S 1 SO 362/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 362/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Nießbrauchsrecht und Pflichtteilsansprüche gehen bei der Bestimmung des Wertes des Nachlasses i.S.d § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII dem Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers im Rang nach. Sie sind deshalb nicht als Erbfallschulden wertmindernd zu berücksichtigen.

2. Der Begriff der „besonderen Härte“ in § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII ist als Ausnahmereglung eng auszulegen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Der Streitwert wird - endgültig - auf 10.411,13 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger dem Beklagten zur Erstattung von Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen für ihren Vater in Höhe von 10.411,13 EUR verpflichtet sind.

Die 1980 geborene Klägerin und der 1975 geborene Kläger sind die Kinder aus zweiter Ehe des am 21.03.1930 geborenen und am 14.06.2009 verstorbenen W. L. (im folgenden: Hilfeempfänger). Der Hilfeempfänger hatte die Kläger durch öffentliches Testament vom 15.10.2001 (Notariat B., Urkundenrollen Nummer 1825/01) zu gleichberechtigten Erben für den Fall seines Ablebens eingesetzt (§ 1). Zugleich hatte er seiner zweiten Ehefrau, der Mutter der Kläger, einen lebenslangen Nießbrauch an seiner Eigentumswohnung im Anwesen M.straße ..., B., eingeräumt (§ 3).

Der Beklagte leistete dem Hilfeempfänger in der Zeit vom 01.09.2007 bis zum Todestag Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) im Gesamtumfang von 20.094,90 EUR; davon erbrachte er Leistungen im Umfang von 7.577,77 EUR darlehensweise (vgl. Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.04.2010 - S 4 SO 3120/08 -).

Mit Schreiben vom 17.06.2010 meldete der Beklagte gegenüber den Klägern seinen Kostenersatzanspruch an.

Nach weiterer Sachaufklärung (Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für die Ermittlung von Grundstückswerten bei der Stadt B., Auskunft des Finanzamts K., Beizug des Testaments des Hilfeempfängers, Vorlage einer Aufstellung über die Bestattungskosten) forderte der Beklagte von den Klägern einen Kostenersatz in Höhe von 10.411,13 EUR für die von ihm erbrachten Hilfeleistungen. Diesen ermittelte er wie folgt:

Sozialhilfe in 2007 3.077,73 EUR Sozialhilfe in 2008 14.478,18 EUR Sozialhilfe in 2009 2.538,99 EUR Gesamtaufwand 20.094,90 EUR abzgl. Darlehensforderung gegenüber der Mutter der Kläger 7.577,77 EUR verbleiben 12.517,13 EUR abzgl. Freibetrag 2.106,00 EUR ersatzpflichtiger Aufwand 10.411,13 EUR. ========= Diese Aufwendungen könnten die Kläger in vollem Umfang aus dem Reinnachlass von 89.851,41 EUR (= Eigentumswohnung im Anwesen M.straße ,B.: Wert: 97.000,00 EUR, abzgl. Beerdigungskosten: 7.148,59 EUR) begleichen. Das den Klägern als Erben auferlegte Vermächtnis (Nießbrauch zugunsten der Mutter) wie auch Pflichtteilsansprüche der weiteren, enterbten Kinder des Hilfeempfängers aus erster Ehe seien erst nachrangig zu berücksichtigen. Der Kostenersatz stelle für die Kläger auch keine unbillige Härte dar; insbesondere wirke das während des laufenden Leistungsbezugs zugunsten des Hilfeempfängers berücksichtige Schonvermögen, die Eigentumswohnung, nicht als solches zugunsten der Erben fort. Der Kostenersatz treffe die Kläger als Gesamtschuld (Bescheid vom 16.08.2011, Widerspruchsbescheid vom 27.12.2011).

Deswegen haben die Kläger am 24.01.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zur deren Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, der Beklagte gehe von einem unrichtigen Nachlasswert aus. Dieser ergebe sich aus dem ihnen als Erben angefallenen Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten sowohl die Erblasserschulden als auch die Erbfallschulden, und damit auch der Nießbrauch an der Eigentumswohnung. Bei Berücksichtigung des Nießbrauchs betrage der Wert der Eigentumswohnung nach dem Wertgutachten nur 4.000,00 EUR. Bei weiterer Berücksichtigung der Aufwendungen für die standesgemäße Beerdigung und der in der Höhe noch ungeklärten Pflichtteilsansprüche der beiden enterbten Kinder des Hilfeempfängers sei der Nachlasswert deshalb mit 0,00 EUR anzusetzen. Zudem stelle der von dem Beklagten geforderte Kostenersatz für sie eine unbillige Härte dar. Solange ihre Mutter Inhaberin des Nießbrauchsrechts sei, sei eine Veräußerung der Eigentumswohnung ohne deren Zustimmung nicht möglich. Ihrer Mutter sei es überdies aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht zuzumuten, die Wohnung, die während des Sozialhilfebezuges des Hilfeempfängers zu dessen Schonvermögen gehört habe, allein deswegen aufgeben zu müssen, um ihnen - den Klägern - den Kostenersatz zu ermöglichen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 16. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Mit Recht fordert der Beklagte von ihnen als (Mit-)Erben auf Ableben des Hilfeempfängers als Gesamtschuldner einen Kostenersatz für seine Aufwendungen an den Hilfeempfänger in Höhe von insgesamt 10.411,13 EUR.

1.) Rechtsgrundlage des Kostenersatzanspruchs ist § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach ist u.a. der Erbe der leistungsberechtigten Person vorbehaltlich des Absatzes 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nach Satz 2 der Bestimmung nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Die Ersatzpflicht des Erben gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses (§ 102 Abs. 2 SGB XII). Der Anspruch auf Kostenersatz erlischt in drei Jahren nach dem Tod u.a. der leistungsberechtigten Person (§ 102 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Der Ersatz durch die Erben gilt nicht für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII und für die vor dem 01. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe (§ 102 Abs. 5 SGB XII).

2.) Gemessen an diesen rechtlichen Bestimmungen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig.

a) Die Bescheide sind zunächst formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte die Kläger - wie erforderlich (§ 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X)) - vor Erlass des Bescheides vom 16.08.2011 angehört. Denn er hat sie mit Schreiben vom 17.06.2010 auf seine Verpflichtung, von den Erben einen Kostenersatz geltend zu machen, hingewiesen, ihnen die maßgebenden Beträge mitgeteilt (vgl. insoweit Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 102, Rdnr. 13) und die Verpflichtung der Kläger zum Kostenersatz einschließlich des Umfangs und der zugrundeliegenden Aufwendungen im weiteren Schreiben vom 07.10.2010 ausdrücklich wiederholt. Selbst wenn das Gericht diese Schreiben nicht als formelle Anhörung im Sinne des § 24 Abs. 1 SGB X werten wollte, wäre die dann fehlende Anhörung durch das dem Bescheid vom 16.08.2011 nachfolgende Widerspruchsverfahren, in dem die Kläger Gelegenheit hatten, sich zu allen entscheidungsrelevanten Umständen zu äußern, geheilt (§ 41 Abs. 1 Satz Nr. 3 i.V.m. § 41 Abs. 2 SGB X; vgl. insoweit u.a. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 und BSG, Breithaupt 2003, 154 ff.; vgl. für den Fall selbst einer bewussten Unterlassung der rechtzeitigen Anhörung: BSG, Breithaupt 2009, 89 ff.).

b) Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

aa) Die Kläger sind Miterben mit einem Erbanteil zu je 1/2 auf Ableben des Hilfeempfängers, wie sich aus § 1 des öffentlichen Testaments des Hilfeempfängers vom 15.10.2001 ergibt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.

bb) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Hilfeleistungen gegenüber dem Hilfeempfänger nicht rechtmäßig erbracht hätte, was seinem Erstattungsanspruch entgegenstünde (vgl. insoweit BSG, FEVS 62, 145; Thür. LSG vom 06.07.2011 - L 8 SO 1027/08 - (juris); BVerwGE 78, 165; Bay. VGH, FEVS 55, 211; VGH Baden-Württemberg, FEVS 46, 338, 342 und OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 2002, 695, 696; ferner Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, § 102, Rdnr. 14 und Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 9), sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich. Auch die Höhe der insgesamt beim Beklagten in den Jahren 2007 bis 2009 angefallenen Aufwendungen für die Hilfeleistungen (20.094.90 EUR) haben die Kläger ebenso wenig beanstandet wie den von diesem Betrag in Abzug gebrachten Teil-Betrag für die darlehensweise Leistungserbringung im Umfang von 7.577,77 EUR, den die Mutter der Kläger zwischenzeitlich vollständig getilgt hat. Damit verblieben zu Lasten der Kläger berücksichtigungsfähige Sozialhilfeaufwendungen ("Nettosozialhilfeaufwand") im Umfang von 12.517,13 EUR.

cc) Von diesem bereinigten Aufwand hat der Beklagte hat zutreffend gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. mit § 85 Abs. 1 SGB XII einen Freibetrag von 2.106,00 EUR abgezogen. Der Freibetrag ergibt sich aus dem Doppelten des im Zeitpunkt des Erbfalls im Juni 2009 maßgebenden (vgl. insoweit BVerwGE 57, 26, 27; Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 102, Rdnr. 14; Conradis LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 102 Rdnr. 10; Lücking, a.a.O., Rdnr. 13 und Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 14) Regelsatzes von 351,00 EUR (vgl. Art. 1 § 1 Nr. 1 der Verordnung des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg zur Änderung der Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Regelsätze in der Sozialhilfe vom 06.06.2000 (GBl 206)), das sind 702,00 EUR, multipliziert mit drei. Bei mehreren Erben ist der Freibetrag nur einmal abzusetzen (vgl. BVerwGE 57, 26 ff. und LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2008 - L 20 SO 10/05 - (juris) sowie Lücking, a.a.O., Rdnr. 20 und 27). Die Kläger haben insoweit auch keine Einwände erhoben. Damit ergeben sich erstattungsfähige Aufwendungen des Beklagten von 10.411,13 EUR.

dd) Auch die Zehn-Jahres-Grenze hinsichtlich der erstattungsfähigen Aufwendungen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) ist vorliegend unzweifelhaft gewahrt, nachdem die Hilfeleistungen gegenüber dem Hilfeempfänger erst am 01.09.2007 eingesetzt hatten.

ee) Der Beklagte hat darüber hinaus den Anspruch auf Kostenersatz auch innerhalb der Ausschlussfrist von drei Jahren (§ 102 Abs. 4 Satz 1 SGB XII) nach dem Tod des Hilfeempfängers geltend gemacht, denn zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16.08.2011 war diese Zeitspanne, die am 14.06.2012 endete, noch nicht abgelaufen.

ff) Die aus § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII folgende Begrenzung des Kostenersatzanspruchs des Beklagten auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls steht vorliegend dem streitigen Anspruch ebenfalls nicht entgegen. Denn der Nachlasswert von 89.851,41 EUR übersteigt den gegen die Kläger geltend gemachten Ersatzanspruch von 10.411,13 EUR um ein Vielfaches.

(1) Zwischen den Beteiligten ist insoweit unstreitig, dass zum Nachlass des Hilfeempfängers dessen Eigentumswohnung im Anwesen M.straße , B., gehört. Der unbelastete Verkehrswert dieser Immobilie betrug nach dem überzeugenden Wertgutachten des Gutachterausschusses bei der Stadt Bühl vom 26.02.2010 97.000,00 EUR. Einwände gegen die Wertermittlung und Wertberechnung haben die Kläger insoweit nicht geltend gemacht. Solche sind für das erkennende Gericht auch sonst nicht ersichtlich. Zwar erfolgte die Wertermittlung vorliegend bezogen auf den Stichtag 22.01.2010 und nicht auf den Todeszeitpunkt des Hilfeempfängers. Mangels konkreter Einwände der Kläger wie auch sonstiger offenkundiger Anhaltspunkte ist indes nicht erkennbar, dass sich der Verkehrswert zwischen dem Todestag am 14.06.2009 und dem im Gutachten ausgewiesenen Stichtag erhöht hätte.

(2) Von dem sonach maßgebenden Verkehrswert von 97.000,00 EUR hat der Beklagte zutreffend - allein - die Aufwendung der Kläger für die Beerdigung des Hilfeempfängers in Höhe von insgesamt 7.148,59 EUR in Abzug gebracht. Denn die Berechnung des Wertes des Nachlasses beurteilt sich mangels konkretisierender Regelung im SGB XII selbst nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) (dazu sogleich unter (3)). Danach sind von dem vorhandenen Aktivvermögen die Nachlassverbindlichkeiten, zu denen die Beerdigungskosten gehören (§ 1968 BGB), abzusetzen. Die Höhe der vom Beklagten berücksichtigten Beerdigungskosten entspricht in vollem Umfang den von den Klägern mit Schriftsatz vom 03.11.2010 geltend gemachten und durch Vorlage entsprechender Belege nachgewiesenen Aufwendungen.

(3) Keine Berücksichtigung finden dagegen das der Mutter der Kläger durch den Hilfeempfänger testamentarisch eingeräumte Nießbrauchrecht an der vorgenannten Eigentumswohnung wie auch eventuelle Pflichtteilsansprüche der enterbten Stiefgeschwister der Kläger. Die in § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII verwendeten Begriffe "Erbfall" und "Wert des Nachlasses" entsprechen denen des BGB (vgl. BVerwG, FEVS 32, 177 ff.). Unter "Wert des Nachlasses" ist demnach das den Erben im Zeitpunkt des Erbfalls anfallende, um die Passiva verringerte Aktivvermögen des Erblassers zu verstehen (vgl. Bieback, a.a.O., Rdnr. 38; Simon in juris-PK-SGB XII, Stand 31.12.2011, § 102, Rdnr. 39 und Conradis, a.a.O., Rdnr. 15, jeweils mit weiteren Nachweisen). Als Passiva gelten dabei - wie oben unter (2) bereits ausgeführt - die Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) und ggfs. die Kosten einer Nachlassverwaltung, der Nachlasssicherung (§ 1960 BGB), der Ermittlung der Nachlassgläubiger sowie der Inventarerrichtung (vgl. Bay. VGH, FEVS 55, 166 ff.). Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche (§§ 2303 ff., 2147 ff. BGB) oder Auflagen (§ 2192 ff. BGB) sind zwar ebenfalls Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 BGB). Sie sind aber gegenüber dem Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nachrangig und daher nicht vorab als Passivposten zu berücksichtigen (vgl. VG Augsburg vom 13.07.2009 Au 3 E 09.379/ (juris); ferner Simon, a.a.O., Rdnr. 41; Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 19; Wolf in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 102, Rdnr. 11 sowie Edenhofer in Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 1967, Rdnr. 11). Denn der Pflichtteilsberechtigte geht den anderen Nachlassgläubigern nach, da er Befriedigung erst aus dem schuldenfreien Nachlass verlangen darf (vgl. Edenhofer, a.a.O., § 2311, Rdnr. 3 und Lange in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, § 2311, Rdnr. 20). Den Pflichtteilsansprüchen im Rang noch weiter nachgehend sind Vermächtnisse und Auflagen (vgl. Edenhofer a.a.O., Rdnr. 5 sowie Lange, a.a.O.). Dies ergibt aus dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Aus dem von den Klägern im Verwaltungsverfahren angezogenen Gerichtsbescheid des SG Gotha vom 28.09.2009 - S 14 SO 1150/09 - (juris) ergibt sich nichts anderes, denn das SG Gotha geht in dieser Entscheidung ersichtlich von demselben Begriff des "Wertes des Nachlasses" wie der Beklagte und das erkennende Gericht aus. Zu der Frage, ob Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche als Erbfallschulden dem Anspruch auf Kostenersatz des Sozialhilfeträgers aus § 102 SBG XII vorgehen, äußert sich das SG Gotha indes nicht. Hierauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen.

Angesichts dessen hat der Beklagte den Wert des Nachlasses zutreffend mit 89.851,41 EUR ermittelt.

gg) Vorliegend findet ferner die Ausschlussregelung in § 102 Abs. 3 SGB XII keine Anwendung. Denn weder liegt der Wert des Nachlasses unter dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SBG XII (§ 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) noch handelt es sich bei den Klägern um den Ehegatten oder Lebenspartner des verstorbenen Hilfeempfängers und haben die Kläger bis zum Tod des Hilfeempfängers auch nicht mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder ihn gepflegt (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII).

hh) Die Inanspruchnahme der Kläger für den Kostenersatz bedeutet für diese vorliegend auch keine besondere Härte (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII). Der Begriff der "besonderen Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Wolf, a.a.O., Rdnr. 15). Er ist eng auszulegen (vgl. BVerwG, FEVS 32, 177 ff sowie Simon, a.a.O., Rdnr. 56). Es müssen im Einzelfall gewichtige Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art vorliegen, die dem in § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII geregelten Lebenssachverhalt hinsichtlich ihrer Bedeutung und Schwere vergleichbar sind (vgl. Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 27). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Erbe den Hilfeempfänger über einen längeren Zeitraum bis zu seinem Tod intensiv gepflegt, mit ihm aber nicht in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat oder die häusliche Gemeinschaft bei längerer, intensiver Pflege des Hilfeempfängers durch eine nicht mit ihm verwandte oder (nur) verschwägerte Person infolge eines länger andauernden Krankenhausaufenthalts vor seinem Tod nicht mehr bestand (vgl. insoweit Bieback, a.a.O., Rdnr. 23 f) oder wenn der Erbe auf ein zum Nachlass gehörendes Haus werterhöhende Aufwendungen für Renovierung gemacht hat, weil der Erbe ansonsten gerade deshalb mehr Kosten zu ersetzen hätte, weil er selbst Aufwendungen gemacht hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 41, 205 und Simon, a.a.O., Rdnr. 57). Dagegen lässt sich die Annahme einer besonderen Härte nicht schon darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war (vgl. BSG, FEVS 62, 145 ff.; LSG Baden-Württemberg vom 22.12.2010 - L 2 SO 5549/08 - (juris); OVG Nordrhein-Westfalen, FEVS 53, 378 und OVG Berlin, FEVS 57, 517). Denn der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Erben zielt gerade darauf ab, zu verhindern, dass sich der Schutz des Schonvermögens des Leistungsberechtigten auch zugunsten des Erben auswirkt, ohne dass in dessen Person eine diesbezügliche Schutzbedürftigkeit gegeben ist (vgl. Bieback, a.a.O., Rdnr. 26). Der Gesetzgeber hat die Vorschriften über die Kostenersatzpflicht des Erben gerade nicht in einen Zusammenhang zu den Regelungen über das einzusetzende Vermögen gestellt (vgl. BSG, FEVS 62, 145). Die Härtefallregelung des § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII umfasst deshalb nur atypische Fälle mit Ausnahmecharakter (vgl. Conradis, a.a.O., Rdnr. 13).

Vor diesem Hintergrund begründet der Nießbrauch der Mutter der Kläger an der Eigentumswohnung keine besondere Härte. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass eine Veräußerung dieser Wohnung nicht ohne deren Zustimmung möglich ist. Denn der Einsatz der Eigentumswohnung zur Befriedigung des Kostenersatzanspruchs des Beklagten erfordert nicht notwendigerweise deren Veräußerung. Vielmehr kommt insoweit auch eine - ggfs. dinglich abgesicherte - Beleihung in Betracht. Damit steht auch nicht zu befürchten, dass die Mutter der Kläger, die Witwe des Hilfeempfängers, ihr Nießbrauchsrecht aufgeben und aus der Wohnung ausziehen muss. Sonstige Gründe, die eine besondere Härte darstellen könnten, sind weder vorgetragen noch für die Kammer aufgrund des Gesamtergebnisses sonst ersichtlich.

ii) Die gesamtschuldnerische Haftung der Kläger für den Kostenersatzanspruch des Beklagten folgt aus § 2058 BGB.

3) Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Das Begehren der Kläger musste deshalb erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. mit §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die endgültige Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 52 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetztes.
Rechtskraft
Aus
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