L 1 AS 1847/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 4505/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1847/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 4. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. 127 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Beschwerdeführern (Bf.) für das Verfahren S 10 AS 4505/10 Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Gem. § 73 a SGG sind die Vorschriften der ZPO über die PKH in sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung, nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält danach auf Antrag PKH, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 114-127 ZPO).

Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar halten und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der bestätigenden Beweisführung überzeugt sein kann. Aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage muss zumindest möglich erscheinen, dass der Kläger mit ihrem Begehren durchdringen wird. Eine Beweisantizipation ist zulässig und geboten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73 a, Randnummer 7, 7a mit weiteren Nachweisen). Damit ist die Erfolgsaussicht dann zu bejahen, wenn der Ausgang des Verfahrens zumindest offen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist auch im PKH-Verfahren der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Ein früherer Zeitpunkt kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung des Gerichts über den PKH-Antrag verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil des Klägers/Antragstellers eingetreten ist (Meyer-Ladewig aaO, § 73 a, RandNr. 7 d mwN). Im vorliegenden Fall ist keine Änderung der Sach- oder Rechtslage zum Nachteil der Bf. eingetreten. Deshalb ist hier für die Beurteilung der Erfolgsaussicht auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats abzustellen.

Nach § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) können auch Schulden, resultierend aus Kosten der Unterkunft, übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

Hinreichende Erfolgsaussichten für das Klageverfahren hat das SG zu Recht verneint. Zur Begründung wird nach eigener Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des SG Mannheim im angefochtenen Beschluss verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kommt die Übernahme der Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft schon deshalb nicht in Betracht, weil der Bf. diese Unterkunft seit 1. August 2010 nicht mehr bewohnt. Der Erhalt der Wohnung ist aber ausgeschlossen, wenn durch eine Begleichung von Mietrückständen die Unwirksamkeit einer ausgesprochenen fristlosen Kündigung nicht mehr herbeigeführt werden kann. Dies wäre nur denkbar gewesen, wenn innerhalb von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit der Zahlungs- und Räumungsklage Mietrückstände bezahlt worden wären (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2010 - L 19 AS 1106/10 B ER). Auch eine vergleichbare Notlage hat das SG rechtsfehlerfrei verneint.

Das Vorbringen im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zum einen ist die Frage der angemessenen Kosten der Unterkunft im vorliegenden Verfahren allenfalls von mittelbarer Bedeutung, da sich der Streit nicht um die Übernahme laufender Kosten der Unterkunft, sondern von Schulden aus einem zwischenzeitlich beendeten Mietverhältnis (bezüglich einer unangemessen großen Wohnung) dreht.

Zum anderen haben bereits der 12. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Az.: L 12 AS 5641/09), der 2. Senat des Landessozialgerichts (Urteil vom 29. April 2009 - L 2 AS 1556/08) und der erkennende Senat im Verfahren L 1 AS 3286/09 (Urteil vom 28. September 2009) festgestellt, dass die abstrakte Festsetzung der angemessenen Kosten der Unterkunft durch den Rhein-Neckar-Kreis auf einem schlüssigen Konzept beruht, das den Kriterien des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 30) entspricht. Es erschließt sich dem Senat daher nicht, wenn in der Beschwerde vorgetragen wird, diese Entscheidung(en) hätten "nur" grundsätzlichen Charakter und könnten nicht auf jeden Einzelfall übertragen werden. Denn in diesen Entscheidungen haben die Senate des Landessozialgerichts gerade mit allgemeiner Gültigkeit festgestellt, dass die vom Bg. ermittelten abstrakten Angemessenheitsgrenzen für die Kosten einer Unterkunft in ihrem Zuständigkeitsbereich zutreffend sind. Die Bg. konnte diese daher zu Recht auch der Beurteilung im vorliegenden Fall zugrunde legen.

Dies enthebt, was sowohl die Beschwerdegegnerin (Bg.) als auch das SG beachtet haben, nicht von einer Prüfung im Einzelfall (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Rn. 24), die allerdings nur dahin gehen kann, welche abstrakten Angemessenheitskriterien, also abstrakt angemessene Kosten einer Wohnung für ein, zwei oder mehrere Personen der Feststellung der konkret angemessenen Kosten der Unterkunft zugrunde zu legen sind. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Verfahren L 1 AS 1838/11 B verwiesen.

Wie die Bg. im Widerspruchsbescheid vom 17. November 2011 im Übrigen zutreffend ausgeführt hat, wurden dem Bf. zu 1.) mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 rückwirkend ab 1. Januar 2009 höhere Kosten der Unterkunft bewilligt (statt bis dahin 335,50 EUR 439,50 EUR), weil die Bg. infolge der Besuche der Bf. zu 2 bis 4 höhere Unterkunftskosten als angemessen anerkannt hat. Die mit dieser nachträglichen Bewilligung verbundene Nachzahlung hat der Bf. aber nicht dazu verwendet, die aufgelaufenen Mietschulden zu reduzieren. Im Zeitpunkt des Zuflusses der Nachzahlung war das Mietverhältnis des Bf. für die Wohnung "In der Warthütte 4" noch nicht beendet (vgl. das Kündigungsschreiben des Rechtsanwalts der Vermieterin vom 9. April 2010), so dass durch das bestimmungsgemäße Verwenden der Nachzahlung eine Kündigung ggf. hätte vermieden werden können. Verwendet der Bf. Mietnachzahlungen zu anderen Zwecken als zur Begleichung von Mietrückständen stellt sich bereits die Frage, wie dringlich ihm selbst der Erhalt der Wohnung ist. Jedenfalls aber würde die Berufung auf eine der drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbare Notlage widersprüchlich erscheinen und vom Bg. darüber hinaus eine doppelte Zahlung für den selben Zweck verlangen.

Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das SG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Bf. verneint. Soweit im Beschwerdeverfahren vorgebracht wird, der Bf. zu 1.) könne sich jedenfalls auf ein Rehabilitationsinteresse berufen, werden die Voraussetzungen für die Bejahung eines entsprechenden Interesses verkannt.

Unabhängig von der Frage, ob der Antrag angesichts der im Verfahren S 10 AS 4435/10 vor dem SG erhobenen Leistungsklage, die mit der Angemessenheit der Unterkunftskosten für die Wohnung "In der Warthütte 4" begründet wird, überhaupt eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben werden kann, ist für die Bejahung eines Rehabilitationsinteresses Voraussetzung, dass durch die Begründung des streitigen Verwaltungsakts oder durch die Umstände seines Zustandekommens grundrechtlich geschützte Belange des Bf. dergestalt beeinträchtigt worden sind, dass zu seiner Rehabilitierung eine gerichtliche Feststellung erforderlich ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 131 Rn. 10a mwN).

Weder die Begründung des die Übernahme der Mietschulden ablehnenden Verwaltungsakts noch die Art seines Zustandekommens geben Anhaltspunkte für ein die Bf. herabsetzendes Verhalten der Bg.

Soweit sich die Bf. darauf berufen, die fristlose Kündigung der Wohnung samt Räumungsklage habe dazu geführt, dass Dritte den Eindruck haben könnten, es handle sich bei der Familie um säumige Mietzahler, begründet dies kein Rehabilitationsinteresse. Tatsächlich hat der Bf. die mietvertraglich geschuldete Miete nicht vollständig bezahlt und war daher säumig. Auch hat er Nachzahlungen der Bg. aus eigenem Entschluss und nicht durch ein Verhalten der Bg. motiviert, nicht zur Reduzierung seiner Mietschulden verwendet, sondern anderweitig ausgegeben. Nicht zuletzt hat er nicht rechtzeitig eine den Angemessenheitskriterien der Bg. entsprechende Wohnung gesucht, sondern sehenden Auges in Kauf genommen, dass die von der Bg. übernommenen Kosten der Unterkunft nicht zur vollständigen Zahlung der Miete genügen und deshalb monatliche Rückstände auflaufen können. Ein ihn seinen (Grund-)Rechten verletzendes Verhalten der Bg., das ein Rehabilitationsinteresse begründen könnte, ist daher nicht ersichtlich.

Entsprechendes gilt für die behauptete Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs. Schon aufgrund des Umstands, dass nach dem oben Ausgeführten nicht ersichtlich ist, worauf dieser gestützt werden sollte, wäre Voraussetzung für die Bejahung eines darauf gestützten Rehabilitationsinteresses, dass ein solcher (gerichtskostenpflichtiger) Amtshaftungsprozess vor den Zivilgerichten bereits anhängig ist oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Beides ist nach dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht der Fall.

Auch die behauptete Beeinträchtigung durch Art. 6 GG grundrechtlich geschützter Interessen durch den "von der Bg. erzwungenen Umzug" begründet kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Bf. zu 1.) ist zwar der Vater der Bf. zu 2.) bis 4.). Allerdings leben Letztere nur besuchsweise an Wochenenden und in Teilen der Ferien bei dem von der Kindesmutter getrennt lebenden Bf. zu 1.). Dieser lebte in der Wohnung " ..." erst ab April 2008, zuvor sind jedenfalls zwei andere Wohnanschriften des Bf. zu 1.) aktenkundig. Angesichts dieser Umstände sowie des Lebensalters der Bf. zu 2.) bis 4.) (geboren in den Jahren 2000, 2001 und 2004) ist nicht nachvollziehbar, inwieweit ein Umzug innerhalb der Kleinstadt Leimen über eine Distanz von rund 3 km (aus: Routenplaner.de) eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung familiärer Interessen darstellen soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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