L 10 R 1938/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 8126/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1938/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2010 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung (KV/PV) für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.04.2008 streitig.

Mit Bescheid vom 12.03.1999 bewilligte die Beklagte dem am 29.12.1934 geborenen Kläger ab 01.04.1999 Altersrente für langjährig Versicherte; gleichzeitig bewilligte sie dem Kläger einen Beitragszuschuss zur PV (monatlich anfangs 23,88 DM, Gesamtzahlbetrag: 2.832,58 DM). Unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" ist auf Seite 4 des Bescheides ausgeführt, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss für die PV bei Eintritt von Versicherungspflicht in der KV sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der PV entfalle. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, jede Änderung des KV- und PV-Verhältnis unverzüglich mitzuteilen. Mit Bescheid vom 09.04.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger darüber hinaus ab 01.04.1999 einen Zuschuss zur KV (monatlich anfangs 187,00 DM). Auf Seite 2 des Bescheides ist unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" ausgeführt, dass die im früheren Rentenbescheid gegebenen Hinweise zu Mitteilungspflichten nach wie vor gälten. Deshalb seien Umstände, die den Leistungsanspruch oder die Höhe der Leistung in irgendeiner Weise beeinflussen könnten, umgehend mitzuteilen. Mit Bescheid vom 08.03.2004 hob die Beklagte vor dem Hintergrund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs und anderen Gesetzen vom 27.12.2003 die Bewilligung des Zuschusses zur PV ab 01.04.2004 auf berechnete darüber hinaus den bewilligten Zuschuss zur KV neu (monatlicher Betrag nunmehr: 101,99 EUR). Auf Seite 2 des Bescheides führte die Beklagte unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" aus, die bisherigen Mitteilungspflichten gälten nach wie vor. Deshalb seien Umstände, die den Leistungsanspruch oder die Höhe der Leistung beeinflussen könnten, umgehend mitzuteilen. Zur Feststellung der Höhe der im streitigen Zeitraum gewährten Zuschüsse wird auf die Aufstellung im Bescheid vom 24.04.2008 (Bl. 32 Rs VA) verwiesen.

Mit Schreiben vom 11.03.2002 informierte die B. Ersatzkasse (im Folgenden: Beigeladene), bei der der Kläger seinerzeit freiwilliges Mitglied war, den Kläger darüber, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 15.03.2000 die Regelungen über die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) für verfassungswidrig erklärt habe und er unter Berücksichtigung des neuen Rechts ab 01.04.2002 in der KVdR pflichtversichert sei. Sie wies gleichzeitig u.a. darauf hin, dass die aus der Rente zu zahlenden Beiträge vom Rentenversicherungsträger und dem Versicherten je zur Hälfte getragen würden und der Rentenversicherungsträger bei Auszahlung der Rente den Eigenanteil des Versicherten am KV- und PV-Beitrag einbehalte und diesen zusammen mit dem eigenen Beitragsanteil an sie, die Beigeladene, abführe. Beiträge für eine freiwillige Mitgliedschaft zahlte der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Nachdem der Beigeladenen im März 2008 aufgefallen war, dass für den Kläger keine Beiträge zur KV/PV gezahlt wurden, wandte sich diese zur Klärung des Sachverhalts an die Beklagte. Dabei wurde deutlich, dass die Änderung des Versicherungsverhältnisses (Pflichtmitgliedschaft in der KVdR ab 01.04.2002) seitens der Beigeladenen aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht an die Beklagte gemeldet worden war. Die von der Beklagten mit Bescheid vom 26.03.2008 durchgeführte Nacherhebung der Pflichtbeiträge ist - nach Klagerücknahme im vorliegenden Rechtsstreit - bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 24.04.2008 hob die Beklagte nach Anhörung des Klägers die Bewilligung des Zuschusses zur KV/PV gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ab 01.04.2002 auf und forderte für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.04.2008 eine Überzahlung in Höhe von 8.113,72 EUR zurück. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe auf das Bestehen des Bescheids vom 09.04.1999 vertrauen dürfen. Von der Beigeladenen habe er keine Informationen dahingehend erhalten, dass er sich um die KV-Beiträge kümmern müsse. Er habe auch nicht erkennen können, dass er die Zuschüsse zu Unrecht erhalten habe. Jedenfalls sei eine Aufhebung des genannten Bescheides mit Wirkung für die Vergangenheit ermessensfehlerhaft. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2008 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Aufhebung des Bescheids vom 09.04.1999 mit Wirkung für die Vergangenheit, und zwar ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ab 01.04.2002, sei zu Recht erfolgt, da dem Kläger auf Grund der Hinweise in diesem Bescheid bekannt gewesen sei, dass ein Anspruch auf Beitragszuschuss nur bei Bestehen einer freiwilligen KV und PV bestehe. Zudem sei er auf seine Mitteilungspflicht hingewiesen worden.

Am 05.12.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Bescheid vom 24.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2008 aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag auf Rückforderungsverzicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Er hat geltend gemacht, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass die zum 01.04.2002 erfolgte Aufnahme in die KVdR Auswirkungen auf seine Rente haben würde. Demgegenüber hätte die Beklagte die Auswirkungen erkennen müssen, da es sich nicht um eine Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen gehandelt habe.

Mit Urteil vom 14.01.2010 hat das SG dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben und die Beklagte verurteilt, über seinen Antrag auf Rückforderungsverzicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Dabei ist das SG davon ausgegangen, dass der Kläger im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X seiner Mitwirkungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Denn obwohl ihm sein Wechsel in die KVdR zum 01.04.2002 durch Schreiben der Beigeladenen vom 11.03.2002 mitgeteilt worden sei, habe er die Beklagte über diesen Sachverhalt entgegen seiner Mitwirkungspflicht nicht informiert. Da die Beklagte hinsichtlich der Höhe der Rückforderung allerdings kein Ermessen ausgeübt habe, seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und somit dahingehend abzuändern, dass die Beklagte erneut über den Rückforderungsverzicht zu entscheiden habe.

Gegen das ihr am 24.03.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.04.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und geltend gemacht, im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X sei sie nur bei Vorliegen eines atypischen Falles zur Ausübung von Ermessen verpflichtet. Ein solcher Fall liege jedoch nicht vor. Insbesondere liege - anders als das SG meine - auf ihrer Seite kein Fehlverhalten, das die Annahme eines atypischen Falles rechtfertige, vor. Denn Veranlassung für eine generelle Überprüfung ihrer freiwillig versicherten Zuschussempfänger habe nicht bestanden. Schließlich sei mit dem maschinellen Meldeverfahren eine funktionierende organisatorische Maßnahme ergriffen worden. Das Fehlverhalten der Beigeladenen habe sie sich nicht zurechnen zu lassen. In ihrer Rechtsauffassung sieht sie sich u.a. durch die Urteile des LSG vom 07.11.2006 (L 11 R 2053/06) und 23.01.2007 (L 11 R 1868/06), die sie vorlegt, bestätigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2010 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist auf die überzeugenden Gründe des angefochtenen Urteils. Aus den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen lasse sich nichts Abweichendes herleiten. Denn die jenen Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte seien mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Anders als in jenen Verfahren sei der Fehler der Sozialleistungsträger vorliegend erst nach sechs Jahren bemerkt worden. Diesem Umstand komme Bedeutung für die Gewichtung des wechselseitigen Verschuldens zu.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das SG hätte die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide nicht verurteilen dürfen, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. Denn der Bescheid der Beklagten vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hob mit diesem Bescheid die Bewilligung des Zuschusses zur KV/PV zu Recht ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, mithin ab 01.04.2002, auf und forderte die überzahlten Leistungen zurück, ohne Ermessen auszuüben.

Das SG hat die Rechtsgrundlagen, unter denen die Beklagte berechtigt ist, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X grob fahrlässig seiner Pflicht, der Beklagten die Änderung seines Versicherungsverhältnisses zum 01.04.2002 mitzuteilen, nicht nachkam und dementsprechend die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids vom 09.04.1999 mit Wirkung für die Vergangenheit erfüllt sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Auch der Kläger hat im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht, seine Mitteilungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt zu haben. Denn er hat im Rahmen seiner Berufungserwiderung ausdrücklich Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des SG und sich der Sache nach insoweit damit der Auffassung des SG angeschlossen. Damit besteht zugleich der von der Beklagten im Bescheid auch geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der überzahlten Zuschüsse (§ 50 Abs. 1 SGB X). Fehler in der Berechnung der Erstattungsforderung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Soweit das SG ausgehend hiervon den angefochtenen Bescheid allerdings deshalb für rechtswidrig erachtet hat, weil die Beklagte im Hinblick auf die Rücknahme des Bescheids mit Wirkung für die Vergangenheit kein Ermessen ausgeübt habe, hat es verkannt, dass der Beklagte kein Ermessensspielraum eröffnet war, diese vielmehr verpflichtet war, den in Rede stehenden Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Hierauf hat die Beklagte im Berufungsverfahren zutreffend hingewiesen. Entsprechend ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Es bedarf somit keiner Ausführungen zum Umstand, dass im Rahmen der hier vorliegenden reinen Anfechtungsklage kein "Bescheidungsurteil" in Betracht gekommen wäre und das SG mit seinen Ausführungen zu der Frage, wie die Beklagte ihr Ermessen auszuüben habe, seine Grenzen überschritten hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bedeutet das Wort "soll" in Abs. 1 Satz 2 des § 48 SGB X, dass der Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufzuheben ist und der Versicherungsträger nur in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. KassKomm-Steinwedel, Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X Rdnr. 36 f mit zahlreichen Hinweisen auf die Rspr. des BSG). Ein atypischer Fall in diesem Sinne liegt im Falle des Klägers nicht vor. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Zuschussbewilligung mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung für die Vergangenheit, aufhob, ohne eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Ebenso wie die Beklagte sieht auch der Senat keine Gesichtspunkte, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der vorliegende Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände des Abs. 1 Satz 2, die die Aufhebung für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht. Vielmehr liegen die Umstände, die zu der rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung führen, im Verantwortungsbereich des Klägers. Denn der Kläger selbst kam seiner Mitteilungspflicht nicht nach, obwohl für ihn klar ersichtlich war und es ihm unmittelbar einleuchten musste, dass der über den 01.04.2002 hinaus durch die Beklagte unverändert weitergezahlte Leistungsbetrag überhöht war, dies zum einen vor dem Hintergrund, dass seine freiwillige Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt endete und er hierfür keine Beiträge - an denen sich die Beklagte beteiligte - mehr entrichtete und er zum anderen durch die Mitteilung der Beigeladenen vom 11.03.2002 Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Rentenversicherungsträger den Eigenanteil des Versicherten am Beitrag zur KV/PV direkt an die Beigeladene hätte abführen müssen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Klägers, wonach er die erhöhte Rentenzahlung als Beitragsanteil der Beklagten angesehen habe. Denn aus welchem Grund er aus seiner Sicht von der Beklagten einen Beitragsanteil erhalten sollte, obwohl er selbst mit Ende der freiwilligen Mitgliedschaft zum 31.03.2002 Beiträge gerade nicht mehr abführte, hat er nicht deutlich machen können.

Der Senat vermag - entgegen der Rechtsansicht des SG - insbesondere auch kein Fehlverhalten der Beklagten zu erkennen. Diese war vor dem Hintergrund der erwähnten Entscheidung des BVerfG insbesondere nicht verpflichtet, generell bei sämtlichen Zuschussempfängern eine Überprüfung des Weiterbestehens des Anspruchs auf den Zuschuss über den 31.03.2002 hinaus durchzuführen. Vielmehr durfte sie davon ausgehen, dass die Beigeladene entsprechend ihrer Verpflichtung gemäß § 201 Abs. 5 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), wonach die Krankenkasse dem Rentenversicherungsträger unverzüglich zu melden hat, wenn der Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig wird, handelt und die Aufnahme des Klägers in die KVdR zum 01.04.2002 im automatisierten Meldeverfahren meldet. Dass die Beigeladene ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nicht nachkam, begründet kein Fehlverhalten der Beklagten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im konkreten Einzelfall des Klägers die Fehlerhaftigkeit der fortlaufenden Zuschusszahlung hätte erkennen können oder bei dieser zumindest Zweifel an der Richtigkeit hätten aufkommen müssen, sind nicht ersichtlich. Entsprechende Gesichtspunkte, wie bspw. eine persönliche Vorsprache zur Klärung des KV-Verhältnisses, hat der Kläger auch nicht aufgezeigt. Damit lässt sich auch aus dem Umstand, dass die unterbliebene Meldung der Beigeladenen über den Eintritt von Versicherungspflicht beim Kläger erst nach sechs Jahren bemerkt wurde, kein Verschulden der Beklagten ableiten.

Die unterbliebene Meldung durch die Beigeladene führt ebenfalls nicht zur Annahme eines atypischen Falles. Insbesondere muss sich die Beklagte das Fehlverhalten der Beigeladenen nicht zurechnen lassen (so im Ergebnis auch die von der Beklagten vorgelegten Urteile des 11. Senats des LSG). Die Zurechnung der Pflichtverletzung eines anderen Leistungsträgers wird bejaht, wenn zwischen zwei Leistungsträgern eine sog. "Funktionseinheit" in der Weise besteht, dass der andere Leistungsträger in den Verwaltungsablauf desjenigen Leistungsträgers arbeitsteilig eingeschaltet ist, dem eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird, dieser sich also für die Erfüllung der ihm obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages des anderen Leistungsträgers bedient (so zum Herstellungsanspruch u.a. BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 44/09 R in SozR 4-1200 § 14 Nr. 13). Eine solche "Funktionseinheit" bestand im vorliegenden Fall zwischen der Beklagten und der Beigeladenen nicht. Vielmehr handelt es sich bei der erwähnten Meldepflicht nach § 201 Abs. 5 Satz 1 SGB V um eine alleinige Pflicht der Beigeladenen, nicht um eine Verpflichtung der Beklagten.

Ein atypischer Fall ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu bejahen, dass nicht nur der Kläger seine Mitteilungspflicht, sondern auch die Beigeladene als staatliche Stelle - objektiv - ihre Meldepflicht nach § 201 Abs. 5 Satz 1 SGB V verletzte. Denn diese Meldepflicht betrifft allein den Eintritt von Versicherungspflicht und dient dazu, dem Rentenversicherungsträger die Abführung der Beiträge (s. u.a. § 255 SGB V) zu ermöglichen (KassKomm-Peters, § 201 SGB V Rdnr. 8). Hier sind aber nicht Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung Gegenstand des Rechtsstreits, sondern gewährte Beitragszuschüsse. Hierauf, auf Beitragszuschüsse, bezieht sich die o.g. Meldepflicht indessen nicht (wohl aber die Mitteilungspflicht des Klägers).

Zutreffend hat die Beklagte im Berufungsverfahren daher darauf hingewiesen, dass ein atypischer Fall nicht vorliegt und entsprechend des Regelfalls des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Aufhebung des rechtswidrig gewordenen Bescheids mit Wirkung für die Vergangenheit zu erfolgen hatte, ohne dass im Hinblick auf die Höhe des zurückzufordernden Betrages Ermessen auszuüben wäre. Damit ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die entstandene Überzahlung in Höhe von 8.113,72 EUR in voller Höhe zurückforderte. Die angefochtene Entscheidung des SG ist mithin aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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