L 3 AL 1348/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1490/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1348/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., B., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verbescheidung von Anträgen vom 19.09.2010, die Bewilligung von Arbeitslosengeld, die Erstattung geleisteter Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten sowie deren Verpflichtung über künftige Anträge zügig zu entscheiden.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Am 16.06.2009 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit als "Dienstleister für Wartung und Instandhaltung" auf. Mit Bescheid vom 30.06.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger hierfür für den Zeitraum vom 16.06.2009 - 15.03.2010 einen Gründungszuschuss i.H.v. 1.353,60 EUR monatlich. Am 27.06.2009 beantragte der Kläger, ihn rückwirkend zum 16.06.2009 freiwillig in der Arbeitslosenversicherung weiter zu versichern. Mit Bescheid vom 11.11.2009 entsprach die Beklagte dem Antrag des Klägers und versicherte ihn ab dem 16.06.2009 freiwillig in der Arbeitslosenversicherung, weil dieser zum Personenkreis der selbständig Tätigen zähle. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass das Versicherungsverhältnis endet, wenn der Kläger eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III (z.B. Arbeitslosengeld) beziehe.

Einen Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.2010 ab (Widerspruchsbescheid vom 15.07.2010). Der Kläger habe, so die Beklagte begründend, trotz mehrmaliger Aufforderung den Umfang seiner Geschäftstätigkeit nicht dargelegt. Ein gerichtliches Verfahren verlief für den Kläger erfolglos (klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 03.08.2011 - S 11 AL 3923/11 -, berufungszurückweisendes Urteil des Senats vom 18.04.2012 - L 3 AL 3923/11 -).

Mit e-mail vom 19.09.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten mit sofortiger Wirkung die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er habe seinen Geschäftsbetrieb am "Freitagnachmittag" aufgegeben. Soweit von der Beklagten Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung für das gesamte Jahr (2012) vereinnahmt worden seien, beantragte er, einen Teilbetrag zurück zu erstatten. Mit Bescheid vom 30.09.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin ab dem 18.09.2010 Arbeitslosengeld für 180 Tage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 34,01 EUR. Mit Bescheid vom 28.09.2010 hob die Beklagte die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ab dem 18.09.2010 auf. Die überzahlten Beiträge i.H.v. 61,42 EUR erstattete sie dem Kläger. Den Widerspruch des Klägers hiergegen vom 02.10.2010, der von diesem nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2010 als unbegründet zurück.

Am 29.11.2010 hat der Kläger hiergegen Klage zum SG - S 11 AL 5034/10 - erhoben, die das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.08.2011 abwies. Die hiergegen eingelegte Berufung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 19.09.2012 - L 3 AL 3914/11 - zurückgewiesen.

Am 07.04.2011 hat der Kläger abermals Klage zum SG erhoben, mit der er die Verbescheidung seines Antrages vom 19.09.2010 und die Gewährung der beantragten Leistungen geltend gemacht hat. Die Beklagte habe über den von ihm gestellten Antrag nicht entschieden. Im Verwaltungsverfahren gelte der Beschleunigungsgrundsatz.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 11.05.2011, dem Kläger am 13.05.2011 zugestellt) hat das SG die Klage, nachdem es zuvor den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch abgetrennt hat, mit Gerichtsbescheid vom 14.03.2012 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass Befangenheitsgesuche des Klägers, die dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Inhaltlich sei die Klage unzulässig. Die Beklagte habe über seine Anträge mit Bescheiden vom 28. und 30.09.2010 entschieden. Soweit der Kläger die Gewährung der beantragten Leistungen begehre, sei dies im Verfahren - S 11 AL 5034/10 - gegenständlich. Dem Antrag auf Arbeitslosengeld sei auch inhaltlich entsprochen. Der Feststellungs- und der Unterlassungsantrag sei in Ermangelung des jeweils erforderlichen besonderen Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Gegen den am 19.03.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.03.2012 Berufung eingelegt. Ihm stehe, so der Kläger, ein Feststellungsinteresse zur Seite, eine doppelte Rechtshängigkeit liege nicht vor. Das SG habe im Übrigen § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 120 SGG verletzt.

Der Kläger beantragt (teilweise zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Anträge vom 19. September 2010 zu verbescheiden und diesen zu entsprechen, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war und die Beklagte zu verpflichten, zukünftig Anträge zügig, unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes, zu verbescheiden.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 15.08.2012 Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 SGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 19.09.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Es obliegt grds. dem Kläger selbst, gegenüber der Leitung der Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen. Auf einen entsprechenden Antrag, auf den der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 10.08.2012 durch den Senat hingewiesen wurde, entscheidet die Anstaltsleitung, ob sie dem Gefangenen Ausgang oder Urlaub erteilt oder ihn ausführen lässt. Hiernach kann sich der Senat bei Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung darauf beschränken, einen Gefangenen nach § 110 SGG zum Termin zu laden und es dabei dem Gefangenen überlassen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen. Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so ist er, wenn, wie vorliegend das persönliche Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris). Da der Kläger schließlich in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung darauf hingewiesen wurde, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden werden kann (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 SGG), war der Senat durch die Abwesenheit des Klägers nicht an einer Entscheidung über die Berufung gehindert.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -). Der Senat hat dem Kläger stattdessen die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht. Auch dem Antrag, der Beklagten nach § 202 SGG i.V.m. §§ 423 ff Zivilprozessordnung (ZPO) aufzugeben, Kopien der Bescheide, der Verwaltungsakte und sonstiger Unterlagen vorzulegen, ist nicht zu entsprechen, da, ungeachtet der Frage, ob die angeführten Regelungen der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden sind, durch sie lediglich eine Verpflichtung des Prozessgegners zur Vorlage von Urkunden begründet wird. Da die Beklagte jedoch die Akten bereits vorgelegt hat und eine Verpflichtung zur Überlassung von Kopien der Urkunden in den §§ 423 ff ZPO nicht normiert ist, sind dem Kläger auch nicht nach § 202 SGG i.V.m. §§ 423 ff ZPO Kopien zu überlassen.

Auch soweit der Kläger mit der Berufung sein inhaltliches Begehren fortführt, ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten, seine Anträge vom 19.09.2010 zu verbescheiden, begehrt, ist die (Untätigkeits-) Klage i.S.d. § 88 Abs. 1 SGG bereits unzulässig, weil die Beklagte bereits mit Bescheiden vom 28. und vom 30.09.2010 über die Anträge des Klägers entschieden hat. Da die Beklagte dem Kläger auch ab dem 18.09.2010 Arbeitslosengeld bewilligt hat, fehlt dem diesbezüglichen Begehren des Klägers, dem Antrag zu entsprechen, das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Gleiches gilt, soweit der Kläger die Rückerstattung der gezahlten Beiträge für seine freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung geltend macht, da die Beklagte im Bescheid vom 28.09.2010 die Rückerstattung der zu viel entrichteten Beiträge i.H.v. 61,42 EUR verfügt und den Betrag an den Kläger ausbezahlt hat.

Für das parallel hierzu vom Kläger geltend gemachte Begehren, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig sei, fehlt es am erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 55, Rn. 19c). Mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge zügig, unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes, zu verbescheiden, macht der Kläger vorbeugenden Rechtsschutz geltend. Ein solcher erfordert jedoch, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - veröffentlicht in juris). Da jedoch nicht ersichtlich ist, das ein Zuwarten zu nicht ohne Weiteres revidierbaren Nachteilen beim Kläger führen würde, kann dieser kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für sich reklamieren; der Antrag ist, wie vom SG zutreffend entschieden, bereits unzulässig.

Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden, ist dies nicht zu beanstanden, da, wie in den zahlreichen Verfahren des Klägers bereits vielfach vom Senat entschieden wurde, das SG berechtigterweise selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26.04.2011 und vom 30.08.2011 entschieden hat. Da der Kläger seinen Antrag, ihm Kopien der Akten zu überlassen auch nicht auf bestimmte Akteninhalte konkretisiert hat, war das SG nicht verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -); § 120 SGG ist mithin vom SG gleichfalls nicht verletzt worden.

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., B. zu bewilligen, war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 114 ZPO). Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den PKH- Antrag, ausgehend vom Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt von dessen Bewilligungsreife eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 04.12.2007 - B 2 U 165/06 B veröffentlicht in juris).

Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved