Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 SB 809/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 46/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 2. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger das Merkzeichen G zusteht.
Bei dem 1939 geborenen Kläger wurden mit Bescheid vom 05.02.1981 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festgestellt. Dem lagen folgende Behinderungen zu Grunde: depressive Neurose und psychovegetatives Syndrom (GdB 60), Zervikalsyndrom bei Fehlhaltung der Halswirbelsäule, Rundrücken, Skoliose und Fehlstatik bei Beinlängendifferenz (GdB 30). Den Gründen des Bescheids ist zu entnehmen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G deshalb erfüllt waren, weil ein GdB von 80 vorlag.
Mit Bescheid vom 16.08.1984 wurde die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) aufgehoben, nachdem eine Begutachtung (Gutachten Dr. L. vom 19.07.1984) ergeben hatte, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens G nicht gegeben waren.
Am 18.04.2006 beantragte der Kläger die Eintragung des Merkzeichens G. Er habe Bewegungsschmerzen in Knie, Schulter, Wirbelsäule und Hand.
Der versorgungsärztliche Dienst kam nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-GdB nicht zu erhöhen sei und die Voraussetzungen für Merkzeichen, insbesondere für das Merkzeichen G, nicht erfüllt seien.
Mit Bescheid vom 07.09.2006 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab.
Am 22.09.2006 erhob der Kläger Widerspruch mit dem Ziel der Zuerkennung des Merkzeichens G. Der versorgungsärztliche Dienst kam nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Berichte zu der Einschätzung, dass es für die Voraussetzungen für das Merkzeichen G weit fehle. Der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 wurde im Gerichtsbescheid vom 30.10.2007, Az.: S 24 SB 1338/06 bestätigt.
In dem sich anschließenden Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (Az.:
L 15 SB 158/07) schlossen die Beteiligten am 26.02.2008 einen Vergleich dahingehend, dass sich der Beklagte bereit erklärte, auch im Rahmen des § 44 SGB X den Antrag des Klägers vom 18.04.2006 nach versorgungsärztlicher Untersuchung/Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet erneut zu prüfen und zu verbescheiden.
In der Folge wurde der Kläger chirurgisch durch Dr. K. am 07.04.2008 begutachtet. Der Sachverständige empfahl die Fortführung des GdB von 80. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G - so der Sachverständige - lägen aber nicht vor.
Mit Bescheid vom 02.05.2008 lehnte der Beklagte die Aufhebung der Bescheide vom 05.02.1981 und 16.08.1984 über § 44 SGB X und eine Neufeststellung nach § 48 SGB X ab. Die Voraussetzungen für eine Zugunstenentscheidung im Rahmen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt; eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die für den Bescheid vom 05.02.1981 sowie vom 16.08.1984 maßgebend gewesen seien, sei nicht eingetreten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G lägen weiterhin nicht vor.
Der dagegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 zurückgewiesen.
Am 09.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben und begehrt, ihm das Merkzeichen G zu gewähren. Sein Gesundheitszustand im orthopädischen Bereich - so der Kläger - habe sich verschlechtert. Er bitte das Gericht, ein orthopädisches Fachgutachten erstellen zu lassen.
Am 11.12.2008 ist der orthopädische Sachverständige Dr. T. nach persönlicher Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger weder an den Gelenken der unteren Extremitäten noch im Zusammenwirken mit den Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule derart ausgeprägte Einschränkungen erkennbar seien, dass die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt sei. Bei der Untersuchung habe er ein zügiges Gangbild unter fast fehlender Belastung des rechts mitgeführten Gehstockes gezeigt.
Gegen das Gutachten hat der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2009 u.a. eingewendet, dass der Sachverständige die ganzen Beschwerden deutlich verharmlost habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2009 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen.
Am 09.03.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen. Der vom Sozialgericht benannte Gutachter habe die Gesundheitsstörungen nicht zutreffend bewertet. Er beantrage die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen.
Der vom Gericht als Sachverständiger beauftragte Orthopäde Prof. Dr. D. hat im Gutachten vom 16.05.2010 berichtet, dass der Kläger zur Begutachtung mit einem Stock in der linken Hand erschienen sei, den er aber nur unwesentlich eingesetzt habe. Das Gangbild sei unauffällig gewesen. Der Kläger sei auf Grund der bestehenden Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüften und der Beine nicht erheblich gehbehindert.
Nachdem der Kläger vorgetragen hatte, aufgrund eines Kriegsereignisses (Detonationswelle in einem Luftschutzbunker) unter Atemnot zu leiden, ist im Rahmen der weiteren Sachaufklärung ein internistisch-pneumologisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Der Sachverständige Dr. B. (Gutachten vom 02.05.2011) hat auf seinem Fachgebiet lediglich geringgradige funktionelle Einschränkungen gesehen und darauf hingewiesen, dass die festgestellten Gesundheitseinschränkungen weder im Einzelnen noch in der Gesamtsicht eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr begründen würden. Die Zuerkennung des Merkzeichens G hat er daher nicht befürwortet.
Am 21.06.2011 hat der Kläger telefonisch angekündigt, dass er noch ein Gutachten vorlegen werde; erfüllt worden ist diese Ankündigung nicht.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 02.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2008 und des Gerichtsbescheids vom 02.02.2009 zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts München mit den Aktenzeichen S 24 SB 1338/06 und S 25 SB 809/08 sowie des Bayerischen Landessozialgerichts mit den Aktenzeichen L 15 SB 158/07 und L 2 B 195/07 SB beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Bescheide vom 05.02.1981 und 16.08.1984 über § 44 SGB X aufzuheben bzw. wegen einer vom Kläger angegebenen zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G im Rahmen einer Neufeststellung nach § 48 SGB X festzustellen.
1. Streitgegenstand
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2008. Darin enthalten sind zwei Regelungsgegenstände, nämlich zum einen die - für den Kläger teilweise negative - Überprüfungsentscheidung, die Bescheide vom 05.02.1981 und vom 16.08.1984 nicht aufzuheben, zum anderen die Ablehnung einer Neufeststellung des GdB und der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nach einer angegebenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes.
Der Streitgegenstand ist auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger das Merkzeichen G zusteht. Dies ergibt sich - wenn nicht schon der Widerspruch vom 27.05.2008 so auszulegen ist, wofür Einiges spricht - jedenfalls aus dem Vorbringen des Klägers im Verfahren vor dem Sozialgericht und zudem aus seinen Ausführungen und der Antragsstellung im Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht. Mit seinen Anträgen hat er die Zuerkennung des Merkzeichens G, nicht aber eines höheren GdB begehrt.
2. Zum Überprüfungsteil des streitgegenständlichen Bescheides:
Der Beklagte hat es im Rahmen einer Überprüfungsentscheidung abgelehnt, die bestandskräftig gewordenen Bescheide vom 05.02.1981 und vom 16.08.1984 aufzuheben. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
2.1. Rechtliche Vorgaben für die Aufhebung eines bestandskräftigen Bescheides
Ein Verwaltungsakt erwächst, wenn gegen ihn nicht oder erfolglos ein Rechtsbehelf eingelegt wird, gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Bestandskraft. Bestandskraft bedeutet, dass ein Bescheid formell unanfechtbar wird und materiell im Interesse der Rechtssicherheit für die Beteiligten Bindungswirkung entfaltet.
Eine Durchbrechung dieser Bestandskraft ist im Sinne der Gewährleistung der Rechtssicherheit nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren regelt dies § 44 SGB X, wobei dieser Regelung die Überlegung des Gesetzgebers zu Grunde liegt, dass bei einer Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit der Gerechtigkeit der Vorrang zu geben ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).
§ 44 SGB X eröffnet zwei Alternativen für die Rücknahme. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden oder der Verwaltungsträger muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat.
2.2. Überprüfung des Bescheides vom 05.02.1981
Der Beklagte hat eine Aufhebung dieses Bescheides nach Überprüfung zutreffend abgelehnt. Dagegen kann der Kläger keine Einwendungen haben, da er durch den Bescheid vom 05.02.1981 keinerlei Beschwer erfahren hat. Denn mit diesem Bescheid ist dem Kläger das Merkzeichen G zugesprochen worden, das er jetzt wieder anstrebt. Durch die nicht erfolgte Abänderung des Bescheides vom 05.02.1981 hat der Kläger damit keinerlei Rechtsnachteile erlitten; vielmehr hätte nur eine Aufhebung im Rahmen der Überprüfungsentscheidung für ihn einen rechtlichen Nachteil bedeutet.
2.3. Überprüfung des Bescheides vom 16.08.1984
Auch die Aufhebung des Bescheides vom 16.08.1984 hat der Beklagte nach Überprüfung zutreffend abgelehnt Mit diesem Bescheid ist dem Kläger das Merkzeichen G aufgrund einer Rechtsänderung entzogen worden. Zudem wurde die Entziehung darauf gestützt, dass beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die ab der Gesetzesänderung für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erforderlich war, gegeben sei. Diese, auf § 48 SGB X gestützte und ausdrücklich mit der zu § 58 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwG) eingetretenen Rechtsänderung begründete Entscheidung hat der damaligen Rechts- und Sachlage entsprochen.
Bis zum 31.03.1984 lautete die für das Merkzeichen G maßgebliche gesetzliche Regelung in § 58 Abs. 1 SchwG wie folgt:
"In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Schwerbehinderte, die in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 vom Hundert gemindert sind, gelten in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erheblich beeinträchtigt."
Ab dem 01.04.1984 hingegen war die für das Merkzeichen G maßgebliche gesetzliche Regelung in § 58 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwG) wie folgt formuliert:
"In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Der Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr kann bei Schwerbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 80 vom Hundert nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangefarbenen Flächenaufdruck und eingetragenem Merkzeichen G geführt werden, dessen Gültigkeit frühestens mit dem 1. April 1984 beginnt, oder auf dem ein entsprechender Änderungsvermerk eingetragen ist."
Die bis zum 31.03.1984 geltende und in § 58 Abs. 1 Satz 2 SchwG enthaltene gesetzliche Fiktion, wonach bei einem GdB von mindestens 80 automatisch auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G gegeben waren, ist damit aufgehoben worden. Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G ist ab dem 01.04.1984 nur noch bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr möglich. Eine solche Beeinträchtigung des Klägers hat damals nicht vorgelegen, wie sich bei der Begutachtung durch Dr. L. (Gutachten vom 19.07.1984) unzweifelhaft ergeben hat. Der Sachverständige hat das Gangbild des Klägers als unbehindert und flüssig beschrieben und ist zu dem überzeugenden Schluss gekommen, dass die für das Merkzeichen G erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Dieser offensichtlich zutreffenden Einschätzung kann sich der Senat nur anschließen.
Die eingetretene Rechtsänderung bei gleichzeitigem Fehlen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr in der Person des Klägers hat den Beklagten dazu berechtigt, über § 44 SGB X die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) aufzuheben, was der Beklagte auch in ansonsten rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen hat; die im Jahr 1984 getroffenen Tatsachenfeststellungen haben einer Neufeststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G entgegen gestanden. Von einer gesundheitlichen Einschränkung, die eine merkzeichenrelevante Einschränkung der Gehfähigkeit darstellen könnte, kann mit Sicherheit nicht ausgegangen werden. Irgendwelche damals unberücksichtigten Tatsachen, die darauf hindeuten könnten, dass die damaligen tatsächlichen Annahmen falsch gewesen sein könnten, sind nicht ansatzweise ersichtlich.
3. Zum Neufeststellungsteil (§ 48 SGB X) des streitgegenständlichen Bescheides
Der Beklagte hat es im Rahmen einer Neufeststellungsentscheidung abgelehnt, beim Kläger wegen einer von ihm behaupteten Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen. Auch diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
In den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers hat sich bis heute keine Änderung ergeben, die die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G zulassen würde.
Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheids betreffend den Neufeststellungsteil ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine merkzeichenrelevante wesentliche Änderung wäre vorliegend dann anzunehmen, wenn sich durch eine Verschlechterung der der Behinderung zugrunde liegenden Verhältnisse eine so weit gehende funktionelle Beeinträchtigung ergeben hätte, dass nunmehr die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erfüllt wären. Dies ist nicht der Fall.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, treffen sie gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX. Die materiell-rechtlichen Maßstäbe dafür ergeben sich aus den zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 Rechtsnormcharakter haben (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009, Az.: B 9 SB 3/08 R).
Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G und damit unentgeltliche Beförderung im Straßenverkehr haben gemäß
§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Die VG enthalten dazu, soweit dies hier in Betracht kommt, in Teil D Nr. 1 Buchst. b) und d) die folgenden konkretisierenden Regelungen:
"1. Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G)
...
b) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
...
d) Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen."
Keiner der mit der Beurteilung des Gesundheitszustands des Klägers befassten ärztlichen Sachverständigen hat die aufgezeigten gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt angesehen. Diese Einschätzung der Gutachter ist plausibel und überzeugend. Der Senat stützt sich auf diese übereinstimmende Einschätzung der Sachverständigen und macht sie sich zu eigen. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G begründen würde, ist bis zum heutigen Tag nicht nachgewiesen.
So hat der orthopädische Sachverständige Dr. T. (Gutachten vom 11.12.2008) berichtet, dass der Kläger den Untersuchungsraum mit zügigem Gangbild unter Verwendung eines Gehstockes rechts, der aber nicht nennenswert belastet werde, betreten habe. Erst bei forcierter Beugung der Hüftgelenke habe der Kläger Schmerzen an der Lendenwirbelsäule angegeben. Beide Kniegelenke seien frei und schmerzfrei beweglich gewesen, der Bandapparat stabil. Für die oberen und unteren Sprunggelenke gelte das Gleiche. Beide Füße würden eine seitengleich mittelkräftige Beschwielung zeigen. Sensomotorische Defizite bestünden bis auf eine diskrete verminderte Sensibilität am rechten Bein nicht. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Wirbelsäulenverformung hat der Sachverständige in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (Teil B Nr. 18.9) mit einem GdB von 30 und die Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks mit Reizzustand, Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits, Funktionsstörung durch Zehenfehlform beidseits (Hallux valgus) mit einem GdB von 20 (vgl. VG Teil B Nr. 18.14) beurteilt. Er hat beim Kläger weder an den Gelenken der unteren Extremitäten noch im Zusammenwirken mit den Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule derart ausgeprägte Einschränkungen erkennen können, dass die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt wäre.
Der Orthopäde Prof. Dr. D. ist im Gutachten vom 23.04.2009 zu einer weitgehend identischen Einschätzung wie der Vorgutachter gekommen. Er hat darauf hingewiesen, dass der Kläger zur Begutachtung mit einem Stock in der linken Hand erschienen sei, jedoch ein unauffälliges Gangbild beim Betreten des Untersuchungsraums gezeigt habe. Den Stock habe er nur unwesentlich eingesetzt. Der Sachverständige hat die Wirbelsäule und die unteren Extremitäten betreffend als Gesundheitsstörungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit muskulären Reizerscheinungen und Wirbelsäulenverformung geringen Ausmaßes (GdB maximal 30) und eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (gering) und des rechten Kniegelenks (mäßig) sowie geringe Fuß- und Zehenfehlform beidseits (GdB maximal 30) gesehen. Eine erhebliche Gehbehinderung hat er nicht feststellen können.
Schließlich ist auch der internistisch-pneumologische Gutachter Dr. B., den das Gericht lediglich wegen der vom Kläger gemachten Angaben zu Atemnotproblemen beauftragt hat, zu der Einschätzung gekommen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht gegeben seien. Eine Bestätigung der vom Kläger aufgestellten Behauptungen zu Atemproblemen ist bei der Begutachtung nicht erfolgt. Vielmehr hat der Sachverständige bei Berücksichtigung der Blutgase in Ruhe und unter Belastung keine eindeutige Einschränkung der kardio-respiratorischen Leistungsbreite feststellen können, sodass er zu dem überzeugenden Schluss gekommen ist, dass weder im Einzelnen noch in der Gesamtschau der vorliegenden Beeinträchtigungen auf orthopädischem und internistisch-pneumologischem Gebiet eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die die Zuerkennung des Merkzeichens G zulasse, zu begründen sei.
Wenn der Kläger bei der Begutachtung durch Prof. Dr. D. angegeben hat, dass er beim Gehen nach jeweils 30 Metern stehen bleiben müsse, hält der Senat diese Angabe mit Blick auf die sachverständigen Feststellungen nicht für objektiv nachvollziehbar. Dies gilt auch für die vom Kläger demonstrierte Benutzung eines Gehstocks. Der Senat geht davon aus, dass dafür keine objektive Notwendigkeit besteht, sondern der Gehstock Demonstrationsobjekt behaupteter, tatsächlich aber nicht vorliegender Einschränkungen ist. Dabei stützt sich der Senat nicht nur auf die Feststellungen der Sachverständigen, die eine Notwendigkeit der Benutzung eines Gehstocks nicht gesehen haben, sondern auch auf das eigene Verhalten des Klägers. Denn dieser hat bei der Begutachtung durch Dr. T. den Gehstock rechts, bei der Untersuchung durch Prof. Dr. D. hingegen links benutzt. Wenn noch zusätzlich berücksichtigt wird, dass alle Gutachter keine nennenswerte Belastung des Gehstocks erkennen haben können, liegt es auf der Hand, dass der Kläger den Gehstock nicht aus gesundheitsbedingten Gründen benötigt. Dafür spricht im Übrigen auch das bei den Begutachtungen jeweils weitgehend unauffällige Gangbild des Klägers, das mit den gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht in Einklang zu bringen ist.
Die von den Sachverständigen erhobenen Befunde und die gutachterliche Einschätzung der Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die sich der Senat zu eigen macht, sind überzeugend. Es ergibt sich daraus ein Bild eines Klägers, der zwar unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, der aber noch deutlich entfernt ist von einem Zustand, wie er für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erforderlich ist. Lediglich zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass auch nach der Fiktionsregelung der VG die Voraussetzungen für das Merkzeichen G deutlich nicht erfüllt sind. Ausgehend davon, dass der Einzel-GdB für die Wirbelsäule 20, allenfalls grenzwertig 30 beträgt, diese Bewertung aber nicht nur die Einschränkungen umfasst, die von der Lendewirbelsäule ausgehen, was für die Fiktionsvorschrift erforderlich wäre, sondern auch weitere Wirbelsäulenabschnitte einbezieht, zudem der Einzel-GdB für die unteren Extremitäten ebenfalls nur bei großzügiger Bewertung 30 erreicht, lässt sich für den Komplex der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule nach den Vorgaben der VG (Teil A Nr. 3) keinesfalls ein Gesamt-GdB von 50 feststellen, wie es für die Fiktionswirkung erforderlich wäre. Eine Abweichung von der Vorgabe eines Gesamt-GdB von 50 für untere Extremitäten und Lendenwirbelsäule als Voraussetzung für das Merkzeichen G lässt sich vorliegend nicht rechtfertigen, da ein seltener Ausnahmefall, bei dem Behinderungen vorliegen müssten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, nicht gegeben ist.
Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger das Merkzeichen G zusteht.
Bei dem 1939 geborenen Kläger wurden mit Bescheid vom 05.02.1981 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festgestellt. Dem lagen folgende Behinderungen zu Grunde: depressive Neurose und psychovegetatives Syndrom (GdB 60), Zervikalsyndrom bei Fehlhaltung der Halswirbelsäule, Rundrücken, Skoliose und Fehlstatik bei Beinlängendifferenz (GdB 30). Den Gründen des Bescheids ist zu entnehmen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G deshalb erfüllt waren, weil ein GdB von 80 vorlag.
Mit Bescheid vom 16.08.1984 wurde die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) aufgehoben, nachdem eine Begutachtung (Gutachten Dr. L. vom 19.07.1984) ergeben hatte, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens G nicht gegeben waren.
Am 18.04.2006 beantragte der Kläger die Eintragung des Merkzeichens G. Er habe Bewegungsschmerzen in Knie, Schulter, Wirbelsäule und Hand.
Der versorgungsärztliche Dienst kam nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-GdB nicht zu erhöhen sei und die Voraussetzungen für Merkzeichen, insbesondere für das Merkzeichen G, nicht erfüllt seien.
Mit Bescheid vom 07.09.2006 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab.
Am 22.09.2006 erhob der Kläger Widerspruch mit dem Ziel der Zuerkennung des Merkzeichens G. Der versorgungsärztliche Dienst kam nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Berichte zu der Einschätzung, dass es für die Voraussetzungen für das Merkzeichen G weit fehle. Der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 wurde im Gerichtsbescheid vom 30.10.2007, Az.: S 24 SB 1338/06 bestätigt.
In dem sich anschließenden Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (Az.:
L 15 SB 158/07) schlossen die Beteiligten am 26.02.2008 einen Vergleich dahingehend, dass sich der Beklagte bereit erklärte, auch im Rahmen des § 44 SGB X den Antrag des Klägers vom 18.04.2006 nach versorgungsärztlicher Untersuchung/Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet erneut zu prüfen und zu verbescheiden.
In der Folge wurde der Kläger chirurgisch durch Dr. K. am 07.04.2008 begutachtet. Der Sachverständige empfahl die Fortführung des GdB von 80. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G - so der Sachverständige - lägen aber nicht vor.
Mit Bescheid vom 02.05.2008 lehnte der Beklagte die Aufhebung der Bescheide vom 05.02.1981 und 16.08.1984 über § 44 SGB X und eine Neufeststellung nach § 48 SGB X ab. Die Voraussetzungen für eine Zugunstenentscheidung im Rahmen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt; eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die für den Bescheid vom 05.02.1981 sowie vom 16.08.1984 maßgebend gewesen seien, sei nicht eingetreten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G lägen weiterhin nicht vor.
Der dagegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 zurückgewiesen.
Am 09.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben und begehrt, ihm das Merkzeichen G zu gewähren. Sein Gesundheitszustand im orthopädischen Bereich - so der Kläger - habe sich verschlechtert. Er bitte das Gericht, ein orthopädisches Fachgutachten erstellen zu lassen.
Am 11.12.2008 ist der orthopädische Sachverständige Dr. T. nach persönlicher Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger weder an den Gelenken der unteren Extremitäten noch im Zusammenwirken mit den Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule derart ausgeprägte Einschränkungen erkennbar seien, dass die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt sei. Bei der Untersuchung habe er ein zügiges Gangbild unter fast fehlender Belastung des rechts mitgeführten Gehstockes gezeigt.
Gegen das Gutachten hat der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2009 u.a. eingewendet, dass der Sachverständige die ganzen Beschwerden deutlich verharmlost habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2009 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen.
Am 09.03.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen. Der vom Sozialgericht benannte Gutachter habe die Gesundheitsstörungen nicht zutreffend bewertet. Er beantrage die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen.
Der vom Gericht als Sachverständiger beauftragte Orthopäde Prof. Dr. D. hat im Gutachten vom 16.05.2010 berichtet, dass der Kläger zur Begutachtung mit einem Stock in der linken Hand erschienen sei, den er aber nur unwesentlich eingesetzt habe. Das Gangbild sei unauffällig gewesen. Der Kläger sei auf Grund der bestehenden Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüften und der Beine nicht erheblich gehbehindert.
Nachdem der Kläger vorgetragen hatte, aufgrund eines Kriegsereignisses (Detonationswelle in einem Luftschutzbunker) unter Atemnot zu leiden, ist im Rahmen der weiteren Sachaufklärung ein internistisch-pneumologisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Der Sachverständige Dr. B. (Gutachten vom 02.05.2011) hat auf seinem Fachgebiet lediglich geringgradige funktionelle Einschränkungen gesehen und darauf hingewiesen, dass die festgestellten Gesundheitseinschränkungen weder im Einzelnen noch in der Gesamtsicht eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr begründen würden. Die Zuerkennung des Merkzeichens G hat er daher nicht befürwortet.
Am 21.06.2011 hat der Kläger telefonisch angekündigt, dass er noch ein Gutachten vorlegen werde; erfüllt worden ist diese Ankündigung nicht.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 02.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2008 und des Gerichtsbescheids vom 02.02.2009 zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts München mit den Aktenzeichen S 24 SB 1338/06 und S 25 SB 809/08 sowie des Bayerischen Landessozialgerichts mit den Aktenzeichen L 15 SB 158/07 und L 2 B 195/07 SB beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Bescheide vom 05.02.1981 und 16.08.1984 über § 44 SGB X aufzuheben bzw. wegen einer vom Kläger angegebenen zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G im Rahmen einer Neufeststellung nach § 48 SGB X festzustellen.
1. Streitgegenstand
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2008. Darin enthalten sind zwei Regelungsgegenstände, nämlich zum einen die - für den Kläger teilweise negative - Überprüfungsentscheidung, die Bescheide vom 05.02.1981 und vom 16.08.1984 nicht aufzuheben, zum anderen die Ablehnung einer Neufeststellung des GdB und der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nach einer angegebenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes.
Der Streitgegenstand ist auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger das Merkzeichen G zusteht. Dies ergibt sich - wenn nicht schon der Widerspruch vom 27.05.2008 so auszulegen ist, wofür Einiges spricht - jedenfalls aus dem Vorbringen des Klägers im Verfahren vor dem Sozialgericht und zudem aus seinen Ausführungen und der Antragsstellung im Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht. Mit seinen Anträgen hat er die Zuerkennung des Merkzeichens G, nicht aber eines höheren GdB begehrt.
2. Zum Überprüfungsteil des streitgegenständlichen Bescheides:
Der Beklagte hat es im Rahmen einer Überprüfungsentscheidung abgelehnt, die bestandskräftig gewordenen Bescheide vom 05.02.1981 und vom 16.08.1984 aufzuheben. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
2.1. Rechtliche Vorgaben für die Aufhebung eines bestandskräftigen Bescheides
Ein Verwaltungsakt erwächst, wenn gegen ihn nicht oder erfolglos ein Rechtsbehelf eingelegt wird, gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Bestandskraft. Bestandskraft bedeutet, dass ein Bescheid formell unanfechtbar wird und materiell im Interesse der Rechtssicherheit für die Beteiligten Bindungswirkung entfaltet.
Eine Durchbrechung dieser Bestandskraft ist im Sinne der Gewährleistung der Rechtssicherheit nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren regelt dies § 44 SGB X, wobei dieser Regelung die Überlegung des Gesetzgebers zu Grunde liegt, dass bei einer Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit der Gerechtigkeit der Vorrang zu geben ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).
§ 44 SGB X eröffnet zwei Alternativen für die Rücknahme. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden oder der Verwaltungsträger muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat.
2.2. Überprüfung des Bescheides vom 05.02.1981
Der Beklagte hat eine Aufhebung dieses Bescheides nach Überprüfung zutreffend abgelehnt. Dagegen kann der Kläger keine Einwendungen haben, da er durch den Bescheid vom 05.02.1981 keinerlei Beschwer erfahren hat. Denn mit diesem Bescheid ist dem Kläger das Merkzeichen G zugesprochen worden, das er jetzt wieder anstrebt. Durch die nicht erfolgte Abänderung des Bescheides vom 05.02.1981 hat der Kläger damit keinerlei Rechtsnachteile erlitten; vielmehr hätte nur eine Aufhebung im Rahmen der Überprüfungsentscheidung für ihn einen rechtlichen Nachteil bedeutet.
2.3. Überprüfung des Bescheides vom 16.08.1984
Auch die Aufhebung des Bescheides vom 16.08.1984 hat der Beklagte nach Überprüfung zutreffend abgelehnt Mit diesem Bescheid ist dem Kläger das Merkzeichen G aufgrund einer Rechtsänderung entzogen worden. Zudem wurde die Entziehung darauf gestützt, dass beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die ab der Gesetzesänderung für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erforderlich war, gegeben sei. Diese, auf § 48 SGB X gestützte und ausdrücklich mit der zu § 58 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwG) eingetretenen Rechtsänderung begründete Entscheidung hat der damaligen Rechts- und Sachlage entsprochen.
Bis zum 31.03.1984 lautete die für das Merkzeichen G maßgebliche gesetzliche Regelung in § 58 Abs. 1 SchwG wie folgt:
"In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Schwerbehinderte, die in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 vom Hundert gemindert sind, gelten in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erheblich beeinträchtigt."
Ab dem 01.04.1984 hingegen war die für das Merkzeichen G maßgebliche gesetzliche Regelung in § 58 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwG) wie folgt formuliert:
"In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Der Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr kann bei Schwerbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 80 vom Hundert nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangefarbenen Flächenaufdruck und eingetragenem Merkzeichen G geführt werden, dessen Gültigkeit frühestens mit dem 1. April 1984 beginnt, oder auf dem ein entsprechender Änderungsvermerk eingetragen ist."
Die bis zum 31.03.1984 geltende und in § 58 Abs. 1 Satz 2 SchwG enthaltene gesetzliche Fiktion, wonach bei einem GdB von mindestens 80 automatisch auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G gegeben waren, ist damit aufgehoben worden. Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G ist ab dem 01.04.1984 nur noch bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr möglich. Eine solche Beeinträchtigung des Klägers hat damals nicht vorgelegen, wie sich bei der Begutachtung durch Dr. L. (Gutachten vom 19.07.1984) unzweifelhaft ergeben hat. Der Sachverständige hat das Gangbild des Klägers als unbehindert und flüssig beschrieben und ist zu dem überzeugenden Schluss gekommen, dass die für das Merkzeichen G erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Dieser offensichtlich zutreffenden Einschätzung kann sich der Senat nur anschließen.
Die eingetretene Rechtsänderung bei gleichzeitigem Fehlen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr in der Person des Klägers hat den Beklagten dazu berechtigt, über § 44 SGB X die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) aufzuheben, was der Beklagte auch in ansonsten rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen hat; die im Jahr 1984 getroffenen Tatsachenfeststellungen haben einer Neufeststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G entgegen gestanden. Von einer gesundheitlichen Einschränkung, die eine merkzeichenrelevante Einschränkung der Gehfähigkeit darstellen könnte, kann mit Sicherheit nicht ausgegangen werden. Irgendwelche damals unberücksichtigten Tatsachen, die darauf hindeuten könnten, dass die damaligen tatsächlichen Annahmen falsch gewesen sein könnten, sind nicht ansatzweise ersichtlich.
3. Zum Neufeststellungsteil (§ 48 SGB X) des streitgegenständlichen Bescheides
Der Beklagte hat es im Rahmen einer Neufeststellungsentscheidung abgelehnt, beim Kläger wegen einer von ihm behaupteten Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen. Auch diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
In den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers hat sich bis heute keine Änderung ergeben, die die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G zulassen würde.
Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheids betreffend den Neufeststellungsteil ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine merkzeichenrelevante wesentliche Änderung wäre vorliegend dann anzunehmen, wenn sich durch eine Verschlechterung der der Behinderung zugrunde liegenden Verhältnisse eine so weit gehende funktionelle Beeinträchtigung ergeben hätte, dass nunmehr die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erfüllt wären. Dies ist nicht der Fall.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, treffen sie gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX. Die materiell-rechtlichen Maßstäbe dafür ergeben sich aus den zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 Rechtsnormcharakter haben (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009, Az.: B 9 SB 3/08 R).
Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G und damit unentgeltliche Beförderung im Straßenverkehr haben gemäß
§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Die VG enthalten dazu, soweit dies hier in Betracht kommt, in Teil D Nr. 1 Buchst. b) und d) die folgenden konkretisierenden Regelungen:
"1. Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G)
...
b) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
...
d) Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen."
Keiner der mit der Beurteilung des Gesundheitszustands des Klägers befassten ärztlichen Sachverständigen hat die aufgezeigten gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt angesehen. Diese Einschätzung der Gutachter ist plausibel und überzeugend. Der Senat stützt sich auf diese übereinstimmende Einschätzung der Sachverständigen und macht sie sich zu eigen. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G begründen würde, ist bis zum heutigen Tag nicht nachgewiesen.
So hat der orthopädische Sachverständige Dr. T. (Gutachten vom 11.12.2008) berichtet, dass der Kläger den Untersuchungsraum mit zügigem Gangbild unter Verwendung eines Gehstockes rechts, der aber nicht nennenswert belastet werde, betreten habe. Erst bei forcierter Beugung der Hüftgelenke habe der Kläger Schmerzen an der Lendenwirbelsäule angegeben. Beide Kniegelenke seien frei und schmerzfrei beweglich gewesen, der Bandapparat stabil. Für die oberen und unteren Sprunggelenke gelte das Gleiche. Beide Füße würden eine seitengleich mittelkräftige Beschwielung zeigen. Sensomotorische Defizite bestünden bis auf eine diskrete verminderte Sensibilität am rechten Bein nicht. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Wirbelsäulenverformung hat der Sachverständige in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (Teil B Nr. 18.9) mit einem GdB von 30 und die Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks mit Reizzustand, Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits, Funktionsstörung durch Zehenfehlform beidseits (Hallux valgus) mit einem GdB von 20 (vgl. VG Teil B Nr. 18.14) beurteilt. Er hat beim Kläger weder an den Gelenken der unteren Extremitäten noch im Zusammenwirken mit den Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule derart ausgeprägte Einschränkungen erkennen können, dass die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt wäre.
Der Orthopäde Prof. Dr. D. ist im Gutachten vom 23.04.2009 zu einer weitgehend identischen Einschätzung wie der Vorgutachter gekommen. Er hat darauf hingewiesen, dass der Kläger zur Begutachtung mit einem Stock in der linken Hand erschienen sei, jedoch ein unauffälliges Gangbild beim Betreten des Untersuchungsraums gezeigt habe. Den Stock habe er nur unwesentlich eingesetzt. Der Sachverständige hat die Wirbelsäule und die unteren Extremitäten betreffend als Gesundheitsstörungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit muskulären Reizerscheinungen und Wirbelsäulenverformung geringen Ausmaßes (GdB maximal 30) und eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (gering) und des rechten Kniegelenks (mäßig) sowie geringe Fuß- und Zehenfehlform beidseits (GdB maximal 30) gesehen. Eine erhebliche Gehbehinderung hat er nicht feststellen können.
Schließlich ist auch der internistisch-pneumologische Gutachter Dr. B., den das Gericht lediglich wegen der vom Kläger gemachten Angaben zu Atemnotproblemen beauftragt hat, zu der Einschätzung gekommen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht gegeben seien. Eine Bestätigung der vom Kläger aufgestellten Behauptungen zu Atemproblemen ist bei der Begutachtung nicht erfolgt. Vielmehr hat der Sachverständige bei Berücksichtigung der Blutgase in Ruhe und unter Belastung keine eindeutige Einschränkung der kardio-respiratorischen Leistungsbreite feststellen können, sodass er zu dem überzeugenden Schluss gekommen ist, dass weder im Einzelnen noch in der Gesamtschau der vorliegenden Beeinträchtigungen auf orthopädischem und internistisch-pneumologischem Gebiet eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die die Zuerkennung des Merkzeichens G zulasse, zu begründen sei.
Wenn der Kläger bei der Begutachtung durch Prof. Dr. D. angegeben hat, dass er beim Gehen nach jeweils 30 Metern stehen bleiben müsse, hält der Senat diese Angabe mit Blick auf die sachverständigen Feststellungen nicht für objektiv nachvollziehbar. Dies gilt auch für die vom Kläger demonstrierte Benutzung eines Gehstocks. Der Senat geht davon aus, dass dafür keine objektive Notwendigkeit besteht, sondern der Gehstock Demonstrationsobjekt behaupteter, tatsächlich aber nicht vorliegender Einschränkungen ist. Dabei stützt sich der Senat nicht nur auf die Feststellungen der Sachverständigen, die eine Notwendigkeit der Benutzung eines Gehstocks nicht gesehen haben, sondern auch auf das eigene Verhalten des Klägers. Denn dieser hat bei der Begutachtung durch Dr. T. den Gehstock rechts, bei der Untersuchung durch Prof. Dr. D. hingegen links benutzt. Wenn noch zusätzlich berücksichtigt wird, dass alle Gutachter keine nennenswerte Belastung des Gehstocks erkennen haben können, liegt es auf der Hand, dass der Kläger den Gehstock nicht aus gesundheitsbedingten Gründen benötigt. Dafür spricht im Übrigen auch das bei den Begutachtungen jeweils weitgehend unauffällige Gangbild des Klägers, das mit den gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht in Einklang zu bringen ist.
Die von den Sachverständigen erhobenen Befunde und die gutachterliche Einschätzung der Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die sich der Senat zu eigen macht, sind überzeugend. Es ergibt sich daraus ein Bild eines Klägers, der zwar unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, der aber noch deutlich entfernt ist von einem Zustand, wie er für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erforderlich ist. Lediglich zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass auch nach der Fiktionsregelung der VG die Voraussetzungen für das Merkzeichen G deutlich nicht erfüllt sind. Ausgehend davon, dass der Einzel-GdB für die Wirbelsäule 20, allenfalls grenzwertig 30 beträgt, diese Bewertung aber nicht nur die Einschränkungen umfasst, die von der Lendewirbelsäule ausgehen, was für die Fiktionsvorschrift erforderlich wäre, sondern auch weitere Wirbelsäulenabschnitte einbezieht, zudem der Einzel-GdB für die unteren Extremitäten ebenfalls nur bei großzügiger Bewertung 30 erreicht, lässt sich für den Komplex der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule nach den Vorgaben der VG (Teil A Nr. 3) keinesfalls ein Gesamt-GdB von 50 feststellen, wie es für die Fiktionswirkung erforderlich wäre. Eine Abweichung von der Vorgabe eines Gesamt-GdB von 50 für untere Extremitäten und Lendenwirbelsäule als Voraussetzung für das Merkzeichen G lässt sich vorliegend nicht rechtfertigen, da ein seltener Ausnahmefall, bei dem Behinderungen vorliegen müssten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, nicht gegeben ist.
Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved