L 7 R 1441/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 2540/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1441/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der im September 1959 geborene Kläger absolvierte vom 1. August 1975 bis zum 31. Juli 1978 eine Ausbildung zum Bäcker und arbeitete in diesem Beruf bis 1988. Aufgrund geringer Verdienstmöglichkeiten gab er diesen Beruf auf und arbeitete ab September 1988 als Chemiearbeiter. Anfang 2006 trat eine Gangstörung auf mit Beinschwäche, Muskelkrämpfen und einer insgesamt verminderten körperlichen Belastbarkeit. Es wurde der Verdacht auf das Vorliegen einer Multiple Sklerose gestellt, der sich später nicht bestätigte. Untersuchungen in der neurologischen Klinik des O. Klinikums L. (stationärer Aufenthalt vom 9. bis 24. Mai 2006) und in der Neurologie des Universitätsklinikums F. im Zeitraum vom 9. März 2007 bis 10. Oktober 2007 erbrachten kein eindeutiges Ergebnis.

Ab dem 22. Februar 2007 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Ab dem 4. Juli 2008 bezog er Arbeitslosengeld.

Vom 13. März bis 12. April 2007 befand sich der Kläger auf Kosten der Beklagten in einem medizinischen Heilverfahren in den Kliniken Sch., K ... Die dort gestellten (Verdachts-) Diagnosen lauten auf Erschöpfungssyndrom unklarer Genese und (differenzialdiagnostisch) chronisch entzündliche Erkrankung des Nervensystems, Depression. Im Entlassungsbericht der Klinik vom 13. April 2007 gingen die Ärzte der Klinik davon aus, dass der Kläger noch sechs und mehr Stunden als Chemiearbeiter und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten könne. Unter einer frisch begonnenen antidepressiven Therapie wurde der Kläger allerdings noch arbeitsunfähig mit der Empfehlung einer stufenweisen Wiedereingliederung im bisherigen Beruf entlassen. Zu einer Arbeitsaufnahme kam es aber in der Folgezeit nicht.

Zwei vom Kläger am 27. November 2007 und 25. April 2008 gestellte weitere Anträge auf die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurden von der Beklagten abgelehnt (Bescheide vom 17. Dezember 2007 und 6. Juni 2008).

Am 24. Juni 2008 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung bei Frau B., Ärztin für Nervenheilkunde, Ärztliche Untersuchungsstelle der Beklagten, F. Im Gutachten vom 17. September 2008 diagnostiziert Frau B. einen Verdacht auf dissoziative Gangstörung und rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden. Es bestehe noch ein Leistungsvermögen von sechs und mehr Stunden für körperlich mittelschwere Tätigkeiten, die überwiegend im Sitzen erfolgten. Eine Gehstrecke von vier mal 500 Metern sei zumutbar. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 23. September 2008 ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Der Kläger erhob Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens beantragte der Kläger am 2. Oktober 2008 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2008 ab.

Den Widerspruch gegen den Rentenablehnungsbescheid vom 23. September 2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2009 als unbegründet zurück.

Deswegen hat der Kläger am 19. Mai 2009 zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Die fehlende Ätiologie habe dazu geführt, dass das Restleistungsvermögen stark überbewertet worden sei. Im Rahmen einer Begutachtung sollten weniger die Ursachen der Gesundheitsbeeinträchtigung, sondern mehr deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund stehen.

Das SG hat zunächst die behandelten Ärzte, nämlich den Allgemeinmediziner Dr. Sch. und Dr. R., Oberarzt der Neurologie des Universitätsklinikums F., schriftlich vernommen. Herr Dr. Sch. hat in der Stellungnahme vom 14. Juli 2009 unter anderem die Auffassung vertreten, dass eine Erwerbstätigkeit in irgendeiner Form beim derzeitigen Stand der Entwicklung undenkbar sei; ebenso wenig sei bei der seit über zwei Jahren gleichbleibenden gesundheitlichen Situation mit einer Besserung in der näheren Zukunft zu rechnen.

In einem neurologischen Gutachten vom 30. März 2010 hat Herr Prof. Dr. Sch., Chefarzt der Neurologischen Klinik des O. Klinikums L.-E., eine dissoziative Bewegungsstörung (ICD 10 F 44.4) diagnostiziert. Aus neurologischer Sicht könne der Kläger nur weniger als drei Stunden arbeiten, dies müsse jedoch durch den psychiatrischen Gutachter abschließend beurteilt werden. In einem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 19. April 2010 kommt Herr Dipl. Psych. S., Epilepsiezentrum K., zu dem Ergebnis, dass eine wesentliche Beeinträchtigung im kognitiven Leistungsvermögen nicht vorliege. Herr Dr. Dr. N., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalyse, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des O. Klinikums L.-E. kommt in seinem psychosomatischen Gutachten vom 26. Juli 2010 wie bereits der Sachverständige Prof. Dr. Sch. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger von einer dissoziativen Bewegungsstörung auszugehen sei. Neben der Gangstörung beklage der Kläger Probleme mit der Atmung und dem Schlucken, die sich ebenfalls dem Störungsbild einer dissoziativen Störung zuordnen ließen. Beeinträchtigt sei dadurch auch die Konzentrationsfähigkeit. Die Störung sei seelisch bedingt, auch wenn körperliche Funktionen betroffen seien. Diese Symptome könnten nicht aus eigener Willenskraft überwunden werden. Der Kläger werde hierdurch in einer Weise beeinträchtigt, dass eine regelmäßige Erwerbstätigkeit derzeit nicht möglich sei. Eine stationäre psychosomatische Heilmaßnahme sei bei diesem Störungsbild indiziert. Die Beklagte trat der Bewertung der Sachverständigen mit einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Herrn Dr. Sch., Arzt für Chirurgie, vom 15. September 2010 entgegen. Darin heißt es unter anderem, es könne nicht davon ausgegangen werden und sei schon gar nicht gesichert, dass die während des psychosomatischen Interviews in Erscheinung getretenen körperlichen Auffälligkeiten auch in weniger stark emotional belastenden Situationen oder gar in Alltagssituationen, zu denen auch eine regelmäßige Berufstätigkeit gehöre, in gleicher Weise aufträten. Nach wie vor müsse zusätzlich festgestellt werden, dass bis dato trotz vielfältiger Bemühungen keine Erkrankung im Vollbeweis gesichert sei, so dass streng genommen nach den Beweisanforderungen des Sozialgesetzbuches eine krankheitsbedingte Leistungsminderung ausscheide.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 23. September 2010 einen abermaligen Antrag des Klägers vom 5. August 2010 auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation abgelehnt.

Mit Urteil vom 20. Januar 2011 hat das SG der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2013 ausgehend von einem Leistungsfall im Februar 2007 zu gewähren. Das Gutachten des Herrn Dr. Dr. N. sei für die Kammer schlüssig und überzeugend. Die von ihm genannten Einschränkungen ließen sich an Hand der erhobenen Befunde nachvollziehen. Seine Diagnose und die Leistungseinschätzung würden auch durch die weiteren Gutachten des Herrn Prof. Dr. Sch. und des Herrn Dipl. Psych. S. bestätigt. Trotz der Einwände der Beklagten vermöge die Kammer keine Widersprüche im eigentlichen Sinne zu erkennen. Der "Versicherungsfall" sei entsprechend dem Gutachten im Februar 2007 eingetreten. Die Rente sei daher gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab dem Antragsmonat zu leisten. Die weitere Entwicklung der Erkrankung des Klägers sei nach den Feststellungen des Herrn Dr. Dr. N. nicht einzuschätzen. Heilmaßnahmen und andere Behandlungen bezüglich der psychologischen Erkrankung seien bisher nicht erfolgt. Erst jetzt finde eine Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des Universitätsklinikum F. statt. In Anbetracht des Krankheitsverlaufs und der geringen Introspektionsfähigkeit des Klägers sei die Befristung um weitere drei Jahre ausgehend vom Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verlängert worden.

Gegen dieses ihr am 31. März 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. April 2011 Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts verstoße gegen § 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das SG habe sich nicht mit entgegenstehenden Ergebnissen, z. B. in einem Heilverfahrensentlassungsbericht, einem anderen Gutachten sowie ärztlichen Stellungnahmen, bei denen es sich um sachverständiges Parteivorbringen handele, auseinandergesetzt. Es fehle eine Auseinandersetzung und Abwägung mit dem Entlassungsbericht vom 13. April 2007 der Kliniken Sch. und dem Gutachten vom 17. September 2008 der Ärztin für Nervenheilkunde, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen und Dipl. Psych. B ... Eine rentenrelevante Leistungsminderung sei nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen. Aus dem Entlassungsbericht der Kliniken Sch. vom 13. April 2007 ergebe sich, dass der Kläger zunächst symptomfrei gekommen sei. Die Symptome der Erschöpfung und Kraftlosigkeit der rechten Seite seien im Zeitraum des Aufenthaltes nicht aufgetreten. Wie aus dem neuropsychologischen Abschlussbericht dieser Einrichtung zu ersehen sei, habe sich der Kläger mit zunehmender Gewöhnung an die Testsituation auf ein in Leistungstempo und Leistungsgüte voll normales Niveau gesteigert. Erstmals am letzten Aufenthaltstag sei eine subjektive Verschlechterung des Gehens aufgetreten. Bei den Kraftprüfungen sei wie auch am Aufnahmetag ein Zittern aufgetreten, welches zwischenzeitlich nicht vorhanden gewesen sei, eine Krafteinschränkung habe nicht bestanden. Die Nervenärztin Bechert habe bei ihrer Untersuchung am 16. September 2008 festgestellt, dass der Kläger selbst erschwerte Gangformen habe durchführen können. Es sei auch beachtenswert, dass der Kläger angegeben habe, mit dem Fahrrad neben seiner Tochter herzufahren, wenn diese reite, aber auch selbst zu reiten, beim Roten Kreuz und auch bei Feuerwehreinsätzen tätig zu sein und viel mit dem Hund spazieren zu gehen. Auch gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. habe der Kläger angegeben, täglich mit dem Hund zu laufen, kurze Strecken mit dem Auto zu fahren, als Hobby zu reiten und gerne Fahrrad zu fahren. Alle diese Tätigkeiten setzten koordinierte motorische Funktionen voraus. Im neuropsychologischen Zusatzgutachten habe der Dipl. Psych. S. festgestellt, dass keine wesentliche Beeinträchtigung im kognitiven Leistungsvermögen vorliege. Die gesamte Testung habe der Versicherte völlig konzentriert und ohne nachfolgende Übermüdungszeichen durchführen können. Eine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit wie sie Herr Dr. Dr. N. angenommen habe - ohne dies aber durch eigene Befunde zu belegen - habe nicht bestanden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das SG habe im Urteil die Gründe angegeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen seien und durch die Gerichtsgutachten die zunächst unterlassene weitere Sachverhaltsaufklärung nachgeholt. Dementsprechend konkretisierten die Gutachten den Entlassungsbericht der Kliniken Sch. und das Gutachten Bechert.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme bei Herr Dr. Dr. N. vom 31. Mai 2011 eingeholt, in der dieser in Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Herrn Dr. Sch. vom 15. September 2010 an der von ihm erstinstanzlich vertretenen Leistungsbeurteilung festgehalten hat. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 28 bis 32 der Senatsakte Bezug genommen. Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrisch-psychosomatischen Gutachtens bei Herrn Dr. G., Leitender Arzt der Fachklinik für Psychosomatik, Psychotherapeutische und Innere Medizin der Rehaklinik G., G ... Im Gutachten vom 14. Januar 2012 stimmt der Sachverständige den Ausführungen der Vorgutachter, insbesondere Herrn Prof. Dr. Sch. aus neurologischer Sicht, Herrn Dr. Dr. N. aus psychosomatischer Sicht sowie Herr Dipl. Psych. S. aus psychologisch-neuropsychologischer Sicht zu. Es liege eine ausgeprägte dissoziative Bewegungsstörung im Sinne einer dissoziativen Gangstörung (ICD 10: F 44.4) vor. Schwer beeinträchtigt sei die Wege- und die Durchhaltefähigkeit. Mittelschwer beeinträchtigt seien die Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, die Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, die Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, die Fähigkeit zu familiären und intimen Beziehungen, die Fähigkeit zu außerberuflichen Aktivitäten sowie die Fähigkeit zur Selbstversorgung. Leicht beeinträchtigt sei die Gruppenfähigkeit und die Selbstbehauptungsfähigkeit. Die Kontaktfähigkeit zu Dritten müsse auf Grund der gegebenen Impulsivität und Reizbarkeit als mittelschwer beeinträchtigt gewertet werden. Insbesondere bei der Wegefähigkeit ergebe sich eine starke Einschränkung, zumal Wegstrecken von über zwei Kilometern momentan nach Angaben des Klägers nicht möglich seien und auch kürzere Wegstrecken auf Grund der fluktuierenden Symptomatik bisweilen verunmöglicht würden. Aktuell behelfe sich der Kläger mit einem Rollator im Außenbereich. Eine vollschichtige Tätigkeit von sechs Stunden sei momentan ausgeschlossen. Allenfalls könne eine leichte Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen noch drei bis vier Stunden täglich dann auch mit vermehrten Pausen möglich sein. Auch bei leichten Belastungen seien betriebsunüblichen Pausen direkt nach Auftreten der Belastung sinnvoll, das heiße im 30 bis 40-minütigen Takt. Insgesamt bestehe das qualitative Zustandsbild jetzt seit der Antragstellung. Der Kläger beschreibe im Grunde das eingetretene Bild fast durchgängig seit Anfang 2008, aktuell im Spätjahr 2011, insbesondere jetzt in den kälteren Monaten komme es eher zu einer quantitativen Zuspitzung bei generell fluktuierendem Verlauf.

Die Beklagte ist der Stellungnahme des Herrn Dr. Dr. N. vom 31. Mai 2011 mit einer Stellungnahme des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. Sch. vom 14. Juli 2011 sowie dem Gutachten des Herrn Dr. G. vom 14. Januar 2012 mit einer Stellungnahme des Neurologen und Sozialmediziners Dr. W. vom 14. März 2012 entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 37, 38 beziehungsweise Bl. 86, 87 der Senatsakte verwiesen. In der Stellungnahme vom 14. März 2012 vertritt Herr Dr. W. die Auffassung, dass es überraschend sei, dass Herr Dr. G. die Wege - und Durchhaltefähigkeit als "schwer beeinträchtigt" sehe. Dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger ja offensichtlich trotz der von ihm demonstrierten Gangstörung seinen Hund ausführe und nach seiner Selbsteinschätzung noch eine Gehstrecke von zwei Kilometern innerhalb von 30 Minuten mit Rollator bewältige. Der Annahme einer schwer beeinträchtigten Durchhaltefähigkeit stehe zudem die expliziert hervorgehobene fehlende Ermüdung während der über vierstündigen (als besondere Belastungssituation aufzufassenden) Untersuchung entgegen. Gemäß letztem Abschnitt auf Seite 21 des Gutachtens stehe den genannten funktionellen Beeinträchtigungen eine subjektiv empfundene Unsicherheit im Gehen und eine rasche und starke Anspannung mit erheblicher Schmerzsymptomatik entgegen. Rein subjektive Angaben als Begründung einer Funktionseinschränkung erschienen unter beweisrechtlichen Gesichtspunkten jedoch als äußerst problematisch. Vor dem Hintergrund der vorgetragenen Sachverhalte seien die Beweisantworten 4 und 5 des Gutachtens von Herrn Dr. G. zu relativieren, dass bei Fehlen objektivierbarer neurologischer Defizite und als unbeeinträchtigt beobachteter Aufmerksam-keits-, Konzentrations- und Durchhalteleistungen ein angenommenes Erfordernis betriebsunüblicher Pausen nicht nachvollziehbar erscheine und die von Gerichtsseite erfragten Wegstrecken sogar nach der Selbsteinschätzung des Versicherten bewältigt würden. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass bei uneingeschränkten Bewegungsfunktionen der Arme und fehlenden objektiven Anzeichen einer eingeschränkten konzentrativen Aufmerksamkeits- und Durchhaltefähigkeit körperlich leichte Tätigkeiten in vorwiegend sitzender Körperposition dem Kläger quantitativ noch mindestens sechs Stunden zumutbar erschienen.

Unter dem 29. Mai 2012 hat sich Herr Dr. G. in Anbetracht der Kritik des Herrn Dr. W. ergänzend zu seinem Gutachten geäußert und ist bei seiner Einschätzung geblieben. Auf Bl. 91 bis 94 der Senatsakte wird verwiesen. Herr Dr. W. hat in einer Stellungnahme vom 5. Juni 2012 der Auffassung des Sachverständigen erneut widersprochen. Auf Bl. 96, 97 der Senatsakte wird verwiesen.

Wegen den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (eine Akte Versichertenrente, zwei Bände Reha-Akten), der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das SG in dem angefochtenen Urteil den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 31. Dezember 2013 zu gewähren.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob dem Kläger im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 31. Dezember 2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht. Ob dem Kläger ein noch weitergehender Anspruch auf Rente zusteht, ist nicht Gegenstand des Verfahrens, denn allein die Beklagte hat das Urteil des SG vom 20. Januar 2011 angefochten. Der Kläger hingegen hat die durch den Urteilsspruch des SG erfolgte Einschränkung seines Begehrens, das ausweislich seines Klageantrages ursprünglich auf eine Rente auf Dauer gerichtet war, hingenommen. Das Urteil ist dem Kläger gegenüber insoweit rechtskräftig (§ 141 Abs. 1 SGG).

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der Wartezeit und von besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3). Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen auch die Rente wegen voller Erwerbsminderung zählt (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI), auf Zeit geleistet. Die Befristung (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 101 Abs. 1 SGB VI) und kann wiederholt werden (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).

Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass der Kläger zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit (sechs und mehr Stunden täglich) unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr in der Lage ist. Vielmehr ist sein Leistungsvermögen aus gesundheitlichen Gründen auch quantitativ jedenfalls auf unter sechs Stunden täglich reduziert.

Der Senat stützt sich bei der Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens des Klägers auf eine Gesamtschau der medizinischen Unterlagen, insbesondere auf das seitens des SG eingeholte Sachverständigengutachten des Herrn Dr. Dr. N. vom 26. Juli 2010, auf dessen im Berufungsverfahren abgegebene ergänzende Stellungnahme vom 31. Mai 2011 und auf das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Herrn Dr. G. vom 14. Januar 2012 nebst ergänzender Stellungnahme vom 29. Mai 2012. Danach steht fest, dass der Kläger unter einer dissoziativen Bewegungsstörung leidet (ICD 10 F 44.4), die sich hauptsächlich in einer Gangstörung mit bizarrem Gangbild zeigt. Daneben besteht in geringer ausgeprägten Umfang auch die Symptomatik einer Atem- und Schluckstörung (vgl. Bl. 15, 18 des Gutachtens des Herrn Dr. Dr. N.). Aus dieser Erkrankung resultiert nach übereinstimmendem Votum der durch das SG und den Senat befragten Sachverständigen eine gravierende quantitative Leistungsminderung des Klägers für Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei Herr Dr. Dr. N. ein gänzlich aufgehobenes Leistungsvermögen annimmt (unter drei Stunden täglich) und Herr Dr. G. noch eine tägliche Belastbarkeit von drei bis vier Stunden mit zusätzlichen Pausen für zumutbar hält.

Der Senat folgt der Bewertung eines deutlich quantitativ reduzierten Leistungsvermögens, wobei es aus Rechtsgründen nicht darauf ankommt, ob das Leistungsvermögen drei bis vier Stunden täglich oder unter drei Stunden täglich beträgt (dazu siehe unten). Zunächst ist zu konstatieren, dass die Gutachten beider Sachverständigen jeweils umfassend die Aktenlage, die Anamnese und die Befundlage erfassen und darstellen. Ausführlich begründet und für den Senat nachvollziehbar dargelegt wird zudem in den Gutachten, warum sich nach Aktenlage, Anamnese, Befunden und Diagnose aufgrund der daraus abzuleitenden Funktionseinschränkungen eine manifeste, auch das zeitliche Leistungsvermögen betreffende Einschränkung der Fähigkeit des Klägers ergibt, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Dies beruht insbesondere auf den von Dr. G. beschriebenen und medizinisch begründeten Aktivitäts- und Partizipationsbeeinträchtigungen, die im Falle einer Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit innerhalb kurzer Zeit eine komplette Dekompensation erwarten lassen (vgl. Bl. 24 des Gutachtens des Herrn Dr. G.). Die Angriffe der Beklagten gegen die Beurteilungen der Sachverständigen greifen nicht durch. Der Senat verweist zur Begründung zunächst auf die ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen vom 31. Mai 2011 und 29. Mai 2012, die sich - wie auch die Gutachten selbst - als nachvollziehbar und überzeugend erweisen. Soweit die Beklagte bemängelt, es ergebe sich aus dem Umstand, dass der Kläger die mehrstündige Begutachtungssituation durchgehalten habe, ein Anhaltspunkt für ein erhaltenes Leistungsvermögen (vgl. Stellungnahmen des Herrn Dr. W. vom 14. März und 5. Juni 2012), so ist ein solcher Rückschluss keineswegs zwingend und damit nicht geeignet, die medizinisch ausführlich begründete Beurteilung der Gerichtssachverständigen zu widerlegen. Denn eine regelmäßige Erwerbstätigkeit stellt eine wesentlich höhere Belastung dar als eine punktuelle einmalige Belastung durch eine Begutachtungssituation. Im Übrigen haben die Sachverständigen von Anfang an die wechselnde Ausprägung des Beschwerdebildes des Klägers beschrieben, so dass das Durchhalten der Begutachtungssituation auch auf eine vorübergehende Reduktion der Symptomatik der Erkrankung zurückgeführt werden kann. Auch das Ausführen des Hundes, der nach den Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. Dr. N. nicht an der Leine geführt wird (Bl. 13 des Gutachtens), ist keine einer Erwerbstätigkeit adäquate Belastung. Das früher ausgeübte Hobby des Reitens hat der Kläger im Zusammenhang mit seiner Erkrankung aufgeben müssen (vgl. Angaben in der mündlichen Verhandlungen vor dem SG und dem Senat, gegenüber dem Sachverständigen Dr. Dr. N. (Bl. 7 des Gutachtens) und gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. ( Bl. 22 des Gutachtens)). Eine Aggravation oder gar Simulation des Leidens ist ausgeschlossen. Dies wird deutlich von den Untersuchern hervorgehoben. Dies gilt auch für Frau B. in deren sozialmedizinischen Gutachten vom 17. September 2008 (vgl. Bl. 4 des Gutachtens). Es ist im Gegenteil eine große Hilflosigkeit des Klägers gegenüber der Erkrankung, ihrem Entstehen und ihrer Bewältigung beschrieben. Deutlich wird nach dem Akteninhalt auch der erhebliche Leidensdruck des Klägers, der sich in vielfältigen Arztbesuchen, insbesondere neurologischen Untersuchungen und wiederholten (vergeblichen) Anträgen auf Gewährung medizinischer Rehabilitation bzw. von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zeigt. Offenkundig hat der Kläger die letzte berufliche Tätigkeit als Chemiearbeiter gern wieder aufnehmen wollen, war aber hierzu gesundheitlich nicht in der Lage, obwohl es sich um eine leichte körperliche Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung gehandelt hat (vgl. z.B. die Beschreibung der beruflichen Tätigkeit auf Bl. 2.1 des Heilverfahrensentlassungsberichts der Kliniken Sch. vom 13. April 2007). Dies wird - neben den wiederholten Anträgen auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation - aus den Angaben des Klägers gegenüber den Sachverständigen deutlich, wonach es sich um eine sehr zufriedenstellende Arbeit mit guten Kontakten zu den Kollegen gehandelt habe (Bl. 12 des Gutachtens des Herrn Dr. Dr. N. und Bl. 6 des Gutachtens des Herrn Dr. G.). Zur Rentenantragstellung im Juni 2008 entschloss sich der Kläger erst, nachdem die Beklagte zwei erneute Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt hatte (Bescheide vom 17. Dezember 2007 und 6. Juni 2008). Gestützt wird das Beweisergebnis im Übrigen durch die Atteste des behandelnden Hausarztes des Klägers, Herrn Dr. Sch., vom 17. März 2008 (Bl. 217 der Akte Versichertenrente der Beklagten) und 16. Juni 2008 (Bl. 219 der Akte Versichertenrente der Beklagten) sowie durch dessen schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 14. Juli 2009 (Bl. 25, 26 der Verfahrensakte des SG), in denen dieser Arzt wiederholt darauf hinweist, dass eine nennenswerte Arbeitsleistung seitens des Klägers nicht mehr möglich sei. Ferner vertritt auch die Arbeitsmedizinerin Frau Dr. W., BAD Zentrum F., die Auffassung, dass der Kläger zu berenten sei (Attest zur Vorlage beim Arbeitgeber vom 28. Juni 2008(Bl. 271 der Reha-Akte 1 der Beklagten)). Vor diesem Hintergrund sieht der Senat das Gutachten der Frau B. vom 17. September 2008 als widerlegt an. Ausgehend von der in ihrem Gutachten angegebenen Verdachtsdiagnose einer dissoziativen Bewegungsstörung ist die Leistungsbeurteilung der Frau B. letztlich viel zu positiv und wird dem Ausmaß der von den Gerichtssachverständigen festgestellten Gesundheitsstörung des Klägers nicht gerecht. Auch das Ergebnis des Heilverfahrens vom 13. März bis 12. April 2007 in den Kliniken Sch., K., kann das dargestellte Beweisergebnis nicht erschüttern. Dies beruht bereits darauf, dass die Klinikärzte ausweislich des Entlassungsberichts vom 13. April 2007 lediglich unter der Annahme von Verdachtsdiagnosen behandelten und beurteilten und die nun belegte Erkrankung einer dissoziativen Bewegungsstörung dort nicht Gegenstand ihrer Bewertung war. Zudem wurde zwar potentiell ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers angenommen, der Kläger aber für die konkret ausgeübte körperlich leichte Tätigkeit als Chemiearbeiter noch arbeitsunfähig entlassen. Die Wiedereingliederung wurde von dem Erfolg einer neu eingeleiteten antidepressiven Therapie abhängig gemacht, die dem Leiden des Klägers - wie sich später herausstellte - nicht gerecht wurde. Damit ist der Heilverfahrensentlassungsbericht insgesamt nur wenig aussagekräftig. Die Arbeitsunfähigkeit konnte in der Folgezeit auch nicht beendet werden. Das von Herrn Dr. Dr. D. erstattete Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Freiburg vom 7. Juli 2008 (Bl. 227 Akte Versichertenrente der Beklagten), welches von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers ausgeht, ist nach Aktenlage erstattet und kann bereits deswegen die ausführlichen jeweils auf Untersuchungen und Befragungen des Klägers beruhenden Sachverständigengutachten nicht entkräften.

Ob die Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich liegt (Dr. Dr. N.) oder sich auf drei bis vier Stunden täglich beläuft (Dr. G.), ist rechtlich unerheblich. In jedem Fall resultiert ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung mit der Folge, dass die Beklagte mit ihrer Berufung keine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils erreichen kann. Zwar sind an sich bei einer Leistungsfähigkeit von mehr als drei bis unter sechs Stunden gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI nur die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erfüllt. Wie nach der bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage ist aber die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen, so dass die teilweise Erwerbsminderung, wenn der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen ist, in eine volle Erwerbsminderung "durchschlägt" (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI, Rdnr. 30 unter Hinweis auf die Weitergeltung des Beschlusses des Großen Senates des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Dezember 1976, SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die konkrete Betrachtungsweise wegen der ungünstigen Arbeitsmarktsituation auch über den 31. Dezember 2000 hinaus beibehalten werden (vgl. Niesel, a.a.O., m.w.N.). Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage kann im Regelfall ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen werden, dass eine Vermittlung innerhalb der Jahresfrist nicht möglich ist; bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage bedarf es daher grundsätzlich keines Nachweises konkreter Vermittlungsbemühungen für die Dauer eines Jahres durch den Rentenversicherungsträger im Zusammenwirken mit der Arbeitsagentur (vgl. Gürtner, a.a.O., Rdnr. 32 m.w.N.). Da der Kläger im vorliegenden Fall keinen zumutbaren Arbeitsplatz inne hält und ihm für den strittigen Zeitraum auch kein für ihn in Betracht kommender Arbeitsplatz angeboten werden konnte, ist vom Vorliegen von voller Erwerbsminderung also auch dann auszugehen, wenn noch ein Leistungsvermögen im Umfang von drei bis vier Stunden täglich bestehen sollte. Vor diesem Hintergrund kann es offen bleiben, ob sich der Rentenanspruch auch daraus ergibt, dass der Kläger nicht mehr im Stande ist, die Wege zu einer potentiellen Arbeitsstelle und wieder nach Hause zurückzulegen (das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos - vgl. nur BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 und vom 14. März 2002 – B 13 RJ 25/01 R - (juris)) bzw., dass er angesichts der von Dr. G. postulierten Pausen nur unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten kann (vgl. dazu nur BSG, Urteil vom 27. Mai 1977, SozR 2200 § 1246 Nr. 19).

In Übereinstimmung mit dem SG datiert der Senat den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung auf den Beginn der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Klägers, also auf den 22. Februar 2007. Ab diesem Zeitpunkt ist der Kläger aufgrund der der Erwerbsminderung zugrunde liegenden Erkrankung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Dass mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die konkrete letzte Tätigkeit auch ein Einsatz für sonstige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausschied, entnimmt der Senat einerseits dem Umstand, dass es sich bei der letzten Berufstätigkeit des Klägers um eine körperlich leichte Arbeit gehandelt hat und andererseits der Einschätzung des Herrn Dr. Dr. N. im Gutachten vom 26. Juli 2010 (Bl. 19 des Gutachtens).

Ausgehend von einem Leistungsfall im Februar 2007 sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) und die Wartezeit (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtkontenspiegel des Klägers (Bl. 101 ff der Akte Versichertenrente der Beklagten), ist zwischen den Beteiligten nicht strittig und bedarf daher keiner weiteren Darlegung.

Die Rente beginnt gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI mit dem Antragsmonat. Die vom SG vorgenommene auf § 102 Abs. 2 SGB VI gestützte Befristung der Rente, die auf dem Umstand beruht, dass das SG eine Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht für unwahrscheinlich hält, ist angesichts des Gutachtens des Herrn Dr. Dr. N. ohne Weiteres nachvollziehbar und findet eine Stütze im Gutachten des Herrn Dr. G ... Die Beklagte ist hierdurch nicht beschwert und hat den Befristungszeitraum auch nicht beanstandet. So genannte Arbeitsmarktrenten sind - unabhängig von der Möglichkeit der Behebung der Erwerbsminderung - ohnehin zu befristen (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI), wobei die Möglichkeit besteht, einen weiteren Dreijahreszeitraum an eine bei der Entscheidung bereits abgelaufene Dreijahresfrist anzuschließen (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, § 102 SGB VI, Rdnr. 8). Dieser Rahmen wird vorliegend nicht überschritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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