L 5 KA 5520/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 KA 8724/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5520/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.11.2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte über einen Widerspruch der Klägerin gegen einen Honorarbescheid für das Quartal 4/2007 zu entscheiden hat.

Die Klägerin ist Trägerin des Klinikums M. und der dort eingerichteten Notfallambulanz Augenklinik (Abrechnungsnummer 5 ). Für diese setzte die Beklagte mit Honorarbescheid vom 15.04.2008 die Vergütung für das Quartal 4/2007 fest, wobei für die vorgenommenen ambulanten Notfallbehandlungen nur die mit 200 Punkten bewertete Gebührennummer (GNR) 01218 und nicht die mit 500 Punkten bewertete GNR 01210 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen in der vom 01.04.2005 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (EBM 2000 plus) gewährt wurde. Gegen den Honorarbescheid vom 15.04.2008 erhob die Klägerin am 20.05.2008 Widerspruch, den sie damit begründete, dass Krankenhäuser (GNR 01218 EBM 2000 plus) im Vergleich zu Vertragsärzten (GNR 01210 EBM 2000 plus) für gleiche Leistungsinhalte ohne sachlichen Grund weit weniger Punkte erhielten. Mit Schreiben vom 02.09.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Bescheidung des Widerspruchs bis zum rechtskräftigen Abschluss von Musterklagen zurückgestellt werde.

Durch Urteile vom 17.09.2008 stellte das Bundessozialgericht fest, dass die punktzahlmäßige Bewertung des Ordinationskomplexes für Notfallbehandlungen im Krankenhaus mit nur 200 Punkten (GNR 01218 EBM 2000 plus) in Verbindung mit dem Ausschluss der Krankenhäuser von der Berechnungsfähigkeit der GNR 01210 EBM 2000 plus mit höherrangigem Recht nicht in Einklang stehe (vgl. BSG, Urteile vom 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R -, in: juris, Rn. 14), und gab dem Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM Gelegenheit zu einer grundgesetzkonformen Neuregelung der GNR 01218 EBM 2000 plus für die Zeit vom 01.04.2005 bis 31.12.2007 (vgl. BSG, a. a. 0., Rn. 29). Die Ungleichbehandlung könne nur ausgeräumt werden, indem die in Krankenhäusern erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen nach der GNR 01218 EBM 2000 plus nachträglich ebenfalls mit 500 Punkten bewertet werden würden (vgl. BSG, a. a. 0., Rn. 29). Dabei habe der Bewertungsausschuss allerdings bei der Frage, in welcher Art dies geschiehe, einen Gestaltungsspielraum (vgl. BSG, a. a. 0., Rn. 29).

Am 21.01.2009 ging der Beklagten ein Schriftsatz der Klägerin zu, mit dem diese um eine möglichst zeitnahe Bescheidung des Widerspruchs gegen den Honorarbescheid für das Quartal 4/2007 bat. Mit Schreiben vom 05.03.2009 erwiderte die Beklagte, dass die Bescheidung des Widerspruchs bis zur Neuregelung der GNR 01218 EBM 2000 plus durch den Bewertungsausschuss zurückgestellt werde. Mit Telefax vom 03.07.2009 forderte die Klägerin die Beklagte auf, innerhalb von drei Monaten über den Widerspruch zu entscheiden, und behielt sich die Erhebung einer Untätigkeitsklage vor.

Durch Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 17. Sitzung am 16.12.2009 (veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt vom 22.01.2010, Heft 3, Seite B 94 f.) wurde die Vergütung von Notfallleistungen im Krankenhaus dahingehend neu geregelt, dass die Vergütung der während der Zeiten des organisierten Notfalldienstes erbrachten Notfallleistungen grundsätzlich nach der GNR 01210 EBM bzw. den GNR 01215-01217 EBM erfolgt. In Beschlussteil A wurde dies für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis zum 30.06.2005 geregelt und in Beschlussteil B für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2007. Beschlussteil C enthält eine ergänzende Regelung zur Finanzierung unter Einbeziehung der Krankenkassen (Nachschusspflicht, Verpflichtung zur rückwirkenden Finanzierung der Punktwertdifferenz zwischen der Vergütung von durch Vertragsärzte und durch Krankenhäuser erbrachten Notfallleistungen). Gegen Teil C des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 hat der G. am 18.01.2010 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage erhoben (Az.: L 24 KA 4/10 KL).

Am 22.12.2009 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Stuttgart Untätigkeitsklage erhoben. Es seien keine zureichenden Gründe für die Nichtbescheidung des Widerspruchs gegen den Honorarbescheid für das Quartal 4/2007 ersichtlich.

Die Beklagte hielt der Untätigkeitsklage entgegen, dass der Klage des G. gegen den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 insgesamt aufschiebende Wirkung zukomme, so dass eine Umsetzung der Nachvergütung auf Landesebene derzeit nicht erfolgen könne.

Das Sozialgericht Stuttgart verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 08.11.2011, den Widerspruch der Klägerin vom 16.05.2008 gegen den das Quartal 4/2007 betreffenden Honorarbescheid der Beklagten vom 15.04.2008 für die Notfallambulanz Augenklinik unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 SGG) sei zulässig. Es liege Untätigkeit vor, da die Beklagte bis zum Ende der mündlichen Verhandlung noch keine abschließende Entscheidung über den am 20.05.2008 erhobenen Widerspruch der Klägerin gegen den Honorarbescheid vom 15.04.2008 für das Quartal 4/2007 getroffen habe. Die erforderliche dreimonatige Sperrfrist gemäß § 88 Abs. 2 SGG sei zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abgelaufen. Die Untätigkeitsklage sei auch begründet. Es liege kein zureichender Grund dafür vor, dass der Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen sei. Ob ein zureichender Grund vorliege, müsse unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Die Darlegungslast und die objektive Beweislast für den zureichenden Grund trage die Verwaltung. Im vorliegenden Fall liege jedenfalls seit Bekanntgabe des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 am 22.01.2010 kein zureichender Grund dafür vor, dass die Beklagte den Widerspruch der Klägerin nicht beschieden habe. Seit diesem Zeitpunkt liege mit Teil B des Beschlusses eine wirksame Rechtsgrundlage vor, um abschließend über das Honorar für die im Quartal 4/2007 vorgenommenen ambulanten Notfallbehandlungen in der Notfallambulanz Augenklinik zu entscheiden.

Dem Anspruch auf Bescheidung stehe entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG eingetretene aufschiebende Wirkung der vom G. gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vor dem LSG Berlin-Brandenburg erhobenen Klage (Az.: L 24 KA 4/10 KL) entgegen (vgl. SG Berlin, Urteil vom 12.10.2011 - S 83 KA 395/10 WA -, in: juris, Rn. 49). Entscheidungen des Erweiterten Bewertungsausschusses auf der Grundlage des § 87 Abs. 4 SGB V hätten Doppelcharakter. Im Verhältnis zu den an der Normsetzung im Bewertungsausschuss nicht beteiligten Personen und Institutionen seien sie als Rechtsnormen der Anfechtung im Klagewege entzogen. Gegenüber den an der Normsetzung im Bewertungsausschuss beteiligten Institutionen (Bundesverbände der Krankenkassen, Kassenärztliche Bundesvereinigung) ergingen sie - wie die Entscheidungen des Schiedsamtes nach § 89 Abs. 1 SGB V - als Verwaltungsakte. Diese könnten von den Partnern der Bewertungsausschüsse mit der Anfechtungsklage angegriffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 11.9.2002 - B 6 KA 34/01 R -, in: juris, Rn. 19). Es könne offen bleiben, ob die aufschiebende Wirkung der Klage einer der Trägerorganisationen gegen einen Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses auch dessen normative Wirkung gegenüber Dritten (insbesondere gegenüber den Gesamtvertragspartnern und den Ärzten) suspendiere (so SG Berlin, Urteil vom 12.10.2011 - S 83 KA 395/10 WA -, in: juris, Rn. 50; für die Anfechtung eines vom Bundesschiedsamt festgesetzten Vertrages LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.07.2009 - L 7 B 74/08 KA ER -, in: juris Rn. 26), so dass während des Schwebezustands keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden dürften (vgl. BSG, Urteil vom 23.09.1997 - 2 RU 44/96 -, in: juris, Rn. 13). Denn selbst dann bliebe es der Beklagten unbenommen, den Widerspruchsbescheid unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses zu erlassen und darin eine teilweise vorläufige Regelung über das Honorar der Beklagten zu treffen (vgl. dazu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, München 2008, § 21 Rn. 76, S. 275). Soweit sich vorläufig bewilligte Honorare nachträglich als zu Unrecht gezahlt herausstellten, könnten diese zurückgefordert werden, ohne dass sich der Vertragsarzt bzw. das Krankenhaus auf Vertrauensschutz berufen könne. Unabhängig davon liege ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs der Klägerin auch deshalb nicht vor, weil sich die Klage ausschließlich gegen Teil C des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 und nicht gegen die hier maßgeblichen Regelungen im Beschlussteil B richte. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer habe der G. den Streitgegenstand des Verfahrens L 24 KA 4/10 KL ausdrücklich auf Teil C des Beschlusses beschränkt, so dass die Beschlussteile A und B nicht streitbefangen seien und ihre Wirkung folglich auch nicht durch die Klage suspendiert sei (vgl. SG Berlin, Urteil vom 12.10.2011 - S 83 KA 395/10 WA -, in Juris). Ob der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses tatsächlich teilbar sei oder ob der begehrten isolierten Aufhebung von Teil C möglicherweise der normgeberische Gestaltungsspielraum des Erweiterten Bewertungsausschlusses entgegenstehe, sei allein eine Frage der Begründetheit der Klage. Die Zulässigkeit der Teilanfechtung, die den Umfang definiere, in dem die aufschiebende Wirkung eintrete, bleibe davon unberührt. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn in einem Verwaltungsakt eine Belastung und eine Begünstigung derart miteinander verknüpft wären, dass zwischen beiden ein untrennbarer Zusammenhang bestehe (vgl. Schoch, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 40, Stand: Juni 2011). Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da den Krankenhäusern durch die Teile A und B des Beschlusses ausschließlich eine Begünstigung gewährt werde und die Finanzierungsregelung in Teil C nicht das Verhältnis von Krankenhäusern und Kassenärztlichen Vereinigungen, sondern das der Kassenärztlichen Vereinigung zu den Krankenkassen betreffe. Eine getrennte Vollziehung des Beschlusses sei daher ohne weiteres möglich (vgl. SG Berlin, Urteil vom 12.10.2011 - S 83 KA 395/10 WA -, in: juris, Rn. 58).

Gegen das ihr am 21.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.12.2011 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Stuttgart liege ein zureichender Grund für die noch nicht vorgenommene Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin vor. Es sei sehr wohl von einer aufschiebenden Wirkung der Klage des G.s gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 im Ganzen auszugehen, so dass dieser insgesamt keine Normativwirkung gegenüber der Beklagten entfalte. Dieser Beschluss stelle einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung dar. Nach § 86 a Abs. 1 SGG habe das Einlegen von Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung beziehe sich grundsätzlich auf den Verwaltungsakt als Ganzen einschließlich aller Nebenbestimmungen (so Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86a, Rn. 5a). Dies habe zur Folge, dass der ganze Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 nicht vollzogen werden dürfe und damit auch keine Normativwirkung gegenüber der Beklagten entfalten könne. Anderenfalls wäre aufgrund des Doppelcharakters der Entscheidungen des Erweiterten Bewertungsausschusses die Folge, dass durch die aufschiebende Wirkung der Klage einer Trägerorganisation nur die Wirkung im Innenverhältnis zwischen den Trägerorganisationen und dem Erweiterten Bewertungsausschuss suspendiert wäre und der Suspensiveffekt faktisch leerlaufen würde. Die Kassenärztlichen Vereinigungen wären trotz Suspensiveffekt verpflichtet, den Beschluss umzusetzen, obwohl im Innenverhältnis zwischen den Trägerorganisationen und dem Erweiterten Bewertungsausschuss eine aufschiebende Wirkung bestehe. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses sei auch nicht derart teilbar, dass eine alleinige Anfechtung im Klageweg des Teil C, der Finanzierungsregelung des Beschlusses, durch den G. möglich wäre, mit der Folge, dass die Teile A und B ihre normative Wirkung gegenüber der Beklagten entfalten würden. In § 40 Abs. 4 SGB X sei geregelt, dass dann, wenn die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes betreffe, er im Ganzen nichtig sei, wenn der nichtige Teil so wesentlich sei, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. So liege der Fall hier. Dem Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 22.02.2010 an die Kassenärztlichen Vereinigungen sei zu entnehmen, dass über Teil A und B zwar Einigkeit bestanden habe, diese aber gerade nicht ohne den streitigen Teil C beschlossen worden seien, in dem es um die wichtige Finanzierungsfrage der Beschlüsse aus Teil A und B gehe. Dementsprechend sei von einer Unteilbarkeit des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses und damit von einer notwendigen Anfechtung des gesamten Beschlusses sowie einer insoweit gegebenen und insgesamt aufschiebenden Wirkung der Klage auszugehen. Die Unteilbarkeit des Beschlusses und damit die Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtung werde auch dadurch belegt, dass im Teil A und Teil B des Beschlusses den Krankenhäusern rückwirkend zugestanden werde, die GOP 01218 mit einem erhöhten Punktwert von 500 Punkten abrechnen zu dürfen, im Zeitraum vom 01.04.2005 bis 30.06.2005 durch Teil A des Beschlusses, und vom 01.07.2005 bis 31.12.2007 durch Teil B des Beschlusses. Da die Gesamtvergütung, die den Kassenärztlichen Vereinigungen für diesen Zeitraum zur Verfügung stehe, mit den Krankenkassenverbänden aber bereits auf Basis des alten Punktwerts der GOP 01218 in Höhe von 200 Punkten verhandelt worden sei, sei konsequenterweise in Teil C eine Finanzierungsregel zur Nachfinanzierung der den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung geschaffen worden. Damit sei ein zureichender Grund für die bisher nicht erfolgte Bescheidung des Widerspruchs der Klägerin gegeben und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens auszusetzen. Der Verweis des Sozialgerichts Stuttgart darauf, dass die Teilbarkeit des Beschlusses eine Frage der Begründetheit der Klage des G.s gegen den Beschluss sei und dass daher die Zulässigkeit der Teilanfechtung davon unberührt bleibe, widerspreche dem Grundsatz der Garantie des effizienten Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, dessen wesentliches Ziel es sei, zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden (so Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, Rn. 4), wenn nämlich durch den Erlass eines stattgebenden Widerspruchbescheids hieraus der Klägerin ein Honoraranspruch gegen die Beklagte erwachsen würde, den diese gegenüber der Klägerin erfüllen müsste. Zum einen gebe es keine Verpflichtung der Beklagten für eine vorläufige Regelung des Honorars, zum anderen könne der Beklagten auch nicht eine vorläufige Regelung von Honorarsachverhalten nahe gelegt werden, deren Finanzierung völlig offen ist, da anderenfalls diese aus der Gesamtvergütung für das laufende Jahr vorfinanziert werden müssten. Würde ein Widerspruchsbescheid erlassen, entstünde daraus ein Honoraranspruch der Klägerin gegen die Beklagte, den die Beklagte durch Auszahlung des entsprechenden Honorars erfüllen müsse, ohne dafür die finanziellen Mittel in der Gesamtvergütung zur Verfügung stehen zu haben, so dass dadurch gerade vollendete Tatsachen geschaffen würden. Die vom Sozialgericht Stuttgart angesprochene Möglichkeit der Rückforderung, im Falle, dass sich das Honorar nachträglich als zu Unrecht gezahlt herausstellte, ohne dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen könne, sei nicht geeignet, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen, da die Rückforderung von ausgezahltem Honorar, auch wenn es zu Unrecht gezahlt worden sei, erfahrungsgemäß lange Zeit benötige.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.11.2011 aufzuheben und das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet, § 40 Abs. 4 SGB X sei zwar auch auf die Rechtswidrigkeit eines Teils eines Verwaltungsaktes entsprechend anzuwenden. Die Beklagte übersehe insoweit aber, dass bei der auf einen Teil eines Verwaltungsaktes begrenzten Anfechtungsklage Voraussetzung für deren Zulässigkeit nicht sei, ob bei Erfolg der Teilanfechtung der Rest des Verwaltungsaktes selbstständig fortbestehen könne oder dies wegen § 40 Abs. 4 SGB X analog ausscheide; betroffen sei insoweit allein die Begründetheit der Teilanfechtungsklage. Solange sich die Klage des G.es gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 auf Teil C des Beschlusses beschränke, komme nur insoweit eine aufschiebende Wirkung in Betracht. Damit diese sich auch auf den Beschlussteil B erstrecken könne, bedürfe es zuvor der Erstreckung der Teilanfechtungsklage auf den bislang nicht angefochtenen Teil des Verwaltungsaktes durch den G. (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 42). Das sozialgerichtliche Urteil erweise sich daher jedenfalls unter diesem Aspekt als zutreffend. Im Übrigen verbleibe der Beklagten - wie sozialgerichtlich gleichfalls zutreffend herausgestellt - immer noch die Möglichkeit, den Widerspruchsbescheid unter den Vorbehalt der Wirksamkeit des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009 zu stellen.

Mit Schreiben vom 28.06.2012 hat die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, und dass diese Vorgehensweise beabsichtigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten haben hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1, 151 SGG statthaft und zulässig; sie ist aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Honorarbescheid vom 16.05.2008 zu entscheiden. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass ein zureichender Grund für das Absehen von einer Entscheidung über den Widerspruch nicht vorliegt. Wie das Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die Beklagte über den Honoraranspruch der Klägerin im Widerspruchsverfahren jedenfalls vorläufig unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses entscheiden kann. Es ist nicht ersichtlich, warum der Beklagten eine solche vorläufige Honorarvergütung nicht möglich sein sollte. Auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts wird daher Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine Entscheidung im Rechtsstreit des G.es gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vor dem LSG Berlin-Brandenburg (Az.: L 24 KA 4/10 KL) hält der Senat deshalb auch nicht für vorgreiflich, so dass auch eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt.

Der Senat teilt auch nicht die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Realisierung einer etwaigen Rückforderung von zunächst vorläufig gewährten Honorarzahlungen. Mit der vorläufigen Zahlung des Honorars werden schon deshalb keine vollendeten Tatsachen geschaffen, weil eine Rückabwicklung von Geldzahlungen generell immer in Betracht kommt. Anhaltspunkte für eine drohende oder bestehende Zahlungsunfähigkeit des Empfängers der vorläufigen Geldleistung bestehen nicht. Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass eine gegebenenfalls notwendig werdende Rückabwicklung zu viel gezahlter Honorare lange Zeit benötigt, so ist dies nach Auffassung des Senats kein durchgreifendes Argument gegen eine Vorbehalts-Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin. Es gehört zur spezifischen Eigenart ärztlicher Honorarzahlungen, dass diese zunächst als vorläufige Zahlungen erfolgen und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen für eine Überprüfbarkeit nachträglicher Korrekturen noch zugänglich bleiben. Es obliegt der Beklagten selbst, etwaige Rückforderungen rechtzeitig geltend zu machen.

Die von der Beklagten geäußerten Bedenken hinsichtlich der Finanzierung der ausstehenden Honorare können gegebenenfalls zum Gegenstand der Widerspruchsentscheidung gemacht werden, so dass diese einer Sachprüfung unterzogen werden könnten. Einen zureichenden Grund für das Zurückstellen einer Widerspruchsentscheidung sieht der Senat in dieser Argumentation nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Ziffer 4.1 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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