L 4 KR 4054/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2915/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4054/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf eine stationäre Liposuktion in Tumeszenz-Anästhesie zur Behandlung von Lipödemen an Armen und Beinen.

Die am 1950 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Seit den 90er Jahren leidet sie an Schmerzen in den Beinen, zunächst wurde die Diagnose einer Fibromyalgie gestellt, 2003 wurde ein Lipödem festgestellt. Bereits im Jahre 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine - damals ambulante - Liposuktion. Die Beklagte lehnte ab, die Klage wurde vom Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Urteil vom 20. Juli 2006 (S 3 KR 4327/05) abgewiesen, die von der Klägerin eingelegte Berufung mit Urteil des 11. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) zu Aktenzeichen L 11 KR 4438/06 zurückgewiesen, die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde nahm die Klägerin zurück (Bundessozialgericht - BSG - B 1 KR 43/09 B).

Unter dem 17. September und 6. Oktober 2009 wandte sich der Facharzt für Dermatologie S. für die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, bei der Klägerin bestünde ein Lipödem Schweregrad III an beiden Beinen mit Schwellungen, Spannungs- und Schweregefühl. Dies führe zu zunehmenden Bewegungseinschränkungen am Abend. Aus fachärztlich-dermatologischer Sicht sei zu einer chirurgischen Behandlung in Form der Liposuktion zu raten, um schnelle Hilfe zu gewähren. Die Klägerin wolle eine stationäre Tumeszenz-Therapie bei Dr. R. in der Hautklinik D. durchführen. Ergänzend wurde ein Attest des Arztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. B. vom 21. September 2009 vorgelegt, in dem dieser bescheinigte, unter konservativer Therapie bzw. mit ambulanter Behandlung habe die Klägerin nicht therapiert werden können; er empfehle eine stationäre Liposuktion.

Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten bei Dr. de R.-W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Dr. de R.-W. kam im Gutachten vom 27. Oktober 2009 zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für die Liposuktion seien nicht erfüllt. Die Ursache des Lipödems sei unbekannt, daher gebe es keine gesicherte kausale Therapie. Konservative Therapie sei die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) mit Lymphdrainage, Hautpflege, Bewegungstherapie und Kompression. Ob diese bisher durchgeführt worden sei, sei nicht mitgeteilt worden. Die Liposuktion beseitige in erster Linie die kosmetischen Probleme und verhindere weder ein Fortschreiten der Erkrankung, noch beseitige sie die Neigung zur Hämatom- und Ödembildung. Die Liposuktion sei nicht medizinischer Standard der Behandlung.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 02. November 2009 lehnte die Beklagte den Antrag unter Verweisung auf das MDK-Gutachten ab, da die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft seien.

Hiergegen legte die Klägerin am 2. Dezember 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, die stationäre Behandlung sei nicht ausgeschlossen, eine andere Behandlung nicht erfolgversprechend. Die beantragte Leistung sei aus medizinischen, aber auch aus übergeordneten psychischen Gründen erforderlich. Auf Anfrage der Beklagten reichte die Klägerin ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Go. vom 26. Februar 2010 und eines des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Th. vom 27. Juli 2009 ein. Letzterer diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit subdepressiver Stimmungslage und Lipödeme an Armen und Beinen. Zusätzlich bestünden Schmerzen in den Beinen wegen des daraus folgenden Lymphstaus. Da diese Beschwerden die Klägerin zusätzlich belasteten, werde aus psychiatrischer Sicht empfohlen, die Behandlungsmöglichkeiten zu prüfen und einer stationären Behandlung zuzustimmen. Dr. Go. stellte die Diagnose eines Lipödems Grad III. Er beobachte den Krankheitsprozess seit über zehn Jahren und stelle fest, dass alle bisher versuchten konservativen Maßnahmen gescheitert seien. Seit geraumer Zeit würden sich knotige Hautveränderungen einstellen, die vermehrt Spannungs- und Schweregefühl verursachten, begleitet von Berührungsschmerz und Blutungsneigung. Durch die Wassereinlagerung im Laufe des Tages sei die Klägerin gegen Abend und in der wärmeren Jahreszeit kaum in der Lage, abends einer Tätigkeit nachzugehen. Folge sei Bewegungsmangel und infolge der von ihr empfundenen Unförmigkeit mangelndes Selbstwertgefühl, sozialer Rückzug, Depressionen. Der Berufsalltag sei bereits erschwert, Erwerbsunfähigkeit stehe zu befürchten. Angesichts der ausgeschöpften konservativen Behandlungsmöglichkeiten sei eine chirurgische Behandlung durch Liposuktion die einzige Möglichkeit, weiteren Schaden von der Klägerin abzuwenden. Weiterhin wurde ein Internet-Ausdruck "Praxis Dr. Weiss" zum Thema Lipödem vorgelegt und eine Publikation aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 15. April 2004 von Meier-Vollrath, Schneider, Schmeller.

Die Beklagte ließ ein sozialmedizinisches Gutachten nach Untersuchung der Klägerin durch Dr. A. vom MDK erstellen. Dieser stellte in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 1. April 2010 die Diagnose Lipödem/Lipohypertrophie Stadium II-III an der unteren, Stadium III an der oberen Extremität. Beantragt sei die Liposuktion der Arme und Beine. Es bestehe kein Druckschmerz der Haut, auf Druck verblieben keine Dellen, die Haut ebne sich schnell wieder ein, es bestehe keine ausgesprochene Körperdisproportion - angesichts eines Taillenumfangs von 106 cm sei auch der Rumpf deutlich adipös, derzeit keine Hämatome, keine Faltenbildung in den Kniekehlen, keine Rötung an den Beinen. Im Bereich der Ellenbogengelenke zeige sich Faltenbildung ohne Einschränkung der Beweglichkeit. Bei einem Gewicht von 95,7 kg und einer Körpergröße von 154 cm liege ein BMI von 40 und damit eine Adipositas Grad III vor. Eine kontinuierliche Therapie werde nicht durchgeführt, die vorhandenen Kompressionsstrümpfe nur unregelmäßig getragen. Die Klägerin leide an Schmerzen, sozialem Rückzug, sei seit Jahren in Psychotherapie, nehme täglich Schmerzmittel. Sie gehe davon aus, dass sich durch die Liposuktion ihr Leben vollständig ändern würde. Der MDK sah die medizinischen Voraussetzungen für die Liposuktion nicht erfüllt, eine konsequente Durchführung der komplexen physikalischen Entstauungstherapie mit manueller Lymphdrainage und Kompressionsbehandlung sei angezeigt. Wünschenswert sei eine Gewichtsreduktion mit Ernährungs- und Bewegungstherapie. Es bestehe der Verdacht einer Dysmorphophobie (Körperbildstörung). Zu berücksichtigen sei auch die Überlagerung durch die seit 1997 bestehende Fibromyalgie.

Mit Schreiben vom 27. April 2010 übermittelte die Beklagte der Klägerin das Gutachten und teilte mit, dass eine Beteiligung an den Kosten der beantragten Maßnahme weiterhin nicht möglich sei. Die Klägerin wandte mit Schreiben vom 26. Mai 2010 ein, dass Lymphdrainagen und Kompressionsbehandlung täglich durchgeführt werden müssten und bei geringeren Erfolgsaussichten mit ganz massivem Kostenaufwand verbunden seien. Sie müsste komplett gewickelt werden und könnte ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, beantragt sei eine Liposuktion an Armen und Beinen. Ein Anspruch auf stationäre Krankenbehandlung bestehe nicht, weil die Liposuktion auch ambulant durchgeführt werden könne. Die ambulante konservative Therapie der komplexen physikalischen Entstauungstherapie sei nach Feststellung des MDK ausreichend. Im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung dürfe die Liposuktion nicht erbracht werden. Daher bestehe auch kein Leistungsanspruch.

Am 20. September 2010 erhob die Klägerin Klage zum SG. Zur Begründung trug sie vor, da die Beklagte die ambulante Liposuktion als nicht genehmigungsfähig ansehe, bleibe ihr nichts anderes übrig, als eine stationäre Behandlung zu beantragen. Diese sei die einzig mögliche erfolgversprechende Behandlung, um sie von ihren Leiden zu befreien. Sie legte ein neues fachärztliches Attest vom Dermatologen S. vom 5. Juli 2010 (Klägerin austherapiert; bei Erfolglosigkeit konservativer Therapien) und eine Studie von Dr. R. u. a. von der Hautklinik des Klinikums D. vor, in der die Wirksamkeit der Liposuktion bei Lipödem durch Beinvolumenmessung und Befragung anhand von Beschwerdefragebögen von 25 Patientinnen prä- und sechs Monate postoperativ untersucht wird.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass auch im stationären Bereich der Versorgungsstandard des § 2 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gelte, die Behandlung sich in einer ausreichenden Zahl von Fällen als erfolgreich erwiesen haben müsse, was durch wissenschaftliche Studien belegt sein müsse. Entscheidend sei die generelle Wirksamkeit, sodass der Erfolg im Einzelfall außer Betracht bleibe.

Das SG erhob Beweis durch Vernehmung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Facharzt für Dermatologie S. gab in seiner Auskunft vom 15. März 2011 an, die Klägerin sei bei ihm nicht in regelmäßiger Behandlung, eine Therapie werde nicht durchgeführt, ob die gutachterlich empfohlene Therapie durchgeführt werde, sei ihm nicht bekannt, er halte die Klägerin aber für austherapiert. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Go. gab in seiner Auskunft an das SG vom 10. April 2011 an, Lymphdrainagen würden mit bisher sehr zweifelhaftem Erfolg regelmäßig durchgeführt. Die Klägerin sei Risiko-Patientin für ambulante Eingriffe wegen des rezidivierenden Quincke-Ödems, einer bei ambulanter Chirurgie nicht gegebenen ausreichenden peri- und postoperativen Überwachung und der rheumatischen Erkrankung in Form des Sjögren-Syndroms. Der Orthopäde Dr. B. gab am 28. Juni 2011 an, er habe im April 2010 eine analgetische antiphlogistische Behandlung des linken Ellenbogens wegen einer Epicondylitis humero radialis (sog. Tennisellenbogen) durchgeführt. Im Juli 2010 sei die Klägerin wegen einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule und der schulterführenden Muskulatur links behandelt worden. Wegen eines Fersensporns links seien mehrfach antiphlogistische Behandlungen erfolgt. Im August 2010 seien ambulante Behandlungen wegen einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung ins linke Bein/Wade und Druckschmerz des linken Kreuz-Darmbeingelenks erfolgt. Dabei seien degenerative Verschleißerscheinungen und eine Skoliose festgestellt worden. Während der gesamten Behandlung habe in zweiter Linie die bekannte schmerzhafte Bewegungseinschränkung durch Lipödem bestanden. Eine Lymphdrainage und Kompressionstherapie seien seither durchgeführt worden, ohne dass subjektiv eine Besserung eingetreten sei. Es sei aber auch keine Verschlechterung eingetreten, der subjektive Leidensdruck sei sehr wechselhaft. Ob ein operativer Eingriff bei der Klägerin ambulant vorgenommen werden könne oder eine stationäre Behandlung erforderlich sei, könne er nicht beurteilen. Dr. R., Oberarzt der Hautklinik des Klinikums D. legte Behandlungsunterlagen vor, unter anderem eine anlässlich der ambulanten Vorstellung am 11. November 2010 ausgestellte Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse vom 28. Dezember 2010 über eine Liposuktion in Tumeszenz-Lokalanästhesie in vier Sitzungen. Bei der Klägerin sei seit dem 13. Lebensjahr eine zunehmende schmerzhafte Vermehrung des Fettgewebes an Armen und Beinen aufgetreten. 2003 sei durch einen Phlebologen in der F.-Klinik die Diagnose Lipödem gestellt worden. Eine dort intensiv durchgeführte Lymphdrainage habe zu keiner Besserung der Beschwerden geführt und sei folglich nicht mehr verordnet worden. Die Klägerin trage seither gelegentlich Kompressionsstrümpfe, welche die Beschwerden nur geringfügig verbesserten, die Schmerzen aber zeitweise verstärkten. Die Klägerin wiege 94 kg bei einer Größe von 155 cm. Im März 2007 sei bereits auf eigene Kosten eine Liposuktion der Arme durchgeführt worden, was zu einer Besserung der Beschwerden in diesen Bereichen geführt habe. Angezeigt sei eine Liposuktion in vier Sitzungen ambulant, drei Sitzungen für die Oberschenkel, eine Sitzung für die Unterschenkel. Die Kosten beliefen sich auf EUR 2.604,00 je Sitzung.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2011 wies das SG die Klage - nach Anhörung der Beteiligten - ab. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V lägen nicht vor. Die Bescheinigung des Klinikums D. vom 28. Dezember 2010 ergebe, dass die geplante Liposuktion in vier Sitzungen ambulant durchgeführt werden solle. Hinweise, dass die spezifischen Mittel des Krankenhauses für die Durchführung erforderlich seien, seien ihr nicht zu entnehmen. Der Vortrag der Klägerin, die Liposuktion in stationärer Behandlung zu beantragen, weil die Beklage die ambulante Leistung verweigere, begründe keine medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 29. August 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16. September 2011 beim LSG Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Auskunft gebenden Ärzte hätten mindestens gleichgewichtig eine stationäre Behandlung für erforderlich gehalten, diese sei angesichts der umfassenden Betreuungsmöglichkeiten auch hinsichtlich der Nebenerkrankungen, die Behandlung der Wahl. Sie hat einen Arztbrief von Priv.-Doz. Dr. Pa. vom Universitätsklinikum F. vom 29. September 2011 über eine ambulante Vorstellung am 1. August 2011 vorgelegt, in dem dieser wegen Lipödems die Liposuktion beider Beine sowie Oberarme empfiehlt. Die Beine seien über den Knöcheln kolbenartig aufgetrieben mit ausgeprägt druckschmerzhaften, prall elastisch geschwollenen Unter- und Oberschenkeln, weniger ausgeprägt an den Oberarmen. Eine nähere körperliche Untersuchung werde wegen der starken Druckschmerzhaftigkeit nicht toleriert. Die Beine seien bereits nach kürzeren Gehstrecken schmerzhaft. Kompressionsstrümpfe würden wegen Schmerzen und Zusammenrollens in der Kniekehle nicht toleriert. Die Patientin berichte, nebenbefundlich an einem Fibromyalgie-Syndrom und einer chronischen Polyarthritis zu leiden. Ein Therapieversuch mittels Liposuktion könne erfolgen. Die Patientin sei jedoch ausführlich darüber aufgeklärt worden, dass dies die Beschwerden reduzieren könne, aber nicht immer zu Beschwerdefreiheit führe und postoperativ das Tragen von Kompressionsstrümpfen erforderlich sei, was gegenwärtig nicht toleriert werde. Notwendig seien zwei bis drei Sitzungen im Rahmen von kurzen stationären Aufenthalten. Die Klägerin hat ein weiteres ärztliches Attest vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Go. vom 26. November 2011 vorgelegt, in dem dieser die Notwendigkeit einer stationären Behandlung aufgrund der Risikofaktoren Bluthochdruck, Sjögren-Syndrom, Asthma bronchiale und Neigung zum Quincke-Ödem begründet. Es sei unverantwortlich und gefährlich für die Patientin, wenn nicht während und nach der Operation der Bewachungsapparat einer Klinik eingesetzt würde. Außerdem hat sie den Erfahrungsbericht Lipödem und Liposuktion: Erfahrungen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) von W. Schmeller, I. Meier-Vollrath zu den Akten gegeben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Liposuktion der Oberarme und Beine zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und schließt sich den dortigen Ausführungen an.

Der Senat hat auf Antrag und auf Kosten der Klägerin den Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. Ry. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragt. Dr. Ry. diagnostizierte in seinem am 4. April 2012 eingegangenen Gutachten Lipödeme im Stadium II bis III im Bereich der Arme, Ober- und Unterschenkel. Die Klägerin weise die typischen Symptome vermehrten Unterhautfettgewebes mit Berührungs-, Druck- und Spannungsschmerzen sowie Neigung zu Hämatomen nach minimalen Traumata auf. Auch das Auftreten in der Pubertät, die Vermehrung der Symptomatik in der Schwangerschaft und die positive Familienanamnese seien typisch. Das Unterhautfettvolumen beim Lipödem sei nicht durch Diäten zu beeinflussen. Die bei 50 v.H. der Patientinnen bestehende Adipositas sei ein Sekundäreffekt, weil diese aufgrund des Beinumfanges in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und daher an sportlicher Betätigung gehindert seien. Therapeutische Maßnahmen wie Lymphdrainage und Physiotherapie hätten zu keiner Verbesserung der Symptome geführt. Das Subkutangewebe sei kleinknotig verdickt, im Bereich der Knie bestünden lappige Fettwülste. Knieinnenseiten und Waden wiesen eine gestörte Mikrozirkulation, erkennbar an der kühleren Haut, auf. Die Haut weise nach Druck Dellen auf. Die moderne Therapie des Lipödems beruhe auf zwei Säulen, zum einen der konservativen Behandlung zur Beseitigung der vermehrten interstitiellen Flüssigkeitsansammlung, zum anderen die Operativtherapie zur Reduzierung der erhöhten Unterhautfettmenge. Die Kombination beider Verfahren führe im allgemeinen zu sehr guten Ergebnissen. Da sämtliche Behandlungen nicht die gesteigerte Gefäßpermeabilität und die bestehende Ödemneigung beeinflussten, sei das Lipödem meist auf Dauer therapiebedürftig. Bei dem seit 50 Jahren bestehenden Krankheitsbild der Klägerin seien konservative Maßnahmen allein nicht mehr zielführend. Bei der Klägerin seien voraussichtlich insgesamt sechs Operationen im Abstand von jeweils mehreren Monaten erforderlich, vier im Bereich der Beine und zwei im Bereich der Arme. In jeder Sitzung sollten nicht mehr als vier Liter reines Fett abgesaugt werden. Die Operationen sollten unter stationären Bedingungen stattfinden, weil eine Tumeszenz-Anästhesie mit mehreren Litern erforderlich sei. Es könnten nämlich Komplikationen mehr als acht Stunden nach der Operation durch Wechselwirkungen des Lokalanästhetikums mit dem Hämoglobin unter Bildung von Met-Hämoglobin kommen. Bei derart großen Absaugmengen sei eine stationäre Überwachung erforderlich.

Der Senat hat das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödem vom 6. Oktober 2011 der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7", welches im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes unter Federführung des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung des MDK Nordrhein unter Hinzuziehung des Ergebnisses einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erstellt wurde, in das Verfahren eingeführt. Die Autoren Dr. David (Facharzt für Chirurgie und Phlebologie) und Dr. Weingart (Facharzt für Allgemeinmedizin) gelangen unter Mitwirkung weiterer Ärzte, insbesondere des Dermatologen Dr. Dittberner, nach Auswertung der bislang über die Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion vorhandenen Studien zu der Auffassung, dass die grundsätzlichen Anforderungen für die Erbringung einer Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß §§ 2 und 12 SGB V nicht erfüllt seien. In der durchgeführten systematischen Recherche hätten nur zwei kontrollierte Studien (eine zum Krankheitsbild der Lipomatosis dolorosa von Hansson - veröffentlicht 2011 und eine zum sekundären Lymphödem nach Therapie des Mammakarzinoms) identifiziert werden können. Die Ergebnisse dieser Studien seien in keiner Weise geeignet, eine für eine Therapieempfehlung ausreichende Nutzen-Risiko-Bewertung zu bejahen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Liposuktion zur Therapie des Lipödems noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und weitere (randomisierte) Studien erforderlich seien. Die Aussagen zur Liposuktion in den nicht evidenzbasierten Leitlinien seien als Beleg einer etablierten Standardtherapie im Sinne der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ungeeignet und begründeten auch kein Systemversagen, sodass unabhängig vom Leistungssektor nicht von einer generellen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen sei. Es fehlten daher Belege für den Patientennutzen aus klinischen Studien. Der Senat nimmt auf den Inhalt dieses Gutachtens im Einzelnen ausdrücklich Bezug.

Der Senat hat auf das Senatsurteil vom 27. April 2012 - L 4 KR 595/11 - (in juris) hingewiesen.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten. Der vom Senat entschiedene Fall sei mit ihrem nicht vergleichbar, weil dort das Bestehen eines Lipödems nicht festgestanden habe. Das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödem" dürfe zur Beurteilung nicht herangezogen werden, weil es sich nicht mit dem konkreten Sachverhalt befasse und außerdem alle mit der Studie befassten Personen Mitglieder von Medizinischen Diensten der Krankenkassen seien.

Die frühere Berichterstatterin hat das Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung am 9. Dezember 2011 erörtert. Auf den Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 21. Mai 2012 auf eine Entscheidung des SG Chemnitz vom 1. März 2012 (Aktenzeichen S 10 KR 189/10) hingewiesen, das einer Klage auf Kostenerstattung für Liposuktion wegen Nichtbefassung des GBA und daraus folgenden Systemmangels stattgegeben hatte, sowie auf einen Artikel in der Ärztezeitung vom 15. Mai 2012 hingewiesen. Darin wird der Vorsitzende des GBA, Dr. Rainer Hess, damit zitiert, dass er in Reaktion auf das Urteil einen Antrag auf Befassung des GBA mit der Liposuktion stellen werde. Zunächst werde aber ein Prüfauftrag an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vergeben, da die Liposuktion nicht unumstritten sei. Die Klägerin nehme an, dass bezweckt sei, die Krankenkassen zu verpflichten, die von der Klägerin beantragten Leistungen zu gewähren.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des SG und die Berufungsakte, sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 23. August 2011 ist im Ergebnis zutreffend. Der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine stationär durchgeführte Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen an Beinen und Armen als Sachleistung.

Die Klägerin begehrt ausdrücklich die Durchführung einer Liposuktion als stationäre Krankenhausbehandlung. Anspruchsgrundlage für die begehrte Behandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung u.a. auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R - und vom 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - in juris). Eine Krankenbehandlung ist hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden können (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 28. April 1967 - 3 RK 12/65 - in juris). Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 09. Juni 1998 - B 1 KR 18/96 R -; Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 11/04 R -; zuletzt Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R -, alle in juris).

Ausgehend davon steht der Klägerin ein Anspruch auf eine stationär durchgeführte Liposuktion nicht zu. Zwar geht der Senat davon aus, dass die Klägerin unter einem Lipödem leidet, welches als Krankheit zu qualifizieren ist (dazu a). Jedoch besteht ein Anspruch auf Behandlung dieses Lipödems nicht mittels Durchführung einer Liposuktion (dazu b).

a) Der Senat geht zunächst nach Auswertung aller über die Klägerin vorhandenen medizinischen Unterlagen davon aus, dass die Klägerin im Bereich beider Beine und Oberarme an einem Lipödem, also einer übermäßigen, druckschmerzhaften Vermehrung des Fettgewebes mit Ödembildung und Hämatomneigung, leidet. Es differiert nur das jeweils vorgefundene Beschwerdebild. So fand Dr. A. vom MDK in seinem Gutachten vom 1. April 2010 keinen Druckschmerz, keine auf Druck verbleibenden Dellen, keine Hämatome und keine ausgesprochene Disproportion bei einer Adipositas Grad III mit einem Körpergewicht von 95,7 kg bei einer Größe von 154 cm, während bei der Untersuchung durch Priv.-Doz. Dr. Pa. im Universitätsklinikum F. am 1. August 2011 die Druckschmerzhaftigkeit so ausgeprägt war, dass eine nähere Untersuchung nicht durchgeführt werden konnte. Darüber hinaus leidet die Klägerin an Adipositas Grad III, Fibromyalgie und zahlreichen Beschwerden des Bewegungsapparates, der Halswirbelsäule, der linken Schulter, des linken Ellenbogens, der Lendenwirbelsäule und des Iliosacralgelenks. Dies entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Orthopäden Dr. B. vom 28. Juni 2011 gegenüber dem SG.

Dieses Beschwerdebild des Lipödems stellt nach Auffassung des Senats auch eine Krankheit gem. § 27 Abs. 1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand ist mit Blick auf die bestehenden Gangbeschwerden und die geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der - darüber sind sich im Übrigen alle über die Klägerin Auskunft erteilenden Ärzte einig - einer körperlichen Behandlung bedarf.

b) Jedoch besteht kein Anspruch der Klägerin auf Behandlung dieser Krankheit im Wege einer stationär durchgeführten Liposuktion. Diese Maßnahme entspricht - schon ganz grundlegend nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind (dazu aa). Von diesem Einwand ist auch nicht ausnahmsweise im spezifischen Fall der Klägerin abzuweichen (dazu bb).

aa) § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll (vgl. entsprechend das BSG auch zur Frage der Erfüllung von Qualitätskriterien einer bestimmten Arzneimitteltherapie, Urteil vom 1. März 2011 - B 1 KR 7/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr. 5; Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 m.w.N. - Wobe-Mugos). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drucks. 11/2237, S. 157). Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar.

Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (vgl. dezidiert BSG, Urteile vom 01. März 2011 u.a. - B 1 7/10 R- a.a.O.; ebenso BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R - SozR 4-2500 § 139 Nr. 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 1 RdNr. 7 m.w.N.; vgl. dazu auch Wagner, in Krauskopf, Stand 2008, § 13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl. entsprechend zur Arzneimitteltherapie BSG, Urteile vom 01. März 2011, u.a - B 1 KR 7/10 R - a.a.O.). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 64). Um der in § 137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen Gesamtschau heranzuziehen (so der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 27. Januar 2012 - L 4 KR 2272/10 und 27. April 2012 - L 4 KR 595/11 - juris).

Von Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems im Sinne der Kriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vermochte der Senat sich indes nicht zu überzeugen. Er legt insoweit ganz maßgeblich das in das Verfahren eingeführte "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011 zugrunde. Dieses Gutachten nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vor, wobei die Gutachter neben randomisiert kontrollierten auch nicht randomisiert kontrollierte Studien berücksichtigt haben. Die im Mai 2011 insoweit durchgeführte Recherche der hierzu vorhandenen Publikationen ergab überhaupt nur zwei relevante, diesen Qualitätsanforderungen entsprechende Studien. Für den konkreten Fall ist sogar nur eine der beiden Studien (nämlich diejenige zum Krankheitsbild der Lipomatosis dolorosa von Hansson - veröffentlicht 2011) relevant, da sich die andere der beiden Studien mit Liposuktion zur Behandlung eines Lymphödems nach Mammakarzinom befasst. In der Studie Hansson wurde (nicht randomisiert kontrolliert) der Langzeiterfolg der Liposuktion bei 111 Frauen mit Lipomatosis dolorosa beobachtet. Dabei wurde ein signifikanter Unterschied in der Schmerzreduktion beobachtet, ohne dass dies von den Autoren selbst als zureichendes Ergebnis gewertet wurde, um einen langfristigen Nutzen ausreichend zu belegen. Vielmehr fordern auch die Autoren weitere randomisiert kontrollierte Studien mit ausreichend validierten Ergebniskriterien. Alle übrigen seinerzeit zugänglichen Veröffentlichungen erfüllen diese Qualitätsanforderungen nicht bzw. stellen Registernachbeobachtungen oder Ergebnisberichte kleiner Fallserien dar. Für den Senat war daher das Fazit der Gutachter überzeugend, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Diesem Fazit schließt sich der Senat an.

Die von der Klägerin vorgelegte Publikation aus dem Ärzteblatt vom 15. Mai 2012 bewirkt keine Änderung dieser Einschätzung. Der Senat teilt nicht die Bewertung der Klägerin, dass die Befassung des GBA durch den Vorsitzenden, Dr. Hess, mit dem Ziel einer Verpflichtung der Krankenkassen erfolgen soll. Vielmehr wolle dieser laut Ärzteblatt den im Urteil des SG Chemnitz ausgesprochenen Vorwurf der Untätigkeit und des Systemversagens "nicht auf sich sitzen lassen", weise aber darauf hin, dass die Liposuktion umstritten sei. Im Übrigen ist Dr. Hess zum 30. Juni 2012 aus dem Amt des unparteiischen Vorsitzenden ausgeschieden (vgl. Pressemitteilung des GBA vom 22. Juni 2012). Der Internet-Seite des GBA (www.g-ba.de) ist keine auch nur geplante Befassung mit dem Thema Liposuktion zu entnehmen (Stand: 25. September 2012).

Letztlich kann auch dahingestellt bleiben, ob bereits ein Antrag gestellt wurde. Abgesehen davon, dass im stationären Bereich die Empfehlungen des GBA nicht maßgebend sind, folgt nicht bereits aus der Antragstellung ein Anspruch auf Kostenübernahme, sondern erst dann, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Publikation von Dr. R. aus dem Jahr 2011 zu Erfolg und Wirksamkeit der Methode der Liposuktion bei Lipödemen führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese erfüllt nicht die Qualitätsanforderungen insoweit wissenschaftlich relevanter Aussagen, da sie lediglich eine postoperative Nachbeobachtung mit Liposuktion behandelter Frauen darstellt, wobei von insgesamt 101 Patienten lediglich 25 und zwar nur einmalig sechs Monate postoperativ befragt wurden. Diese Publikation führt daher nicht zu einer geänderten Studienlage.

Dieses Ergebnis steht im Übrigen auch nicht im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 19). Das BSG hatte sich dort mit der Frage zu befassen, ob die Behandlungsmethode der Liposuktion, die ambulant zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse von vornherein mangels positiver Empfehlung des GBA nicht erbracht werden darf (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V; dazu auch Urteil des Senats vom 10. September 2010 L 4 KR 3961/09 -, nicht veröffentlicht), gleichsam automatisch stationär zu erbringen ist, da im klinischen Bereich das Erfordernis einer positiven Entscheidung durch den GBA nicht besteht. Dies hat das BSG im konkreten Fall unter Verweis auf das Fehlen schon der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 SGB V verneint, da die dort statuierten spezifischen Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung nicht vorlagen. Mit der Frage, ob die Methode der Liposuktion denn überhaupt den Maßstäben evidenzbasierter Medizin entspricht, hatte sich das BSG demgemäß gar nicht zu befassen. Aus der zitierten Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Erfordernisses der Durchführung einer stationären Operation ohne weiteres ein Leistungsanspruch auf Durchführung einer Liposuktion zu Lasten der Krankenkasse besteht. Anhand der jüngeren Rechtsprechung des BSG ergibt sich vielmehr gerade das Gegenteil. Das BSG hat darin (vgl. insoweit insbesondere das Urteil vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 18 zum Anspruch einer Versicherten auf stationär durchgeführt Reimplantation nach Kryokonservierung von Eierstockgewebe) ausdrücklich zum Maßstab gemacht, dass auch die stationäre Behandlung stets einer Überprüfung anhand der Maßstäbe des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu unterziehen ist. Eine andere Auffassung führte im Übrigen zu dem auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) nicht tragbaren Ergebnis, dass Patienten allein deshalb, weil sie bestimmte Risikofaktoren erfüllen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, eine Behandlung in stationärem Rahmen erhielten, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben.

Eine stationäre Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion käme zulasten der Krankenkasse daher derzeit nur im Rahmen klinischer Studien zu dieser Behandlungsmethode in Betracht. Darüber war indes vorliegend nicht zu entscheiden.

bb) Eine davon abweichende Betrachtung gebietet aber auch der konkrete Fall der Klägerin nicht. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass trotz bislang nicht hinreichend erwiesener Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen der Klägerin eine Behandlung mittels Liposuktion aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu gewähren ist. Dies ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ry. in seinem am 4. April 2012 eingegangenen Gutachten. Das Gutachten ist aus Sicht des Senats nicht schlüssig und nachvollziehbar.

Problematisch ist aus Sicht des Senats insbesondere, dass der Sachverständige auf die bereits erfolgte Voroperation der Klägerin im März 2007 im Zusammenhang mit der Frage der Effizienz dieser Methode speziell bei der Klägerin an keiner Stelle Bezug nimmt. Laut Arztbrief Dr. R. vom 28. Dezember 2010 ließ die Klägerin im März 2007 eine Liposuktion der Arme auf eigene Kosten durchführen, die zu einer Besserung der Beschwerden führte. Bereits im September 2009 wurde eine erneute Liposuktion beantragt. Das Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Th. vom 27. Juli 2009 stellte ein Lipödem der Arme und Beine fest. Demzufolge bestand bereits 2 ½ Jahre nach der durchgeführten Operation erneut die OP-Indikation. Angesichts der vom Sachverständigen angeführten Studien, die über eine Langzeitverbesserung der Beschwerden und langfristig positive Effekte berichteten, wäre ein Eingehen auf die Frage der Wirksamkeitsbewertung bei der voroperierten Klägerin angezeigt gewesen. Auch die schlechte Compliance der Klägerin bezüglich der Kompressionstherapie ist zu berücksichtigen. Diese trägt nach ihrem eigenen Vorbringen die Kompressionsstrümpfe nicht, da sie Schmerzen verursachten und sich in den Kniekehlen zusammenrollten. Auch postoperativ ist jedoch eine Kompressionstherapie weiter erforderlich. Hierauf wies Priv.-Doz. Dr. Pa. vom Universitätsklinikum F. in seinem Arztbrief vom 29. September 2001 ausdrücklich hin und bezeichnete die Liposuktion als Therapieversuch. Nach Auffassung des Senats ist ein dauerhafter Effekt der Liposuktion damit insgesamt sehr fraglich.

Der Sachverständige setzt sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit der Bescheinigung von Dr. R. vom 28. Dezember 2010 auseinander, der ambulante Eingriffe befürwortet, auch nicht mit dessen Publikation, der zu Folge von 25 Patientinnen 23 ambulant behandelt wurden, obwohl Dr. Ry. diese Studie in seinem Literaturverzeichnis aufgeführt hat. Auch der Umstand, dass in der Hautklinik D. im März 2007 eine Voroperation erfolgt ist, die anscheinend ebenfalls ambulant durchgeführt wurde, wird von ihm nicht erörtert.

Überdies ergibt sich letztlich anhand der über die Klägerin vorhandenen Unterlagen nicht eindeutig, in welchem Ausmaß gerade das Lipödem Ursache für die bei der Klägerin bestehenden Schmerzen und Einschränkungen ist, nicht dagegen etwa die bei der Klägerin ebenfalls diagnostizierte Adipositas-Erkrankung Grad III, die seit 1992 bestehende Fibromyalgie oder die zahlreichen - zum Teil degenerativen - Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet. Angesichts der vom behandelnden Orthopäden Dr. B. geschilderten ambulanten Behandlungen im Jahr 2010 und angesichts der seit 1992 bestehenden Fibromyalgie erscheint worauf bereits Dr. A. im MDK-Gutachten vom 1. April 2010 im Hinblick auf die Fibromyalgie hinwies - fraglich, ob diese zum wesentlichen Teil mitursächlich für die von der Klägerin geklagten Beschwerden sind. Dr. B. sah in seiner Auskunft vom 28. Juni 2011 die schmerzhaften Bewegungseinschränkungen durch Lipödem "in zweiter Linie" hinter den Beschwerden auf orthopädischem Gebiet. Aus Sicht des Senats bleibt jedenfalls insgesamt offen, in welchem Ausmaß tatsächlich das Lipödem maßgeblich die bei der Klägerin bestehenden Alltagseinschränkungen verursacht.

Der Senat folgt damit nicht dem Ergebnis des Gutachtens des Dr. Ry ... Der Sachverständige hat nicht plausibel dargelegt, dass - jedenfalls im Falle der Klägerin - die Durchführung der Liposuktion eine einerseits erforderliche, andererseits Erfolg versprechende Behandlungsmethode darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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