L 8 SB 2526/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 682/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2526/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.Mai 2009 und der Bescheid des Beklagten vom 29.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2007 abgeändert und der Beklagte verurteilt, ab 25.01.2012 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neufeststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50.

Die 1950 geborene Klägerin beantragte erstmals am 19.07.2001 die Feststellung ihrer Behinderung beim Beklagten. Mit Bescheid vom 26.09.2001 stellte der Beklagte einen GdB von 30 wegen eines Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen und einer chronischen Bronchitis fest. Der Widerspruch hatte trotz Berücksichtigung psychovegetativer Störungen als zusätzlicher Behinderung keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.06.2002). Im Rahmen des dagegen geführten Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG, S 7 SB 1703/02) einigten sich die Beteiligten auf die Feststellung eines GdB von 40. Mit Bescheid vom 20.01.2005 stellte der Beklagte einen GdB von 40 seit 19.07.2001 fest.

Am 24.04.2006 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB. Dazu gab sie eine chronisch wiederkehrende Lumboischialgie, beginnende Coxarthrose beidseits, eine Osteochondrose L4/5 und ein Hals- (HWS-) und Brustwirbelsäulen (BWS)- Syndrom an. Weiterhin bestünden ein chronischer Husten mit Schmerzen im Brustkorb, Rücken und Oberschenkel beim Husten, Asthma bronchiale, Kreislaufbeschwerden und ein psychovegetatives Belastungssyndrom sowie eine schwere reaktive Depression als weitere Gesundheitsstörungen.

Die Hausärztin Dr. Ha. bestätigte mit ärztlichem Befundbericht vom 29.03.2006 die Behandlung wegen chronischen Hustens, einen Bandscheibenvorfall L4/5 und eine Lumboischialgie, die zu Schmerzen führten, die auch mit Schmerzmitteln nur schwer zu ertragen seien. Zur Mitbehandlung der Depression und psychovegetativen Belastung sei die Klägerin an einen Psychologen überwiesen worden.

Der Neurologie und Psychiater - Psychotherapeut - Dr. J. berichtete dem Beklagten am 10.05.2006 über eine Lumboischialgie mit sensiblem Wurzelreizsyndrom im Segment S1 links. Es bestehe ein traumatische Schädigung des Ramus cutaneus superficialis N. peronaei (Hautnerv des Peronäusnerven) rechts infolge eines Arbeitsunfalls. Weiterhin bestehe eine rezidivierende depressive Störung mit Neigung zu depressiven Belastungsreaktionen. Neuropsychologisch ergäben sich gravierende kognitive Leistungseinschränkungen. Im Vergleich zur Situation im Jahr 2004 habe sich ein deutliches Fortschreiten der Erkrankung gezeigt. Außerdem seien kognitive Leistungseinschränkungen erkennbar. Die Anerkennung des Schwerbehindertenstatus sei begründet.

Er legte einen neuropsychologischen Befund der Diplompsychologin I. E. J. vom 10.03.2004 vor. Diese erlebte die Klägerin als unruhig und belastet. Sie berichte über Ein- und Durchschlafstörungen und über Probleme bei geteilter Aufmerksamkeit und prospektivem Gedächtnis. Sie verleugne ihre Gefühle sich selbst gegenüber. 2001 sei sie im Betrieb von einer Ladendiebin in eine Glastür gestoßen worden, die dabei zu Bruch gegangen sei. Sie habe deshalb immer wieder den Gedanken, dass sie hätte tot sein können. Das Sprachwissen sei grenzwertig, die Fähigkeit, abstrakt-logische Aufgaben zu lösen, liege im unteren Normbereich. Es gelinge der Klägerin kaum, mit einer altersentsprechend normgerechten Leistung ihre Aufmerksamkeit auf kritische Zeichen zu fokussieren. Die kognitive Flexibilität bei der Übertragung von Zahlen zugehörigen Symbolen sei grenzwertig. Die Gedächtnisspanne für gesprochene Zahlen liege nicht mehr im Normbereich.

Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (E. S., 24.05.2006) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2006 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Dagegen erhob die Klägerin am 12.06.2006 Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug, dass sich ihre psychische Situation seit der letzten Entscheidung verschlechtert habe. Außerdem leide sie unter einem quälenden Hustenreiz, der inzwischen auch die Sprache beeinträchtige, die heiser und angespannt klinge. Außerdem habe sie infolge einer ausgeprägten Heberden-Arthrose dauernde Schmerzen in den Händen. Die Knie seien regelmäßig kraftlos und gegen Abend heiß und dick angeschwollen. Das Bergaufgehen und Treppensteigen sei mühsam und schmerzhaft.

Die Klägerin legte einen Entlassungsbericht vom 12.07.2006 über ihre medizinische Rehabilitation in der A. Klinik , Fachklinik für konservative Orthopädie und Rheumatologie, vom 13.06.2006 bis 11.07.2006 vor. Dort war die Klägerin wegen Dauerschmerzen in der Lendenwirbelsäule (LWS) in Behandlung, die in das linke Bein ausstrahlten. Es bestünden Missempfindungen im gesamten linken Bein und eine Fußheberschwäche links mit Kraftgrad 4/5. In der HWS bestünden Verspannungsschmerzen im Schulter-Nackenbereich mit Schmerzausstrahlung in den Kopf und Ohrenschmerzen rechts. Beschwerden in beiden Kniegelenken und den kleinen Fingergelenken kehrten immer wieder. Die Klägerin klage außerdem über einen Erschöpfungszustand und Depressionen. Bei der Untersuchung zeigte sich ein harmonisches Gangbild, das An- und Auskleiden gelang problemlos, bei den Bewegungsprüfungen wurde der thorakale Schober mit 30/33, der lumbale mit 10/12, der Finger-Boden-Abstand auf Kniehöhe festgestellt. Die Schultergelenksbeweglichkeit war beidseits endgradig eingeschränkt, die Fingergelenke beider Hände waren leicht arthrotisch aufgetrieben, ansonsten waren die Gelenke der oberen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. In der Hüfte gab die Klägerin links Bewegungsschmerzen an, am linken Kniegelenk einen Druckschmerz, ansonsten waren die unteren Extremitäten altersentsprechend frei beweglich. Im Laufe der Rehabilitation fand eine psychologische Konsiliaruntersuchung und Therapie statt. Dabei wurden Angst und Depression gemischt, eine somatoforme autonome Funktionsstörung des respiratorischen Systems (Husten) und psychologische Faktoren in der Manifestation körperlicher Störungen diagnostiziert.

Der die Klägerin behandelnde Orthopäde Dr. Le. berichtete dem Beklagten am 22.10.2006 über eine Teilsteife der LWS mit Schober 10/12 ohne Paresen. Es bestehe ein Muskelhartspann, das Zeichen nach Lasègue sei bei 25° positiv. Auch in den Hüften bestehe eine Teilsteife mit einer Einschränkung der Funktion um ein Drittel, einem Leistendruckschmerzn und einer leichten Beugekontraktur. Im Röntgenbild sei eine Coxarthrose ersten Grades beidseits zu erkennen.

Die Internistin F. legte auf Nachfrage ihren Arztbrief vom 26.10.2006 vor. Danach litt die Klägerin an einer bronchialen Hyperreagibilität ohne Hinweis auf florides pneumonisches Geschehen oder einen spezifischen Lungenprozess sowie einer leichten, ausschließlich peripheren obstruktiven Ventilationsstörung. Die Blutgase schlössen eine partielle oder globale respiratorische Insuffizienz aus.

Nach erneuter Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. R. , 10.01.2007) wies der Beklagte den Widerspruch auch unter Berücksichtigung einer Fingerpolyarthrose und einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin am 20.02.2007 Klage zum SG, zu deren Begründung sie ausführte, dass die psychische Erkrankung mit einem Teil-GdB von 20 anzuerkennen sei. Es handele sich um eine langfristige psychische Beeinträchtigung in Form einer Angststörung, die ursprünglich durch einen tätlichen Angriff verursacht worden sei. Sie bedürfe insofern ständiger psychischer Betreuung. Im orthopädischen Bereich sei sie insbesondere mit der Bewertung von Knie und Händen nicht einverstanden. Die Beschwerden durch die Atemwegserkrankung seien auch nicht ausreichend berücksichtigt, sie müssten mit einem GdB von wenigstens 20 bis 30 bewertet werden. Zur weiteren Begründung legte sie einen Arztbrief von Dr. St. vom 17.01.2008 vor.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. St. , aus der Praxis Dr. Da. , Dr. St. , F. gab am 22.05.2007 an, es bestehe eine bronchiale Hyperreagibilität mit einem Hinweis für eine allergische Disposition. Die Beschwerden bestünden weiterhin, obwohl eine antientzündliche und atemwegserweiternde Medikation begonnen worden sei. Inzwischen sei der Verdacht eines gastroösophagealen Reflux aufgekommen, so dass er eine Therapie mit einem Säureblocker begonnen habe. Aufgrund der nur leichten obstruktiven Lungenventilationsstörung bestehe keine wesentliche Beeinträchtigung durch Kurzatmigkeit, allerdings sei die klinische Befindlichkeit durch die massive Hustensymptomatik beeinträchtigt. Grundsätzlich sei eine bronchiale Hyperreagibilität durch eine antientzündliche Medikation sehr gut behandelbar. Dr. St. legte seinen Arztbrief vom 11.01.2007 vor, in dem er von einer durch Provokation nachgewiesenen klinisch relevanten bronchialen Überempfindlichkeit berichtete. Während der gesamten Untersuchung sei es massiv zu einer trockenen Hustenproblematik gekommen. Differentialdiagnostisch müsse eine neurogene Störung im Sinne eines so genannten Hustenticks mit einbezogen werden.

Der Neurologe und Psychiater M. E. als Praxisnachfolger von Dr. J. teile am 26.05.2007 mit, die Klägerin sei regelmäßig seit 2001 in Behandlung bei Dr. J ... Er habe eine Lumboischialgie mit sensiblem Wurzelreizsyndrom S1 links, eine dramatische Schädigung des Ramus cutaneus superficialis des Nervus peronaeus als Unfallfolge, eine rezidivierende depressive Störung mit Neigung zu depressiven Belastungsreaktionen und gravierenden kognitiven Leistungseinschränkungen diagnostiziert. Diese sei mit einem Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen.

Die Psychotherapeutin B. S. antwortete mit Schreiben vom 12.06.2007. Die Klägerin sei von Januar 2005 bis März 2007 bei ihr in verhaltenstherapeutischer Behandlung gewesen. Sie leide auch weiterhin unter Schlafstörungen, Unruhe, Anspannungen sowie plötzlich auftretenden Angstanfällen. Sie sei deshalb in ständiger psychiatrischer Behandlung und erhalte Medikamente. Die Angstsymptomatik sei als sonstige Reaktion auf eine schwere Belastung diagnostiziert werden. Sie sei eine Reaktion auf den Unfall mit der Ladendiebin, ein vollständiges Bild einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht aufgetreten.

Der Orthopäde Dr. Le. bekundete mit Schreiben vom 01.07.2007, die Klägerin sei seit 1992 bei ihm in Behandlung. Es bestehe eine Osteochrondrose der HWS (Rotation 30/0/30, Seitneigung 45/0/45, Vor-/Rückneigung 20/0/20) mit Muskelhartspann. Es bestehe auch eine Osteochrondrose der LWS (Schober 10/13 cm) mit Muskelhartspann. Der Faustschluss sei bei Polyarthrose der Langfinger endgradig behindert. Der GdB sei mit 20 anzusetzen, der Gesamt-GdB tendiere zu 50.

Das SG holte das Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Wo. vom 15.02.2008 ein. Dort schilderte die Klägerin ihren Tagesablauf und ihre Beschwerden. Dr. Wo. stellte eine geringe motorische Schwäche in der Kennmuskulatur zu L5/S1 der linken Extremität fest, sonst liege keine Einschränkung der groben Kraft vor. Es bestünden Missempfindungen in den Dermatomen L5/S1 links sowie im Ramus cutaneus superficialis des Nervus peronaeus rechts. Im Gespräch fielen keine Auffassungs-, Konzentrations- oder Merkfähigkeitsstörungen auf. Die Stimmungslage sei depressiv erschöpft ohne Anhalt für eine schwerergradige eigenständige depressive Erkrankung, das Antriebs- und Interessevermögen sowie das Freudevermögen sei eingeengt mit sozialem Rückzug. Es bestehe eine allgemeine Grübelneigung mit unbestimmten Ängsten im Rahmen einer chronischen beruflichen Überlastung, Ein- und Durchschlafstörungen und psychogen funktionelle Störungen, insbesondere ein psychogener Reizhusten. Dr. Wo. diagnostizierte eine anhaltende Anpassungsstörung, psychogen-funktionelle Bildung bzw. Überlagerung von Organbeschwerden, Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparats mit leichtem sensomotorischem neurologischen Defizit L5/S1 links, bleibende Verletzung eines Hautnerven des Nervus peronaeus rechts. Letztere bedeute keine wesentliche Beeinträchtigung. Die anhaltende Anpassungsstörung bedinge einen GdB von 20, die psychogen-funktionelle Bildung bzw. Überlagerung von Organbeschwerden ebenfalls 20, die Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparats 30, die Schädigung des Hautnerven weniger als 10. Der GdB aus rein neurologisch-psychiatrischer Sicht liege bei 30.

Das SG zog ein für die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel erstelltes Gutachten des Lungenfacharztes Dr. Bo. vom 20.11.2007 bei. Bei der dortigen Untersuchung berichtete die Klägerin über ausgeprägten Husten bis zur Stressinkontinenz. Sie habe ständig Halsweh, manchmal sei die Stimme belegt. Dr. Bo. stellte in Ruhe keine Luftnot fest, der Husten klinge bitonal, es bestehe ein verschärftes Atemgeräusch im Bereich des Kehlkopfes und eine sehr deutliche Hyperreflexie im Bereich des Rachens. Dr. Bo. diagnostizierte eine ausgeprägte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität, den Verdacht auf gastroösophagalen Reflux, eine Stimmbanddysfunktion, eine Angststörung und eine atopische Konstitution.

Das SG holte schließlich ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 29.01.2009 ein. Dort klagte die Klägerin über ein Schwächegefühl im linken Unterschenkel und Fuß, so dass sie den Fuß nicht mehr richtig heben könne. Im rechten Fuß habe sie ein Pelzigkeitsgefühl und sei nie schmerzfrei. An beiden Kniegelenken bestünden Schmerzen beim Treppabgehen. In der Brustwirbelsäule habe sie Schmerzen bis nach vorne zum Brustbein. Häufig bestünden stechende Kopfschmerzen, wechselnde Ohrgeräusche auf beiden Seiten mit unterschiedlichen Phasen und wechselnder Stärke. Zusätzlich habe sie noch Schmerzen in beiden Händen, vor allem an den körperfernen Fingergelenken. Dr. H. stellte eine diskrete Gangunsicherheit links fest. Die Abrollbewegung sei gegenüber rechts verkürzt. Der linke Fuß werde vermehrt über die Fußaußenkante abgerollt. Den Zehenstand und Fersengang habe die Klägerin nicht demonstrieren können. Bei 2/5 der Kniebeuge gebe sie Schmerzen an. Bei den Bewegungsprüfungen in der LWS gebe die Klägerin Schmerzen an. Die BWS sei mit einem Zeichen nach Ott von 30/32,5 cm frei entfaltbar. Bei fast allen weiteren Bewegungsprüfungen gebe die Klägerin Schmerzen an, deren Muster nicht pathologisch anatomisch zuordnenbar sei. Dr. H. kam zu dem Ergebnis, dass eine chronische Lumboischialgie mit Wurzelirritation L5 links und sensiblem und leicht motorischem Defizit der Fuß- und Zehenheber, eine statische Fehlbelastung der LWS bei dem Alter vorauseilenden degenerativen Veränderungen, ein Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung und mittlerweile dem Alter vorauseilenden Verschleißerscheinungen mit leichtem Funktionsdefizit ohne Anhalt für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, eine Gefühlsminderung von Teilen des rechten Vorfußes bei rein sensibler Schädigung eines Hautnervs, ein femoropatellares Schmerzsyndrom beidseits ohne Anhaltspunkte für höhergradige Aufbraucherscheinungen, eine beginnende Heberdenarthrose der Endgelenke der Langfingerstrahlen beider Hände ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung sowie ein Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung bestehe. Bei der Untersuchung sei auffallend gewesen, dass bereits die Aufforderung zu manchen Bewegungen negiert worden sei und auch bei den Bewegungsprüfungen sehr rasch ein aktives Gegenspannen erfolgte, während die identischen Bewegungen unbeobachtet bzw. im Rahmen von anderen Bewegungsgängen problemlos und flüssig zu beobachten gewesen seien. Die Wirbelsäulenschäden seien mit 30 einzuschätzen, die Pelzigkeit des Vorfußes bedinge keinen GdB von mindestens 10, die Situation der Kniegelenke imponiere als reines Schmerzsyndrom ohne erkennbare Funktionsbeeinträchtigung. Hier sei ebenfalls kein GdB von 10 anzunehmen. Dasselbe gelte für die leicht arthrotischen Deformierungen der Finger bei unauffälliger Feinmotorik. Auf orthopädischem Gebiet resultiere ein Gesamt-GdB von 30.

Das SG zog eine weitere schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. St. vom 02.09.2008 aus dem Rechtstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung (S 4 R 1539/08) bei. Dort hatte er angegeben, dass eine relevante Lungenfunktionseinbuße bislang nicht habe dokumentiert werden können. Diverse medikamentöse Interventionen hätten allesamt keine eindeutige Beschwerderückbildung im Bezug auf Hustenproblematik erbracht.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2009 wies das SG die Klage ab. Die psychischen Beschwerden in Form der Anpassungsstörung seien mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die übrigen von Dr. Wo. festgestellten Gesundheitsstörungen seien nicht dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zuzuordnen sondern überschnitten sich mit den Gesundheitsstörungen auf internistisch/pneumologischen und orthopädischen Fachgebiet. Die Lähmung des Hautnervens am rechten Fuß begründe keinen GdB von wenigstens 10. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe ein GdB von 30. Im Bereich der LWS bestünden mittelgradige funktionelle Auswirkungen, in der HWS leichtgradige funktionelle Auswirkungen. Das bedinge einen GdB von 30. Die übrigen Funktionsstörungen an Knien und Fingern bedingten - entsprechend den überzeugenden Ausführungen von Dr. H. - keinen eigenen GdB. Das hyperreagible Bronchialsystem und der Reizhusten seien mit einem GdB von 20 ausreichend bewertet. Es bestehe nur eine leichtgradige pulmonale Blähung. Die wesentliche Einschränkung bestehe in der permanenten Hustensymptomatik. Insgesamt sei der GdB mit 40 angemessen und richtig festgesetzt.

Gegen den ihr am 12.05.2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 03.06.2009 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie ausführt, das SG habe zu Unrecht nicht die Zeugenaussage von Dr. Le. berücksichtigt, außerdem habe sich ihr Gesundheitszustand in der Wirbelsäule weiter verschlechtert. Auf pneumologischen Fachgebiet sei auch ein höherer GdB anzusetzen, weil Dr. B. eine Lungenfunktion von nur 74% des Soll festgestellt habe. Außerdem habe das SG hier den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Sie sei durch die Hustenattacken privat und beruflich derart beeinträchtigt, dass sie an nichts mehr teilnehmen wolle. Inzwischen habe sie sich gezwungen gesehen, ihren Beruf aufzugeben. Weiterhin seien die bestehenden Ganzkörperschmerzen nicht berücksichtigt worden. Aufgrund der Hustenattacken und der Schmerzen sei sie sehr depressiv, habe psychisch schlimme Angstzustände und Schlafstörungen und zittere am ganzen Körper. Die sachverständige Zeugenaussage des Arztes M. E. sei ebenfalls nicht hinreichend berücksichtigt worden. Zwischenzeitlich habe sie sich in Behandlung in Form von Akupunktur begeben, um die Hustenattacken zu bekämpfen. Nach wie vor stünden die Hustenattacken und Erstickungsanfälle im Vordergrund.

Zur weiteren Begründung hat die Klägerin den Entlassungsbericht vom 05.08.2009 über eine Rehabilitation im Klinikum B. L. vom 30.06.2009 bis 28.07.2009 vorgelegt. Dort sind die Diagnosen Vocal-Cord-Dysfunction (Stimmbandfehlfunktion), Husten, Depression, Panikstörung, Bandscheibenvorfall L3/L4 mit Myelopathie aufgeführt. In der dort erhobenen Anamnese hat die Klägerin über einen seit vielen Jahren fortbestehenden Hustenreiz berichtet. Bei massivem Hustenreiz leide sie auch an Inkontinenz. Es bestehe ein thorakales Druckgefühl, das bei Belastung bzw. bei Husten verstärkt werde. Es bestehe ein Klopfschmerz entlang der Wirbelsäule. Im Provokationstest haben die Ärzte keinen Hinweis auf eine bronchiale Hyperreagibilität finden können. Bei den weiteren Untersuchungen habe die Diagnose einer intermittierenden, inspiratorischen Stimmbandfehlfunktion ausreichend gesichert werden können. Es bestehe eine leichtgradige Atemwegsinstabilität. Ein Hinweis auf einen relevanten gastroösophagialen Reflux lasse sich nicht finden. Im Laufe der Rehabilitation hätten sich Atemnotattacken und Hustenreiz gebessert.

Sie hat einen Arztbrief des radiologischen Zentrums S. , Dr. So. , vom 15.05.2009 über eine Ganzkörper-Skelett Szintigraphie vorgelegt.

Sie hat einen Arztbrief von Dr. Le. vom 29.05.2011 zu den Akten gereicht. Er hat berichtet, dass die Klägerin über ein beginnendes Schnappphänomen des linken Mittelfingers und über Schmerzen der Langfinger an beiden Händen klage. Weiterhin gebe sie eine Teilsteife der BWS und LWS mit Schmerzen, chronische Genickschmerzen und eine Nackensteife, Hüftschmerzen beidseits und Schmerzen in beiden Knien an. Dr. Le. hat eine Funktionseinschränkung in allen Wirbelsäulenabschnitten festgestellt. Sie bestehe gut hälftig in der HWS, das Ott Maß betrage 30/31, das Schober Maß "30/31" cm. Es bestehe ein Kniescheibenanpress-Schmerz und ein retropatellares Reiben, eine Synovitis und eine Lockerung des medialen Seitenbandes beider Knie. Die Gelenke der Langfinger seien mäßig aufgetrieben. Operative Maßnahmen seien nicht indiziert.

Weiterhin hat sie eine Bescheinigung der Psychotherapeutin B. S. vom 10.06.2011 vorgelegt. Danach leidet sie unter körperlichen Beschwerden, unter anderem Reizhusten, der von den Fachärzten als psychogen eingestuft werde, und unter einer unterschiedlich ausgeprägten depressiven Symptomatik und allgemeiner Ängstlichkeit. Es bestünden massive Schlafstörungen, Unruhe und Anspannung, Befürchtungen, Sorgen sowie gelegentlich auftretende Angstanfälle. B. S. gehe von der Diagnose einer Dysthymia und einer generalisierten Angststörung aus. Der Reizhusten sei unter "psychologische Faktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen" einzuordnen. Die Klägerin sei deshalb mit Unterbrechungen seit 2005 bei ihr in Behandlung.

In einem Arztbrief vom 11.06.2012 hat der Pneumologe Dr. I. , H. , über eine Belastungsdyspnoe berichtet. Die Lungenfunktion, Blutgasanalyse seien in der Norm, die Flussvolumenkurve zeige eine erhebliche Instabilität der Ausatemphase, teilweise sei sie durch Hustenreiz unterbrochen. Beim inhalativen Provokationstest zeige sich eine mittelschwere bis beginnend schwere bronchiale Hyperreagibilität mit einem totalen Bronchialkollaps. Es bestehe eine leichte Diffusionsstörung. Es handele sich diagnostisch eindeutig um ein Asthma bronchiale. Die Hustenbeschwerden würden möglicherweise durch den Magensäurereflux unterhalten.

In einer ärztlichen Bescheinigung vom 17.09.2012 hat Dr. I. die Diagnose einer schweren chronischen Hyperreagibilität mitgeteilt. Messtechnisch handele es sich um ein schweres Asthma bronchiale, das zu heftigsten Hustenanfällen führe. Dazu hat die Klägerin angegeben, Dr. I. behandele sie nunmehr mit hochdosiertem Kortison.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 08. Mai 2009 und den Beklagten unter den Bescheid des Beklagten vom 29.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2007 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 seit 24.04.2006 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide und im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegte ärztliche Stellungnahmen von Dr. W. vom 22.11.2010 und 05.04.2012, Dr. Re. vom 16.11.2011 sowie Dr. Be. vom 07.01.2010.

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts die Akten des Sozialgerichts Heilbronn aus einem Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund um eine Maßnahme zur Rehabilitation (S 4 R 1539/08) beigezogen. Darin hat sich eine schriftliche Zeugenaussage von Dr. Le. vom 06.09.2008 befunden, der darin angab, zwischenzeitlich eine vermehrte Kyphose der BWS und Bandscheibenabnutzung im Segment BWK 8/9 festgestellt zu haben. Weiter bestehe eine Reizung der Kniegelenke bei Sklerosierung der Kniescheibenrückfläche. Hier habe er eine Kortisonspritze in jedes Knie verabreicht und Krankengymnastik verschrieben. M. E. hat am 25.08.2008 mitgeteilt, bei der Klägerin liege eine chronifizierte depressive Störung in Verbindung mit einer somatoformen Störung vor. Dr. St. hat am 16.01.2009 ein ärztliches Attest zu diesem Rechtstreit verfasst.

Der Senat hat seinerseits die behandelnden Ärzte erneut schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Neurologe und Psychiater M. E. hat mit Schreiben vom 29.06.2010 mitgeteilt, es komme wiederkehrend und unvorhersehbar zu zum Teil exogen getriggerten depressiven Einbrüchen. Seit dem 01.05.2010 sei die Klägerin in Altersteilzeit, das habe zu erneuten psychischen Problemen im Sinne von Depression, Antriebstörung und Schlafstörung geführt. Es bestünden wiederkehrende Unruhezustände.

Dr. Le. hat am 04.07.2010 angegeben, dass sich bis auf eine Chronifizierung der Beschwerden keine Änderungen ergeben hätten. Am 11.07.2010 hat er dann geschrieben, die Klägerin habe sich am 05.07.2010 bei ihm vorgestellt und über Schulterbeschwerden geklagt. Er habe sie an einen Schulterspezialisten überwiesen. In der Folge hat er den Arztbrief des Arztes für Orthopädie und Unfallchirurgie PD Dr. P. vom 13.07.2010 vorgelegt. Er hat eine Rotatorenmanschettentendopathie, ein subacromiales Impingement und eine AC-Gelenksarthrose der rechten Schulter festgestellt. Es werde eine intermittierende Schmerzausstrahlung in die rechte Hand mit intermittierenden Kribbelparästhesien berichtet. Weiterhin bestehe ein bekannter Bandscheibenvorfall in der LWS.

Dr. St. hat am 20.07.2010 die Anfrage des Senats beantwortet. Im Rahmen von Hustenanfällen komme es immer wieder zu Atemnotspitzen. Trotz konsequenter antientzündlicher und bronchial erweiternder Therapieführung bestehe die Beschwerdesymptomatik weiterhin. Eine Therapie mit säurehemmenden Medikamenten habe keinen durchgreifenden Erfolg gehabt. Die Lungenfunktionsanalyse habe eine leichte überwiegend periphere Bronchoobstruktion ergeben. Seit 2007 habe sich hier keine relevante Entwicklung gezeigt.

Der Senat hat von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K.-B. vom 05.05.2011 eingeholt. Dort hat die Klägerin einen weiterhin persistierenden Reizhusten und häufige Schwindelgefühle angegeben. Dr. K.-B. hat einen ausgeglichenen Säure-Base-Haushalt in der Blutgasanalyse aber keine Hinweise für eine bronchiale Hyperreagibilität festgestellt. Es bestehe weder eine Ventilationsstörung noch eine Gasaustauschstörung. Anamnestisch sei eine Stimmbandfehlfunktion sowie ein Verdacht auf eine Pollinose ohne klinische Relevanz bekannt. Der Reizhusten sei wahrscheinlich psychogen. Der chronische Reizhusten sei mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen, die Stimmbandfehlfunktion mit ebenfalls 10. Eine relevante Lungenfunktionseinschränkung bestehe nicht. Es bestehe eine psychogen funktionelle Bildung bzw. Überlagerung der Organbeschwerden. Der Gesamt-GdB sei mit 40 richtig beurteilt.

Der Senat hat schließlich ein Gutachten der Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. Ro. vom 14.02.2012 (Untersuchung am 25.01.2012) eingeholt. Dort hat die Klägerin angegeben, dass sie aufgrund des häufigen Schwindels selten Auto fahre. Sie habe Depressionen, Angst, Schlafstörungen, sei ständig müde, habe innere Unruhe, Schwindel, Blasenprobleme und ein Schulteroperationsproblem. Die Hustenanfälle seien brennend und schmerzend, es bestehe ein schmerzhafter Bandscheibenvorfall am vierten und fünften Halswirbel, weiterhin habe sie Schmerzen in Knien, Fingern, Schultern und Kopfschmerzen. Das linke Bein empfinde sie als schwach und kraftlos, der rechte Fuß sei pelzig, der Schnitt schmerze immer noch. Die Stimmbänder machten Probleme. Es bestehe eine Stressharninkontinenz bei Hustenanfällen. Sie brauche drei Inkontinenzvorlagen pro Tag und empfinde das als demütigend. Selten verliere sie aufgrund der Hustenanfälle auch mal Kot. Sie habe das Gefühl, neben sich zu stehen, ihre Stimmung sei nicht gut, sie habe immer wieder ein inneres Beben, sei unruhig. Durch die Hustenanfälle bekomme sie Todesangst. Sie brauche jeweils sehr lange, um sich von den Hustenanfällen zu erholen. Die Hustenanfälle seien ihr zunehmend peinlich. Die Klägerin hat ihren typischen Tagesablauf geschildert. Nach ihrem Hobby befragt, hat die Klägerin angegeben, einmal pro Woche wegen ihrer Bandscheibenprobleme zur Gymnastik zu gehen, gelegentlich auch mal eine Freundin zu treffen. Insgesamt sei sie zufrieden mit ihrem Leben. Während der Untersuchung hat Dr. Ro. keine Störungen des Durchhaltevermögens, der Konzentration oder Auffassung feststellen können. Der Antrieb sei unauffällig, die Klägerin sei psychomotorisch etwas unruhig, inhaltlich sei sie auf psychische Symptome, vor allem Husten und Schmerzen eingeengt. Dr. Ro. hat die Diagnose einer Dysthymia bestätigt. Dabei handele es sich um ein Krankheitsbild mit einer über eine lange Zeit konstanten oder konstant wiederkehrenden Depression. Die Zeiten normaler Affektivität dauerten bei der Klägerin selten länger als einige Wochen. Selten oder nur wenige Tage seien die Kriterien einer depressiven Episode erfüllt. Weiterhin liege eine Somatisierungsstörung vor. Bei ihr handele es sich um eine psychische Störung mit wiederholter Darbietung körperlicher Symptome (Husten und Schmerzen), die aber keine entsprechende ausreichende organische pathogenetische Grundlage hätten. Sie fordere hartnäckig medizinische Untersuchungen, obwohl die Ärzte ihr versicherten, dass die Symptome nicht ausreichend körperlich begründbar seien. Zu den körperlichen Symptomen würden ängstliche und depressive Symptome assoziiert, die auch im Vordergrund der Klagen stünden. Im Vergleich zur Situation im Jahr 2005 habe sich eine Verschlimmerung eingestellt. Der GdB auf psychiatrischem Gebiet betrage 30, insgesamt sei unter Berücksichtigung eines GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden, 10 für den Reizhusten und die Stimmbandstörung und 10 für die Fingerpolyarthrose von einem GdB von 50 seit der Untersuchung in ihrer Praxis auszugehen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Stuttgart und die Akten des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).

Nach diesen Kriterien sind die psychischen Beschwerden der Klägerin nunmehr mit einem GdB von 30, die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule ebenfalls mit einem GdB von 30, die Beschwerden auf lungenfachärztlichem Gebiet mit einem GdB von 20, die Funktionsbeeinträchtigungen der Hände mit 10 und die geltend gemachten Beschwerden durch die Schädigung eines Hautnerven am rechten Fuß, an den Schultern, den Knien und durch den Schwindel sowie die Harn- und gelegentliche Stuhlinkontinenz mit jeweils unter 10 zu bewerten.

Die psychischen Beschwerden der Klägerin bedingen nunmehr einen GdB von 30, bis einschließlich Dezember 2011 sind sie mit einem GdB von 20 zu berücksichtigen. Nach Nr. 3.7 Teil B VG, der Nr. 26.3 der bis Ende 2008 anzuwendenden AHP entspricht, bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen einen GdB von 0 bis 20. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wie z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen werden mit einem GdB von 30 bis 40 bewertet. Bei der Klägerin liegt eine Dysthymia vor. Sie ist seit mindestens 2007 immer wieder in psychotherapeutischer Behandlung, ihren Psychiater sucht sie darüber hinaus regelmäßig auf. Im Jahr 2006 berichtete Dr. J. über eine Neigung zu depressiven Belastungsreaktionen. Die im Jahr 2004 durch die neuropsychologische Testung von Dipl.Psych. J. angenommene kognitive Einschränkung konnte in der Folge nicht bestätigt werden. Die Klägerin leidet außerdem seit Jahren unter Schlafstörungen und war unruhig, erschöpft und fühlte sich überlastet. Ängste treten nicht dauernd, sondern nur gelegentlich auf und sind nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. Ro. vor allem durch die Hustenanfälle getriggert. Im Jahr 2007 kam es zu einer Situation, in der die Klägerin der verhaltenstherapeutischen Behandlung bedurfte, weil sie Angstattacken in Folge einer Reaktion auf den Übergriff einer Ladendiebin im Jahr 2001 hatte. Diese Ängste berichten nunmehr weder Dr. Ro. noch Dipl-Psych. S ... Zwischenzeitlich bedurfte es auch keiner psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung mehr. Bei der Untersuchung durch Dr. Wo. im Jahr 2008 bestand kein Anhalt für eine schwerer gradige depressive Erkrankung. Die Klägerin war erschöpft, es bestand eine Grübelneigung mit unbestimmten Ängsten bei beruflicher Überlastung, die Dr. Wo. als Anpassungsstörung interpretierte. Dr. Wo. schätzte diese Beschwerden gut nachvollziehbar mit einem GdB von 20 ein. Die Klägerin war nach den dort vorgetragenen Beschwerden nicht wesentlich in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eingeschränkt.

Bei Dr. Ro. waren zwar ebenfalls die Kriterien einer Depression nicht erfüllt. Die Klägerin litt weiterhin unter den Hustenattacken, die sich lungenfachärztlich nicht sicher einordnen lassen und jedenfalls einer körperlichen Einschränkung nicht sicher entsprechen. Die Hustenattacken haben sich offenbar verschlimmert, denn die Klägerin hat nunmehr auch Schwindel angegeben. Die Hustenattacken führen bis zu Erstickungsanfällen, die Klägerin leidet unter Todesangst. Außerdem sind ihr die Hustenattacken inzwischen zunehmend peinlich. Sie leidet insofern neben der seit Jahren weitgehend unveränderten Dysthymia unter einer zunehmenden Somatisierungsstörung, die sie zwischenzeitlich auch in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einschränkt ohne allerdings bisher den Tagesablauf oder ihre Lebenszufriedenheit nachhaltig zu beeinträchtigen. Ein GdB von 30 ist insofern gerechtfertigt.

Die Funktionsbeeinträchtigung von Seiten der Wirbelsäule bedingt einen GdB von ebenfalls 30. Die Klägerin hat Beschwerden in allen drei Wirbelsäulenabschnitten. Nach Nr. 18.9 Teil B VG, der Nr. 26.18 AHP entspricht, werden Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen wie Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene oder kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome mit einem GdB von 10 berücksichtigt. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt wird ein GdB von 20 angesetzt. Dabei bezeichnen die VG mittelgradige funktionellen Auswirkungen als Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome. Bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt und bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten wird ein GdB von 30 oder höher angesetzt.

Bei der Klägerin liegen mittelgradige funktionelle Auswirkungen in der LWS und HWS, mithin in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor. Bei der Untersuchung durch Dr. H. im Jahr 2009 bestand ein Schwächegefühl im linken Unterschenkel und Fuß, das als leichtes sensomotorisches Defizit als Folge einer Nervenbeeinträchtigung im untersten Wirbelsäulenabschnitt interpretiert wurde und eine leichte Gangunsicherheit auslöste. In der LWS bestehen außerdem degenerative Veränderungen, die nach den Befunden von Dr. Le. zu Bewegungseinschränkungen insbesondere in Form einer stark verminderten Entfaltbarkeit der LWS führen. Die BWS war bei der Untersuchung durch Dr. H. frei entfaltbar, Bewegungseinschränkungen bestanden nicht. Später hat Dr. Le. auch in der BWS eine Teilsteife berichtet, ohne allerdings insofern nähere Ausführungen zu machen wie sich diese auswirkt. In der HWS bestehen Schmerzen im Nacken und Kopfschmerzen. Zwischenzeitlich wurde ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert und die Klägerin hat bei der Untersuchung durch Dr. P. Kribbelparästhesien in den Händen berichtet, die dieser als Folge von Schäden in der HWS interpretierte. Weiterhin hat die Klägerin Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule, die von den behandelnden und begutachtenden Ärzte teilweise als nachvollziehbar, teilweise auf ihrer Somatisierungsstörung beruhend angesehen wurden. Diese Beschwerden rechtfertigen – wie Dr. H. überzeugend ausgeführt hat – einen GdB von 30. Dem ist auch Dr. W. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.04.2012 gefolgt.

Die Einschränkungen der Klägerin im Bereich der Atemwege bedingen einen GdB von 20. Nach Nr. 7.10 Teil B VG, Nr. 26.7 AHP, werden funktionelle und organische Stimmstörungen wie z.B. Stimmbandlähmungen mit geringer belastungsabhängiger Heiserkeit mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet. Bei andauernder Heiserkeit wird ein höherer GdB festgesetzt. Atembehinderungen sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen analog der dauernden Einschränkung der Lungenfunktion. Nach Nr. 8.3 Teil B VG, 26.8 AHP werden Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades mit einem GdB von 20 bis 40 bewertet. Als geringen Grad bezeichnen die VG eine das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung wie z.B. forschem Gehen, mittelschwerer körperlicher Arbeit. Ein Bronchialasthma ohne ausdauernde Einschränkung der Lungenfunktion wird bei Hyperreagibilität mit seltenden saisonalen und/oder leichten Anfällen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Eine Hyperreagibilität mit häufigen, d.h. mehrmals pro Monat auftretenden oder schweren Anfällen ist mit einem GdB von 30 bis 40 zu berücksichtigen, Nr. 8.5 Teil B VG. Eine chronische Bronchitis ohne Einschränkung der Lungenfunktion wird in leichter Form, d.h. mit symptomfreien Intervallen über mehrere Monate, wenig Husten und geringem Auswurf mit einem GdB von 0 bis 10, bei einer schweren Form, d.h. fast kontinuierlich ausgiebigem Husten und Auswurf und häufigen akuten Schüben wird ein GdB von 20 bis 30 festgestellt. Bei der Klägerin wurde eine Einschränkung der Stimmbandfunktion festgestellt, die gelegentlich zu einer belegten Stimme führt. Ihr eigentliches Problem besteht in dauernden Hustenattacken bis hin zum Gefühl zu ersticken. Ihre behandelnden Ärzte und der vom Senat beauftragte Gutachter Dr. K.-B. sind sich nicht einig darüber, ob eine bronchiale Hyperreagibilität besteht. Durch Dr. K.-B. als auch in der Rehabilitation in B. wurde eine andauernde bronchiale Hyperreagibilität ausgeschlossen. Entsprechend gingen alle behandelnden und begutachtenden Ärzte von einer psychogenen Überlagerung der Hustenattacken aus. Demgegenüber hat Dr. I. eine schwere bronchiale Hyperreagibilität angenommen. Die Hustenattacken selbst treten häufig und ausgiebig auf, ein Auswurf besteht nicht. Sie führen zu brennenden Schmerzen im Brustkorb. Sie sind deshalb entsprechend der chronischen Bronchitis mit einem GdB von 20 richtig, aber auch ausreichend bewertet. Eine höhere Bewertung kommt auch im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bescheinigung von Dr. I. nicht in Betracht, denn auch er beschreibt als wesentliche Beeinträchtigung heftige Hustenattacken, die vom Senat schon im GdB von 30 für die psyischen Beschwerden berücksichtigt werden.

Die Beschwerden durch die Arthrose der Langfinger beider Hände sind mit einem GdB von 10 ausreichend berücksichtigt. Nach Nr. 18.13 Teil B VG, 26.18 AHP wird die Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet. Der Verlust eines Langfingers wird ebenfalls mit einem GdB von 10 bewertet. Erst bei Versteifung in ungünstiger Stellung oder Verlust mehrerer Finger wird ein höherer GdB zuerkannt. Bei der Klägerin sind die äußeren Gelenke der Finger leicht verstrichen. Die Arthrose bereitet ihr Schmerzen. Es besteht eine gewisse Bewegungseinschränkung aber keine Versteifung der Finger. Sie war bei der Untersuchung durch Dr. H. in der Lage ihr Knöpfe und ihren Reißverschluss selbständig zu öffnen und zu schließen. Eine höhergradige Beeinträchtigung hat auch Dr. Le. nicht mitgeteilt. Ein höherer GdB als 10 ist deshalb nicht gerechtfertigt.

Die Harninkontinenz der Klägerin bedingt keinen GdB von wenigstens 10. Nach Nr. 12.2.4 Teil B VG, Nr. 26.12 AHP bedingt eine relative Harninkontinenz mit leichtem Harnabgang bei Belastung einen GdB von 0 bis 10. Die Klägerin hat Harnabgang nur bei starken Hustenanfällen berichtet. Sie benötigt aufgrund der Häufigkeit der Hustenanfälle drei Vorlagen am Tag. Daraus kann ein GdB von mindestens 10 nicht abgeleitet werden.

Auch die gelegentliche Stuhlinkontinenz der Klägerin bedingt keinen GdB von wenigstens 10. Nach Nr. 10.3 Teil B VG, Nr. 26.10 AHP, bedingt eine Afterschließmuskelschwäche mit seltenen, nur unter besonderen Belastungen auftretendem unwillkürlichem Stuhlabgang einen GdB von 10. Die Klägerin hat wiederholt angegeben, dass es nur ganz selten bei sehr starken Hustanfällen zu ungewolltem Stuhlgang kommt. Eine Afterschließmuskelschwäche hat sie nicht angegeben, vielmehr hat sie selbst hier einen Zusammenhang mit den Hustenattacken hergestellt. Ein GdB von wenigstens 10 ergibt sich daraus nicht.

Die Lähmung eines Hautnerven des Peronäusnerven bedingt keinen GdB von wenigstens 10. Nach Nr. 18.14 Teil B VG, 26.18 AHP bedingt ein vollständiger Ausfall des Nervus peronaeus superficialis einen GdB von 20. Die Klägerin gibt im Bereich des rechten Vorfußes ein Pelzigkeitsgefühl und Schmerzen an. Der Peronäusnerv selbst ist nicht geschädigt. Es ist insofern nur eine Schädigung eines Hautnerven eingetreten. Ein Funktionsverlust am rechten Fuß ist damit nicht verbunden. Ein GdB von 10 ist deshalb nicht gerechtfertigt.

Die Beschwerden der Klägerin an den Knien bedingen ebenfalls keinen GdB von wenigstens 10. Nach Nr. 18.14 Teil B VG, 26.18 AHP, bedingt eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks geringen Grades, d.h. bei Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad, beidseitig einen GdB von 10 bis 20, einseitig einen GdB von 0 bis 10. Bei höhergradigen Einschränkungen wird ein höherer GdB festgestellt. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen werden sofern sie ohne Bewegungseinschränkung auftreten mit einem GdB von 10 bis 30 bewertet, Bewegungseinschränkungen bedingen einen höheren GdB. Weder Dr. H. noch Dr. Le. habe eine Bewegungseinschränkung der Kniegelenke mitgeteilt. Ausgeprägte Knorpelschäden sind ebenso wenig eingetreten wie z.B. eine Lockerung des Kniebandapparats. Die Beschwerden in den Knien sind vor allem durch Schmerzen in diesem Bereich gekennzeichnet, die bereits in dem GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung berücksichtigt sind.

Die zwischenzeitlich aufgetretenen Beschwerden in den Schultern bedingen ebenfalls keinen eigenen GdB. Nach Nr. 18.13 Teil B VG, 26.18 AHP, bedingt eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks bei der Möglichkeit der Armhebung nur bis zu 120° bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen GdB von 10, bei höhergradiger Bewegungseinschränkung wird ein GdB von 20 festgestellt. Nach den Angaben von Dr. P. in seinem Arztbrief vom 13.07.2010 besteht die Schultergelenksproblematik der Klägerin vor allem in Schmerzen in der Schulter. Die Bewegung ist durch die Schmerzen aber nicht funktionell eingeschränkt. Es besteht eine Gelenkarthrose. Die Schmerzen sind im GdB von 30 für die somatoforme Störung bereits berücksichtigt. Eine weitergehende Funktionsbeeinträchtigung haben weder Dr. P. noch Dr. Le. mitgeteilt. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, dass insofern eine mehr als sechs Monate dauernde Funktionsbeeinträchtigung aufgetreten ist.

Die Schwindelbeschwerden der Klägerin hat Dr. Ro. als Teil der somatoformen Schmerzstörung interpretiert. Sie sind im GdB von 30 berücksichtigt, die Feststellung eines eigenen GdB für diese Beschwerden ist deshalb nicht angezeigt.

Die Behinderungen der Klägerin bedingen bis einschließlich Dezember 2011 insgesamt keinen höheren GdB als 40. Ab Januar 2012 ist ein GdB von 50 festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Bei der Klägerin haben bis einschließlich Dezember 2011 EinzelGdB von 30, 20, 20 und 10 bestanden. Der GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden wurde durch den GdB von 20 für die Hustenattacken um 10 auf 40 erhöht, denn beide Beschwerden bedingen eine gegenseitige Verstärkung. Der GdB von 20 für die psychische Beeinträchtigung konnte nicht zu einer weiteren Erhöhung führen, denn im GdB von 20 für die Hustenattacken war die psychogene Überlagerung bereits berücksichtigt.

Im Januar 2012 ist dann durch Dr. Ro. eine Verschlimmerung der psychischen Beschwerden festgestellt worden. Die Klägerin leidet inzwischen auch an Schwindel und Erstickungsanfällen. Die psychogene Überlagerung der Hustenattacken und auch die somatoforme Schmerzstörung haben sich weiter verschlimmert. Es bestehen deshalb nunmehr Einzel-GdB von 30, 30, 20 und 10, die insgesamt einen GdB von 50 bedingen. Ausgehend von dem GdB von 30 für die psychischen Beschwerden wird der GdB durch die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule um 20 auf 50 erhöht. Entgegen der Ansicht der Beklagten werden hier nicht die Schmerzen doppelt berücksichtigt. Der GdB von 30 im psychischem Bereich wird wesentlich durch die psychogen überlagerten Hustenattacken bestimmt, die inzwischen ein Ausmaß angenommen haben, das zu Erstickungsanfällen mit Todesangst und Schwindelbeschwerden führen. Demgegenüber sind die Wirbelsäuleneinschränkungen neben Schmerzen auch durch nachweisbare sensomotorische Beeinträchtigungen im Bereich der Nerven im linken Unterschenkel und Fuß und durch Kribbelparästhesien in der Hand sowie objektivierbare Bewegungseinschränkungen gekennzeichnet. Sie beschränken sich - auch nach dem Gutachten von Dr. H. - nicht auf Schmerzen, so dass eine Doppelbewertung nicht erfolgt.

Demgegenüber bedingt der GdB von 20 für die Beeinträchtigung der Atemwege keine weitere Erhöhung, denn auch der GdB von 30 für die psychischen Beeinträchtigungen ist wesentlich durch die Hustenattacken bestimmt, so dass eine weitere Erhöhung des GesamtGdB zu einer Doppelbewertung der Hustenattacken führen würde.

Der Berufung war deshalb teilweise stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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