Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 717/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2361/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die teilweise der Höhe nach erfolgte Rücknahme der Bewilligung einer Altersrente.
Die am 1944 geborene Klägerin durchlief vom 01.04.1958 - gleichzeitig der Beginn ihres rentenrechtlichen Versicherungsverlaufs - bis 31.03.1961 eine Lehre und entrichtete Pflichtbeiträge. Hinsichtlich der Einzelheiten der weiteren rentenrechtlichen Zeiten wird auf die Versicherungsverläufe im streitgegenständlichen Bescheid vom 11.05.2009 (Bl. 37 VA) und im zuvor ergangenen Bescheid vom 19.03.2009 (Bl. 26 VA) Bezug genommen.
Im Februar 2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte. Im Antragsformular verneinte sie wahrheitswidrig die Frage nach dem Vorliegen von Ausbildungszeiten. Ausgehend davon bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 19.03.2005 der Klägerin ab Februar 2009 eine Altersrente mit einem Bruttobetrag von 376,37 EUR (Stand Februar 2009; einen bereits zuvor ergangenen Rentenbescheid nahm die Beklagte wegen der Feststellung weiterer rentenrechtlicher Zeiten gleichzeitig zurück).
Nachfolgend erhielt die zuständige Leistungsabteilung der Beklagten Kenntnis von der Ausbildung der Klägerin. Mit Bescheiden vom 11.05.2009 und 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2010 nahm die Beklagte die Rentenbewilligung für die Zeit ab 01.06.2009 teilweise zurück, da sich bei Berücksichtigung der Ausbildungszeit eine geringere Summe an Entgeltpunkten und damit nur noch ein Bruttorentenbetrag von 355,52 EUR (Stand Februar 2009) ergab. Zugunsten der Klägerin berücksichtigte sie deren Vorbringen, sie - die Klägerin - sei bei der Rentenantragsstellung von der Mitarbeiterin der antragsannehmenden Stelle auf die bei Berücksichtigung der Ausbildungszeit geringere Rente hingewiesen worden und habe den Rat erhalten, diese Zeit nicht als solche anzugeben. Angesichts dessen ging die Beklagte von einem Vertrauensschutz hinsichtlich der Rentenbewilligung für die Vergangenheit aus und "verzichtete" auf eine Rückforderung der überzahlten Rente für die Monate Februar bis Mai 2009. Für die Zukunft sah die Beklagte unter Berücksichtigung der kurzen Dauer des höheren Rentenbezugs, der Differenz und dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände nach Abwägung, "sowie bei Ausübung" des Ermessens keinen Vertrauensschutz der Klägerin.
Die Summe der Entgeltpunkte wurde in den Bescheiden vom 19.03.2009 und 11.05.2009 (verkürzt) wie folgt dargestellt:
Entgeltpunkte Bescheid 19.03.2009 Bescheid 11.05.2009 Anlage für alle Beitragszeiten 11,1792 11,1792 3 Seite 2 Zuschlag für Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt (gilt nicht für Ausbildungszeiten) 1,8387 0,0836 3 Seite 4 für beitragsfreie Zeiten 0,3962 0,3815 6 Zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten (hier insb. Ausbildungszeiten) 0 0,9775 6 Zuschlag für Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung 0,8852 0,8852 20 Summe aller Entgeltpunkte 14,2993 13,5070 6
Im Übrigen wird hinsichtlich der Berechnungen auf den Inhalt der genannten Rentenbescheide Bezug genommen.
Dagegen hat die Klägerin am 04.03.2010 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.04.2012 abgewiesen. Es hat sich die Ausführungen der Beklagten zur Berechnung der Rente zu eigen gemacht und ebenfalls keinen Vertrauensschutz der Klägerin gesehen. Auf den weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 02.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.06.2012 (Montag) Berufung eingelegt. Sie macht - auch unter Hinweis auf die Beratung bei der Antragsstellung und eine Informationsbroschüre der Beklagten (Bl. 12 ff. SG-Akte) - ein Wahlrecht hinsichtlich der Berücksichtigung ihrer Ausbildung im Versicherungsverlauf gelten. Die sich bei ihr bei Berücksichtigung der Ausbildung ergebende geringere Rente verstoße gegen den gesetzgeberischen Willen, Ausbildungszeiten aufzuwerten, und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Übrigen könne der Laie überhaupt nicht beurteilen und nachprüfen, wie sich die einzelnen Zeitabschnitte bei der Rentenberechnung auswirken.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.04.2012 und die Bescheide der Beklagten vom 11.05.2009 und 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 11.05.2009 und 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2010, mit denen die Beklagte die mit Bescheid vom 19.03.2009 erfolgte Rentenbewilligung der Höhe nach mit Wirkung für die Zukunft (ab Juni 2009) teilweise - in Höhe der sich nach der Neuberechnung ergebenden Differenz zur zuvor ermittelten Bruttorente von 20,85 EUR - zurücknahm. Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG, da mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide die frühere höhere Rentenbewilligung (Bescheid vom 19.03.2009) wieder voll zum Tragen käme.
Zutreffend gehen das Sozialgericht und die Beklagte davon aus, dass als Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide allein § 45 SGB X in Betracht kommt. Danach (Abs. 1 Satz 1) darf ein - auch unanfechtbar gewordener - begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Auf der Grundlage der Berechnung der monatlichen Rente im Bescheid vom 11.05.2009 steht für den Senat fest, dass der ursprüngliche Rentenbescheid vom 19.03.2009, was die Höhe der Rente anbelangt, teilweise (in Höhe der eben genannten Differenz) rechtswidrig war. Dabei bestreitet auch die Klägerin die Richtigkeit der neuen Berechnung unter Berücksichtigung ihres tatsächlichen Versicherungsverlaufs (berufliche Ausbildung in den ersten drei Jahren) und bei Anwendung der geltenden Vorschriften des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) nicht.
Allerdings macht die Klägerin, scheinbar gestützt auf (unzutreffende) Informationen einer Rentenberaterin bei der Antragsstellung, ein Wahlrecht hinsichtlich der Nicht-/Berücksichtigung ihrer Ausbildungszeiten geltend, das sie nunmehr auch aus einem ansonsten eintretenden Verstoß gegen den gesetzgeberischen Willen, einen positiven Ausgleich für Ausbildungszeiten zu schaffen, und aus einer ansonsten eintretenden sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die keine Ausbildung durchliefen, herleitet. Ein solches Wahlrecht existiert jedoch nicht. Eine Rechtsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich.
Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (Nr. 1), der Rentenartfaktor (Nr. 2) und der aktuelle Rentenwert (Nr. 3) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Im Streit steht hier allein die Ermittlung der maßgeblichen persönlichen Entgeltpunkte. Fehler hinsichtlich der weiteren Berechnungselemente wurden nicht geltend gemacht und sind auch für den Senat nicht ersichtlich, so dass von einer weiteren Darstellung diesbezüglich abgesehen wird.
Die Beklagte ermittelte die persönlichen Entgeltpunkte in dem angefochtenen Bescheid vom 11.05.2009 zutreffend mit 13,5070 statt zuvor 14,2993.
Nach § 66 Abs. 1 SGB VI ergeben sich die persönlichen Entgeltpunkte bei Altersrenten, indem die Summe aller Entgeltpunkte für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und ggf. Zuschläge mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird.
Beitragszeiten sind nach § 54 Abs. 1 SGB VI Zeiten mit vollwertigen Beiträgen (Nr. 1a) und beitragsgeminderte Zeiten (Nr. 1b). Nach Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift gelten als beitragsgeminderte Zeiten Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung).
Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Bei geringem Arbeitsentgelt sind nach Maßgabe des § 262 Abs. 1 SGB VI Mindestentgeltpunkte zu berücksichtigen. Dies ist der Fall, wenn mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten ergibt. Dann wird die Summe der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten erhöht, indem zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt werden. Diese sind so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 01.01.1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5-fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber in Höhe von 0,0625 Entgeltpunkten ergibt.
Neben den Entgeltpunkten für Beitragszeiten nach § 70 SGB VI sind bei der Ermittlung der Summe der Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten Entgeltpunkte nach § 71 Abs. 1 SGBVI zu ermitteln. Ferner ist für beitragsgeminderte Zeiten nach § 71 Abs. 2 SGB VI zu prüfen, ob die Summe der Entgeltpunkte um einen Zuschlag so zu erhöhen ist, dass mindestens der Wert erreicht wird, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit, wegen einer schulischen Ausbildung und als Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung oder als sonstige beitragsfreie Zeiten hätten. Bei der Bewertung der beitragsfreien Zeiten sowie bei der Ermittlung der zusätzlichen Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten sind die Regelungen zur Grund- und Vergleichsbewertung nach §§ 72, 73 SGB VI zu beachten.
Ferner sind nach § 76b SGB VI Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung zu berücksichtigen, deren Höhe sich durch die neue Berechnung nicht veränderte und die damit auch nicht im Streit stehen.
Aus den genannten gesetzlichen Vorschriften ergibt sich, dass der Ermittlung der Entgeltpunkte eine aufwändige und ausdifferenzierte Systematik zu Grunde liegt, bei der nicht nur die tatsächlich einbezahlten Beiträge berücksichtigt werden, sondern in unterschiedlicher Weise, zum Teil unter vergleichsweisen Berechnungen, auch ein Ausgleich für Zeiten mit geringen oder fehlenden Beiträgen geschaffen wird. Für den Senat besteht kein Zweifel daran, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte bei Anwendung dieser Vorschriften stets der tatsächliche Versicherungsverlauf des Betroffenen zu Grunde zu legen ist. Die Anwendung einer "Rosinentheorie" dergestalt, dass (indirekte) nachteilige Auswirkungen bestimmter rentenrechtlicher Zeiten durch deren Verschweigen ausgeblendet werden, um dadurch einen höheren Rentenanspruch zu realisieren, kommt nicht in Betracht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dem Infobrief der Beklagten 01/09 vom April 2009 kein Wahlrecht hinsichtlich der Kennzeichnung von Zeiten als Ausbildungszeiten entnommen werden. Abgesehen davon, dass eine solche Information die geltende Gesetzeslage nicht verändern würde, wird in diesem Infobrief sinngemäß nur auf die regelmäßig günstige Folge der Kennzeichnung von Zeiten als Ausbildungszeiten ("Vermeidung von Nachteilen eines Minderverdienstes regelt § 54 Abs. 3 SGB VI" - korrekter: § 71 Abs. 2 i.V.m. § 54 Abs. 3 SGB VI) hingewiesen. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Rentenanträge sorgfältig, d.h. richtig und vollständig auszufüllen. Der Umkehrschluss, dass Rentenanträge wissentlich unrichtig oder unvollständig ausgefüllt werden dürfen, insbesondere wenn die richtige Darstellung entgegen der Regelannahme finanzielle Nachteile mit sich bringt, ist allerdings nicht gerechtfertigt.
Der von der Klägerin gesehene Verstoß gegen den Willen des Gesetzgebers, für Zeiten, in denen wegen einer Lehre oder Ausbildung ein geringer Verdienst erzielt wurde, über § 71 Abs. 2 SGB VI einen Ausgleich zu schaffen, liegt nicht vor. Denn die Kennzeichnung der Ausbildungszeiten als solche führte nach den Anlagen 4 und 6 zum Rentenbescheid vom 11.05.2009 zur Berücksichtigung von 0,9775 zusätzlichen Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten, die im Rentenbescheid vom 19.03.2009 noch nicht berücksichtigt worden waren (s. die dortigen Anlagen).
Dass sich im Ergebnis gleichwohl eine geringere Summe an Entgeltpunkten und damit ein geringerer Rentenbetrag ergab, liegt daran, dass die Nichtkennzeichnung der Ausbildungszeiten im Rentenbescheid vom 19.03.2009 im Rahmen der dort vorgenommenen Ausgleichsberechnungen (geringfügiges Entgelt, beitragsfreie Zeiten, s.o.) zu einer mit der tatsächlichen Sachlage nicht übereinstimmenden und damit nicht gerechtfertigten Begünstigung der Klägerin führte.
In den Rentenbescheiden ist in der jeweiligen Anlage 6 die Summe der Entgeltpunkte mit ihren einzelnen Komponenten dargestellt. Zum Nachteil der Klägerin hat sich die Kennzeichnung der Ausbildungszeiten vor allem bei der Bestimmung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten ausgewirkt (vormals 13,0179 Punkte, nunmehr 11,2628 Punkte). Maßgeblich für diesen Unterschied ist die nach § 262 SGB VI erfolgte Ermittlung der Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt. Aus der Anlage 3 zu den Rentenbescheiden ergibt sich, dass die Summe der Entgeltpunkte für alle Beitragszeiten mit 11,1792 keine Änderung erfahren hat. Allerdings wirkt sich bei Berücksichtigung der tatsächlichen Ausbildungszeit für die Klägerin nun aus, dass § 262 Abs. 1 SGB VI eine Mindestbewertung für Zeiten mit geringem Entgelte allein für vollwertige Pflichtbeitragszeiten vorsieht. Dazu gehören die 36 Monate der absolvierten Ausbildung nicht, weil es sich um beitragsgeminderte Zeiten handelt (§ 54 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Deswegen erfolgte die Hochrechnung des zu berücksichtigenden Höchstwertes von 0,0625 Entgeltpunkte daher nicht mehr für 157 Monate, sondern nur noch für 121 Monate.
Da sich damit der Ausgleich für geringes Arbeitsentgelt auf deutlich weniger Monate beschränkte, ergaben sich nur noch 0,0836 statt vormals 1,8387 zusätzliche Entgeltpunkte. Dabei ist noch einmal klarzustellen, dass sich dieser Nachteil aus dem gesetzgeberischen Willen herleitet, nur vollwertige Pflichtbeitragszeiten mit geringem Entgelt zu fördern. Ausbildungszeiten sollen von diesem Ausgleich nach dem gesetzgeberischen Willen nicht erfasst werden. Mit § 262 SGB VI sollte für langjährige Versicherte, die über einen längeren Zeitraum hinweg nur geringes Arbeitseinkommen bezogen haben, ein sozialer Ausgleich geschaffen werden. Dabei regelt diese Vorschrift nur die Mindestbewertung vollwertiger Pflichtbeitragszeiten (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 262 SGB VI Rdnr. 2 und 3). Die Nichtkennzeichnung der Ausbildungszeiten im Bescheid vom März 2009 hatte daher zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und so auch nicht geregelten Bevorzugung, mithin zur teilweisen Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung, geführt.
Die allein wegen der Anwendung des § 262 SGB VI nachteilige Veränderung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten führt letztlich auch zu Nachteilen bei der nach § 71 SGB VI vorzunehmenden Ermittlung der Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass sich im neuen Versicherungsverlauf nicht nur die Kennzeichnung der ersten 36 Monate als Ausbildungszeiten änderte, sondern auch die Verteilung des Verdienstes in der Zeit vom 01.01. bis 30.06.1961 anders erfolgte. Wie sich aus Bl. 28 Verwaltungsakte ergibt, meldete der damalige Ausbildungsbetrieb für diesen Zeitraum insgesamt und ohne monatliche Aufteilung 1.180,65 DM. Im Versicherungsverlauf vom 19.03.2009 verteilte die Beklagte diesen Betrag gleichmäßig auf die Monate Januar bis Juni 1961. Nachdem sich aber herausstellte, dass bis März 1961 ein Ausbildungsverhältnis vorlag, nahm die Beklagte nachvollziehbar an, dass bis März 1961 ein geringeres Ausbildungsgehalt gezahlt wurde, das sie rechnerisch stimmig unter Zugrundelegung des Jahresverdienstes im Jahr 1960 auf rund 103,00 DM monatlich ermittelte. Darauf aufbauend sind im neuen Versicherungsverlauf nunmehr von Januar 1961 bis März 1961 ein Verdienst von 309,26 DM und von April bis Juni 1961 von 871,39 DM eingetragen.
Bei den hier im Einzelnen zur Ermittlung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten in den Anlagen 4 der Rentenbescheide dargestellten Berechnungsschritten im Rahmen der Grund- und Vergleichsbewertung zeigt sich, dass sich die Kennzeichnung der Ausbildungszeiten teils positiv und teils negativ auswirkte. Zugunsten der Klägerin ergaben sich wegen der anderen Verteilung der Entgelte in der Zeit vom 01.01.1961 bis 30.06.1961 (s. eben) zunächst höhere zusätzliche Entgeltpunkte für Zeiten der beruflichen Ausbildung (vormals 2,0406, jetzt 2,5039). Dieser Vorteil von 0,4633 Punkten, wird jedoch durch die um 1,7551 geringeren Punkte für Beitragszeiten aufgezehrt, sodass sich gegenüber vormals ermittelten 34,3008 Entgeltpunkte für die Grundbewertung nunmehr nur noch 33,0090 - bei gleichbleibendem Wert für die Berücksichtigungszeiten - ergaben. Hieraus folgten bei der Grund- und Vergleichsbewertung ein geringerer Durchschnittswert (maßgeblich hier die jeweils höhere Grundbewertung von 0,0545 statt zuvor 0,0566), der sich bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die beitragsfreien Zeiten von 0,3815 statt vormals 0,3962 für sieben Monate nachteilig auswirkte.
Im Ergebnis konnte die negative Veränderung bei den Entgeltpunkten für Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten bei gleichbleibendem Zuschlag für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung durch die nach § 71 Abs. 2 SGB VI ermittelten zusätzlichen Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten (s. oben) nicht mehr ausgeglichen werden. Die Summe aller Entgeltpunkte (vor Berücksichtigung des Zugangsfaktors) verminderte sich vielmehr von 14,2993 auf 13,5070 Punkte, was die von der Klägerin beklagte Rentenminderung zur Folge hat.
Nachdem bereits dargestellt wurde, dass ein Verstoß gegen die gesetzgeberische Intention in der Weise, wie sie die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, nicht gesehen wird, ist weiter anzumerken, dass auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorliegt. Die Klägerin vergleicht unterschiedliche Lebenssachverhalte. Wie dargestellt, liegt die hier letztlich maßgebliche "Ungleichbehandlung" darin, dass bei der Mindestbewertung nach § 262 SGB VI ausschließlich vollwertige Beitragszeiten höher bewertet werden, nicht aber beitragsgeminderte Zeiten, d.h. im Wesentlichen nicht Ausbildungszeiten. Dies begegnet jedoch keinen Bedenken. Bei der Privilegierung von Zeiten mit geringem Verdienst ist es nicht willkürlich, dass der Gesetzgeber zwischen Ausbildungszeiten und sonstigen Beschäftigungszeiten unterschied. Denn es handelt sich um verschiedene Stadien des beruflichen Werdegangs eines Versicherten. Dies gilt erst Recht nachdem der Gesetzgeber für beitragsgeminderte Ausbildungszeiten einen Ausgleich über § 71 Abs. 2 SGBVI schuf und sich somit für eine gesonderte Betrachtung dieser Zeiten mit regelmäßig ebenfalls sehr geringem Einkommen entschied. Die Klägerin vergleicht hier letztlich unterschiedliche Versicherungsverläufe, die angesichts der dargestellten Komplexität der sozialen Ausgleichsmechanismen nicht vereinfachend gleichgesetzt werden können. Dies wird auch daran deutlich, dass bei Versicherten, die eine Ausbildung durchlaufen haben, regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sie später ein höheres Entgelt erzielen, als Versicherte ohne Ausbildung. Im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierung und Pauschalisierung (allgemein dazu s. u.a. Beschluss des BVerfG vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09 in juris) stellt es keinen verfassungsrelevanten Verstoß dar, wenn sich verschiedene Ausgleichsmechanismen nicht zwingend rentensteigernd ergänzen.
Die Klägerin kann sich hinsichtlich der hier allein streitigen teilweisen Rücknahme der Rentenbewilligung für die Zukunft nicht auf Vertrauen berufen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nicht möglich, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Abs. 2 Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Zutreffend gehen die Beteiligten und das Sozialgericht davon aus, dass sich die Vertrauensschutzentscheidung vorliegend nach dem allgemeinen Grundsatz in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X, d.h. einer umfassenden Abwägungsentscheidung, zu richten hat. Insbesondere sind nach den Darstellungen der Klägerin zum Ablauf des Beratungsgesprächs bei der Rentenantragsstellung die Voraussetzungen für einen fehlenden Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht gegeben - was auch von der Beklagten und dem Sozialgericht zu Recht nicht in Frage gestellt worden ist.
Die von der Beklagten im Bescheid vom 14.10.2009 und im Widerspruchsbescheid vorgenommene Abwägungsentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X hält der Senat, wie schon das Sozialgericht, für überzeugend. Trotz der hier im Raum stehenden unrichtigen Beratung bei der Rentenantragstellung sprach gegen einen Vertrauensschutz für die Zukunft, dass die Klägerin die Rente lediglich für eine kurze Dauer bezog, die Auszahlungsdifferenz für Vermögensdispositionen nicht von Bedeutung war, dem öffentlichen Interesse an der Herstellung recht- und gesetzmäßiger Zustände ein großes Gewicht zukommt und der Klägerin auf Grund der, wenn auch unrichtigen, Beratung, bewusst war, dass hier bei Berücksichtigung der Ausbildungszeit - also bei Zugrundelegung des wahren Sachverhalts - eine geringere Rente im Raum stand.
Die Beklagte hat hier gerade noch hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, auch eine Ermessensentscheidung getroffen zu haben. Im Bescheid vom 14.10.2009 hat sie ausgeführt, dass die von der Klägerin angeführten sowie die sich aus dem Akteninhalt ergebenden Gründe bei der Prüfung, ob Vertrauensschutz besteht, "sowie bei der Ausübung des Ermessens" beachtet wurden. Auch im Widerspruchsbescheid wurde, nachdem die Berechtigung einer Rücknahme für die Zukunft ab 01.06.2009 argumentativ dargelegt wurde, noch einmal abschließend angemerkt, dass dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsaktes ein höheres Gewicht zukomme, als dem Interesse der Klägerin an der fortwirkenden Rechtskraft der erteilten Bescheide. Angesichts des Umstandes, dass sich die in den angefochtenen Bescheiden umfassend dargestellten Abwägungsgesichtspunkte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X letztlich mit den im Rahmen eines Ermessens zu berücksichtigenden Gesichtspunkte weitgehend decken und dass es an weiteren vorgetragenen Tatsachen für eine Ermessensausübung fehlte, sind die diesbezüglichen Darlegungen der Beklagten ausreichend (zur Überschneidung von Abwägungs- und Ermessensgesichtspunkten: Kasseler Kommentar, a.a.O., § 45 Rdnr. 53, u.a. mit Hinweis auf das Urteil des BSG vom 05.11.1997, 9 RV 20/96 in SozR 3-1300 § 45 Nr. 37, in dem für den Fall, dass nach einer umfassenden Interessensabwägung für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übriggeblieben sind, sogar von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen wurde).
Die für die Rücknahme maßgeblichen Fristen nach § 45 Abs. 3, Abs. 4 SGB X sind eingehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die teilweise der Höhe nach erfolgte Rücknahme der Bewilligung einer Altersrente.
Die am 1944 geborene Klägerin durchlief vom 01.04.1958 - gleichzeitig der Beginn ihres rentenrechtlichen Versicherungsverlaufs - bis 31.03.1961 eine Lehre und entrichtete Pflichtbeiträge. Hinsichtlich der Einzelheiten der weiteren rentenrechtlichen Zeiten wird auf die Versicherungsverläufe im streitgegenständlichen Bescheid vom 11.05.2009 (Bl. 37 VA) und im zuvor ergangenen Bescheid vom 19.03.2009 (Bl. 26 VA) Bezug genommen.
Im Februar 2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte. Im Antragsformular verneinte sie wahrheitswidrig die Frage nach dem Vorliegen von Ausbildungszeiten. Ausgehend davon bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 19.03.2005 der Klägerin ab Februar 2009 eine Altersrente mit einem Bruttobetrag von 376,37 EUR (Stand Februar 2009; einen bereits zuvor ergangenen Rentenbescheid nahm die Beklagte wegen der Feststellung weiterer rentenrechtlicher Zeiten gleichzeitig zurück).
Nachfolgend erhielt die zuständige Leistungsabteilung der Beklagten Kenntnis von der Ausbildung der Klägerin. Mit Bescheiden vom 11.05.2009 und 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2010 nahm die Beklagte die Rentenbewilligung für die Zeit ab 01.06.2009 teilweise zurück, da sich bei Berücksichtigung der Ausbildungszeit eine geringere Summe an Entgeltpunkten und damit nur noch ein Bruttorentenbetrag von 355,52 EUR (Stand Februar 2009) ergab. Zugunsten der Klägerin berücksichtigte sie deren Vorbringen, sie - die Klägerin - sei bei der Rentenantragsstellung von der Mitarbeiterin der antragsannehmenden Stelle auf die bei Berücksichtigung der Ausbildungszeit geringere Rente hingewiesen worden und habe den Rat erhalten, diese Zeit nicht als solche anzugeben. Angesichts dessen ging die Beklagte von einem Vertrauensschutz hinsichtlich der Rentenbewilligung für die Vergangenheit aus und "verzichtete" auf eine Rückforderung der überzahlten Rente für die Monate Februar bis Mai 2009. Für die Zukunft sah die Beklagte unter Berücksichtigung der kurzen Dauer des höheren Rentenbezugs, der Differenz und dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände nach Abwägung, "sowie bei Ausübung" des Ermessens keinen Vertrauensschutz der Klägerin.
Die Summe der Entgeltpunkte wurde in den Bescheiden vom 19.03.2009 und 11.05.2009 (verkürzt) wie folgt dargestellt:
Entgeltpunkte Bescheid 19.03.2009 Bescheid 11.05.2009 Anlage für alle Beitragszeiten 11,1792 11,1792 3 Seite 2 Zuschlag für Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt (gilt nicht für Ausbildungszeiten) 1,8387 0,0836 3 Seite 4 für beitragsfreie Zeiten 0,3962 0,3815 6 Zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten (hier insb. Ausbildungszeiten) 0 0,9775 6 Zuschlag für Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung 0,8852 0,8852 20 Summe aller Entgeltpunkte 14,2993 13,5070 6
Im Übrigen wird hinsichtlich der Berechnungen auf den Inhalt der genannten Rentenbescheide Bezug genommen.
Dagegen hat die Klägerin am 04.03.2010 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.04.2012 abgewiesen. Es hat sich die Ausführungen der Beklagten zur Berechnung der Rente zu eigen gemacht und ebenfalls keinen Vertrauensschutz der Klägerin gesehen. Auf den weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 02.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.06.2012 (Montag) Berufung eingelegt. Sie macht - auch unter Hinweis auf die Beratung bei der Antragsstellung und eine Informationsbroschüre der Beklagten (Bl. 12 ff. SG-Akte) - ein Wahlrecht hinsichtlich der Berücksichtigung ihrer Ausbildung im Versicherungsverlauf gelten. Die sich bei ihr bei Berücksichtigung der Ausbildung ergebende geringere Rente verstoße gegen den gesetzgeberischen Willen, Ausbildungszeiten aufzuwerten, und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Übrigen könne der Laie überhaupt nicht beurteilen und nachprüfen, wie sich die einzelnen Zeitabschnitte bei der Rentenberechnung auswirken.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.04.2012 und die Bescheide der Beklagten vom 11.05.2009 und 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 11.05.2009 und 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2010, mit denen die Beklagte die mit Bescheid vom 19.03.2009 erfolgte Rentenbewilligung der Höhe nach mit Wirkung für die Zukunft (ab Juni 2009) teilweise - in Höhe der sich nach der Neuberechnung ergebenden Differenz zur zuvor ermittelten Bruttorente von 20,85 EUR - zurücknahm. Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG, da mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide die frühere höhere Rentenbewilligung (Bescheid vom 19.03.2009) wieder voll zum Tragen käme.
Zutreffend gehen das Sozialgericht und die Beklagte davon aus, dass als Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide allein § 45 SGB X in Betracht kommt. Danach (Abs. 1 Satz 1) darf ein - auch unanfechtbar gewordener - begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Auf der Grundlage der Berechnung der monatlichen Rente im Bescheid vom 11.05.2009 steht für den Senat fest, dass der ursprüngliche Rentenbescheid vom 19.03.2009, was die Höhe der Rente anbelangt, teilweise (in Höhe der eben genannten Differenz) rechtswidrig war. Dabei bestreitet auch die Klägerin die Richtigkeit der neuen Berechnung unter Berücksichtigung ihres tatsächlichen Versicherungsverlaufs (berufliche Ausbildung in den ersten drei Jahren) und bei Anwendung der geltenden Vorschriften des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) nicht.
Allerdings macht die Klägerin, scheinbar gestützt auf (unzutreffende) Informationen einer Rentenberaterin bei der Antragsstellung, ein Wahlrecht hinsichtlich der Nicht-/Berücksichtigung ihrer Ausbildungszeiten geltend, das sie nunmehr auch aus einem ansonsten eintretenden Verstoß gegen den gesetzgeberischen Willen, einen positiven Ausgleich für Ausbildungszeiten zu schaffen, und aus einer ansonsten eintretenden sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die keine Ausbildung durchliefen, herleitet. Ein solches Wahlrecht existiert jedoch nicht. Eine Rechtsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich.
Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (Nr. 1), der Rentenartfaktor (Nr. 2) und der aktuelle Rentenwert (Nr. 3) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Im Streit steht hier allein die Ermittlung der maßgeblichen persönlichen Entgeltpunkte. Fehler hinsichtlich der weiteren Berechnungselemente wurden nicht geltend gemacht und sind auch für den Senat nicht ersichtlich, so dass von einer weiteren Darstellung diesbezüglich abgesehen wird.
Die Beklagte ermittelte die persönlichen Entgeltpunkte in dem angefochtenen Bescheid vom 11.05.2009 zutreffend mit 13,5070 statt zuvor 14,2993.
Nach § 66 Abs. 1 SGB VI ergeben sich die persönlichen Entgeltpunkte bei Altersrenten, indem die Summe aller Entgeltpunkte für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und ggf. Zuschläge mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird.
Beitragszeiten sind nach § 54 Abs. 1 SGB VI Zeiten mit vollwertigen Beiträgen (Nr. 1a) und beitragsgeminderte Zeiten (Nr. 1b). Nach Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift gelten als beitragsgeminderte Zeiten Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung).
Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Bei geringem Arbeitsentgelt sind nach Maßgabe des § 262 Abs. 1 SGB VI Mindestentgeltpunkte zu berücksichtigen. Dies ist der Fall, wenn mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten ergibt. Dann wird die Summe der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten erhöht, indem zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt werden. Diese sind so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 01.01.1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5-fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber in Höhe von 0,0625 Entgeltpunkten ergibt.
Neben den Entgeltpunkten für Beitragszeiten nach § 70 SGB VI sind bei der Ermittlung der Summe der Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten Entgeltpunkte nach § 71 Abs. 1 SGBVI zu ermitteln. Ferner ist für beitragsgeminderte Zeiten nach § 71 Abs. 2 SGB VI zu prüfen, ob die Summe der Entgeltpunkte um einen Zuschlag so zu erhöhen ist, dass mindestens der Wert erreicht wird, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit, wegen einer schulischen Ausbildung und als Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung oder als sonstige beitragsfreie Zeiten hätten. Bei der Bewertung der beitragsfreien Zeiten sowie bei der Ermittlung der zusätzlichen Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten sind die Regelungen zur Grund- und Vergleichsbewertung nach §§ 72, 73 SGB VI zu beachten.
Ferner sind nach § 76b SGB VI Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung zu berücksichtigen, deren Höhe sich durch die neue Berechnung nicht veränderte und die damit auch nicht im Streit stehen.
Aus den genannten gesetzlichen Vorschriften ergibt sich, dass der Ermittlung der Entgeltpunkte eine aufwändige und ausdifferenzierte Systematik zu Grunde liegt, bei der nicht nur die tatsächlich einbezahlten Beiträge berücksichtigt werden, sondern in unterschiedlicher Weise, zum Teil unter vergleichsweisen Berechnungen, auch ein Ausgleich für Zeiten mit geringen oder fehlenden Beiträgen geschaffen wird. Für den Senat besteht kein Zweifel daran, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte bei Anwendung dieser Vorschriften stets der tatsächliche Versicherungsverlauf des Betroffenen zu Grunde zu legen ist. Die Anwendung einer "Rosinentheorie" dergestalt, dass (indirekte) nachteilige Auswirkungen bestimmter rentenrechtlicher Zeiten durch deren Verschweigen ausgeblendet werden, um dadurch einen höheren Rentenanspruch zu realisieren, kommt nicht in Betracht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dem Infobrief der Beklagten 01/09 vom April 2009 kein Wahlrecht hinsichtlich der Kennzeichnung von Zeiten als Ausbildungszeiten entnommen werden. Abgesehen davon, dass eine solche Information die geltende Gesetzeslage nicht verändern würde, wird in diesem Infobrief sinngemäß nur auf die regelmäßig günstige Folge der Kennzeichnung von Zeiten als Ausbildungszeiten ("Vermeidung von Nachteilen eines Minderverdienstes regelt § 54 Abs. 3 SGB VI" - korrekter: § 71 Abs. 2 i.V.m. § 54 Abs. 3 SGB VI) hingewiesen. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Rentenanträge sorgfältig, d.h. richtig und vollständig auszufüllen. Der Umkehrschluss, dass Rentenanträge wissentlich unrichtig oder unvollständig ausgefüllt werden dürfen, insbesondere wenn die richtige Darstellung entgegen der Regelannahme finanzielle Nachteile mit sich bringt, ist allerdings nicht gerechtfertigt.
Der von der Klägerin gesehene Verstoß gegen den Willen des Gesetzgebers, für Zeiten, in denen wegen einer Lehre oder Ausbildung ein geringer Verdienst erzielt wurde, über § 71 Abs. 2 SGB VI einen Ausgleich zu schaffen, liegt nicht vor. Denn die Kennzeichnung der Ausbildungszeiten als solche führte nach den Anlagen 4 und 6 zum Rentenbescheid vom 11.05.2009 zur Berücksichtigung von 0,9775 zusätzlichen Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten, die im Rentenbescheid vom 19.03.2009 noch nicht berücksichtigt worden waren (s. die dortigen Anlagen).
Dass sich im Ergebnis gleichwohl eine geringere Summe an Entgeltpunkten und damit ein geringerer Rentenbetrag ergab, liegt daran, dass die Nichtkennzeichnung der Ausbildungszeiten im Rentenbescheid vom 19.03.2009 im Rahmen der dort vorgenommenen Ausgleichsberechnungen (geringfügiges Entgelt, beitragsfreie Zeiten, s.o.) zu einer mit der tatsächlichen Sachlage nicht übereinstimmenden und damit nicht gerechtfertigten Begünstigung der Klägerin führte.
In den Rentenbescheiden ist in der jeweiligen Anlage 6 die Summe der Entgeltpunkte mit ihren einzelnen Komponenten dargestellt. Zum Nachteil der Klägerin hat sich die Kennzeichnung der Ausbildungszeiten vor allem bei der Bestimmung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten ausgewirkt (vormals 13,0179 Punkte, nunmehr 11,2628 Punkte). Maßgeblich für diesen Unterschied ist die nach § 262 SGB VI erfolgte Ermittlung der Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt. Aus der Anlage 3 zu den Rentenbescheiden ergibt sich, dass die Summe der Entgeltpunkte für alle Beitragszeiten mit 11,1792 keine Änderung erfahren hat. Allerdings wirkt sich bei Berücksichtigung der tatsächlichen Ausbildungszeit für die Klägerin nun aus, dass § 262 Abs. 1 SGB VI eine Mindestbewertung für Zeiten mit geringem Entgelte allein für vollwertige Pflichtbeitragszeiten vorsieht. Dazu gehören die 36 Monate der absolvierten Ausbildung nicht, weil es sich um beitragsgeminderte Zeiten handelt (§ 54 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Deswegen erfolgte die Hochrechnung des zu berücksichtigenden Höchstwertes von 0,0625 Entgeltpunkte daher nicht mehr für 157 Monate, sondern nur noch für 121 Monate.
Da sich damit der Ausgleich für geringes Arbeitsentgelt auf deutlich weniger Monate beschränkte, ergaben sich nur noch 0,0836 statt vormals 1,8387 zusätzliche Entgeltpunkte. Dabei ist noch einmal klarzustellen, dass sich dieser Nachteil aus dem gesetzgeberischen Willen herleitet, nur vollwertige Pflichtbeitragszeiten mit geringem Entgelt zu fördern. Ausbildungszeiten sollen von diesem Ausgleich nach dem gesetzgeberischen Willen nicht erfasst werden. Mit § 262 SGB VI sollte für langjährige Versicherte, die über einen längeren Zeitraum hinweg nur geringes Arbeitseinkommen bezogen haben, ein sozialer Ausgleich geschaffen werden. Dabei regelt diese Vorschrift nur die Mindestbewertung vollwertiger Pflichtbeitragszeiten (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 262 SGB VI Rdnr. 2 und 3). Die Nichtkennzeichnung der Ausbildungszeiten im Bescheid vom März 2009 hatte daher zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und so auch nicht geregelten Bevorzugung, mithin zur teilweisen Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung, geführt.
Die allein wegen der Anwendung des § 262 SGB VI nachteilige Veränderung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten führt letztlich auch zu Nachteilen bei der nach § 71 SGB VI vorzunehmenden Ermittlung der Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass sich im neuen Versicherungsverlauf nicht nur die Kennzeichnung der ersten 36 Monate als Ausbildungszeiten änderte, sondern auch die Verteilung des Verdienstes in der Zeit vom 01.01. bis 30.06.1961 anders erfolgte. Wie sich aus Bl. 28 Verwaltungsakte ergibt, meldete der damalige Ausbildungsbetrieb für diesen Zeitraum insgesamt und ohne monatliche Aufteilung 1.180,65 DM. Im Versicherungsverlauf vom 19.03.2009 verteilte die Beklagte diesen Betrag gleichmäßig auf die Monate Januar bis Juni 1961. Nachdem sich aber herausstellte, dass bis März 1961 ein Ausbildungsverhältnis vorlag, nahm die Beklagte nachvollziehbar an, dass bis März 1961 ein geringeres Ausbildungsgehalt gezahlt wurde, das sie rechnerisch stimmig unter Zugrundelegung des Jahresverdienstes im Jahr 1960 auf rund 103,00 DM monatlich ermittelte. Darauf aufbauend sind im neuen Versicherungsverlauf nunmehr von Januar 1961 bis März 1961 ein Verdienst von 309,26 DM und von April bis Juni 1961 von 871,39 DM eingetragen.
Bei den hier im Einzelnen zur Ermittlung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten in den Anlagen 4 der Rentenbescheide dargestellten Berechnungsschritten im Rahmen der Grund- und Vergleichsbewertung zeigt sich, dass sich die Kennzeichnung der Ausbildungszeiten teils positiv und teils negativ auswirkte. Zugunsten der Klägerin ergaben sich wegen der anderen Verteilung der Entgelte in der Zeit vom 01.01.1961 bis 30.06.1961 (s. eben) zunächst höhere zusätzliche Entgeltpunkte für Zeiten der beruflichen Ausbildung (vormals 2,0406, jetzt 2,5039). Dieser Vorteil von 0,4633 Punkten, wird jedoch durch die um 1,7551 geringeren Punkte für Beitragszeiten aufgezehrt, sodass sich gegenüber vormals ermittelten 34,3008 Entgeltpunkte für die Grundbewertung nunmehr nur noch 33,0090 - bei gleichbleibendem Wert für die Berücksichtigungszeiten - ergaben. Hieraus folgten bei der Grund- und Vergleichsbewertung ein geringerer Durchschnittswert (maßgeblich hier die jeweils höhere Grundbewertung von 0,0545 statt zuvor 0,0566), der sich bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die beitragsfreien Zeiten von 0,3815 statt vormals 0,3962 für sieben Monate nachteilig auswirkte.
Im Ergebnis konnte die negative Veränderung bei den Entgeltpunkten für Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten bei gleichbleibendem Zuschlag für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung durch die nach § 71 Abs. 2 SGB VI ermittelten zusätzlichen Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten (s. oben) nicht mehr ausgeglichen werden. Die Summe aller Entgeltpunkte (vor Berücksichtigung des Zugangsfaktors) verminderte sich vielmehr von 14,2993 auf 13,5070 Punkte, was die von der Klägerin beklagte Rentenminderung zur Folge hat.
Nachdem bereits dargestellt wurde, dass ein Verstoß gegen die gesetzgeberische Intention in der Weise, wie sie die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, nicht gesehen wird, ist weiter anzumerken, dass auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorliegt. Die Klägerin vergleicht unterschiedliche Lebenssachverhalte. Wie dargestellt, liegt die hier letztlich maßgebliche "Ungleichbehandlung" darin, dass bei der Mindestbewertung nach § 262 SGB VI ausschließlich vollwertige Beitragszeiten höher bewertet werden, nicht aber beitragsgeminderte Zeiten, d.h. im Wesentlichen nicht Ausbildungszeiten. Dies begegnet jedoch keinen Bedenken. Bei der Privilegierung von Zeiten mit geringem Verdienst ist es nicht willkürlich, dass der Gesetzgeber zwischen Ausbildungszeiten und sonstigen Beschäftigungszeiten unterschied. Denn es handelt sich um verschiedene Stadien des beruflichen Werdegangs eines Versicherten. Dies gilt erst Recht nachdem der Gesetzgeber für beitragsgeminderte Ausbildungszeiten einen Ausgleich über § 71 Abs. 2 SGBVI schuf und sich somit für eine gesonderte Betrachtung dieser Zeiten mit regelmäßig ebenfalls sehr geringem Einkommen entschied. Die Klägerin vergleicht hier letztlich unterschiedliche Versicherungsverläufe, die angesichts der dargestellten Komplexität der sozialen Ausgleichsmechanismen nicht vereinfachend gleichgesetzt werden können. Dies wird auch daran deutlich, dass bei Versicherten, die eine Ausbildung durchlaufen haben, regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sie später ein höheres Entgelt erzielen, als Versicherte ohne Ausbildung. Im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierung und Pauschalisierung (allgemein dazu s. u.a. Beschluss des BVerfG vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09 in juris) stellt es keinen verfassungsrelevanten Verstoß dar, wenn sich verschiedene Ausgleichsmechanismen nicht zwingend rentensteigernd ergänzen.
Die Klägerin kann sich hinsichtlich der hier allein streitigen teilweisen Rücknahme der Rentenbewilligung für die Zukunft nicht auf Vertrauen berufen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nicht möglich, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Abs. 2 Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Zutreffend gehen die Beteiligten und das Sozialgericht davon aus, dass sich die Vertrauensschutzentscheidung vorliegend nach dem allgemeinen Grundsatz in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X, d.h. einer umfassenden Abwägungsentscheidung, zu richten hat. Insbesondere sind nach den Darstellungen der Klägerin zum Ablauf des Beratungsgesprächs bei der Rentenantragsstellung die Voraussetzungen für einen fehlenden Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht gegeben - was auch von der Beklagten und dem Sozialgericht zu Recht nicht in Frage gestellt worden ist.
Die von der Beklagten im Bescheid vom 14.10.2009 und im Widerspruchsbescheid vorgenommene Abwägungsentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X hält der Senat, wie schon das Sozialgericht, für überzeugend. Trotz der hier im Raum stehenden unrichtigen Beratung bei der Rentenantragstellung sprach gegen einen Vertrauensschutz für die Zukunft, dass die Klägerin die Rente lediglich für eine kurze Dauer bezog, die Auszahlungsdifferenz für Vermögensdispositionen nicht von Bedeutung war, dem öffentlichen Interesse an der Herstellung recht- und gesetzmäßiger Zustände ein großes Gewicht zukommt und der Klägerin auf Grund der, wenn auch unrichtigen, Beratung, bewusst war, dass hier bei Berücksichtigung der Ausbildungszeit - also bei Zugrundelegung des wahren Sachverhalts - eine geringere Rente im Raum stand.
Die Beklagte hat hier gerade noch hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, auch eine Ermessensentscheidung getroffen zu haben. Im Bescheid vom 14.10.2009 hat sie ausgeführt, dass die von der Klägerin angeführten sowie die sich aus dem Akteninhalt ergebenden Gründe bei der Prüfung, ob Vertrauensschutz besteht, "sowie bei der Ausübung des Ermessens" beachtet wurden. Auch im Widerspruchsbescheid wurde, nachdem die Berechtigung einer Rücknahme für die Zukunft ab 01.06.2009 argumentativ dargelegt wurde, noch einmal abschließend angemerkt, dass dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsaktes ein höheres Gewicht zukomme, als dem Interesse der Klägerin an der fortwirkenden Rechtskraft der erteilten Bescheide. Angesichts des Umstandes, dass sich die in den angefochtenen Bescheiden umfassend dargestellten Abwägungsgesichtspunkte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X letztlich mit den im Rahmen eines Ermessens zu berücksichtigenden Gesichtspunkte weitgehend decken und dass es an weiteren vorgetragenen Tatsachen für eine Ermessensausübung fehlte, sind die diesbezüglichen Darlegungen der Beklagten ausreichend (zur Überschneidung von Abwägungs- und Ermessensgesichtspunkten: Kasseler Kommentar, a.a.O., § 45 Rdnr. 53, u.a. mit Hinweis auf das Urteil des BSG vom 05.11.1997, 9 RV 20/96 in SozR 3-1300 § 45 Nr. 37, in dem für den Fall, dass nach einer umfassenden Interessensabwägung für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übriggeblieben sind, sogar von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen wurde).
Die für die Rücknahme maßgeblichen Fristen nach § 45 Abs. 3, Abs. 4 SGB X sind eingehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Aus
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