L 3 AL 1350/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1787/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1350/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., B., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Tatbestand:

Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren die Verbescheidung verschiedener Widersprüche geltend.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Mit Schreiben vom 14.01.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass über seine Widersprüche vom 25.11.2010, vom 26.11.2010 und vom 01.01.2011 gegen die Anordnungen der sofortigen Vollziehbarkeit vom 23.11. und vom 27.12.2010 von Aufrechnungsbescheiden vom 30.09., 26.10. und 27.12.2010 kein Widerspruch zulässig sei, weswegen ein Widerspruchsverfahren nicht durchzuführen sei. Rechtsschutz sei im Wege einer gerichtlichen Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu gewähren.

Den hiergegen am 18.01.2011 erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2011 als unzulässig. Das Schreiben vom 14.01.2011 sei kein mit einem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt. Bereits am 18.01.2011 erhob der Kläger Klage zum SG - S 11 AL 212/11 -, die mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2012 abgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 01.08.2012 - L 3 AL 1183/12 - zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 30.09.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 18.09.2010. Nachdem ein Widerspruch hiergegen mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010 zurückgewiesen wurde, erhob der Kläger am 19.10.2010 Klage zum SG - S 11 AL 4339/10 -, die mit Gerichtsbescheid vom 18.04.2012 abgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung ist beim erkennenden Senat anhängig (- L 3 AL 2019/12 -). Unter dem 26.10., dem 24.11., dem 16., 17. und 27.12.2010 erließ die Beklagte Änderungsbescheide, gegen die der Kläger am 28.10.2010, am 26.11.2010, am 18.12.2010, am 23.12.2010 und am 29.12.2010 jeweils Widerspruch erhob. Mit Schreiben vom 18.01.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Änderungsbescheide nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand der beim SG anhängigen Verfahren - S 11 AL 4339/10 - und - S 11 AL 4492/10 - geworden seien, weswegen ein Widerspruchsverfahren nicht durchzuführen sei. Den hiergegen am 20.01.2011 erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2011 als unzulässig. Das Schreiben vom 18.01.2011 sei kein mit einem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt. Hiergegen hatte der Kläger am 20.01.2011 Klage zum SG erhoben - S 11 AL 286/11 -, die mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2011 abgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 01.08.2012 - L 3 AL 405/12 - zurückgewiesen.

Am 21.04.2011 hat der Kläger abermals Klage zum SG erhoben - S 11 AL 1787/11 -, mit der er um Rechtsschutz gegen die Widerspruchsbescheide vom 10. und 11.03.2011 nachgesucht hat. Die Beklagte weigere sich zu Unrecht, die von ihm erhobenen Widersprüche zu verbescheiden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 19.05.2011, dem Kläger am 21.05.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.03.2012 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass Befangenheitsgesuche, die der Kläger am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Dem Antrag des Klägers, ihm Kopien der Akten zu übersenden, sei nicht zu entsprechen, da der Kläger seinen Antrag nicht auf konkrete Akteninhalte konkretisiert habe. Inhaltlich sei die Klage unzulässig, da der Kläger die Widerspruchsbescheide vom 10. und 11.03.2011 bereits in den Verfahren - S 11 AL 212/11 - und - S 11 AL 286/11 - angefochten habe.

Gegen den am 26.03.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.03.2012 Berufung eingelegt. Es liege, so der Kläger, keine doppelte Rechtshängigkeit vor, da er die Widerspruchsbescheide erstmalig angegriffen habe. Im Übrigen habe das SG gegen § 60 SGG und § 120 SGG verstoßen.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Schreibens vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2010 zu verurteilen, seine Widersprüche vom 28. Oktober 2010, vom 26. November 2010, vom 18., 23. und 29. Dezember 2010 zu verbescheiden sowie die Beklagte unter Aufhebung des Schreiben vom 14. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2011 zu verurteilen, seine Widersprüche vom 25. und 26. November 2010 und vom 01. Januar 2011 zu verbescheiden.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 15.08.2012 Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 19.09.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Es obliegt grds. dem Kläger selbst, gegenüber der Leitung der Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen. Auf einen entsprechenden Antrag, auf den der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 10.08.2012 durch den Senat hingewiesen wurde, entscheidet die Anstaltsleitung, ob sie dem Gefangenen Ausgang oder Urlaub erteilt oder ihn ausführen lässt. Hiernach kann sich der Senat bei Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung darauf beschränken, einen Gefangenen nach § 110 SGG zum Termin zu laden und es dabei dem Gefangenen überlassen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen. Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so ist er, wenn, wie vorliegend das persönliche Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris). Da der Kläger schließlich in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung darauf hingewiesen wurde, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden werden kann (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 SGG), war der Senat durch die Abwesenheit des Klägers nicht an einer Entscheidung über die Berufung gehindert.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -). Der Senat hat dem Kläger stattdessen die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht. Auch dem Antrag, der Beklagten nach § 202 SGG i.V.m. §§ 423 ff Zivilprozessordnung (ZPO) aufzugeben, Kopien der Bescheide, der Verwaltungsakte und sonstiger Unterlagen vorzulegen, ist nicht zu entsprechen, da, ungeachtet der Frage, ob die angeführten Regelungen der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden sind, durch sie lediglich eine Verpflichtung des Prozessgegners zur Vorlage von Urkunden begründet wird. Da die Beklagte jedoch die Akten bereits vorgelegt hat und eine Verpflichtung zur Überlassung von Kopien der Urkunden in den §§ 423 ff ZPO nicht normiert ist, sind dem Kläger auch nicht nach § 202 SGG i.V.m. §§ 423 ff ZPO Kopien zu überlassen.

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 SGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Begehren des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Schreibens vom 14.01.2011 (Widerspruchsbescheid vom 10.03.2011) und des Schreibens vom 18.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2011 zu verurteilen, seine diversen Widersprüche zu verbescheiden, war bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Hintergrund dessen ist der Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf. Als der vorliegende Rechtsstreit beim SG am 21.04.2011 anhängig und damit gemäß § 94 Abs. 1 SGG rechtshängig geworden ist, ist die Sache bereits rechtshängig gewesen, da der Widerspruchsbescheid vom 10.03.2011 bereits Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 212/11 - und der Widerspruchsbescheid vom 11.03.2011 Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 286/11 - jeweils nach § 96 Abs. 1 SGG geworden ist. Die Klage war insofern bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 94, Rn. 7). Soweit der Kläger dies abstreitet und zur Begründung der Berufung vorgebracht hat, er habe die Widerspruchsbescheide zum ersten Mal angegriffen, ist dies unzutreffend.

Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe § 60 SGG verletzt, indem es selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden habe, begründet dies keinen Verfahrensfehler. Das SG war vielmehr berechtigt, selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26.04.2011 und vom 30.08.2011 zu entscheiden, da die Gesuche keinerlei Bezug zur konkreten Bearbeitung des Verfahrens durch den zuständigen Vorsitzenden des SG oder zum Gegenstand des Verfahren aufgewiesen haben; sie waren offensichtlich rechtsmissbräuchlich (vgl. BSG, Beschluss vom 27.10.2009 - B 1 KR 51/09 B - veröffentlicht in juris). Das SG war deswegen auch nicht gehalten, über die Gesuche im Wege eines gesonderten Beschlusses zu entscheiden, es konnte vielmehr im Rahmen der instanzabschließenden Entscheidung hierüber befinden (vgl. BSG, Beschluss vom 29.03.2007 - B 9a SB 18/06 B - veröffentlicht in juris). Da der Kläger seinen Antrag, ihm Kopien der Akten zu überlassen auch nicht auf bestimmte Akteninhalte konkretisiert hat, war das SG nicht verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -).

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., B. zu bewilligen, war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 114 ZPO). Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den PKH- Antrag, ausgehend vom Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt von dessen Bewilligungsreife eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 04.12.2007 - B 2 U 165/06 B veröffentlicht in juris).

Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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