfers, das sie stellvertretend für die Nichtvertriebenen trage, müsse dies als Eigenleistung gesehen werden, die die Annahme einer grundrechtlich geschützten Eigentumsposition rechtfertige. Der Ansatz des BVerfG, FRG-Renten stellten besondere Akte der staatlichen Fürsorge dar, nicht aber grundrechtlich geschützte Rentenrechte und -anwartschaften, sei durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) überholt. Dieser habe entschieden, dass die Leistungen nach dem FRG Renten seien und keine Leistungen zum Ausgleich für Sonderopfer des Krieges. Darüber hinaus habe das BVerfG in seinen bisherigen Entscheidungen selbst klargestellt, dass in den Fällen, in denen Personen sowohl Entgeltpunkte nach Fremdrentenrecht als auch in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben, eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG noch erfolgen müsse. Die Fortgeltung des alten Fremdrentenrechts ohne die Kürzung auf 60% ergebe sich für die Klägerin auch aus § 100 Abs. 1 BVFG. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 19/23 und 32/35 der Senatsakten Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 23. Oktober 2006 und 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2007 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Dezember 2006 Regelaltersrente ohne Vervielfältigung der nach dem Fremdrentengesetz ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat auf die Entscheidungen des BVerfG verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Anspruch der Klägerin auf die Zuerkennung eines höheren Wertes ihres Rentenstammrechts, nicht aber die Gewährung eines höheren Auszahlungsbetrages überhaupt. Ein "Rentenbescheid" enthält grundsätzlich mehrere Verwaltungsakte i.S.d. § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), die jeweils selbständig angefochten bzw. in Bindung erwachsen können; dies sind die Entscheidungen über Rentenart, Rentenhöhe und Rentendauer (BSG SozR 3-3600 § 300 Nr. 7). Der Widerspruch gegen den ursprünglichen Rentenbescheid betraf die Regelung der Rentenhöhe i.S.d. des Wertes des Rentenstammrechts. Die im Bescheid vom 18. August 2011 getroffene Anordnung, dass der Zahlbetrag der Rente in Höhe des Bruttobetrages der r. Rente ruhe, stellt ebenso wie die damit einhergehende Neuberechnung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge eine eigenständige Regelung und damit einen gesondert anfechtbaren Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X (BSG SozR 4-5050 § 31 Nr. 1) dar. Da die streitgegenständliche Regelung durch im Bescheid vom 18. August 2011 getroffene somit weder geändert noch ersetzt wird, wird dieser auch nicht gem. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Jedenfalls hat die Beklagte im Bescheid vom 18. August 2011 (Bl. 74 der Senatsakte) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rente unter Außerachtlassung der im Verfahren gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2006 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden sei und neu festgestellt werde, wenn und soweit dieses Verfahren zugunsten der Klägerin beendet werde.
Die Klage ist nicht bereits unzulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 SGG erhoben. Der Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wurde nach dem Absendevermerk Bl. 39 der Widerspruchsakten am 13. November 2007 zur Post gegeben und gilt daher gem. § 37 Abs. 2 SGB X als am 16. November 2007 bekanntgegeben. Die am 17. Dezember 2007 (Montag) beim Verwaltungsgericht Freiburg eingegangene, an das SG gerichtete Klage hat daher die Klagefrist gewahrt (§ 91 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren Wertes ihres Rentenstammrechtes hat. Es hat die für den geltend gemachten Anspruch maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend benannt und korrekt subsumiert. Der Senat nimmt auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Gerichtsbescheid nach eigener Prüfung mit der Maßgabe Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), dass die Entgeltpunkte auf, nicht um 60% gekürzt werden. Nach § 22 Abs. 4 FRG werden die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt. Zu Recht sind die Beklagte und ihr folgend das SG davon ausgegangen, dass sich die Kürzung auch auf Beitragszeiten wegen Kindererziehung (§ 22 Abs. 1 Satz 9 FRG) bezieht. Denn die Absenkungsvorschrift des Abs. 4 erfasst den gesamten § 22 Abs. 1 FRG. Dass Ausbildungszeiten nicht der Kürzung unterliegen, hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt (vgl. Anlage 10 Seite 2 des Bescheides vom 23. Oktober 2006). Die anderweitige Behauptung der Klägerin, die hierin auch noch einen Grund für die Verfassungswidrigkeit sehen will, geht daher in Leere.
Die Vorschrift des § 22 Abs. 4 FRG ist sowohl hinsichtlich ihres Inhaltes als auch des Zeitpunktes ihres Inkrafttretens verfassungskonform; sie verletzt insbesondere nicht das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG. Dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. - BVerfGE 116, 96) ausdrücklich klargestellt. Soweit darin wegen des Fehlens einer Übergangsregelung für bei Einführung rentennahe Jahrgänge eine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz gesehen worden war, ist dieser Mangel durch die Neuregelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) in verfassungsrechtlich ausreichendem Umfange (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 1 BvR 1201/10 - SozR 4-5050 § 22 Nr. 11) beseitigt worden (dazu unten).
Soweit die Klägerin meint, sie könne allein deshalb eine ungekürzte Altersrente beanspruchen, weil sie bereits vor 1991 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und schon zu diesem Zeitpunkt Ansprüche nach dem FRG erworben habe, die der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht mehr zu ihren Ungunsten habe ändern dürfen, geht diese Ansicht fehl. Das BVerfG hat ausdrücklich entschieden, dass der Personenkreis, der bereits vor diesem Datum zugezogen war, nicht allgemein von der Kürzung der Entgeltpunkte um 40 v.H. ausgeschlossen ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass allein die nach dem 1. Januar 1991 in die Bundesrepublik zugezogenen, nach dem FRG Berechtigten die Last der Sanierung der Rentenversicherungsträger auf Dauer zu tragen hätten, habe sich nicht bilden können (BVerfGE 116, 96).
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, sie falle nicht unter die Fallgestaltungen, zu denen die Entscheidungen des BVerfG ergangen sind. Ihre Auffassung, das BVerfG habe darin klargestellt, dass in den Fällen, in denen Personen sowohl Entgeltpunkte nach Fremdrentenrecht als auch in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben, eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG noch erfolgen müsse, geht fehl. Vielmehr hat das BVerfG klargestellt, dass die damaligen Vorlagen keine Entscheidung der Frage erforderlich machten, ob die aus dem FRG abgeleiteten Anwartschaften dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG dann unterlägen, wenn sie sich zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Gesamtrechtsposition verbänden. Selbst wenn man die Gesamtheit der erworbenen Anwartschaften als rentenrechtliche Einheit dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs. 1 GG unterstellen würde, hätte der Gesetzgeber durch § 22 Abs. 4 FRG von seiner Befugnis zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht. Das Ergebnis sei daher kein anderes als wenn im zugrundeliegenden Fall der Eigentumsschutz auf die Anteile der rentenrechtlichen Position beschränkt wäre, denen in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten zugrunde lägen (BVerfGE 116, 96). Die diesbezüglichen Ausführungen des BVerfG sind nicht bloß "obiter dicta", die nicht ohne Weiteres zur Klärung der Rechtslage führen. Vielmehr waren in vier von fünf Fällen, die der Entscheidung des BVerfG vom 13. Juni 2006 (a.a.O.) zugrunde lagen, die Versicherten sowohl im Ausland (R.) als auch - nach Übersiedlung - in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, ehe sie Altersrente bezogen (vgl. a. BSG SozR 4-5050 § 22 Nr. 12).
Die weiteren Einwände der Klägerin zielen auf Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG, der sie nicht folgen will. Sie verkennt dabei aber die maßgeblichen Kriterien, die das BVerfG in diesen Entscheidungen zu den Anforderungen an eine grundrechtlich geschützte Eigentumsposition i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG aufgestellt und bestätigt hat. Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die gerade der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren rentenversicherungsrechtliche Anwartschaften überhaupt erst den Schutz des Art. 14 Ab. 1 Satz 1 GG. Die eigene Leistung findet im Rentenversicherungsrecht vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen Ausdruck (so bereits BVerfGE 53, 257). Im Falle der durch das FRG begründeten Rechte fehlt es an dem Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung (so schon BVerfGE 29, 22; bestätigt in BVerfGE 116, 96). Die im Herkunftsland erbrachte Arbeitsleistung ist eine Wertschöpfung, die nicht innerhalb der zur (Renten-)Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgt und ihr auch nicht zugutegekommen ist (BVerfG, a.a.O.). Damit kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin aus verfassungsrechtlicher Sicht gerade nicht darauf an, dass sie Beiträge zu einem ausländischen Rentenversicherungsträger, dem Träger des Herkunftslandes, abgeführt hat und ihr anderes auch nicht möglich war. Ebenso stellt das von der Klägerin angeführte "besondere Vertriebenenschicksal", das sie gegenüber den anderen Mitgliedern des deutschen Staatsvolkes erbracht habe (nämlich die gezwungenermaßen im Herkunftsland statt der Bundesrepublik Deutschland erbrachte Beitragsleistung), eben gerade keine Eigenleistung zu einem deutschen Rentenversicherungsträger dar. Die Klägerin vermischt unzulässig die Voraussetzungen einer grundrechtlich geschützten Eigentumsposition und den Gedanken des Sonderopfers, dessen Ausgleich eine Aufgabe der staatlichen Fürsorge ist. Daher geht auch die von ihr vorgenommene Unterscheidung von "Migranten ohne Verschleppungsschicksal" und Vertriebenen mit einem solchen ins Leere, wobei von ihr ohnehin der personelle Anwendungsbereich gem. § 1 FRG unzureichend gewürdigt wurde.
Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf die Rechtsprechung des EuGH stützen. Sie führt aus, dieser habe festgestellt, dass die nach dem FRG gewährten Renten keine Leistungen für Sonderopfer des Krieges darstellten, sondern Renten seien; wenn es sich um Renten handle, beruhten sie auch auf Betragszeiten. Die Klägerin bezieht sich hierbei offenbar auf das Urteil des EuGH vom 18. Dezember 2007 (C-396/05, C-419/05, C-450/05 - Slg. 2007, I-11948 (Habelt, Möser, Wachter)). Mit der Rente nach dem FRG, der nach 1945 in R. geleistete Beiträge zugrunde liegen, befasst sich die Sache Wachter (C-450/05). Die Entscheidung des EuGH betraf die Frage der Exportierbarkeit der FRG-Rente, also ob diese auch dann gezahlt werden muss, wenn der Berechtigte seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat als der Bundesrepublik Deutschland hat. Maßstab war das europäische Verordnungsrecht, dass die Freizügigkeit von Arbeitnehmern (auch später als Rentner) sicherstellen soll, konkret die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO 1408/71). Entscheidend war dabei, ob die FRG-Rente eine (exportfähige) Leistung der sozialen Sicherung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 VO 1408/71 darstellte oder einem Leistungssystem für Opfer des Krieges und seiner Folgen i.S.d. Art. 4 Abs. 4 VO 1408/71 zuzuordnen war (mit der Folge der Möglichkeit, den Export zu beschränken). Maßstab war daher der im Sinne der Sicherstellung der Freizügigkeit weit auszulegende Begriff der Leistung der sozialen Sicherung in Abgrenzung zur - eng auszulegenden - Ausnahmevorschrift über Kriegsopferfolgen. Angeknüpft hat der EuGH in seiner Entscheidung an die - einfachgesetzliche - Regelung des deutschen Rechts über die Gleichstellung von Beitragszeiten im Herkunftsland mit solchen im Bundesgebiet (Slg. I-11948, 11987 Rdnr. 109 f.). Dass diese Beiträge an Versicherungsträger eines Drittstaates gezahlt wurden, hat er danach - europarechtlich - für unbeachtlich gehalten (Slg. I-11948, 11988 Rdnr. 113). Abgesehen davon, dass dem EuGH keine Kompetenz in der Auslegung deutschen Verfassungsrechts zukäme, betrifft die genannte Entscheidung allein die Frage der Zuordnung einer deutschen Sozialleistung unter Vorschriften des europäischen koordinierenden Sozialrechts. Die Frage, ob diese Sozialleistung dem Eigentumsgrundrecht des deutschen Verfassungsrechts unterfällt, folgt anderen rechtlichen Kriterien. Der europarechtlich unbeachtliche Umstand, dass Beiträge nicht an einen deutschen Rentenversicherungsträger, sondern an einen Versicherungsträger des Herkunftslandes gezahlt wurden, ist für den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hingegen gerade von entscheidender Bedeutung. Denn hiervon hängt es, wie oben bereits dargestellt, ab, ob eine nicht unerhebliche Eigenleistung des Berechtigten vorliegt, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist (BVerfG a.a.O.).
Die weiteren Einwände der Klägerin sind durch die Rechtsprechung des BVerfG bereits ausdrücklich geklärt. Dies gilt auch für die durch Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG bewirkte Herausnahme der Inhaber von Ansprüchen oder Anwartschaften, die dem Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommen unterfallen, aus der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG. Sie beruht auf dem völkerrechtlichen Grundsatz der Gegenseitigkeit und knüpft insoweit an das bei Schaffung der gesetzlichen Regelung bereits geltende Sozialversicherungsabkommen an. Damit liegt ein die unterschiedliche Behandlung rechtfertigender sachlicher Grund vor, der einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG ausschließt (BVerfGE 116, 96). Ein solches Abkommen bestand zu diesem Zeitpunkt mit R. gerade nicht.
Die Klägerin kann sich des Weiteren nicht auf § 100 Abs. 1 BVFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2094) stützen. Danach finden für Personen i.S.d. §§ 1 bis 3 BVFG die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 Anwendung. Damit hat der Gesetzgeber lediglich die Fortgeltung des bisherigen Vertriebenenrechts angeordnet (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 12/3212 S. 27 - Zu § 100), nicht aber des damaligen Fremdrenten- oder anderen Sozialrechts. Dies zeigt auch die Sonderregelung des § 100 Abs. 7 BVFG über die Arbeitslosenhilfe, die andernfalls überflüssig gewesen wäre (BSG SozR 4-5050 § 22 Nr. 12).
Schließlich profitiert die Klägerin auch nicht von der Übergangsvorschrift des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in der Fassung vom 20. April 2007. Nach dessen Satz 1 wird für näher bestimmte Berechtigte, die wie die Klägerin vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges längstens bis zum 30. Juni 2000 gezahlt (Satz 3). Da die Rente der Klägerin erst später begonnen hat, ergeben sich für sie hieraus keine Ansprüche mehr. Dies ist gesetzlich so gewollt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010, a.a.O.).
Soweit die Klägerin eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung gegenüber Personen sieht, die früher nach Deutschland zurückgekehrt sind bzw. zurückkehren konnten, berücksichtigt sie dabei nicht, dass § 22 Abs. 4 FRG nicht wegen ihres späteren Zuzugs, sondern wegen des späteren Rentenbeginns (nach Inkrafttreten der Kürzungsregelung) Anwendung findet. Entgegen ihrem ursprünglichen Vortrag ist die Klägerin auch nicht Spätaussiedlerin, wie sie mittlerweile selbst eingeräumt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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