L 4 P 5435/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 4030/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 5435/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 8. November 2011 und vom 1. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klage wegen der Bescheide vom 23. Dezember 2011 und 22. Juni 2012 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung ab 1. Januar 2011.

Der am 1940 geborene Kläger war bis 31. Juni 2000 privat krankenversichert, zwischen dem 1. Juni und 31. Dezember 2003 bei der Barmer EK pflichtversichert und vom 1. Januar 2004 bis zum 31. August 2005 über seine Ehefrau familienversichert. Er bezieht seit dem 1. September 2005 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, zunächst in Höhe von EUR 372,81, ab 1. Januar 2011 in Höhe von EUR 388,07, ab dem 1. Juli 2011 in Höhe von EUR 391,93. Mit Bescheid vom 20. Januar 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 1. September 2005 als freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung und versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung sei.

Mit dem Bescheid vom 23. Dezember 2010 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2011 wegen einer Änderung des Beitragssatzes neu fest. Der Beitragsberechnung für die Krankenversicherung legte sie den Zahlbetrag der Rente von EUR 388,07 mit einem Beitragssatz von 15,5 v.H. und den Betrag von EUR 463,60 (Differenz zwischen den Mindesteinnahmen von EUR 851,67 und dem Zahlbetrag der Rente) mit einem Beitragssatz von 14,9 v.H. zugrunde; für die Pflegeversicherung wurden die Mindesteinnahmen und ein - nicht veränderter - Beitragssatz von 1,95 v.H. zugrunde gelegt. Hieraus folgte ein monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung von EUR 129,23 und zur Pflegeversicherung von EUR 16,61.

Gegen die Höhe der Beiträge erhob der Kläger am 17. Januar 2011 Widerspruch. Er trug vor, in Anbetracht seiner kleinen Rente seien die Beiträge zu hoch. Insbesondere könne nicht ein Beitrag aus einem fiktiven Einkommen erhoben werden, das er gar nicht erhalte. Bei Rentenbeginn habe er einen Antrag auf Grundsicherung gestellt, der abgelehnt worden sei, weil seine Ehefrau zu viel verdiene. Sie seien am Rande des Existenzminimums.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2011 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Nach § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) regele der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Beitragsbemessung für die freiwilligen Mitglieder einheitlich. Dabei sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, also das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 3 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - BVSzGs -). Der Gesetzgeber sehe allerdings Mindestbemessungsgrundlagen vor (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Hiernach sei als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), für 2011 ein Betrag von EUR 28,38 kalendertäglich bzw. EUR 851,67 monatlich, anzusetzen. Da die Einnahmen des Klägers die Mindesteinnahmen unterschritten, sei der Beitragsberechnung ein Betrag von monatlich EUR 851,67 zugrunde zu legen. Der Widerspruchsbescheid wurde von der Beklagten ausweislich der Verfügung vom 21. Februar 2011 abschließend bearbeitet und dem Kläger mit Einwurf-Einschreiben übersandt.

Mit seiner an das Sozialgericht Freiburg (SG) gerichteten Klageschrift vom 25. März 2011, eingegangen am 1. April 2011, verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das SG führte die Klage hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge unter dem Aktenzeichen S 11 KR 2180/11 und hinsichtlich der Pflegeversicherungsbeiträge unter dem Aktenzeichen S 18 P 4030/11. Der Kläger trug vor, der von ihm geforderte Solidarbeitrag übersteige seine Möglichkeiten, seine Ehefrau müsse die Beiträge zahlen.

Die Beklagte trat den Klagen entgegen und bezog sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2011 setzte die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag ab dem 1. Juli 2011 wegen der Erhöhung der Rente auf EUR 129,25 fest, der Beitrag zur Pflegeversicherung blieb unverändert.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. November 2011 (S 18 P 4030/11) wies das SG die Klage mit Blick auf die vom Kläger zu entrichtenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ab. Die Klage vom 1. April sei unzulässig, weil nicht in der Klagefrist aus § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Gemäß § 87 Abs. 2 SGG beginne die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, wenn ein Vorverfahren stattgefunden habe. Gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2011, der ausweislich eines Aktenvermerks am selben Tage abschließend bearbeitet worden sei und somit 24. Februar 2011 als bekannt gegeben gelte, habe demnach am 24. März 2011 geendet. Die Klage sei auch unbegründet. Gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sei bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung und bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder werde nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom Spitzenverband Bund einheitlich geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtige. Als beitragspflichtige Einnahmen gelte nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Die Bezugsgröße West habe im Jahr 2011 EUR 2.555,00 betragen. Hieraus folgten somit zu berücksichtigende Mindesteinnahmen für freiwillig versicherte Mitglieder in Höhe von EUR 851,67. Diesen Betrag habe die Beklagte zutreffend zugrundegelegt. Die gesetzliche Regelung sei - wie vom Bundessozialgericht und vom Bundesverfassungsgericht festgestellt - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Falls durch die Beiträge tatsächlich Hilfebedürftigkeit des Klägers entstehe, bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Mit Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2011 (S 11 KR 2180/11) wies das SG die Klage mit Blick auf die vom Kläger zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge ab. Es führte aus, die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte habe den sich aus dem Gesetz ergebenden Mindestbeitrag zugrundegelegt. Die gesetzliche Regelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen den ihm am 11. November 2011 zugestellten Gerichtsbescheid vom 8. November 2011 im Verfahren S 18 P 4030/11 und den ihm am 7. Dezember 2011 zugestellten Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2011 im Verfahren S 11 KR 2180/11 hat der Kläger am Montag, den 12. Dezember 2011 jeweils Berufung eingelegt. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid zu Aktenzeichen S 11 KR 2180/11 ist beim LSG zunächst unter dem Aktenzeichen L 11 5463/11 geführt worden. Mit Beschluss des 11. Senats vom 3. Februar 2012 sind die Verfahren L 11 KR 5463/11 und L 4 P 5435/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 4 P 5435/11 verbunden worden.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2011 hat die Beklagte die Beiträge ab 1. Januar 2012 wegen der auf EUR 875,00 geänderten Bemessungsgrundlage auf EUR 132,73 für die Krankenversicherung und EUR 17,06 für die Pflegeversicherung festgesetzt. Mit Bescheid vom 22. Juni 2012 sind die Beiträge ab 1. Juli 2012 wegen der Erhöhung der Altersrente des Klägers auf EUR 400,48 erhöht worden. Der Krankenversicherungsbeitrag beläuft sich nunmehr auf EUR 32,77, der Beitrag zur Pflegeversicherung beträgt weiterhin EUR 17,06.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 8. November 2011 (S 18 P 4030/11) und vom 1. Dezember 2011 (S 11 KR 2180/11) aufzuheben und den Bescheid vom 23. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 sowie die Bescheide vom 22. Juni 2011, 23. Dezember 2011 und 22. Juni 2012 abzuändern, soweit darin ab 1. Januar 2011 auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der Differenz zwischen der Altersrente und der monatlichen Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie die Klagen wegen der Bescheide vom 23. Dezember 2011 und 22. Juli 2012 abzuweisen.

Sie verweist auf ihren eindeutigen gesetzlichen Auftrag, Beiträge auf der "Mindestentgeltgrundlage" zu erheben, der keinerlei Ermessensspielraum in dieser Frage lasse. Im Falle der Hilfebedürftigkeit könne sich der Kläger an den Sozialhilfeträger wenden, der gegebenenfalls die Beiträge nach §§ 27, 32 SGB XII übernehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster Instanz zu Aktenzeichen S 11 KR 2180/11 und S 18 P 4030/11, die Berufungsakten zu Aktenzeichen L 4 P 5435/11 und L 11 KR 5463/11 sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2011, eingegangen am 12. Dezember 2011, form- und fristgerecht erhoben. Die Berufungsfrist gemäß § 151 Abs. 1 SGG von einem Monat nach Zustellung des Gerichtsbescheides vom 8. November 2011 am 11. November 2011 ist gewahrt. Der 11. Dezember 2011 war ein Sonntag, so dass gemäß § 64 Abs. 3 SGG die Frist erst mit Ablauf des 12. Dezember 2011 ablief, die Berufung mithin fristgerecht eingelegt worden ist. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Die Berufung betrifft Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für mehr als ein Jahr, nämlich laufende Beiträge.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klagen gegen die Beitragsfestsetzungen zu Recht abgewiesen. Die Klagen waren zulässig, aber nicht begründet. Die Klage war nicht verfristet.

Gemäß § 87 Abs. 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, nach Abs. 2 beginnt die Frist, wenn - wie hier - ein Vorverfahren stattgefunden hat, mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG ist nur die Bekanntgabe, nicht die förmliche Zustellung notwendig. Nach Satz 2 gelten allerdings, wenn die Behörde eine Zustellung vornimmt, §§ 2 bis 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Das Einwurf-Einschreiben ist keine Zustellung gemäß § 4 Abs. 2 VwZG (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - B 8 SO 12/10 B in juris). Für die Bekanntgabe gilt § 37 Abs. 2 SGB X. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Voraussetzung ist, dass die Behördenakte einen Vermerk über den Tag der Aufgabe zur Post enthält, anderenfalls tritt keine Zugangsfiktion ein (BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 37/08 R in juris). Vorliegend enthält der Verwaltungsvorgang der Beklagten zwar eine Abschlussverfügung vom 21. Februar 2011, aber keinen Vermerk über die Aufgabe des Widerspruchsbescheids zur Post.

Streitgegenstand der Klagen sind der Beitragsbescheid vom 23. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 und der nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangene Beitragsbescheid vom 22. Juni 2011. Dieser ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil er den Bescheid vom 23. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 nicht isoliert im Hinblick auf veränderte Beitragssätze im Zahlbetrag ändert, sondern eine neue Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages im Hinblick auf die zwischenzeitliche Rentenerhöhung vornimmt (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 22. Januar 2010 - L 4 KR 4887/08 und vom 27. Januar 2012 - L 4 KR 5566/10-, beide nicht veröffentlicht). Kraft Klage sind nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG hier auch die Beitragsbescheide vom 23. Dezember 2011 und 22. Juni 2012 Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn die Bescheide bestätigten die seit 01. Oktober 2009 festgestellte Beitragspflicht zur freiwilligen Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung entsprechend der Mindesteinnahme und änderten den ergangenen Ausgangsbescheid vom 23. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2011 nicht nur isoliert im Hinblick auf die sich aus der Änderung der Beitragssätze zur Kranken- und Pflegeversicherung ergebenden Zahlbeträge, was die Anwendung des § 96 SGG auch in der durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) vom 26. März 2008, BGBl. I S. 444 geltenden Fassung rechtfertigt (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 22. Januar 2010 - L 4 KR 4887/08 -, nicht veröffentlicht).

Die so gefasste Berufung ist ebenso wie die Klagen unbegründet.

Der Umfang der Beitragspflicht beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den hier Beiträge erhoben werden, nämlich ab 1. Januar 2011. Bereits seit 1. September 2005 ist der Kläger durchgehend freiwillig krankenversichert und pflegepflichtversichert. Die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung liegen nicht vor, insbesondere nicht die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Kläger war und ist auch nicht familienversichert, weil seine Altersrente gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ein Siebtel der ab dem 1. Januar 2011 geltenden monatlichen Bezugsgröße im Sinne von § 18 SGB IV von EUR 2.555, also EUR 365,00 überschritt.

Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I, S. 378) einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V - durch das GKV-WSG nicht geändert - sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des GKV-WSG sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Nach § 240 Abs. 4 SGB V - durch das GKV-WSG nicht geändert - gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Hieraus ergibt sich für das Jahr 2011 bei einer Bezugsgröße West (§ 18 SGB IV) von monatlich EUR 2.555,00 eine zu berücksichtigende monatliche Mindesteinnahme für freiwillig Versicherte in Höhe von EUR 851,67 für das Jahr 2011. Für das Jahr 2012 beträgt die monatliche Bezugsgröße West EUR 2.625,00 und die monatliche Mindesteinnahme EUR 875,00. Dies gilt nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI auch für die Beiträge zur Pflegeversicherung bei freiwilligen Mitgliedern der Krankenversicherung. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat die BVSzGs vom 27. Oktober 2008 erlassen. In Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben nennen diese Grundsätze in § 3 Abs. 3, dass als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße gilt, soweit im SGB V oder SGB XI nichts Abweichendes bestimmt ist. Ob diese Grundsätze unwirksam sind (so Sozialgericht München, Urteil vom 2. März 2010 - S 19 KR 873/09 -, in Juris), kann dahingestellt bleiben. Denn die im vorliegenden Verfahren allein streitige Beitragspflicht anhand der monatlichen Mindestbemessungsgrundlage ergibt sich bereits aus den genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Für Mitglieder, die - wie der Kläger - keinen Anspruch auf Krankengeld haben, gilt gemäß § 243 Abs. 1 Satz 1 SGB V bis 31. Dezember 2010, seit 1. Januar 2011 § 243 Satz 1 SGB V ein ermäßigter Beitragssatz. Dieser beträgt seit 1. Januar 2011 gemäß § 243 Satz 3 SGB V in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung 14,9 v.H. Nach § 247 SGB V, der gemäß § 240 Abs. 2 Satz 5 SGB V für freiwillige Mitglieder entsprechend gilt, findet für Versicherungspflichtige für die Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung der allgemeine Beitragssatz nach § 241 SGB V Anwendung. Dieser beträgt seit 1. Januar 2011 gemäß § 241 SGB V in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung 15,5 v.H. Der Beitragssatz in der Pflegeversicherung beträgt 1,95 v.H. (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).

In Anwendung dieser gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte zu Recht die vom Kläger, der ab 1. September 2005 eine Rente in Höhe von EUR 372,81, ab 1. Januar 2011 in Höhe von EUR 388,07 und ab 1. Juli 2011 in Höhe von EUR 391,93 und ab 1. Juli 2012 in Höhe von EUR 400,48 bezog bzw. bezieht, zu entrichtende Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegepflichtversicherung unter Zugrundelegung der jeweils geltenden Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 851,67 für das Jahr 2011 und EUR 875,00 für das Jahr 2012 festgesetzt. Die Regelung, wonach der Mindestbeitragsbemessungsbetrag zu Grunde zu legen ist, ist verfassungsgemäß und mit dem Grundgesetz vereinbar. Die unterschiedliche Regelung der beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ([GG], BSG, Urteil vom 26. Mai 2004 - B 12 P 6/03 R - in SozR 4-2500 § 224 Nr. 1). Die Mindesteinnahmegrenze des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V darf, wie das BSG in den Urteilen vom 7. November 1991 (BSG, - 12 RK 37/90 - in SozR 3-2500 § 240 Nr. 6 und - 12 RK 18/91 in SozR 3-2500 § 240 Nr. 7) ausführlich dargelegt und in späteren Entscheidungen mehrfach bekräftigt hat (Urteil vom 24. November 1992 - 12 RK 44/92 - in SozR 3-2500 § 224 Nr. 3; Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 82/92 - in SozR 3-1300 § 40 Nr. 2, Urteil vom 18. Februar 1997 1 RR 1/94 - in SozR 3-2500 § 240 Nr. 29), auch in Härtefällen, etwa dann, wenn die beitragsrelevanten tatsächlichen Einnahmen des Versicherten wesentlich unter dieser Grenze liegen oder Einkommen überhaupt nicht vorhanden ist, nicht unterschritten werden. Dementsprechend hat das BSG auch eine Satzungsregelung einer Krankenkasse, die eine entsprechende Härtefallregelung vorsah, für rechtswidrig erachtet (BSG, Urteil vom 26. September 1996 - 12 RK 46/95 in SozR 3-2500 § 240 Nr. 27). Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist darin nicht zu sehen, denn es wird mit dieser Regelung nicht in das geschützte Eigentum des Klägers an seiner Rente eingegriffen. Die Rente selbst wird nicht gekürzt. Dass der Kläger mit seiner Rente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen hat, unterfällt nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG.

Die Höhe der Beiträge hat die Beklagte zutreffend berechnet. Bezüglich des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ist - wie in den angefochtenen Bescheiden erfolgt - zu differenzieren. Für die vom Kläger bezogene Rente in Höhe von EUR 388,07 für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 war der allgemeine Beitragssatz zur Krankenversicherung in Höhe von 15,5 v.H. ebenso wie für die dem Kläger vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 zustehende Rente in Höhe von EUR 391,93 und die Rente in Höhe von EUR 400,48 ab 1. Juli 2012 zu Grunde zu legen. Für die aus der Rente erhobenen Beiträge galt bis 31. Dezember 2003 für freiwillig Versicherte zwar regelmäßig der ermäßigte Beitragssatz. Seit 1. Dezember 2004 verwies bzw. verweist § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 144 Buchst. a) Buchst bb) Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG -) vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190), seit 1. Januar 2009 § 240 Abs. 2 Satz 5 SGB V, auch für diesen Personenkreis aber auf § 247 Abs. 1 SGB V und beendet durch die einheitliche Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes die früher mögliche Begünstigung freiwillig versicherter Rentner (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 139; BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 - B 12 KR 6/05 R - in SozR 4-2500 § 240 Nr. 7). Für die Differenz zwischen Rente und Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 463,60 in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2011, EUR 459,74 für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 und EUR 474,52 seit 1. Juli 2012 war und ist indessen, nachdem insoweit kein Anspruch auf Krankengeld besteht, der ermäßigte Beitragssatz in Höhe von 14,9 v.H. seit 1. Januar 2011 zu Grunde zu legen. Hieraus ergibt sich für die Zeit vom 1. Januar bis 30 Juni 2011 ein monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 129,23 und zur Pflegeversicherung in Höhe von EUR 16,61, vom 1. Juli 2011 bis 31. Dezember 2011 zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 129,25 und zur Pflegeversicherung unverändert in Höhe von EUR 16,61. Ab 1. Januar 2012 beträgt der Beitrag zur Krankenversicherung EUR 132,73, zur Pflegeversicherung EUR 17,06, ab 1. Juli 2012 EUR 132,77 bzw. unverändert EUR 17,06.

Auch die mit den Bescheiden vom 22. Juni 2011, 23. Dezember 2011 und 22. Juni 2012 verfügte Erhöhung der Beiträge zur Krankenversicherung auf EUR 129,25 anstelle von EUR 129,23 ab 1. Juli 2011, EUR 132,73 ab 1. Januar 2012 und EUR 132,77 ab 01. Juli 2012, sowie die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge von EUR 16,61 auf EUR 17,06 ab 1. Januar 2012 ist nicht zu beanstanden.

Verfahrensrechtliche Grundlage der mit Bescheiden vom 23. Dezember 2010, 22. Juni 2011, 23. Dezember 2011 und 22. Juni 2012 verfügten Festsetzung der höheren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 48 SGB X. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich - zugunsten oder zu Lasten des Betroffenen - auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2001 - B 11 AL 17/01 R - in SozR 3 4300 § 119 Nr. 4).

Hier sind wesentliche Änderungen eingetreten, weil sich zum 1. Januar 2011 der Beitragssatz, zum 1. Januar 2012 die Mindestbemessungsgrundlage, zum 1. Juli 2011 und zum 1. Juli 2012 die Rente des Klägers erhöht hat.

Die Erhöhung der Beiträge erfolgte zu Recht auch ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. ab 1. Januar 2011, ab 1. Juli 2011, ab 1. Januar 2012 und ab 1. Juli 2012.

Der Tatsache, dass für die Zeit vor dem 1. Januar 2011 die Beiträge auf der Grundlage des bisherigen Beitragssatzes und der bisherigen Rente des Klägers bereits festgesetzt waren, war sich die Beklagte auch durchaus bewusst. Sie hat die früher ergangenen Bescheide zwar nicht explizit als der bisherigen Festsetzung zu Grunde liegende und nunmehr aufzuhebende Beitragsbescheide genannt. Sie hat jedoch jeweils auf die Änderung hingewiesen und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass auf Grund der Änderung die Beiträge neu festgesetzt werden. Damit wurden die vorangegangenen Beitragsbescheide zumindest konkludent aufgehoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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