L 4 KR 4194/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 615/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4194/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger dagegen, dass es das Sozialgericht Heilbronn (SG) abgelehnt hat, ihm (dem Kläger) für das Klageverfahren S 2 KR 615/11 Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Mit der am 18. Februar 2011 erhobenen Klage begehrte der Kläger, ihm die Kosten für selbstbeschaffte Hörgeräte in Höhe von EUR 2.386,00 zu erstatten, die über den von der Beklagten gezahlten Festbetrag hinausgingen. Mit der Erhebung der Klage beantragte der Kläger zugleich, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ohne dass er einen ausgefüllten Vordruck zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorlegte. Nachdem das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. Mai 2011 bestimmt hatte, mahnte der Kläger am 24. Mai 2011 die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor der mündlichen Verhandlung an. Das SG wies den Kläger am 25. Mai 2011 darauf hin, dass er den Vordruck zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vorgelegt habe. Der Kläger reichte den ausgefüllten und mit Belegen versehenen Vordruck zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen mit Fax vom 26. Mai 2011 beim SG ein.

Das SG wies die Klage mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil vom 27. Mai 2011 ab. Die Ablehnung der Leistung durch die Beklagte sei nicht kausal für die beim Kläger eingetretene Kostenlast gewesen. Der Kläger habe eine Prüfung der Versorgung mit einem zuzahlungsfreien Modell ohne Einschaltung des Ohrenarztes und der Beklagten abgebrochen, woraus der Schluss zu ziehen sei, dass er von vorneherein schon entschlossen gewesen sei, nur das von ihm schließlich gewählte Modell erwerben zu wollen. Der Kläger habe sich erst nach der Versorgung mit den Hörgeräten am 3. Mai 2010 und nach Erhalt der Rechnung vom selben Tag zunächst an die Deutsche Rentenversicherung Bund und dann an die Beklagte gewandt. Dahingestellt bleiben könne, ob die Beklagte noch zuständig für die Versorgung des Klägers mit Hörgeräten gewesen sei. Mit Beschluss vom 23. August 2011 lehnte das SG den Antrag des Klägers, Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu bewilligen, ab, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 29. August 2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 14. September 2011 beim SG Beschwerde eingelegt. Seine beabsichtigte Rechtsverfolgung habe Aussicht auf Erfolg gehabt. Er sei nicht von vornherein entschlossen gewesen, das Modell, mit welchem er versorgt sei, zu erwerben.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. August 2011 aufzuheben sowie ihm für das Klageverfahren S 2 KR 615/11 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt M., U.-str. , S., beizuordnen.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, weil das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Aussicht auf Erfolg verneint hat.

Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 2 KR 615/11 zu bewilligen.

Nach §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsstandpunkt des klagenden Beteiligten für das Gericht zumindest als vertretbar erscheint und dieses von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a Rn. 7a m.N.). Bei der Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidungsreif ist. Entscheidungsreife ist erst dann gegeben, wenn die notwendigen Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der nach § 117 Abs. 4 ZPO vorgeschriebene Vordruck, vorliegen (vgl. z.B. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juli 2012 - L 11 R 2855/12 B - in juris m.w.N.). Das Beschwerdegericht darf die Rechtskraft in der Hauptsacheentscheidung regelmäßig nicht außer Acht lassen; eine abweichende Beurteilung der Erfolgsaussicht im Beschwerdeverfahren kommt bei dieser Sachlage im Regelfall nicht mehr in Betracht (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 07. März 2012 - XII ZB 391/10 - NJW 2012, 1964; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. August 1998 - L 13 AL 1142/98 PKH-B - in juris sowie Beschluss vom 16. Juli 2009 - L 13 AS 3028/09 PKH-B -; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09. April 2009 - L 3 AS 158/09 - in juris; Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 5. Auflage 2010 Rdnr. 885).

Da der Kläger das Urteil des SG vom 27. Mai 2011 nicht mit der Berufung angefochten hat, ist es rechtskräftig geworden. Der Senat ist damit im Beschwerdeverfahren an die Beurteilung des SG gebunden, dass der Kläger keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf Erstattung des geltend gemachten Betrages in Höhe von EUR 2.386,00 für die Beschaffung der Hörgeräte hat und deshalb seine Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.

Allerdings kann im Ausnahmefall eine nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das Rechtsmittelgericht auch aufgrund einer abweichenden Beurteilung der Erfolgsaussicht geboten sein. Zum einen kommt eine nachträgliche Bewilligung ausnahmsweise in Betracht, wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären war. Zum anderen ist eine Ausnahme von der Bindung an das rechtskräftige Urteil angezeigt, wenn das SG es versäumt hätte, rechtzeitig nach Eintritt der Entscheidungsreife/Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrages hierüber zu entscheiden (z.B. BGH, Beschluss vom 07. März 2012 XII ZB 391/10 - a.a.O.). Beides ist hier nicht gegeben.

Die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenlast des Versicherten als Voraussetzung eines Anspruchs auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V und gleichermaßen auch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist durch die unter anderem auch vom SG im Urteil vom 27. Mai 2011 genannten Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich geklärt (vgl. z.B. auch BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - in juris).

Bewilligungsreife tritt ein, wenn alle für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen, insbesondere der vollständig ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege vorgelegt sind. Da der Kläger Belege zu den in seinen vorgelegten Erklärungen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemachten Angaben erst am 26. Mai 2011 einreichte, war erst an diesem Tag Bewilligungsreife gegeben. Da das SG am darauf folgenden Tag bereits die Klage ab wies, konnte das SG die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nach der auch dem Urteil zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage beurteilen.

Eine Ausnahme von der Bindung an das rechtskräftige Urteil des SG kann schließlich aus Billigkeitsgründen erfolgen, wenn ansonsten schwerwiegenden und offensichtlichen Mängeln in der rechtlichen Beurteilung durch das Gericht erster Instanz nicht genügend Rechnung getragen werden kann oder wenn sich die Unrichtigkeit der Hauptsacheentscheidung ohne weitere Ermittlung aufdrängt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. August 1998 - L 13 AL 1142/98 PKH-B - a.a.O.). Derartige Umstände liegen hier nicht vor. Die Auffassung des SG, der Kläger sei von vornherein entschlossen gewesen, dass gewählte Modell zu erwerben, lässt sich ohne weitere tatsächliche Ermittlungen nicht widerlegen. Hierzu müsste der genaue Ablauf der Versorgung des Klägers mit den Hörgeräten festgestellt werden, wobei auch - worauf das SG am Ende der Entscheidungsgründe zutreffend hingewiesen hat - zu klären wäre, ob die Beklagte überhaupt noch der zuständige Rehabilitationsträger gewesen wäre (zu Letzterem vgl. Urteil des Senats vom 2. Dezember 2011 - L 4 KR 5537/10 - in juris Rn. 41 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der (weiteren) Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved