L 12 AS 825/12 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 229/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 825/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 30.04.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im zugrunde liegenden Verfahren begehren die Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II für den Monat April 2012.

Die Antragsteller beziehen Leistungen nach dem SGB II in Form von Regelleistungen und der Kosten der Unterkunft (KdU). Der letzte Bewilligungszeitraum umfasste die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 (Bewilligungsbescheid vom 04.11.2011).

Mit Schreiben vom 29.03.2012 teilte der Antragsgegner den Antragstellern mit, er habe bei der Berechnung des Leistungsanspruchs Krankengeld ab 15.10.2011, Übergangsgeld der Deutschen Rentenversicherung für die Zeit vom 15.12.2011 bis 19.01.2012 sowie das Arbeitslosengeld (Alg) I, welches der Antragstellerin zu 1) bewilligt worden sei, ab 20.01.2012 erfasst. Diese Umstände führten voraussichtlich zum Wegfall des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Daher werde die Zahlung der bewilligten Leistungen ab 01.04.2012 vorläufig eingestellt, im Übrigen sei beabsichtigt, den Bescheid vom 04.11.2011 ab Änderung der Verhältnisse aufzuheben und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 12.04.2012 gegeben.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 03.04.2012, mit dem geltend gemacht wurde, es liege kein Grund für eine vorläufige Zahlungseinstellung vor. Eine etwaige Überzahlung in der Vergangenheit rechtfertige eine solche Zahlungseinstellung nicht. Gegen die Anrechnung des Alg I bestünden keine Bedenken, die übrigen Leistungen (Krankengeld, Übergangsgeld etc.) würden jedoch aktuell nicht erbracht. Falls die Leistungen nicht bis 11.04.2012 ausgezahlt würden, werde der Anspruch im Wege eines Eilverfahrens geltend gemacht.

Am 13.04.2012 ersuchten die Antragsteller das Sozialgericht Münster um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Der Antragsgegner habe mit Bescheid vom 29.03.2012 eine Zahlungseinstellung verfügt, über den dagegen gerichteten Widerspruch sei nicht entschieden worden. Die vorläufige Zahlungseinstellung sei rechtswidrig. Richtig sei, dass nach Aktenlage eine Überzahlung in der Vergangenheit durchaus naheliege, mit der vorläufigen Zahlungseinstellung würden die Leistungen jedoch in Zukunft vollständig eingestellt, das sei nicht rechtmäßig, denn die Leistungen stünden den Antragstellern derzeit nicht mehr zur Verfügung. Der Antragsgegner habe hier nicht hinreichend zwischen Vergangenheit und Zukunft differenziert. Der Antragsteller zu 2) habe zwar eine neue Arbeitsstelle gefunden, der erste Gehaltszufluss erfolge jedoch erst im Mai 2012, so dass ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung die Leistungen für April 2012 zu bewilligen seien.

Der Antragsgegner vertrat die Auffassung, die Antragsteller würden über laufende Einkünfte aus Arbeitslosengeld verfügen. Es sei auch davon auszugehen, dass die gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 3.527,72 Euro (Krankengeld in Höhe von 1.111 Euro, Überbrückungsgeld in Höhe von 968,80 Euro, Alg I für die Zeit vom 20.01.2012 bis 29.02.2012 in Höhe von 844,62 Euro und für März 2012 in Höhe von 603,30 Euro) noch nicht vollständig aufgezehrt seien. Auch sei der Zufluss der Leistungen nicht geklärt, in Betracht komme bei den Einmalzahlungen auch eine mehrmonatige Aufteilung.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 30.04.2012 abgelehnt. Das auf Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Begehren der Antragsteller richte sich nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Hierfür sei es erforderlich, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Für die Zeit vor der Antragstellung am 13.04.2012 fehle es an einer Eilbedürftigkeit, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung einzig der Beseitigung der gegenwärtigen Notlage diene, diese sei aber nur von der Zeit ab Antragstellung bei Gericht gegeben. Auch für die Zeit ab Antragstellung fehle es an einem Anordnungsgrund, weil nicht glaubhaft gemacht sei, welche wesentlichen Nachteile zu erwarten seien, wenn die Antragsteller auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würden. Hierzu sei nichts vorgetragen worden. Hinsichtlich der KdU bestehe kein Anordnungsgrund, da keine Wohnungslosigkeit drohe. Für den Monat April 2012 sei die Miete ausweislich der Unterlagen offenbar am 18.04.2012 gezahlt worden. Anhaltspunkte für Mietrückstände gebe es nicht. Hinsichtlich der Regelleistungen möge es zutreffen, dass im April 2012 weder Krankengeld noch Überbrückungsgeld gezahlt worden seien. Hierfür komme es jedoch für die Beurteilung der Eilbedürftigkeit nicht an, wenn die offenbar in der Zeit von Januar bis März 2012 zugeflossenen Geldbeträge in der vom Antragsgegner benannten Höhe im April 2012 noch vorhanden und nicht verbraucht gewesen seien, so dass diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts hätte verwendet werden können. Mangels entgegenstehender Angaben der Antragsteller sei hiervon auszugehen. Auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs komme es daher nicht mehr an.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 30.04.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom selben Tage. Das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch nicht isoliert nebeneinander, sondern vielmehr in einer Wechselbeziehung stünden, beide bildeten ein bewegliches System. Das Gericht habe sich nicht ansatzweise mit dem Anordnungsanspruch auseinander gesetzt und sei deshalb nicht zu der Erkenntnis gekommen, dass die vorläufige Zahlungseinstellung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht rechtmäßig sein könne. Im Übrigen sei nicht berücksichtigt worden, dass die Leistungen, die der Antragsgegner als Grund für die Einstellung der Zahlungen nach dem SGB II genannt habe, nur bis 19.01. bzw. 20.01.2012 gewährt worden seien.

Der Antragsgegner vertritt weiterhin die von ihm dargelegte Auffassung.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet.

Mit dem Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Mitteilung über die Zahlungseinstellung ein Realakt ist - wegen des eindeutigen Wortlauts des § 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III muss und darf die vorläufige Zahlungseinstellung nicht durch Verwaltungsakt erfolgen - wird deshalb vorläufiger Rechtsschutz nur über eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG erreicht (Aubel in juris PK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 40 Rdz 90).

Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Monat April 2012 die eingestellte Zahlung der SGB II - Leistungen wieder aufzunehmen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Auch das Vorbringen der Antragsteller zur Begründung ihrer Beschwerde führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Zwar sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im Rahmen einer zu erlassenden einstweiligen Anordnung im Falle einer positiven Entscheidung Kriterien, die kumulativ nebeneinander bestehen müssen, woraus sich jedoch gleichzeitig, das bei Fehlen einer der Voraussetzungen die einstweilige Anordnung nicht erlassen werden kann. Das Rechtsinstitut eines gerichtlichen Eilverfahrens unterscheidet sich gerade von einem Hauptsacheverfahren dadurch, dass ein Aktivwerden des Gericht nur, wie der Name besagt, in Eilfällen in Betracht kommt, da ansonsten eine Klärung der streitigen Fragen in einem dafür typischerweise vorgesehenen gerichtlichen Hauptsacheverfahren zu erfolgen hat.

So liegt der Fall hier. Bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung am 30.04.2012 war der streitige Zeitraum, für den eine Eilentscheidung des Gerichts begehrt wird, verstrichen. Das gilt umso mehr für die Entscheidung des Senats, der erst jetzt seine Entscheidung treffen kann, da der Antragsgegner die Verwaltungsakten trotz mehrfacher Erinnerungen erst am 20.08.2012 vorgelegt hat. Auch wenn letzteres ein Umstand ist, aus dem kein Nachteil für die Antragsteller erwachsen darf, vermag dieser jedoch kein Eilbedürfnis zu begründen. Es ist kein Grund erkennbar, den Antragstellern im Wege der einstweiligen Anordnung für einen nunmehr 5 Monat zurückliegenden Zeitraum Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, im Falle positiver Entscheidungen den Beginn der Leistungsbewilligung auf den Tag der Beschlussfassung des Senats festzulegen, da es in der Regel für den bis dahin abgelaufenen Zeitraum am Eilbedürfnis mangelt.

Dessen ungeachtet scheint auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs fraglich. Die Antragsteller räumen im gesamten Verfahren ein, die weiteren Leistungen in Form des Übergangsgeldes, Krankengeldes und Alg I erhalten zu haben, ohne jedoch im Einzelnen darzulegen, zu welchem Zeitpunkt ihnen in welcher Höhe die jeweiligen Beträge zugeflossen sind. Nur in diesem Fall wäre es möglich gewesen, den tatsächlichen Bedarf zu errechnen. Immerhin haben die Antragsteller bis 31.03.2011 monatlich SGB II - Leistungen in Höhe von 1.336 Euro bezogen, so dass es in der Tat naheliegt, dass die weiteren Leistungen, die sich auf insgesamt 3527,72 Euro belaufen, im streitigen Zeitraum noch nicht verbraucht waren. Ein etwaiger Verbrauch wäre jedoch für die Glaubhaftmachung des streitigen Anordnungsanspruchs zunächst einmal zwingend geboten gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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