L 4 R 3628/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2636/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3628/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. August 2012 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Klageverfahren S 12 R 2636/12 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt M. A., A.-str. 31, K., beigeordnet.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Klageverfahren S 12 R 2636/12 macht der Kläger die Untätigkeit der Beklagten im Zusammenhang mit einer Entscheidung über die von ihm als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben begehrte Weiterbildungsmaßnahme zum Technischen Produktdesigner geltend.

Der Antrag des Klägers beim Jobcenter P. Stadt (im Folgenden Jobcenter), die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme in Form einer Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton bzw. Technischen Produktdesigner zu fördern, blieb erfolglos (Bescheid des Jobcenters vom 27. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008). Die dagegen vom Kläger erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG), das die Beklagte beigeladen hatte, mit Urteil vom 25. Februar 2010 ab. Die Berufung wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 20. Juli 2011 (L 3 AS 2081/10) zurück.

Die Beklagte lehnte den vom Kläger am 9. Februar 2009 bei ihr gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, in welchem der Kläger angab, mit einer Umschulung im Bereich der Medienbranche könne die Beklagte ihm helfen, zunächst mit Bescheid vom 26. Februar 2009 ab, stellte dann aber auf den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 2. April 2009 Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht und bezeichnete den Bescheid vom 26. Februar 2009 als gegenstandslos. Sie erklärte sich grundsätzlich bereit, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten. Die abschließende Entscheidung über Art, Höhe und Dauer der Leistung könne erst nach Eingang der Antragsunterlagen des Arbeitgebers hinsichtlich der vorgesehenen Beschäftigung erfolgen und werde dann mit einem weiteren Bescheid bekannt gegeben. Beigefügt war ein Formblatt der Beklagten mit "Wichtigen Informationen", wonach sich die Beklagte u.a. die Prüfung vorbehalte, ob und welche Leistung im Einzelfall gewährt werden könne. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2009 zurück. Der Kläger sei aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen in seiner Leistungsfähigkeit im maßgeblichen Bezugsberuf erheblich gefährdet, weshalb Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben grundsätzlich zugesagt worden seien. Um ihn, den Kläger, dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern, bedürfe es keiner Umschulung. Er werde aus sozialmedizinischer Sicht, unter Berücksichtigung seines verbliebenen Leistungsvermögens bzw. der Behinderung, für fähig gehalten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mehr als sechs Stunden täglich eine Tätigkeit verrichten zu können. Bisher habe nicht ermittelt und festgestellt werden können, welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei ihm in Frage kämen, da er einem Beratungsgespräch nur unter den von ihm geforderten Bedingungen habe nachkommen wollen. Im Grunde stelle dies auch eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht gemäß der §§ 60 bis 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dar. Die von ihm gewünschte qualifizierte Umschulung im Bereich der Medienbranche als berufliche Rehabilitationsleistung scheide aus den angeführten Gründen aus. Die grundsätzliche Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe bleibe aber weiterhin bestehen.

Die hiergegen vom Kläger beim SG erhobene Klage (S 12 R 2691/09), mit der er zuletzt in der mündlichen Verhandlung des SG vom 12. April 2012 noch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der zweijährigen Umschulung zum Technischen Produktdesigner bei der M. GmbH begehrte, wies das SG mit Urteil vom 12. April 2012 ab. Eine Ermessensreduktion auf Null liege nicht vor, weil die begehrte Umschulung zum Produktdesigner bei der M. GmbH nicht die einzig mögliche sei, um seine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben zu erreichen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Auch seien im Sinne von § 33 Abs. 4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt worden. Dabei seien einerseits die Kenntnisse des Klägers, auch aus der Weiterbildungsmaßnahme von 2007, andererseits die Tatsache, dass der Kläger trotz seiner Kenntnisse in diesem Bereich bisher keinen Arbeitsplatz gefunden habe, zu berücksichtigen. Die Beklagte habe den Kläger beraten und ihm mehrere Maßnahmen vorgeschlagen. Selbst wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht geeignet sein sollten, sei die vom Kläger gewünschte Umschulung nicht die einzige geeignete Maßnahme. Die gegen dieses Urteil vom Kläger eingelegte Berufung ist beim Senat noch anhängig (L 4 R 2037/12).

Der während des Klageverfahrens vom Kläger am 3. August 2011 beim SG gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Begehren, als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterbildungskosten für die Umschulung zum Technischen Produktdesigner bei der M. GmbH in S. (Kursbeginn 29. August 2011) zu übernehmen, blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 22 August 2011 - S 12 R 3217/11 ER -; Beschlüsse des Senats vom 4. November 2011 - L 4 3690/11 ER-B - und 18. Januar 2012 - L 4 R 4959/11 RG betreffend eine Anhörungsrüge und eine Gegenvorstellung).

Der Kläger erhob am 23. Juli 2012 beim SG Untätigkeitsklage. Die Beklagte habe ihm auf den Antrag vom 9. Februar 2009 seit 3,5 Jahren keine geeignete Leistung der beruflichen Rehabilitation bewilligt. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Untätigkeitsklage.

Die Beklagte trat der Untätigkeitsklage unter Verweis auf das Urteil des SG vom 12. April 2012 entgegen.

Das SG lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab (Beschluss vom 6. August 2012), weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Eine Untätigkeit der Beklagten sei nicht gegeben, weil sie über den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 9. Februar 2009 mit Bescheid vom 2. April 2009 entschieden habe. Soweit der Kläger meine, eine Untätigkeit liege schon deshalb vor, weil ihm eine seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Maßnahme bislang nicht bewilligt worden sei, werde auf das Urteil vom 12. April 2012 verwiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 22. August 2012 Beschwerde eingelegt. Er hat wiederum darauf verwiesen, dass ihm die Beklagte seit 3,5 Jahren immer noch keine geeignete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Rehabilitationsleistung bewilligt habe. Durch die rechtsfehlerhafte Versagung von Prozesskostenhilfe habe das SG auch gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. August 2012 aufzuheben sowie ihm für das Klageverfahren S 12 R 2636/12 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt M. A., A.-str., K., beizuordnen.

Die Beklagte hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, weil das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Aussicht auf Erfolg verneint hat.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Dem Kläger ist für das Klageverfahren S 12 R 2636/12 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance allerdings nur eine entfernte, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschlüsse vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 und 22. Mai 2012 - 2 BvR 820/11- in juris;; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist im begrenzten Maße auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 296/94 - NJW 1997, 2745; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92 - NJW 1994, 1160).

1. Die Erfolgsaussicht der vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) lässt sich aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht abschließend beurteilen. Denn verfahrensrechtlich ist nicht eindeutig, ob die Beklagte über einen Antrag des Klägers, ihm eine Weiterbildungsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -, 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX), insbesondere die vom Kläger zuletzt begehrte Weiterbildungsmaßnahme zum Technischen Produktdesigner, entscheiden musste und gegebenenfalls mit dem Bescheid vom 2. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2009 entschied.

Mit dem Bescheid vom 2. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2009, der Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens L 4 R 2037/12 ist, bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (§§ 16 SGB VI, 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX), z. B. Eingliederungshilfen, Kostenübernahme für eine befristete Probebeschäftigung bzw. Integrationsmaßnahme oder auch Anpassungs-/Qualifizierungsmaßnahmen, bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz, der dem Leistungsvermögen des Klägers entspricht. Über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Leistungen zur beruflichen Anpassung und Weiterbildung (§§ 16 SGB VI, 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX) entschied die Beklagte mit dem genannten Bescheid nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich. In der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2009 legte der Widerspruchsausschuss der Beklagten zwar dar, dass die vom Kläger gewünschte qualifizierte Umschulung im Bereich der Medienbranche als berufliche Rehabilitationsleistung ausscheide. Darin kann jedoch keine Ablehnung eines gegebenenfalls vom Kläger gestellten Antrags gesehen werden, weil der Widerspruchsausschuss nicht für die erstmalige Entscheidung über einen Antrag zuständig ist.

Fraglich könnte auch sein, ob ein entsprechender Antrag des Klägers auf eine Weiterbildungsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bereits vorliegt. Dies wäre nur der Fall, wenn der Antrag vom 9. Februar 2009 umfassend wäre. Dieser Antrag enthält als Wunsch des Klägers nur eine Umschulung im Bereich der Medienbranche, die zuletzt begehrte Weiterbildung zum Technischen Produktdesigner ist - jedenfalls ausdrücklich - nicht beantragt.

Aus dem Beschluss des Senats vom 4. November 2011 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lässt sich nicht ableiten, die Beklagte habe über einen Antrag des Klägers über die Leistung der beruflichen Weiterbildung zum Technischen Produktdesigner bei der M. GmbH entschieden. Eine gerichtliche Entscheidung zu der Frage dieser Weiterbildungsmaßnahme war erforderlich, weil der Kläger diese im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich begehrt hatte. Der Senat legte in den Gründen des Beschlusses dar, dass die Beklagte eine abschließende Entscheidung über die Gewährung einer bestimmten Maßnahme (noch) nicht getroffen habe sowie keine Ermessensreduzierung auf Null dahin bestehe, dass der vom Kläger im Rahmen der einstweiligen Anordnung geltend gemachte Anspruch auf die zweijährige Umschulung zur Technischen Produktdesigner bei der M. GmbH in Betracht komme.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte möglicherweise für Leistungen der beruflichen Weiterbildung nicht mehr zuständig sein könnte, weil bereits das Jobcenter über entsprechende Anträge des Klägers entschieden hat. Damit könnte das Jobcenter der erstangegangene Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sein, der dann für die Leistungen zur Teilhabe insgesamt zuständig wäre, worauf bereits der 3. Senat des Landessozialgerichts im Urteil vom 20. Juli 2011 betreffend den Rechtsstreit des Klägers gegen das Jobcenter hingewiesen hat.

2. Der Kläger ist aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Zwar hat der Kläger dem SG für das vorliegende Verfahren der Untätigkeitsklage nicht den dem Antrag an sich notwendigerweise beizufügenden Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§§ 73a Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO) vorgelegt. Eine zusätzliche Anforderung dieses Vordrucks für das vorliegende Verfahren hält der Senat allerdings ausnahmsweise für nicht erforderlich. Denn der Kläger hat einen aktuellen Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren L 4 R 2037/12 beigefügt. In diesem Vordruck hat der Kläger ausreichend glaubhaft gemacht, dass er nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 Abs.1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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