L 3 AL 1562/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1859/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1562/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., B., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Tatbestand:

Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger die Verbescheidung seiner Anträge vom 01.04.2011 auf Arbeitslosengeld und vom 10.04.2011 auf die Gewährung von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget sowie die Bewilligung der Leistungen geltend.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Nach Beendigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der R. Kunststoff- und Metalltechnik GmbH beantragte der Kläger, nachdem er sich am 01.04.2011 arbeitslos gemeldet hatte, bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld. Unter dem 03.04.2011 erklärte er gegenüber der Beklagten, soweit er früher der Datenerhebung zugestimmt habe, widerrufe er dies ausdrücklich. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 14.04.2011 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 03.05.2011 sodann erklärte, mit der Erfassung und maschinellen Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten einverstanden zu sein, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.05.2011 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2011 für 46 Kalendertage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 36,46 EUR. Für die Zeit vom 01.- 04.04.2011 setzte sie den Leistungsbetrag wegen des Erhalts einer Urlaubsabgeltung auf 0,- EUR täglich fest.

Bereits am 20.04.2011 hatte der Kläger Klage zum SG erhoben (- S 11 AL 1755/11 -), mit der er die Verbescheidung seines Antrags vom 01.04.2011 und die Bewilligung von Arbeitslosengeld geltend machte. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.03.2012 ab, die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung ist beim erkennenden Senat anhängig (- L 3 AL 1346/12 -).

Mit E-Mail vom 10.04.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung verschiedener Leistungen (den Vorschuss auf eine Bewerbungskostenpauschale, hilfsweise Bewerbungsmaterial in natura, ein Kraftfahrzeug nebst Versicherung und Steuer für ein Jahr, hilfsweise eine Monatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr, eine Serviceausbildung bei der Fa. S., hilfsweise einen Refresherkurs, die Gewährung verschiedenster Weiterbildungsmaßnahmen, die Förderung von Messebesuchen, einen PC mit Internetzugang, einen qualifizierten Arbeitsvermittler, eine qualifizierte Eingliederungsvereinbarung und gültige Zugangsdaten zum Internetportal "Jobbörse").

Mit Bescheid vom 16.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Kläger ab. Sie verwies zur Begründung auf insg. acht Widerspruchsbescheide, mit denen die beantragten Leistungen bereits abgelehnt worden seien. Seither habe sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert.

Bereits am 11.04.2011 hat der Kläger (Untätigkeits-) klage zum SG erhoben (- S 11 AL 1552/11 -), die das SG mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2011 abgewiesen hat. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung wies der erkennende Senat mit Urteil vom 01.08.2012 (- L 3 AL 5237/11 -) zurück.

Am 27.04.2011 hat der Kläger erneut Klage zum SG erhoben (- S 11 AL 1859/11 -), mit der er neben der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Schmerzensgeldansprüchen auch die Verbescheidung seiner Anträge vom 01. und 10.04.2011 geltend gemacht hat. Er hat hierzu ausgeführt, die Beklagte weigere sich, seine Anträge zu verbescheiden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Nachdem das SG die Streitgegenstände, die Ansprüche nach dem SGB II sowie den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch mit Beschluss vom 02.04.2012 abgetrennt hat und die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 29.06.2011, dem Kläger am 04.07.2011 zugestellt, zur beabsichtigten Entscheidung im Wege eines Gerichtsbescheides angehört hat, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 03.04.2012 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass ein Befangenheitsgesuch, das der Kläger am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hindere, in der Sache zu entscheiden, da es offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Inhaltlich führe die Klage nicht zum Erfolg, sie sei bereits unzulässig, da die Beklagte über die Anträge entschieden habe.

Gegen den am 10.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.04.2012 Berufung eingelegt. In der Sache verbleibe es, so der Kläger, bei dem Inhalt seiner bisherigen Anträge.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag vom 01. April 2011 zu verbescheiden und ihm auf diesen Antrag hin Arbeitslosengeld zu bewilligen sowie den Antrag vom 10. April 2011 zu verbescheiden, hilfsweise, ihm die beantragten Leistungen zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt T. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 15.08.2012 Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 19.09.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Es obliegt grds. dem Kläger selbst, gegenüber der Leitung der Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen. Auf einen entsprechenden Antrag, auf den der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 10.08.2012 durch den Senat hingewiesen wurde, entscheidet die Anstaltsleitung, ob sie dem Gefangenen Ausgang oder Urlaub erteilt oder ihn ausführen lässt. Hiernach kann sich der Senat bei Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung darauf beschränken, einen Gefangenen nach § 110 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Termin zu laden und es dabei dem Gefangenen überlassen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen. Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so ist er, wenn, wie vorliegend, das persönliche Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris). Da der Kläger schließlich in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung darauf hingewiesen wurde, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden werden kann (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 SGG), war der Senat durch die Abwesenheit des Klägers nicht an einer Entscheidung über die Berufung gehindert.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -). Der Senat hat dem Kläger stattdessen die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt T. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht. Auch dem Antrag, der Beklagten nach § 202 SGG i.V.m. §§ 423 ff Zivilprozessordnung (ZPO) aufzugeben, Kopien der Bescheide, der Verwaltungsakte und sonstiger Unterlagen vorzulegen, ist nicht zu entsprechen, da, ungeachtet der Frage, ob die angeführten Regelungen der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden sind, durch sie lediglich eine Verpflichtung des Prozessgegners zur Vorlage von Urkunden begründet wird. Da die Beklagte jedoch die Akten bereits vorgelegt hat und eine Verpflichtung zur Überlassung von Kopien der Urkunden in den §§ 423 ff ZPO nicht normiert ist, sind dem Kläger auch nicht nach § 202 SGG i.V.m. §§ 423 ff ZPO Kopien zu überlassen.

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 SGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Hintergrund dessen ist der Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf. Das Begehren des Klägers, die Verbescheidung seiner Anträge vom 01. und vom 10.04.2011 und die Gewährung der beantragten Leistungen, war bereits Gegenstand zeitlich zuvor erhobener Klagen: Die Verbescheidung des Antrages auf Arbeitslosengeld vom 01.04.2011 und dessen Bewilligung war bereits Gegenstand des am 20.04.2011 anhängig gewordenen Verfahrens - S 11 AL 1755/11 -, die Verbescheidung des Antrages vom 10.04.2011 und die Bewilligung der begehrten Leistungen war Gegenstand des am 11.04.2011 anhängig gewordenen Verfahrens - S 11 AL 1552/11 -. Da mithin zum Zeitpunkt, zu dem der vorliegende Rechtsstreit beim SG am 27.04.2011 anhängig und damit gemäß § 94 Abs. 1 SGG rechtshängig geworden ist, die Streitgegenstände bereits rechtshängig gewesen sind, war die Klage bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 94, Rn. 7).

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Der Antrag, dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., B. zu bewilligen, war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 114 ZPO). Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den PKH- Antrag, ausgehend vom Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt von dessen Bewilligungsreife eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 04.12.2007 - B 2 U 165/06 B veröffentlicht in juris).

Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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