S 13 KR 37/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 37/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der endgültigen Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) für die Zeit vom 01.10.2010 bis 30.11.2011 und eine Beitragsnachforderung für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.06.2011 in Höhe von 4.843,44 EUR.

Die 0000 geborene Klägerin ist verheiratet und hat ein Kind. Seit 01.02.2009 ist sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig mit der Herstellung und dem Vertrieb von Werbeschildern. Seitdem ist sie bei der Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert; die Mitgliedschaft endete zum 31.01.2012. Im Aufnahmeantrag vom 24.02.2009 schätzte die Klägerin die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit auf jährlich 10.000,00 EUR. Einen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit erhielt sie nicht. Durch bestandskräftige Bescheide vom 28.02., 11.03., 20.03., 26.03., 26.06. und 22.12.2009, 21.08., 22.09. und 23.12.2010 sowie 19.02.2011 setzte die Beklagte die Beiträge zur KV und PV für die Zeit ab 01.02.2009 vorläufig fest. Sie wies darauf hin, dass für die Beitragsberechnung u.a. auch die Höhe der Einnahmen von Bedeutung sei; bis zur Vorlage von Einkommensnachweisen würden die Beiträge unter Vorbehalt nach dem gesetzlichen Mindesteinkommen bemessen. Dementsprechend legte die Beklagte der Bemessung der Beiträge den 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße je Kalendertag zugrunde, konkret: Zeitraum Bemessungsgrundlage Beitragssatz % Beitrag KV PV KV PV 2-6/2009 1.890,00 EUR 14,9 1,95 281,61 EUR 36,86 EUR 7-12/2009 1.890,00 EUR 14,3 1,95 270,29 EUR 36,86 EUR 1-12/2010 1.916,25 EUR 14,3 1,95 274,02 EUR 37,37 EUR 1-6/2011 1.916,25 EUR 14,9 1,95 285,52 EUR 37,37 EUR

Mit Schreiben vom 30.10.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr jährlicher Gewinn betrage 8.640,00 EUR; mit Schreiben vom 11.11.2010 teilte sie ein jährliches Einkommen von 27.234,00 EUR mit. Da jedoch noch kein Einkommensteuerbescheid vorlag, beließ es die Beklagte bei der vorläufigen Festsetzung der Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage. Am 25.03.2011 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2009; danach betrug das Jahreseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit 39.072,00 EUR. Hieraus errechnet sich aus den elf Monaten der selbstständigen Tätigkeit in 2009 ein Monatsbetrag von 3.552,00 EUR. Die Klägerin legte der Beklagten den Einkommensteuerbescheid am 20.07.2011 vor.

Durch zwei Bescheide vom 23.07.2011stellte die Beklagte auf der Grundlage des durch den Einkommensteuerbescheid für 2009 festgestellten Bruttoeinkommens die Höhe der Beiträge zur KV und PV ab 01.02.2009 nach einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 3.552,00 EUR endgültig fest, konkret: Zeitraum Bemessungsgrundlage Beitragssatz % Beitrag KV PV KV PV 2-6/2009 3.552,00 EUR 14,9 1,95 529,25 EUR 69,26 EUR 7-12/2009 3.552,00 EUR 14,3 1,95 507,94 EUR 69,26 EUR 1-12/2010 3.552,00 EUR 14,3 1,95 507,94 EUR 69,26 EUR 1-6/2011 3.552,00 EUR 14,9 1,95 529,25 EUR 69,26 EUR

Für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 30.06.2011 forderte sie Beiträge zur KV in Höhe von 6.933,64 EUR, zur PV in Höhe von 930,42 EUR, insgesamt 7.864,06 EUR nach. Hierauf entfielen auf den Zeitraum vom 01.02. bis 31.12.2009 ein Gesamtbetrag von 3.020,62 EUR.

Dagegen erhob die Klägerin am 02.08.2011 Widerspruch. Sie legte umfangreiche Unterlagen, u.a. erneut den Einkommensteuerbescheid von 2009, einen Jahresabschlussbericht des Steuerberaters für 2009 und einen vorläufigen Bericht des Steuerberaters für 2010 vor. Sie meinte, daraus werde ersichtlich, dass ein deutlich geringeres Einkommen erzielt worden sei.

Aufgrund eines am 29.11.2011 gestellten Beitragsentlastungsantrags der Klägerin setzte die Beklagte durch zwei Bescheide vom 03.12.2011 die Beiträge zur KV und PV ab 01.12.2011 wieder vorläufig fest und bemaß die Beiträge unter Vorbehalt entsprechend den bekanntgegebenen Einkünften nach einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 1.846,67 EUR.

Durch Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die endgültige Bemessung der Beiträge ab 01.02.2009 und die Nachforderung als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 15.02.2012 Klage erhoben. Sie verweist darauf, schon im Oktober 2009 mitgeteilt zu haben, dass ihr Einkommen in 2009 nur ca. 8.640,00 EUR betragen würde; im Laufe des Jahres 2010 habe sie mehrfach telefonisch und persönlich mitgeteilt, dass Umsatz und Gewinn in 2010 gegenüber 2009 erheblich zurückgegangen seien, der Einkommensteuerbescheid für 2009 aber noch nicht vorgelegt werden könne. Als der Einkommensteuerbescheid für 2009 vorgelegt worden sei, habe die Beklagte die Beiträge nicht nur ab 01.02.2009, sondern auch ab 01.01.2010 nach einem monatlichem Einkommen von 3.552,00 EUR festgesetzt; diese Entscheidung verkenne, dass sie im Jahre 2010 einen erheblich geringeren Gewinn erzielt habe. Zum Nachweis hat die Klägerin den Einkommensteuerbescheid vom 07.02.2012 für das Jahr 2010 vorgelegt; daraus ergeben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.739,00 EUR. Die Klägerin ist der Auffassung, dass in den angefochtenen Bescheiden vom 23.07.2011 zwar die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2009 zutreffend erfolgt ist und die für dieses Jahr zu wenig gezahlten Beiträge nachgefordert werden können; dies gelte aber nicht für die Jahre 2010 und 2011. Die Klägerin wehrt sich dagegen, auch für einen Zeitraum, in dem ihr Einkommen nachweislich geringer gewesen ist, Beiträge nach dem Einkommen aus 2009 entrichten zu müssen. Die Beitragsbemessung, wie sie die Beklagte auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vornehme, führe bei ihr zu einem unerträglichen und ungerechten Ergebnis. Im Unterschied zu der vom BSG in seiner Entscheidung vom 02.09.2009 (B 12 KR 21/08 R) entschiedenen Fallkonstellation gehe es in ihrem Fall nicht nur um eine Beitragsfestsetzung für ca. fünf Monate, losgelöst von der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds, sondern um eine Beitragserhebung, die sich von der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren loslöse. Mit der Beitragsregelung des § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) finde nicht nur eine eklatante Ungleichbehandlung des freiwilligen Mitglieds gegenüber dem versicherungspflichtig Beschäftigten statt, sondern werde ein Eingriff in die Existenzgrundlage der Klägerin legitimiert, die einen "Verstoß sowohl gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG)" als auch gegen Artikel 5 GG, wenn nicht gar gegen Artikel 2 i.V.m. Artikel 1 GG darstelle. Die vom BSG in seinem Urteil vom 02.09.2009 angestellten Erwägungen zum Verwaltungsaufwand und zur Verwaltungspraktikabilität gäben einer rein formalistischen Betrachtungsweise Vorschub, die sich vom Sinngehalt des § 240 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach bei der Beitragsfestsetzung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes zu berücksichtigen sei, in nicht mehr zu vereinbarendem Maße entferne.

Die Klägerin beantragt,

die Beitragsbescheide der Beklagten vom 23.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2012 insoweit aufzuheben, als dadurch für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.11.2011 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach einer höheren Bemessungsgrundlage als 1.916,25 EUR festgesetzt und für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.06.2011 Beiträge in Höhe von 4.843,44 EUR nachgefordert worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Rechtsprechung des BSG und das Verfahrensrecht zur Beitragsfestsetzung. Das im letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibe bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Dies entspreche dem Grundsatz, dass bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen eine Änderung aufgrund neuer Tatsachen, die nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens entstehen oder bekannt werden, nur mit Wirkung für die Zukunft vorgenommen werden, wenn die Krankenkasse das Arbeitseinkommen nach den neuesten steuerlichen Unterlagen ermittelt hat und das Mitglied solche Unterlagen der Krankenkasse nicht vorenthält. Damit werde deutlich, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei den hauptberuflich Selbstständigen für die Beitragsbemessung in der Regel zeitversetzt berücksichtigt werden. Eine Beitragsneufestsetzung aufgrund des aktuell vorgelegten Einkommensteuerbescheides für 2010 sei nicht vorzunehmen, da die Klägerin die Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31.01.2012 gekündigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Zurecht hat die Beklagte nicht nur für die elf Monate vom 01.02. bis 31.12.2009 die Beiträge auf der Grundlage des Arbeitseinkommens, wie es im Einkommensteuerbescheid für 2009 ausgewiesen ist, endgültig festgesetzt und Beiträge für 2009 in Höhe von 3.020,62 EUR nachgefordert (was von der Klägerin inzwischen akzeptiert und nicht mehr angegriffen wird), sondern auch für die Zeit ab 01.01.2010 bis 30.11.2011 die Beiträge nach einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 3.552,00 EUR endgültig festgesetzt und für die Zeit von Januar 2010 bis Juni 2011 Beiträge in Höhe von 4.843,44 EUR nachgefordert (wogegen sich zuletzt die Klägerin noch mit der Klage wendet).

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V in der hier einschlägigen ab 01.01.2009 geltenden Fassung wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) geregelt (Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Satz 2). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, bestimmen § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V und § 7 Abs. 3 Satz 1 der vom GKV-Spitzenverband in Ausführung vom § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V erlassenen "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von den Mitgliedern selbst zu entrichteten Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler), dass als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gilt. Nach dieser Regel werden also die Beiträge hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger grundsätzlich nach dem Höchstsatz bemessen. Jedoch ermöglichen § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V und § 7 Abs. 3 Satz der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, dass bei Nachweis niedrigerer Einnahmen diese als beitragspflichtige Einnahmen heranzuziehen sind, mindestens jedoch für den Kalendertag 1/40 der monatlichen Bezugsgröße. Eine weitere Absenkung der Mindestbemessungsgrundlage auf den 1/60 der monatlichen Bezugsgröße nach § 240 Abs. 4 Satz 2, 3. Alternative SGB V kommt bei der Klägerin nicht in Betracht, da sie keinen Gründungszuschuss oder eine entsprechende Leistung erhalten hat und ? für die noch streitbefangene Zeit vom 01.01.2010 bis 30.11.2011 ? die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler nicht erfüllt waren. Im Übrigen bestimmt § 7 Abs. 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler: "Die Voraussetzungen für die Beitragsbemessung nach Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 oder Abs. 5 sind vom Mitglied nachzuweisen. Das über den letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibt bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Der neue Einkommensteuerbescheid ist für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Legt das Mitglied den Einkommensteuerbescheid später vor und ergäbe sich eine günstigere Beitragsbemessung, sind die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommensteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen. Bei hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigen, die eine selbstständige Tätigkeit neu aufnehmen, werden die Beiträge auf Antrag des Mitglieds abweichend von Abs. 3 Satz 1 bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides einstweilig nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt."

Auf der Grundlage dieser Beitragsbemessungsvorschriften hat die Beklagte die Beiträge zur KV und PV auch für die Zeit ab 01.01.2010 zutreffend ? endgültig ? festgesetzt. Soweit sie zunächst die Beiträge davor nur vorläufig festgesetzt hatte, war sie damit einem insbesondere bei Existenzgründern bestehenden Bedürfnissen nachgekommen, die Beiträge auch später noch rückwirkend endgültig festzusetzen, wenn sich nach Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides ergäbe, dass eine ? günstigere ? Beitragsbemessung der wirtschaftlichen Wirklichkeit entsprochen hätte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22.03.2006 ? B 12 KR 14/05 R). Diesem Bedürfnis tragen seit 01.01.2009 auch die Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes in § 7 Abs. 7 Satz 5 Rechnung. Sobald allerdings ein Einkommensteuerbescheid ergangen ist, hat die Krankenkasse die sich daraus ergebenden Einkünfte der Beitragsbemessung zugrunde zu legen und die vorläufige durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Die Notwendigkeit, den Einkommensteuerbescheid zugrunde zu legen, folgt hinsichtlich des Nachweises der Höhe der Einnahmen schon aus den Besonderheiten bei der Ermittlung des Gewinns als beitragspflichtige Einnahme. Bei hauptberuflich Selbstständigen können die tatsächlich erzielten Einnahmen und insbesondere der Gewinn, anders als bei Arbeitnehmern, in der Regel nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststeht, mit dessen Ablauf auch die Einkommensteuer entsteht. Hinzu kommt der Zeitraum bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides bei der Krankenkasse. Erst mit diesem Zeitpunkt stehen den Krankenversicherungsträgern, die über keine eigenen Ermittlungs- und Feststellungsmöglichkeiten verfügen, Daten zur Verfügung, auf deren Grundlage sie ggf. am Beginn der Berufslaufbahn zunächst vorläufig festgesetzte Beiträge endgültig feststellen können und auf die ausgehend von einer ihrerseits auf einer verlässlichen Grundlage basierenden Prognose im Regelfall eine endgültige Beitragsfestsetzung für die Zukunft zulässig gestützt werden kann. Der Betrag des Gewinns kann daher verlässlich nur dem jeweils letzten Einkommensteuerbescheid entnommen werden (BSG, Urteil vom 02.09.2009 ? B 12 KR 21/08 R; Urteil vom 22.03.2006 ? B 12 KR 14/05 R). Dem hat die Beklagte, nachdem die Klägerin erstmals im Juli 2011 den Einkommensteuerbescheid für 2009 vorgelegt hat, durch die endgültige Festsetzung der Beiträge ab 01.02.2009 durch die Bescheide vom 23.07.2011 Rechnung getragen. Nach einer endgültigen Festsetzung aber ? dies ergibt sich aus § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V und § 7 Abs. 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler ? können Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nur zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam werden (so auch BSG, Urteil vom 02.09.2009 ? B 12 KR 21/08 R). Da der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 07.02.2012 datiert und dementsprechend erst danach von der Klägerin vorgelegt wurde, zu einem Zeitpunkt also, als sie nicht mehr freiwilliges Mitglied der Beklagten war, konnten sich die daraus ergebenden Einkünfte nicht mehr beitragsmindernd für die Zeit ab 01.01.2010 auswirken.

Die Kammer verkennt nicht, dass die aufgezeigte Praxis der zeitversetzten Beitragsfestsetzung im Einzelfall zu "ungerechten" Ergebnisses führen kann; unerträglich ? wie die Klägerin meint ? sind diese jedoch nicht. Sie sind vielmehr vom Gesetzgeber so gewollt und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch als rechtmäßig bestätigt worden. Das BSG hat in der Entscheidung vom 02.09.2009 (B 12 KR 21/08 R) ausführlich und überzeugend die Verfahrensweise der vorläufigen und schließlich endgültigen Festsetzung von Beiträgen freiwillig versicherter hauptberuflich selbstständig erwerbstätiger Mitglieder dargelegt. Es hat insbesondere auf die Einkommensteuerbescheide als Nachweis für eine endgültige Festsetzung abgestellt und dargelegt, dass die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich Selbstständigen nicht zu beanstanden ist. Auf einen längeren Zeitraum gesehen ? so das BSG ? werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolge ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt werde (BSG, Urteil vom 02.09.2009 ? B 12 KR 21/08 R unter Hinweis auf das Urteil vom 22.03.2006 ? B 12 KR 14/05 R). Dass die Klägerin ihre freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten im Januar 2012 beendet hat und sich deshalb die erst durch den später erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 nachgewiesenen weit unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze und sogar unterhalb der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage liegenden niedrigeren Einkünfte nicht mehr beitragsmindernd auswirken konnten, mag zwar konkret für die Klägerin im Rahmen des vom BSG beschriebenen wellenförmigen Beitragsfestsetzungsschema zum Ausgleich der wechselnden Einnahmen nachteilig sein. Dies ist jedoch von ihr hinzunehmen und kann nicht zu einer rückwirkenden Neufestsetzung der Beiträge für die Zeit ab 01.01.2010 führen, da diese Beiträge durch die Bescheide vom 23.07.2011 endgültig ? rechtmäßig ? festgesetzt worden sind. Hätte die Klägerin im Jahre 2009 niedrigere, die Beitragsbemessungsgrenze oder sogar die Mindestbemessungsgrundlage unterschreitende Einkünfte nachgewiesen, so wären von der Beklagten auf dieser Grundlage entsprechend niedrigere Beiträge bis zur Mindestgrenze endgültig festgesetzt worden. Hätte die Klägerin im Folgejahr (2010) dann wieder höhere Einkünfte erzielt, hätten diese erst für die Zukunft ab Erlass des diese nachweisenden Einkommensteuerbescheides für 2010 von der Beklagten beitragssteigernd berücksichtigt werden können. Hier hätte das Risiko der davor liegenden niedrigeren (endgültigen) Beitragsfestsetzung bei der Krankenkasse gelegen. In diesem Sinn hat die Kammer bereits durch Urteil vom 24.05.2011 (S 13 KR 44/11) entschieden. Die von der Klägerin gegen die Verfahrensweise der Festsetzung ihrer Beiträge vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt die Kammer nicht.

Nach alledem ist die endgültige Festsetzung der Beiträge auch für die Zeit ab 01.01.2010 durch die Beitragsbescheide vom 23.07.2011 nicht zu beanstanden und hat die Klägerin auch die Beitragsnachforderung für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.06.2011 in Höhe von 4.843,44 EUR zu befriedigen. Dementsprechend war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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